Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/3988 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3695 - Wie sind Ausbau erneuerbarer Energien und Netzausbau koordiniert? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 17.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 24.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 22.07.2015, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Die Ostthüringer Zeitung berichtete am 11.06.2015, dass der Netzbetreiber TEN Thüringer Energienetze GmbH bei einem Ausbau der Windenergie, wie ihn das Land Thüringen plant, Netzausbaukosten von 78 Millionen erwartet, was zu einem Anstieg der Netzkosten von 15 % führen könnte . Dies wiederum würde für Privatkunden zu Mehrkosten von 1 Cent pro Kilowattstunde führen. Vorbemerkung der Landesregierung Der Um- und Ausbau des Stromnetzes in Deutschland ist eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende. Die Energieerzeugung in Deutschland und in Niedersachsen war in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere durch die Nutzung der Atomkraft und fossiler Energieträger bestimmt. Die aktuellen Veränderungsprozesse der deutschen Energieerzeugungsstrukturen führen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien dazu, dass Stromerzeugungsstandorte und Verbrauchsschwerpunkte immer weiter auseinander rücken. Während die deutschen Verbrauchsschwerpunkte derzeit insbesondere in Süd- und Westdeutschland liegen, findet die Stromerzeugung aus Windenergie besonders in Nord- und Ostdeutschland statt. Ohne die großen Stromtransitachsen von Nord nach Süd und von Nord nach West sowie den Ausbau der Grenzkuppelstellen wäre die Versorgungssicherheit in Deutschland in den kommenden Jahren nicht mehr auf dem bisherigen Niveau gesichert. 1. Ist ein weiterer Netzausbau im Zuge des Ausbaus der Windenergie in Niedersachsen notwendig und, wenn ja, in welchem Ausmaß? Niedersachsen hat bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien eine Schlüsselrolle in Deutschland. Bereits heute sind in Niedersachsen rund 8,2 GW Windenergieleistung, über 3 GW Photovoltaikleistung und über 1 GW elektrischer Leistung aus Biomasseanlagen installiert. Damit trugen diese im Jahr 2014 bereits etwa 40 % zur Bruttostromerzeugung in Niedersachsen bei. Für eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung mit einem zunehmenden Anteil volatiler Einspeisung muss der Netzausbau dem Ausbau der erneuerbaren Energien folgen. Um diese Entwicklung abzubilden, wird jährlich ein Szenariorahmen von den Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagen und von der Bundesnetzagentur (BNetzA) genehmigt, der die Entwicklung der möglichen Erzeugungstrukturen insgesamt und bundesweit mittel- bzw. langfristig abbildet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3988 2 Die im genehmigten Netzentwicklungsplan (NEP) Strom 2012 enthaltenen Maßnahmen, die aus Sicht der Übertragungsnetzbetreiber innerhalb der nächsten zehn Jahre für ein sicheres Übertragungsnetz erforderlich sind, werden mit einem Investitionsvolumen von etwa 20 Milliarden Euro beziffert . Im nachfolgenden NEP Strom 2013, der die Grundlage für das Bundesbedarfsplangesetz gebildet hat, wurden die Investitionsbedarfe überprüft und weitgehend bestätigt. Auch der NEP Strom 2014 bestätigt diesen Trend weiter. Hinsichtlich der Situation in den niedersächsischen Netzen ist aber insbesondere hinsichtlich der Verteilnetze zu beachten, dass im Land Niedersachsen in den letzten Jahrzehnten ein leistungsstarkes Netz aufgebaut worden ist, was besonders gute Voraussetzungen zur Integration der Einspeisung von erneuerbaren Energien bietet. Dies führt dazu, dass die Netzentgelte in Niedersachsen trotz eines überproportional hohen Ausbaus der erneuerbaren Energien im Vergleich zu den neuen Bundesländern in der Regel erheblich günstiger liegen. Derzeit ist noch nicht abschätzbar, wie sich die Netzausbaukosten bezogen auf das Land Niedersachsen in den kommenden Jahren weiter entwickeln werden. Belastbare Berechnungen der Netzbetreiber liegen dazu bisher nicht vor. 2. Wie ist der Ausbau der erneuerbaren Energien mit der Ertüchtigung neuer Netze koordiniert ? Für die Verteilnetzebene, an die ein Großteil der Erzeugungsanlagen zur dezentralen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien angeschlossen wird, sind die örtlichen Verteilnetzbetreiber entsprechend § 11 Abs.1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verantwortlich. Darüber hinaus hat der einspeisewillige Betreiber einer Erzeugungsanlage zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien durch die gesetzliche Anschlussverpflichtung nach § 9 des ErneuerbareEnergien -Gesetzes (EEG) den gesetzlichen Anspruch auf Netzanbindung und die netztechnische Optimierung zur Abnahme der erzeugten Energie durch den zuständigen Verteilnetzbetreiber, in dessen Netzgebiet die Erzeugungsanlage errichtet wird. Durch die leistungsstarken Verteilnetzstrukturen in Niedersachsen können zudem mittelfristig durch gezielte Maßnahmen im 110-kVHochspannungsnetz und durch die Schaffung zusätzlicher Verknüpfungspunkte zum Höchstspannungsnetz weitere Transportkapazitäten für die Aufnahme von Strom aus Anlagen zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen in Niedersachsen geschaffen werden, ohne dass es hierbei zu einem überzogenen Ausbau der Verteilnetze kommen müsste. Die Verknüpfung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit den Stromnetzen erfolgt im Zuge des Netzentwicklungsplanverfahrens über den Szenariorahmen. Im Bereich der Übertragungsnetze weist das EnWG in §§ 12 ff. die Aufgabe des Netzausbaus ausdrücklich den vier Übertragungsnetzbetreibern zu. Der NEP Strom soll alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Netzes enthalten, die jeweils in den nächsten zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Der Szenariorahmen soll die Bandbreite der wahrscheinlichen Entwicklungen der Stromerzeugung und des -verbrauchs im Rahmen der mittel- und langfristigen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung für die nächsten zehn Jahre abdecken. Künftig werden im Vergleich zu den bisher genehmigten Szenariorahmen im genehmigten Szenariorahmen 2025 nicht mehr vier, sondern insgesamt sechs Szenarien festgelegt. Vier davon beschreiben mögliche Entwicklungspfade der Stromerzeugungskapazitäten und des Verbrauchs bis zum Jahr 2025 und zwei bis zum Jahr 2035. Alle Szenarien berücksichtigen die neuen Rahmenbedingungen durch die Reform des EEG. Neben der stärkeren Ausdifferenzierung durch die erhöhte Zahl der Szenarien enthält der jetzt genehmigte Szenariorahmen drei wesentliche Neuerungen: 1. nur selten auftretende Leistungsspitzen von Photovoltaik- und Windanlagen an Land sollen bei der Ermittlung des Netzausbaubedarfs unberücksichtigt bleiben (Spitzenkappung), 2. bei der Ermittlung des Netzausbaubedarfs soll die Modellierung des Einsatzes des Kraftwerksparks in drei Szenarien so durchgeführt werden, dass die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung im Hinblick auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen erreicht werden , Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3988 3 3. die BNetzA hat ein spezielles Szenario gezielt so ausgeformt, dass alle wesentlichen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, auch die im Stromsektor angestrebten Effizienzsteigerungen , erreicht werden. 3. In welchem Zeitraum soll dieser Ausbau erfolgen? Nach §11 EnWG sind die Betreiber von Energieversorgungsnetzen zu deren sicherem, zuverlässigem und diskriminierungsfreiem Betrieb verpflichtet, sowie dazu, deren Wartung und bedarfsgerechte Erweiterung im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit durchzuführen. Sie schaffen die Grundlagen für den Netzausbau und die sich daraus ableitenden Netzausbaupläne. Die Regulierungsbehörden stellen im Rahmen der Anreizregulierung sicher, dass auch auf der Verteilnetzebene nur die Netzausbaumaßnahmen anerkannt werden, deren Erfordernis und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen ist. Durch die gesetzliche Anschlussverpflichtung nach § 9 EEG hat der Einspeisewillige den gesetzlichen Anspruch auf Netzanbindung durch den zuständigen Netzbetreiber, in dessen Netzgebiet die Erzeugungsanlage errichtet wird. Es liegen der Landesregierung keine Hinweise darauf vor, dass die Netzbetreiber nicht die notwendigen Investitionsanstrengungen unternehmen, um das Netz für die weitere Aufnahme der erneuerbaren Energien ausreichend zu ertüchtigen. 4. Mit welchen Ausbaukosten kalkuliert die Landesregierung? Der gesetzliche Auftrag für den Bau, Betrieb und die Unterhaltung der Stromnetze liegt bei den Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern. Diese ermitteln regelmäßig den Ausbaubedarf in ihrem jeweiligen Netzgebiet eigenverantwortlich. Die Landesregierung ermittelt und kalkuliert keine Ausbaukosten für den Netzausbau. 5. Wie wirkt sich der Ausbau der Netze auf die Netzkosten in Niedersachsen aus? Niedersachsen verfügt bereits heute über eine gut ausgebaute Netzinfrastruktur zur Aufnahme der erneuerbaren Energien. Obwohl in Niedersachsen ein sehr hoher Anteil erneuerbarer Energien existiert, sind im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern bisher vergleichsweise wenige Einspeiseengpässe in den regionalen Verteilnetzen aufgetreten. Neben dem Einsatz von neuen Informations - und Kommunikationstechnologien können z. B. durch den Einsatz regelbarer Ortsnetztransformatoren zusätzliche Netzausbaumaßnahmen erheblich reduziert werden. Die Entwicklung der Netzentgelte in den kommenden Jahren hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die gesamten Netzkosten, also auch die Kosten des Netzausbaus, unterliegen in der Regulierung grundsätzlich einer Effizienzkontrolle, womit einer übermäßigen Kostensteigerung vorgebeugt werden soll. Die in diesem Jahr geplante Novelle der Anreizregulierungsverordnung durch den Bund soll diesen Herausforderungen begegnen. Die Grenzen der unterschiedlichen Netzbetreiber orientieren sich nicht an politischen und territorialen Landesgrenzen. Daher werden die Netzausbaukosten auch nicht landesspezifisch ermittelt. Belastbare Prognosen zu den Auswirkungen der Ausbaumaßnahmen auf die Netzentgelte in Niedersachsen liegen der Landesregierung daher nicht vor. 6. Welche Auswirkungen hätten erhöhte Netzkosten für die niedersächsische Wirtschaft? Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass der weitere Netzausbau in Niedersachsen möglichst effizient und sozialverträglich erfolgt und nur solche Netzausbauplanungen umgesetzt werden, deren Bedarf und Effizienz zweifelsfrei nachgewiesen werden. Damit wird ein wesentlicher Beitrag dafür geleistet, dass es nicht zu unverhältnismäßigen Kostensteigerungen bei den Netzausbaukosten kommt. Dies soll dazu beitragen, dass für alle Stromkunden im Land und damit auch für die niedersächsische Wirtschaft im bundesdeutschen Vergleich weiterhin vergleichsweise günstige Netzentgelte erreicht werden. (Ausgegeben am 30.07.2015) Drucksache 17/3988 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3695 Wie sind Ausbau erneuerbarer Energien und Netzausbau koordiniert? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 17.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz