Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3911 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3594 - Was hat die Landesregierung getan, um den Umbruch von Ackergrasflächen zu verhindern? Anfrage des Abgeordneten Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 27.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 04.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 08.07.2015, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung des Abgeordneten In diesem Frühjahr haben viele Landwirte in Niedersachsen Ackerflächen umgebrochen, auf denen fünf Jahre in Folge Ackerfutterkulturen angebaut wurden oder die aus der Produktion genommen worden waren. Anschließend wird für ein Jahr eine Acker- oder Zwischenfrucht bestellt, bevor dann im Folgejahr wieder Grünlandsaat ausgebracht wird. Die betreffenden Flächen wurden zum Teil für Agrarumweltprogramme, Wasserkooperationen oder Vertragsnaturschutz freiwillig zur Verfügung gestellt - immer unter Zubilligung, dass der Ackerlandstatus für die Zukunft erhalten bleibt. Durch diese Maßnahmen der Landwirte wurden neue Lebensräume geschaffen, die Artenvielfalt gefördert , das Grundwasser geschont und das Landschaftsbild bereichert. Hintergrund der nun stattgefundenen Umbrüche ist die Sorge der Landwirte, dass die offiziell mit dem Ackerlandstatus versehenen Flächen zu Dauergrünland geworden wären, was erhebliche Nutzungseinschränkungen und Wertverluste nach sich gezogen hätte. Begründet wurde diese Sorge durch eine veränderte Interpretation des Grünlandbegriffs durch die EU-Kommission. Entsprechend der neuen Auslegung bekamen Flächen, auf denen fünf Jahre lang wechselnde Ackerfutterkulturen angebaut wurden, den Status Dauergrünland. Dem Vernehmen nach hätte dies vor allem Flächen betreffen können, die über die 5 % Greeningpflicht hinausgehen. Diese Fünf-Jahres-Regelung sollte in Zukunft auch für Ackerflächen gelten, die aus der Produktion genommen wurden und begrünt wurden. Diese Vorgabe bedeutete einen Paradigmenwechsel in der Agrarumweltpolitik, denn bisher gab es einen Konsens, nach dem die Fünf-Jahres-Regelung in freiwilligen Programmen nicht greift. Der Landtag in Niedersachsen hat mit der Drucksache 17/1523 die Landesregierung mit einstimmigem Beschluss vom 14.05.2014 aufgefordert, „sich auf europäischer Ebene für eine Anpassung der Definition von Dauergrünland einzusetzen, um die erneute Aufnahme von Grünlandflächen in die Fruchtfolge, die nur zur Erhaltung des sogenannten Ackerstatus dient, überflüssig zu machen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Bekanntlich ergeben sich die Definitionen für Grünland und Dauergrünland aus prämienrechtlichen Vorgaben der EU. Danach werden Flächen, die mehr als fünf Jahre mit Gras und/oder anderen Grünfutterpflanzen bewachsen sind, in der Regel zu Dauergrünland. Die Landesregierung hält diese Regelung aus ökologischer Sicht für kontraproduktiv, soweit diese dazu führt, dass Grünlandflächen vor Ablauf dieses Zeitraums umgewandelt bzw. umgebrochen werden, um zu verhindern, dass diese Dauergrünlandstatus erlangen. Die aktuellen Diskussionen haben zu einigen Klarstellungen und Verbesserungen geführt. Die Landesregierung setzt sich weiter für Änderungen im Sinne von Umwelt und Landwirten ein. Auch die Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3911 2 EU-Kommission hat auf die anhaltende Kritik an der Definition von Dauergrünland reagiert. Agrarkommissar Phil Hogan hat diesbezügliche Verbesserungen angekündigt und auch erste Vorschläge dazu unterbreitet. Auch die Bundesregierung wollte sich für Verbesserungen einsetzen. Eine verbindliche Umsetzung dieser Ankündigungen von EU und Bund steht aber noch aus. Wie in der Kleinen Anfrage zutreffend dargestellt, werden im Rahmen von Trinkwasserschutz-Kooperationen zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Wasserversorgungsunternehmen freiwillige Vereinbarungen mit dem Ziel geschlossen, eine extensive Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen in Trinkwassergewinnungsgebieten zu erreichen. Für die betroffenen Flächen werden im Regelfall auch EU-Direktzahlungen beantragt. Diese sind in den Sammelanträgen entsprechend ihrer Verwendung als aus der Erzeugung genommene Flächen (Code 591) oder als Ackergras (Code 424) auszuweisen und unterliegen den Regelungen der EU für die Gewährung von Direktzahlungen . 1. In welchem Umfang wurden in Niedersachsen Flächen mit Ackerfutterkulturen oder begrünte Brachen umgebrochen, um den Ackerland-Status der betreffenden Standorte zu erhalten und Wertverluste zu vermeiden? Der Umfang kann nicht benannt werden, da zum jetzigen Zeitpunkt abschließende Auswertungen auf der Grundlage der Angaben in den Sammelanträgen Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2015 noch nicht möglich sind. 2. Wie viele Hektar Flächen mit Ackerfutterkulturen oder begrünte Brachen wurden auf Flächen des Landes Niedersachsen, also vor allem auf Domänenflächen, umgebrochen, um den Ackerlandstatus der betreffenden Standorte zu erhalten und Wertverluste zu vermeiden? In den Dezernaten 5 und 6 der Ämter für regionale Landesentwicklung Leine-Weser, Lüneburg und Weser-Ems liegen hinsichtlich der dort verwalteten domänen- und moorfiskalischen landwirtschaftlichen Flächen keine diesbezüglichen Daten vor, da der Umbruch von Ackerfutterflächen zum Erhalt des Ackerlandstatus dem bestehenden Fachrecht entspricht und damit als ordnungsgemäße Bewirtschaftung landeseigener Flächen überwiegend nicht dokumentiert wird. Einzig im Dezernat 5 des Amtes für regionale Landesentwicklung Braunschweig liegen Informationen über rund 42 ha umgebrochener Flächen auf drei der insgesamt 14 dort verwalteten (Teil-)Domänen mit insgesamt rund 2 800 ha LF vor. Davon entfallen rund 0,5 ha umgebrochener Flächen auf Domänen in den Landkreisen Northeim und Göttingen sowie rund 41 ha auf eine Domäne im Landkreis Wolfenbüttel . 3. Wie wirkt sich der Umbruch auf die Nitratauswaschung ins Grundwasser aus? Die Höhe der Nitratauswaschung beim Umbruch von Ackergrasflächen ist pauschal nicht quantifizierbar , weil sie grundsätzlich stark standortspezifisch und von vielen Faktoren abhängig ist. Entscheidend sind – N-Vorrat im Boden vor dem Umbruch, – Dauer der Graskultur, – Bewirtschaftungsintensität, – Niederschlagsverhältnisse, – Bodenverhältnisse und – Folgekulturen. Die Hauptmineralisation setzt gegen Ende des Frühjahrs ein, wenn beispielsweise Wintergetreide und Raps den meisten Stickstoff bereits aufgenommen haben und der N-Pflanzenbedarf nicht dem N-Dargebot entspricht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3911 3 Beim Umbruch von mehrjährigen Ackergrasflächen kann man, vergleichbar dem Umbruch von Dauergrünland, von starken N-Mineralisationsschüben ausgehen. Es ist davon auszugehen, dass diese von den Folgekulturen nicht vollständig aufgenommen werden. Somit können diese N-Mineralisationsschübe zu einer erhöhten Nitratauswaschung in das Grundwasser führen. Abgeleitet aus mehreren Literaturquellen können in den ersten fünf Jahren nach dem Umbruch von Dauergrünland etwa 500 kg N/ha und Jahr mineralisiert werden. Es kann bei der tatsächlich ausgewaschenen Stickstoffmenge infolge der Summe aus N-Düngung, N-Entzug und Denitrifikation von einer Größenordnung von bis zu 400 kg N/ha und Jahr in den ersten fünf Jahren nach Umbruch ausgegangen werden. 4. Welche ökologischen Folgen hat der Umbruch hinsichtlich der Artenvielfalt auf der betroffenen Fläche? Bei Ackergrasflächen handelt es sich in der Regel um landwirtschaftliche Nutzflächen, die durch wenige, hochproduktive Grasarten gekennzeichnet sind. Bedingt durch diese Armut an Gefäßpflanzenarten findet sich auf solchen Flächen in aller Regel auch nur ein artenarmes Inventar an wirbellosen Tierarten. Ältere Ackergrasflächen weisen häufig eine größere Vielfalt an Gefäßpflanzen- und Tierarten auf, wobei das Ausmaß der Zunahme ganz wesentlich von der Intensität der Flächenbewirtschaftung abhängt. Ein erneuter Umbruch führt bei älteren Ackergrasflächen deshalb in der Regel zu Biodiversitätsverlusten . Dennoch gilt auch für ältere Ackergrasflächen, dass ihre ökologische Wertigkeit meist der eines artenarmen Intensivgrünlandes entspricht. In Einzelfällen können Ackergrasflächen auch eine größere naturschutzfachliche Bedeutung besitzen . Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie aufgrund hoher Grundwasserstände oder temporärer Überschwemmungen Brutbestände seltener Wiesenvogelarten aufweisen. 5. Welche CO2-Freisetzungen sind beim Umbruch von einem Hektar ca. zu erwarten durch Freisetzung aus dem Boden und durch Treibstoffverbrauch? Die Höhe der CO2-Freisetzungen beim Umbruch von Ackergrasflächen aus dem Boden ist pauschal nicht quantifizierbar, weil sie grundsätzlich stark standortspezifisch und von vielen Faktoren abhängig ist. Entscheidend sind insbesondere – Bodenverhältnisse (mineralisch/organisch), – C-Vorrat im Boden vor dem Umbruch, – Dauer der Ackergraskultur und – Bewirtschaftungsintensität. Grundsätzlich wird bei einem Umbruch von Grünland (auch Ackergras) der Vorrat an organisch gebundenem Kohlenstoff im Boden verringert. Durch die Mineralisation wird CO2 freigesetzt, wobei in den ersten Jahren nach dem Umbruch die größten Verluste zu beobachten sind. Innerhalb von wenigen Dekaden stellt sich ein neues C-Gleichgewicht zwischen Humusabbau und -aufbau auf einem niedrigeren Niveau ein. Die C-Sequestrierung im Boden bei der Umwandlung von Acker zu Grünland läuft allerdings um den Faktor 4 bis 5 langsamer ab als die Freisetzung beim Umbruch. Im gemäßigten Klimaraum wird im Mittel bei Betrachtung eines Zeitraums von 17 Jahren nach einem einmaligen Umbruch von einer Abnahme des Vorrats an organischer Bodensubstanz in den obersten 30 cm von ca. 30 bis 36 % ausgegangen, wobei das meiste innerhalb der ersten Jahre freigesetzt wird (vgl. Poeplau et al.). Wird eine 30-prozentige Abnahme des Vorrats an organischer Bodensubstanz angenommen, entspricht dies bei einem Vorrat von 26 bis 132 t organischem Bodenkohlenstoff pro Hektar (in 0 bis 30 cm) je nach Standort, einer Emission von 35 bis 163 t CO2-Äquivalenten (vTI-Berechnungen nach gemessenen Werten zu C-Vorräten der Dauerbeobachtungsflächen Grünland des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen). Besonders klimabelastend ist daher die Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3911 4 Umwandlung von Grünlandböden, die einen hohen Vorrat an organischer Bodensubstanz aufweisen . Aus dem Treibstoffverbrauch beim Umbruch von 1 Hektar Land, errechnet sich eine CO2-Emission in Höhe von etwa 40 kg CO2/ha (Treibstoffverbrauch gemäß Richtwert-Deckungsbeiträge 2014; LWK Niedersachsen). 6. Welche finanziellen Kosten verursachen Umbruch und Neueinsaat circa pro Hektar? Die Kosten für einen Umbruch und Neuansaat von Grünland (Ackergras) können von Betrieb zu Betrieb stark schwanken. In Abhängigkeit vom Umbruchverfahren, Bodenart, Bodenzustand, Schlaggröße, Saatgut und Maschinenausstattung des Betriebes ist mit Kosten von ca. 300 Euro bis ca. 450 Euro pro Hektar zu rechnen. 7. Welcher ungefähre Pflanzenschutzaufwand ist für den Umbruch bzw. zur Erhaltung der neuen Frucht zu kalkulieren (bitte Mengen und Kosten angeben)? Teilweise erfolgt bei einem Grünlandumbruch eine Behandlung der Grasnarbe u. a. mit Glyphosat (ca. 1 000 g/ha). In der Folgekultur ist mit einem weiteren Herbizideinsatz zu rechnen. Die Kosten liegen bei ca. 40 bis 80 Euro für Glyphosat- und Herbizideinsatz in der Folgekultur. Die Landesregierung sieht den Einsatz von Glyphosat insbesondere aufgrund der WHO-Einschätzung als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ (Kategorie 2A) sehr kritisch. Bei einem Umbruch der Grasnarbe mit dem Pflug kann auf den Einsatz von Glyphosat vollständig verzichtet werden. Nach einem Ackergrasumbruch im Frühjahr können z. B. Sommergetreide oder Mais nachgebaut werden. Im Sommergetreide sind gegebenenfalls je nach Witterung, Intensität des Anbaus und Art des Sommergetreides Fungizid- bzw. Insektizidmaßnahmen einzuplanen. Hierfür stehen verschiedene zugelassene Mittel zur Verfügung, die sich in der Aufwandmenge je nach Wirkstoff und Wirkstoffkonzentration stark unterscheiden. Eine allgemeingültige Mengenangabe für den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln für die Folgefrucht ist daher nicht möglich. Auch die Kosten für die eingesetzten Pflanzenschutzmittel in der Folgefrucht variieren sehr stark (ca. 0 bis 200 Euro/ha). Im Mais sind neben der Herbizidanwendung in der Regel keine weiteren zusätzlichen Pflanzenschutzmaßnahmen notwendig. 8. Führte die Regelung zu einem vermehrten Einsatz von Totalherbiziden, wie z. B. Glyphosat ? Die Auslegungen des Europäischen Gerichtshofs, die zu späten Klarstellungen von Bund und EU und die Verunsicherung von Landwirten in den Medien haben in Einzelfällen zum Umbruch von Ackergrasflächen geführt und dabei teilweise zu einem zusätzlichen Glyphosataufwand. 9. Wo lag und liegt - ökologisch und betriebswirtschaftlich gesehen - der Sinn des oben beschriebenen umfangreichen Umbruchs von Grünland auf Ackerstandorten? Betriebswirtschaftliche Gründe für den Umbruch von Grünland liegen in dem höheren Wert von Ackerland. Wenn der Ackerstatus einer Fläche verloren geht, geht damit die Option einer zukünftig anderen Nutzung verloren. Dies ist für die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten eines Betriebes von Nachteil - bei einer Aufgabe der Haltung von Wiederkäuern gibt es z. B. kaum alternative Nutzungsmöglichkeiten einer Grünlandfläche. Bei Pachtflächen erwartet der Verpächter nach Ablauf der Pacht von Ackerland auch die Rückgabe als Ackerfläche und kann an den Pächter gegebenenfalls eine privatrechtliche Schadenersatzforderung richten, sofern nur noch eine Dauergrünlandnutzung möglich ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3911 5 Diese betriebswirtschaftlichen Nachteile sind schwer zu quantifizieren und von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Unter ökologischen Gesichtspunkten ist ein Umbruch von Grünland zum Erhalt des Ackerstatus nicht sinnvoll. 10. Was hat die Landesregierung bisher getan, um den Landtagsbeschluss vom 14.05.2014 umzusetzen? Es wird auf die Antwort der Landesregierung vom 03.11.2014 (Drs. 17/2311) verwiesen. Die Regelungen der EU-Kommission hinsichtlich der Entstehung von Dauergrünland aus mehrjährigen Brachen, die mit Gras und/oder anderen Grünfutterpflanzen bewachsen sind, haben auf Bund-/Länderebene und gegenüber der EU-Kommission zu intensiven Diskussionen geführt. Im Vorfeld des diesjährigen Antragsverfahrens, also vor dem 15.05.2015, konnte zumindest klargestellt werden, dass der Ackerstatus von Bracheflächen grundsätzlich erhalten bleibt, sofern diese Flächen zur Erfüllung der Greeningverpflichtung als sogenannte ökologische Vorrangflächen ausgewiesen werden. Darüber hinaus konnte gegenüber der EU-Kommission erreicht werden, dass nunmehr Flächen, die aufgrund von Agrarumwelt- oder EU-Stilllegungsmaßnahmen zu Dauergrünland geworden sind, von den Regelungen zur Erhaltung von Dauergrünland nicht betroffen sind. Bei Umsetzung dieser neuesten EU-Vorgaben sollen auch Flächen einbezogen werden, die im Rahmen von vergleichbaren nationalen Fördermaßnahmen Dauergrünlandstatus erlangt haben. (Ausgegeben am 16.07.2015) Drucksache 17/3911 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3594 - Was hat die Landesregierung getan, um den Umbruch von Ackergrasflächen zu verhindern? Anfrage des Abgeordneten Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung,eingegangen am 27.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz