Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3923 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3502 - Plant die Landesregierung eine Evaluation zur Umsetzung der Frühförderungsverordnung in Form interdisziplinärer Frühförderstellen in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Ulf Thiele, Burkhard Jasper und Björn Thümler (CDU) an die Landesregierung , eingegangen am 13.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 22.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 08.07.2015, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Die interdisziplinären Frühförderstellen (IFF) sind familien- und wohnortnahe Dienste, in denen medizinisch -therapeutische und pädagogische Fachkräfte zusammenarbeiten, um bei Kindern im Vorschulalter eine drohende Behinderung zu erkennen, ihr vorzubeugen und die Folgen einer bestehenden Behinderung auszugleichen oder zu mildern. Das Land Niedersachsen hat zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Krankenkassen und den Leistungserbringern im Jahr 2003 eine Landesrahmenempfehlung zur Umsetzung der Frühförderungsverordnung in Niedersachsen erarbeitet. Die niedersächsischen Frühförderstellen arbeiten im Rahmen einer „Komplexleistung“: Sozialämter und Krankenkassen finanzieren diese Arbeit gemeinsam. In Niedersachsen existieren drei Frühförderstellen , die die Komplexleistung IFF auf der Basis der Bundesverordnung aus dem Jahre 2003 erbringen. Im Vergleich dazu führen über 90 Einrichtungen Frühförderung auf der traditionellen Basis als reine heilpädagogische ambulante Maßnahme durch, die durch das örtliche Sozialamt finanziert wird. Die drei IFFs liegen in den Landkreisen Leer und Wesermarsch und in der Stadt Osnabrück . Bei den interdisziplinären Frühförderstellen selbst besteht der Wunsch nach einer Evaluation der Landesrahmenempfehlung. Die Ergebnisse der Evaluation sollen laut der Landesrahmenempfehlung als Grundlage für Verhandlungen über die Vergütungsgestaltungen dienen. Im Januar 2014 haben die Caritasverbände die Landesrahmenempfehlung gekündigt, da sie die vereinbarten Rahmenbedingungen und die Vergütungen nicht für ausreichend erachten. Vorbemerkung der Landesregierung Mit den Sozialpädiatrischen Zentren, den Ärzten, Therapeuten, Beratungs- und Früherkennungsteams sowie den bisherigen drei interdisziplinären Frühförderstellen in Leer, Osnabrück und Brake und den über 90 heilpädagogischen Frühförderstellen besteht in Niedersachsen ein breites Angebot im Bereich der Früherkennung und Frühförderung. Die Versorgung der Kinder mit einer Behinderung ist hierdurch sichergestellt (s. auch Antwort der Landesregierung zu der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, eingegangen am 19.02.2014, Drucksache 17/1416, insbesondere S. 2, Absatz 5 und zu 3), sodass derzeit kein Kind unversorgt bleiben muss. Ende der 1990er-Jahre wurden die Vorteile eines interdisziplinären Angebots zur Versorgung von Kindern mit Behinderung und von Behinderung bedrohter Kinder vom Bundesgesetzgeber erkannt und mit der Schaffung des SGB IX 2001 im § 30 SGB IX gesetzlich verankert. Damit wurde die Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3923 2 Grundlage geschaffen, das flächendeckend vorgehaltene Angebot an heilpädagogischen Frühförderstellen durch interdisziplinäre Frühförderstellen zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Grundlage für die Leistungen der interdisziplinären Frühförderstellen (IFF) ist die zum 01.06.2008 zwischen den Vertragsparteien geschlossene und zum 01.01.2013 geänderte Landesrahmenempfehlung zur Umsetzung der Frühförderverordnung (LRE). Danach können ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und heilpädagogische Leistungen für Kinder mit einer Behinderung im Vorschulalter als Komplexleistungen aus einer Hand erbracht werden. Die LRE wurde unter der Moderation des Landes - vertreten durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) - verhandelt und abgeschlossen. Nachfolgende Verbände waren ursprünglich Partner der Vereinbarung: Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege (Arbeiterwohlfahrt , Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie und Jüdische Wohlfahrt), Kommunale Spitzenverbände und Verbände der gesetzlichen Krankenkassen. Die LRE kann nur durch einvernehmliche Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien geändert werden. 1. Haben inzwischen alle (noch) an der Landesrahmenempfehlung beteiligten Vertragsparteien der Durchführung einer Evaluation auf der Grundlage von drei IFFs zugestimmt ? 2. Falls nicht, wer hat nicht zugestimmt, und was unternimmt die Landesregierung, um eine Zustimmung zu erreichen? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet. In einer eigens dafür eingesetzten Arbeitsgruppe berieten die Vertragsparteien die Frage der Durchführung einer Evaluation. Nachdem sich dort ein Einvernehmen darüber abzeichnete, dass die Durchführung der Evaluation durch eine externe Stelle auch auf der Grundlage von lediglich drei bestehenden IFFs sinnvoll sei, wurde darüber hinaus Einvernehmen über den Inhalt der Evaluation und die durchführende Stelle erzielt. Auf der Ebene der Vertragsparteien stellten die Caritasverbände dieses Ergebnis unter Vorbehalt, erteilten nicht ihre Zustimmung und erklärten mit Wirkung zum 31.12.2014 ihren Austritt aus der LRE. Der Bestand der LRE für die übrigen Vertragsparteien wurde dadurch nicht tangiert. Die Durchführung der Evaluation scheitert bislang daran, dass sich keine der Vertragsparteien dazu bereit erklärt, insgesamt oder anteilig Kosten der in der LRE vorgesehenen Evaluation zu übernehmen . Das MS hat ausschließlich eine moderierende Funktion. 3. Falls alle Vertragsparteien inzwischen zugestimmt haben, wann plant die Landesregierung , auf der Grundlage der Arbeit der drei IFFs die Landesrahmenempfehlung zu evaluieren ? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Falls die Landesregierung eine Evaluation unter den gegebenen Umständen nicht für sinnvoll erachtet, was unternimmt sie, damit Kindern mit Behinderung und von Behinderung bedrohten Kindern alle Leistungen gewährt werden, die sie zur Verbesserung ihrer zukünftigen Teilhabe benötigen? Da die Evaluation in der LRE als Voraussetzung für strukturelle Änderungen nebst eventuellen Vergütungsanpassungen vertraglich vereinbart worden ist, besteht derzeit keine Möglichkeit für die Landesregierung, Änderungen der LRE zu initiieren. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3923 3 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, besondere Umstände bei der Betreuung schwerstbehinderter Kinder, z. B. die Betreuung im häuslichen Umfeld, besser zu berücksichtigen, als dies bisher der Fall ist? Bei den Leistungen Früherkennung und Frühförderung handelt es sich um ambulante Leistungen. Die sachliche Zuständigkeit liegt bei den örtlichen Trägern der Sozialhilfe in Gestalt der Landkreise, kreisfreien Städte sowie der Region Hannover. Auf Bundesebene besteht derzeit die Absicht, die Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung) unter Berücksichtigung der UN-Behindertenkonvention 2009 zu überarbeiten. Auf der Ebene der Länder hat die 91. Arbeits- und Sozialministerkonferenz in ihrer Sitzung am 26./27.11.2014 das Thema behandelt und - mit Zustimmung Niedersachsens - den Beschluss gefasst , die Bundesregierung aufzufordern, umgehend einen Gesetzentwurf zur Optimierung der §§ 30 und 32 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und zur Frühförderverordnung (FrühV) dem Bundestag zur Abstimmung vorzulegen und dabei die landesspezifischen Erfahrungen auszuwerten . Als Handlungsbedarfe sehen die Länder die – Konkretisierung der einzelnen Leistungskomponenten und ihres Zusammenwirkens, – Präzisierung der Leistungsvoraussetzungen, – Präzisierung der Leistungszuständigkeit der Krankenkassen, – Neujustierung der Kostenteilung. Unter anderem soll dabei der in der FrühV bis dato festgelegte Anteil des Sozialhilfeträgers (bis 80 v. H.) bei Leistungen in interdisziplinären Frühförderstellen auf 60 v. H. begrenzt werden. 6. Beabsichtigt die Landesregierung, sich um eine regelmäßige Anpassung des Budgets der IFF zum Ausgleich gestiegener Personal- und Sachkosten zu bemühen? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, in welchem Umfang? Anhand des Ergebnisses der nach der Landesrahmenempfehlung vorgesehenen Evaluation wollten die Vertragsparteien der LRE über mögliche Veränderungen der Vergütungsregelungen verhandeln . Die weitere Entwicklung im Bereich der interdisziplinären Frühförderstellen dürfte von dem Zustandekommen und dem Ergebnis dieser Verhandlungen, u. a. von der Höhe der Vergütung und der Kostenbeteiligung der Krankenkassen abhängig sein. Unter der Voraussetzung, dass sich die Vertragspartner über das Grundziel, den Kindern mit Behinderung und den von Behinderung bedrohten Kindern alle Leistungen zu gewähren, die sie zur Verbesserung ihrer zukünftigen Teilhabe benötigen, einig sind, ist das MS dazu bereit, künftige Verhandlungen zu moderieren. Weitere Möglichkeiten stehen der Landesregierung aufgrund der Zuständigkeiten nicht zur Verfügung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 7. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um eine professionelle Betreuung für den Übergang von den IFFs in die Schule ab dem ersten Tag der Schulpflicht zu ermöglichen? Ist beispielsweise eine mehrmonatige übergreifende Begleitung geplant? Für noch nicht eingeschulte behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder werden bei entsprechendem Bedarf medizinische Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung erbracht (§ 30 SGB IX und die hierzu erlassene Frühförderverordnung). Einen Anspruch auf die Komplexleistung Frühförderung haben Kinder von der Geburt bis zum individuellen Schuleintritt. Daher haben auch Kinder, die bereits im schulpflich- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3923 4 tigen Alter sind, aber noch keine Schule besuchen, einen Anspruch auf Frühförderung. Nach Schuleintritt besteht dieser Anspruch nicht mehr. (Ausgegeben am 16.07.2015) Drucksache 17/3923 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3502 - Plant die Landesregierung eine Evaluation zur Umsetzung der Frühförderungsverordnung in Form interdisziplinärer Frühförderstellen in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Ulf Thiele, Burkhard Jasper und Björn Thümler (CDU) an die Landesregierung,eingegangen am 13.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung