Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3876 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3349 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in Niedersachsen - Ist das Umweltministerium fachlich darauf vorbereitet? In meiner Anfrage „Wie wird die Seveso-III-Richtlinie in Niedersachsen umgesetzt?“ vom 14. Januar 2015 hatte ich der Landesregierung insgesamt acht inhaltliche Fragen gestellt. Die Antwort der Landesregierung vom 11. März 2015 umfasst nicht einmal zwei DIN-A 4-Seiten. Obwohl die fachlich korrekte Umsetzung der Richtlinie große Auswirkungen auf das Leben aller Niedersachsen hat, wurden auch nach Meinung von Experten die gestellten Fragen nicht oder nicht ausreichend beantwortet . Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Welche rechtlichen Änderungen sind in Deutschland und in Niedersachsen durch die Seveso-III-Richtlinie notwendig?“ - Warum wurden in der Antwort des Umweltministers das Baugesetzbuch, das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz und das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz nicht erwähnt? 2. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Wie weit sind Deutschland und Niedersachsen bei der Umsetzung dieser Richtlinie?“ Der Umweltminister will gemäß der Antwort der Landesregierung erst tätig werden, „wenn die bundesrechtlichen Änderungen präzise vorliegen“. Warum konnte das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg bereits am 7. März 2014 einen Entwurf zur Änderung des Landeskatastrophenschutzgesetzes vorgelegen, der direkten Bezug auf die Seveso-III-Richtlinie nimmt und warum wählt Niedersachsen diesen Weg nicht? 3. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Wie viele niedersächsische Unternehmen waren von der Seveso-II-Richtlinie betroffen?“ In der Antwort des Umweltministers dazu steht eine Zahl von „ca. 550“. Auf welcher Grundlage wurde diese Zahl ermittelt und wie kann sie auch von Außenstehenden nachvollzogen werden? 4. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Wie viele niedersächsische Unternehmen werden von der Seveso-III-Richtlinie betroffen sein?“ Warum ist der Umweltminister trotz der nachgelagerten Gewerbeaufsichtsämter nicht in der Lage, zu erläutern, wie viele Unternehmen in Niedersachsen mit gefährlichen Stoffen umgehen, und welchen Eindruck macht dies nach Auffassung der Landesregierung auf die Öffentlichkeit? 5. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Wie wirkt sich die Seveso-III-Richtlinie auf die Sicherheit in niedersächsischen Unternehmen aus?“ Die Antwort des Umweltministers lässt den Schluss zu, dass sich „keine wesentlichen Änderungen“ ergeben werden. Wenn dies zutrifft , warum ist dann die Seveso-II-Richtlinie nicht wie schon im Jahr 2003 durch einfache Erweiterung novelliert worden, statt eine neue Richtlinie „Seveso III“ herauszugeben? 6. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Wie beurteilt die Landesregierung die Anforderungen der Seveso-III-Richtlinie hinsichtlich der Sicherheit in Unternehmen?“ Die Antwort des Umweltministers lässt den Schluss zu, dass sich „keine wesentlichen Änderungen“ ergeben werden. Warum hat die Europäische Union die neue Seveso-III-Richtlinie erlassen, und welche Unterschiede sieht die Landesregierung zur Seveso-II-Richtlinie? 7. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Welche technischen Systeme gibt es nach Kenntnis der Landesregierung, um die erweiterten Anforderungen, die die Seveso-III-Richtlinie an Unternehmen richtet, seitens der Unternehmen zu erfüllen?“ Nach Aussage des Umweltministers ist „auf dem Markt eine Vielzahl von Sicherheitsmanagementsystemen verfüg- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3876 2 bar“. Unter welcher Produktbezeichnung und von welchen Firmen werden die fünf bekanntesten Systeme verkauft? 8. Die Frage der ursprünglichen Anfrage lautete: „Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, die Entwicklung und Einführung technischer Überwachungssysteme, die der Einhaltung von Pflichten aus der Seveso-III-Richtlinie dienen, zu fördern? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?“ Mit welchen Systemen, arbeiten die niedersächsischen Gewerbeaufsichtsämter, und welcher Hilfsmittel werden sie sich bedienen, um die von Minister Wenzel genannten 1 000 Unternehmen in Niedersachsen zu überprüfen? a) Sind diese Systeme geeignet, eine vollständige Auswertung und Analyse aller Risikoaspekte eines Unternehmens durchzuführen? b) Inwiefern können diese Systeme Risikosteuerungsmechanismen einbeziehen? c) Inwiefern können diese Systeme Störfallfolgenmodellierungen durchführen und erwartete und mögliche Personen-, Umwelt- und Sachschäden abbilden? d) Inwiefern können diese Systeme Sicherheitskosten-Nutzen Analysen durchführen? e) Inwiefern können diese Systeme dynamischen Auswertungen aller Sicherheitseinrichtungen und organisatorischen Maßnahmen durchführen? f) Inwiefern können diese Systeme die Effektivität der Notfallplanungen bewerten? g) Inwiefern beziehen diese Systeme die Geoposition und die Umgebung des Unternehmens in die Überprüfung ein? 9. Sollten die Gewerbeaufsichtsämter mit den ihnen zur Verfügung stehenden Instrumenten die unter 8 a) bis g) abgefragten Analysen nicht durchführen können: Ist es aus Sicht der Landesregierung sinnvoll und geboten, den Gewerbeaufsichtsämtern solche Überwachungssysteme zur Verfügung zu stellen? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, was tut die Landesregierung, um technische Überwachungsinstrumente mit den genannten Fähigkeiten in der Gewerbeaufsicht künftig einsetzen zu können? 10. Wann wird das in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung (Seite 88) genannte „Kompetenzzentrum Großschadenslagen“ seine Arbeit aufnehmen, „um mögliche atomare, aber auch Chemieunfälle oder andere Großschadenslagen besser bewältigen zu können“? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 04.07.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/05-0011 - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die nicht abschließende Aufzählung notwendiger Änderungen in Bundes- und Landesgesetzen wurde in der Antwort durch die Worte „unter anderem“ („u. a.“) und „zumindest“ deutlich gemacht. Seit dem 26.05.2015 liegen der Landesregierung von der Bundesregierung noch nicht beschlossene und innerhalb dieser noch nicht abschließend abgestimmte Entwürfe für ein Artikelgesetz sowie eine Artikelverordnung zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie vor. Geändert werden sollen nach den Entwürfen das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das Gesetz über die Umweltver- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3876 3 träglichkeitsprüfung, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, die Störfall-Verordnung (12. BImSchV) sowie die Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV). Eine Änderung des Baugesetzbuches enthält der Entwurf des Artikelgesetzes nicht. Daneben sind Änderungen der Bauordnungen der Länder erforderlich, die sich an die unter den Ländern abzustimmende Fassung der Musterbauordnung anlehnen werden. In Niedersachsen ist beabsichtigt, die Niedersächsische Bauordnung an die Erfordernisse der Seveso-III-Richtlinie unter Berücksichtigung der Vorschläge der Musterbauordnung anzupassen, sobald die bundesrechtlichen Regelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz zur Umsetzung der Richtlinie in Kraft getreten sind. Die Bauordnungen der Länder können nur zum Bundesrecht im Einklang stehende, ergänzende Regelungen aufnehmen. Deshalb müssen die vom Bund zu erlassenden Vorschriften zunächst abgewartet werden. Mit dem derzeit in der Ressortanhörung befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes (NKatSG) soll u. a. auch die Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Die in Artikel 12 der Richtlinie vorgeschriebenen externen Notfallpläne für Betriebe der oberen Klasse sind - wie bisher die Störfallbetriebe mit erweiterten Pflichten - dem Katastrophenschutz zuzuordnen; die Gesetzgebungskompetenz liegt insoweit bei den Ländern. Mit der neuen Richtlinie wird für den Bereich des Katastrophenschutzes erstmals eine Frist von zwei Jahren eingeführt, um nach Erhalt der erforderlichen Unterlagen einen externen Notfallplan zu erstellen. § 10 a NKatSG soll entsprechend ergänzt werden. Das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) ist von der Seveso-III-Richtlinie nicht betroffen . Zu 2: Warum das Innenministerium in Baden-Württemberg bereits tätig geworden ist, kann von hier nicht beurteilt werden. Die für den Katastrophenschutz relevanten Umsetzungen der Seveso-III-Richtlinie in das Niedersächsische Landesrecht befinden sich in der Vorbereitung. Auf die Beantwortung zu Frage 1 wird verwiesen. Zu 3: Gemäß § 14 Abs. 2 der Störfall-Verordnung hat das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz entsprechend den Anforderungen der Seveso-II-RL innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf eines jeden Dreijahreszeitraums dem BMUB einen Bericht über die von der Störfall-Verordnung betroffenen Betriebsbereiche zu übermitteln. Das BMUB leitet diesen Bericht entsprechend Artikel 19 Abs. 4 der Seveso-II-RL an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften weiter. Niedersachsen hat für den Berichtszeitraum 2009 bis 2011 dem BMUB eine Liste mit 257 Betriebsbereichen übermittelt. Derzeit ist der nächste Bericht für den Zeitraum von 2012 bis 2014 in Vorbereitung . Im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage (Drs. 17/3224) wurde Ihnen der Zwischenstand der derzeitigen Datenerhebung übermittelt. Nach Abschluss der Datenerhebung wird die neue Liste der Betriebsbereiche auf der Internetseite des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz unter dem Pfad Themen/ Technischer Umweltschutz/ Anlagensicherheit veröffentlicht. Zu 4: Ob eine Anlage unter den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung fällt, hängt davon ab, ob in ihr gefährliche Stoffe vorhanden sind oder vorhanden sein können, die im Anhang 1 der 12. BImSchV mit entsprechenden Mengenschwellen genannt sind. Der Betreiber einer Anlage hat nach Inkrafttreten der novellierten Störfall-Verordnung zu überprüfen, ob und wenn ja welche gefährlichen Stoffe in seinem Betrieb vorhanden sind oder vorhanden sein können, die im neuen Anhang 1 der Störfall-Verordnung genannt sind. Gemäß § 7 der Störfallverordnung hat er der zuständigen Behörde die Mengen und die physikalische Form der gefährlichen Stoffe sowie ausreichende Angaben zur Identifizierung der gefährlichen Stoffe oder der Kategorie gefährlicher Stoffe anzuzeigen . Erst nach Vorliegen der Anzeigen liegen belastbare Zahlen über die Anzahl der Betriebe vor, die unter den Geltungsbereich der Seveso-III-RL in Niedersachsen fallen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3876 4 Zu 5 und 6: Bereits in den Erwägungsgründen zur Seveso-III-Richtlinie wird ausgeführt, dass die bestehenden Bestimmungen der Seveso-II-Richtlinie „im Großen und Ganzen für den Zweck“ des Verhütens und der Begrenzung der Unfallfolgen schwerer Unfälle „angemessen“ sind. Bereits nach den Vorgaben der Seveso-II-Richtlinie sind die Betriebe verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um schwere Unfälle zu verhüten und deren Folgen zu mildern und zu beseitigen. Hierzu gehören nach der Seveso-II-Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen das Erstellen von Konzepten zur Verhinderung schwerer Unfälle, die Implementierung von Sicherheitsmanagementsystemen, die Erstellung von Sicherheitsberichten und interner und externer Notfallpläne. Im Hinblick auf die aus Sicht des MU wesentlichen Änderungen der Seveso-III-Richtlinie im Vergleich zur Seveso-IIRichtlinie wird auf die Vorbemerkungen zur Drs. 17/3224 verwiesen. Eine detaillierte Übersicht der Unterschiede zwischen der Seveso-II-RL und der Seveso-III-RL ist in folgender achtseitigen Zusammenstellung des DIHK enthalten: http://www.hk24.de/blob/hhihk24/innovation/energiefragen/downloads/1165338/809413c9a323b40d 0538118bea745c69/Uebersicht_Aenderungen_Seveso_III_16_08_2012-data.pdf Eine synoptische Darstellung aller Änderungen bezüglich der Regelungen der Seveso-III-Richtlinie im Vergleich zur Seveso-II-Richtlinie enthält eine Textsammlung des WEKA-Verlags zum Thema „Anlagensicherheit und Störfallvorsorge“. Im Erwägungsgrund 4 der Seveso-III-Richtlinie 2012/18/EU wird ausgeführt, dass es aus Sicht der EU angebracht ist, die Richtlinie 96/82/EG zu ersetzen, um sicherzustellen, dass das bestehende Schutzniveau erhalten bleibt und weiter verbessert wird, indem die Bestimmungen wirksamer und effizienter gemacht werden und wo möglich unnötiger Verwaltungsaufwand durch Straffung oder Vereinfachung reduziert wird, sofern bei der Sicherheit, beim Umweltschutz und beim Schutz der Gesundheit des Menschen keine Abstriche gemacht werden. Zu 7: Im Rahmen der Erstellung eines Konzeptes zur Verhinderung von Störfällen bzw. zur Erstellung eines Sicherheitsberichtes hat der Betreiber eine Risikobeurteilung seines Betriebsbereiches durchzuführen , aus der sich die technischen, managementspezifischen und organisatorischen Anforderungen ergeben. Dabei kann es sich z. B. um technische Vorrichtungen zur Begrenzung von ungeplanten Freisetzungen, einschließlich Berieselungsanlage, Dampfabschirmung, Auffangvorrichtung oder -behälter, Notabsperrventil, Inertisierungssystem und Löschwasserrückhaltung handeln. Die notwendigen sicherheitstechnischen Maßnahmen zum Brand- und Explosionsschutz, gegen Ereignisse durch äußere Einwirkung, gegen Eingriffe Unbefugter, bezüglich Warn- Alarm- und Sicherheitseinrichtungen sowie Prozessleittechnik sind u. a. von den örtlichen Gegebenheiten, der Verfahrenstechnik und stoffspezifischen Gefahren abhängig. Eine wichtige Erkenntnisquelle für praxisgerechte Schutzkonzepte ist z. B. die VDI-RL 2180 „Sicherung von Anlagen der Verfahrenstechnik mit Mitteln der Prozessleittechnik“. Anforderungen zur Betriebssicherheit bzw. zum Schutz vor Gesundheitsgefahren bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen enthalten u. a. die Technischen Regeln für Betriebssicherheit und die Technischen Regeln für Gefahrstoffe. Bauliche Anforderungen zum Brandschutz ergeben sich u. a. aus der Industriebaurichtlinie. Anforderungen an das vom Betreiber zu implementierende Sicherheitsmanagementsystem enthält Anhang III der Seveso-Richtlinien. Im Managementsystem sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen : Organisation und Personal, Ermittlung und Bewertung der Gefahren schwerer Unfälle, Betriebskontrolle, sichere Durchführung von Änderungen, Planung für Notfälle, Leistungsüberwachung sowie Audit und Überprüfung. Der Betreiber kann hierbei auf verschiedene genormte Managementsysteme wie z. B: EN ISO 9000ff, ISO 14001, ISO 18001 und EMAS (Eco-Management und Audit Scheme) zurückgreifen, die vom Anlagenbetreiber gegebenenfalls um die o. g. Aspekte im Sinne eines „integrierten Managementsystems“ zu ergänzen sind. Ob und inwieweit er sich hierbei eines am Markt verfügbaren Produktes bedient oder eigenverantwortlich entwickelt liegt in seiner Verantwortung. Erkenntnisse zu den von den Betreibern zur Erfüllung der Pflichten des Störfallrechts eingesetzten EDV-gestützten Tools liegen hier nicht vor. Der Einsatz entsprechender Instrumente liegt ausschließlich in der Entscheidungskompetenz des Betreibers. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3876 5 Zu 8 und 9: Wie bereits oben ausgeführt, ist es die Aufgabe des Betreibers durch sicherheitstechnische, organisatorische oder managementspezifische Maßnahmen die Verhinderung von Störfällen und die Begrenzung von Störfallauswirkungen sicherzustellen. Ihm obliegt es, zu entscheiden, ob und welche Managementtools zum Einsatz kommen. Die zuständige Überwachungsbehörde hat gemäß den Vorgaben des § 16 der 12. BImSchV bzw. Artikel 20 der Seveso-III-Richtlinie eine planmäßige und systematische Überprüfung der vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Verhinderung von Störfällen und der Begrenzung der Auswirkungen im Hinblick auf Vollständigkeit und Plausibilität vorzunehmen. In der Dienstanweisung für die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter sind grundsätzlich die Aufgabenwahrnehmung und die Art, der Umfang und die Fristen für Betriebsbesichtigungen geregelt. Für die Durchführung der Inspektionen von Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung wurde zusätzlich ein Leitfaden mit Vorgaben für die zu prüfenden Aspekte eingeführt. Die zuständige Behörde hat z. B. zu prüfen, ob die erforderlichen Dokumente vorliegen, ob die vorhandenen Maßnahmen geeignet sind schwere Unfälle zu verhüten, ob angemessene Mittel zur Begrenzung der Folgen innerhalb und außerhalb des Betriebsgeländes vorhanden sind und ob der Sicherheitsbericht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die zuständige Überwachungsbehörde kann bei der Durchführung sicherheitstechnischer Prüfungen sowie von sicherheitstechnischen Unterlagen Sachverständige, die nach § 29 b BImSchG bekannt gegeben wurden, einbinden. Diese Art der Überwachung und die eingesetzten Überwachungsinstrumente wie Vor-Ort-Inspektionen sowie Prüfung der vom Betreiber vorzulegenden Dokumente entsprechen den gesetzlichen Vorgaben. Eine über die Prüfung der Plausibilität von Maßnahmen des Anlagenbetreibers hinausgehende Überwachung und der Einsatz weiterer Überwachungsinstrumente erfordert eine Erhöhung der personellen Ressourcen in den Überwachungsbehörden. Mit der im Fragetext angesprochenen Überprüfung von „1 000 Unternehmen“ sind wahrscheinlich die Anlagen, die den Anforderungen der Industrie-Emissions-Richtlinie (IED) unterliegen, gemeint. IED-Anlagen müssen von Störfallanlagen unterschieden werden. Nicht jede IED-Anlage ist auch eine Störfallanlage. Die zuständigen Gewerbeaufsichtsämter wurden per Erlass aufgefordert, für alle IED-Anlagen bis Ende 2017 ein Genehmigungs- und Nebenbestimmungskataster zu erstellen. Hierbei handelt es sich um eine umfangreiche und zeitaufwendige Dokumentation, in der alle die Anlage betreffenden Genehmigungen, Änderungsgenehmigungen, Anzeigen, Anordnungen etc. unter Angabe der jeweiligen Rechtsgrundlage und der entscheidenden Behörde sowie sämtliche für die IED-Anlagenüberwachung maßgeblichen Nebenbestimmungen aus den verschiedenen Umweltrechtsbereichen aufzulisten sind. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Drs. 17/3224 verwiesen. Zu 10: Das Kompetenzzentrum Großschadenlagen (KomZ) im MI, dass aufgrund der Erfahrungen mit dem Elbehochwasser 2002 und dem Chemieunfall nach dem Zugunglück in Bad Münder 2002 sowie der neuen Bedrohungslage nach den Anschlägen vom 11.09.2001 errichtet wurde, übernimmt bei Schadenlagen verschiedene Funktionen der Beratung, des Controllings und des administrativen Managements. Daneben soll es im Alltagsbetrieb die verschiedenen präventiven Strategien vernetzen und für die Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen der Gefahrenabwehr sorgen. Die Aufgaben des Kompetenzzentrums lassen sich für den Schadensfall wie folgt umschreiben (nicht abschließend): – Koordination und Vernetzung an den Schnittstellen von Politik, Verwaltung und Einsatzgeschehen unterhalb des interministeriellen Krisenstabes (z. B. Ausräumung von Verfahrenshindernissen und Klärung von Zuständigkeiten), – vertikale und horizontale Vernetzung aller Behörden und Stellen, die an der Schadensbekämpfung mitwirken, – Controlling des Einsatzgeschehens, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3876 6 – Controlling und Koordination der Schadensabwicklung (z. B. Koordination der Zuwendungen bei der Verteilung von EU- oder Bundesmitteln), – Koordination der Hilfe für Betroffene und der psychosozialen Nachsorge, – Vorbereitungen und Moderation politischer Reaktionen (z. B. Organisation von Bürgerversammlungen , Aufarbeitung des Einsatzgeschehens), – Unterstützung und Beratung von Führungsstäben, – Vorbereitung und Abstimmung von Stellungnahmen im und für den politischen Bereich, – Gewährleistung erkennbarer Präsenz der Landesregierung in kritischen Situationen, – Organisation und Geschäftsführung des Krisenteams. Im Laufe der bisherigen Tätigkeit hat sich das Aufgabenspektrum des KomZ erweitert; zum einen durch die Koordinierung überörtlicher und länderübergreifender Hilfestellungen (zuletzt anlässlich der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013) und zum anderen durch zusätzliche Führungs- und Einsatzaufgaben im Zusammenhang mit kerntechnischen Unfällen als Folge der Erkenntnisse der Reaktorunfälle in Fukushima, Japan. In diesem Rahmen wurden beispielsweise die technischen Möglichkeiten geschaffen, die es ermöglichen, dass eine radiologische Fachberatung im KomZ stattfinden kann. Mit dieser Anbindung an das Radiologische Lagezentrum beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz in Hildesheim kann in einem Ereignisfall die radiologische Lage im KomZ erarbeitet und festgestellt werden. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 15.07.2015) Drucksache 17/3876 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3349 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in Niedersachsen - Ist das Umweltministerium fachlich darauf vorbereitet? Antwort der Landesregierung