Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3393 - „Land trickst mit Vogelschutzgebiet“ - Handelt der Umweltminister nach Recht und Gesetz? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 21.04.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 04.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 27.07.2015, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung des Abgeordneten In einem Artikel aus dem Weser-Kurier vom 7. März 2015 heißt es: „Land trickst mit Vogelschutzgebiet - Urteil schafft weitere Hürde für Rettung illegaler Straße. Die kleine Erweiterung eines Vogelschutzgebietes soll die illegale Umgehungsstraße um den Ferienort Bensersiel (Kreis Wittmund) vor dem Rückbau retten. Ein neues Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg könnte das Vorhaben torpedieren. Außerdem ist nicht klar, ob die EU-Kommission die Tricksereien mitmacht.“ Dabei geht es ausweislich des Weser-Kuriers um eine vor vier Jahren gebaute kommunale Entlastungsstraße , die in einem 2,1 km langen Bogen um das Hafenörtchen Bensersiel herum führe. Der Bau dieser Straße habe 8,4 Millionen Euro gekostet, wovon der Bund und das Land drei Viertel übernommen hätten. Diese Finanzierung sei entsprechend dem genannten Zeitungsbericht damals zweifelhaft gewesen und rief auch den Landesrechnungshof auf den Plan. Aufgrund vorhandener wertbestimmender Vogelarten hätte es zudem ein weit größeres Problem wegen des Vorstoßes gegen entsprechende EU-Richtlinien gegeben. Deshalb sei die Straße vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (1. Senat) und Bundesverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden. „Die unzulässige Straßenplanung in einem faktischen Vogelschutzgebiet wird nicht durch eine nachträgliche Gebietsmeldung geheilt“, urteilten laut Zeitung die Leipziger Richter vor einem Jahr. Auch das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg (15. Senat) hätte jetzt geurteilt, dass der ursprüngliche Bebauungsplan null und nichtig sei und deshalb auch die darauf fußende Flurbereinigung aufgehoben werden müsse, weil wegen der Rechtsunwirksamkeit der Bebauungspläne kein Grund zur Besitzentziehung mehr vorliege. In der Folge müsste ein klagender Grundstückseigentümer aus Dortmund, dem im Zuge des Straßenbaus Grundstücke weggenommen wurden, diese Grundstücke jetzt zurückerhalten. Dies ginge aber nur, wenn die Umgehungsstraße abgerissen würde, was zu Rückbau- und Entschädigungskosten in Höhe von mehr als 10 Millionen Euro führen könnte. In das Flurbereinigungsverfahren seien nämlich 162 Teilnehmer involviert; falls dieses Verfahren nun rückabgewickelt werden würde, müssten erhebliche Geldsummen an Teilnehmer zurückgezahlt werden, was einen sehr großen organisatorischen, rechtlichen und kostenmäßigen Aufwand mit sich bringen würde. Umweltminister Stefan Wenzel spricht in dem genannten Artikel daher von einer „,total vermurksten Situation‘, für die allerdings die CDU/FDP-Vorgängerregierung verantwortlich sei.“ Das niedersächsische Landeskabinett habe Anfang Februar 2015 einer Ausweitung des Vogelschutzgebiets zugestimmt . Diese Neuabgrenzung beruht nach Einschätzung von Rechts- und Naturschutzexperten auf einer gesetzeswidrigen Anwendung des europäischen Naturschutzrechts und Missachtung der in derselben Angelegenheit bereits ergangenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes. Außerdem soll die Neuabgrenzung des Vogelschutzgebietes „auf ausnahmslos veralteten, obsoleten und irrelevant gewordenen ornithologischen Bestands- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 2 daten“ ruhen, die teilweise bis zu 19 Jahre alt sein sollen und weit vor dem Straßenbau erhoben worden waren, sodass sie nicht mehr gültig seien. Vor dem Hintergrund, dass dem Land Niedersachsen durch eine fehlerhafte Abgrenzung eines Vogelschutzgebietes hohe Strafzahlungen drohen, frage ich die Landesregierung: Vorbemerkung der Landesregierung Durch Urteil vom 10.04.2013 - 1 KN 33/10 - hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, bestätigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.01.2014 - 4 BN 37.13 -, den Bebauungsplan Nr. 72 „Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel“ und dessen 1. Änderung für unwirksam erklärt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führt dazu in der Begründung aus, dass die Bebauungsplanung gegen Artikel 4 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.11.2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten - Vogelschutzrichtlinie (VRL), die an die Stelle der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 getreten ist, verstoße (Rdnrn. 57, 87), weil das Plangebiet in einem faktischen Vogelschutzgebiet liege (Rdnrn. 72 bis 75, 87). 1 Durch Urteil vom 27.03.2014 - 4 CN 3.13 - hat das Bundesverwaltungsgericht den Bebauungsplan Nr. 67 „Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel“ mit vergleichbarer Begründung (Rdnrn. 27 f.) für unwirksam erklärt. 2 Mit der durch Beschluss der Landesregierung vom 03.02.2015 erfolgten sachgerechten Neuabgrenzung des EU-Vogelschutzgebiets V63 „Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ (Melde-Nr. DE 2309-431) (EU-VSG V63) im Bereich Bensersiel in der Stadt Esens wird dem gerichtlich festgestellten Mangel der in 2007 - bei der Nachmeldung dieses EU-Vogelschutzgebiets - fehlerhaft erfolgten Gebietsabgrenzung abgeholfen. Die für eine Gebietsabgrenzung maßgeblichen Vorschriften von Artikel 4 Abs. 1 und 2 RL 2009/147/EG i. V. m. § 32 Abs. 1 BNatSchG treffen keine ausdrückliche Regelung für den Fall einer Missachtung. Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen eines zwischenzeitlich überbauten faktischen Vogelschutzgebiets liegt soweit ersichtlich nicht vor; insoweit wird juristisches Neuland betreten . In der Literatur (Krappel, Anmerkung zu: BVerwG, Urteil vom 27.03.2014 - 4 CN 3.13 - NWwZ 2014, S. 1022 [1028]) ist der Weg zu einer Neuabgrenzung mit anschließender Sicherung und erneuter Beplanung bereits gewiesen worden. Eine Relativierung der Verpflichtungen aus Artikel 4 Abs. 1 und 2 RL 2009/147/EG i. V. m. § 32 Abs. 1 BNatSchG für den Fall ihrer Missachtung sehen die genannten Vorschriften jedenfalls nicht vor. Faktische Vogelschutzgebiete erfahren bis zu ihrer ordnungemäßen Unterschutzstellung den strengen Schutz des Artikels 4 Abs. 4 Satz 1 RL 2009/147/EG (BVerwG, Urteil vom 27.03.2014 - 4 CN 3.13 - Rdnr. 17 mit Bezug auf EuGH, Urteil vom 07.12.2000 - Rs. C-374/98 - Slg. 2000 - I-10799 - Rn. 47). Ein Mitgliedstaat soll aus der Missachtung seiner unionsrechtlichen Pflichten keinen Vorteil ziehen (BVerwG, a.a.O. Rdnr. 29). Damit findet bei der Erfüllung der Verpflichtungen aus Artikel 4 Abs. 1 und 2 RL 2009/147/EG i. V. m. § 32 Abs. 1 BNatSchG der ursprüngliche (fiktiv wiederhergestellte) Zustand Berücksichtigung. Vom NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) ist eine fachlich fundierte Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel erarbeitet worden. Der erste Entwurf (Stand September 2013) sah eine Gebietserweiterung mit einer Größe von rund 11 ha vor. In Würdigung auch der vom BVerwG in o. g. Urteil vom 27.03.2014 angeführten Gründe wurde ein fachlich verbesserter zweiter Entwurf (Stand Juli 2014) erarbeitet, der eine umfänglichere Gebietserweiterung mit einer Größe von rund 26 ha vorsieht. Die konkrete fachliche Auswahl der Gebietserweiterungsflächen als in das EU-VSG V63 einzubeziehende zahlen- und flächenmäßig geeignetste Flächen erfolgte methodisch gemäß dem gebietsspezifisch vorgenommenen, lebensraumbezogenen Ansatz, der auch in 2006/2007 zur Bewertung 1 http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE130010674&st =null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint 2 http://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/270314U4CN3.13.0.pdf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 3 und Abgrenzung des EU-VSG V63 im Rahmen der Nachmeldung in 2007 Anwendung fand. Die angewendeten Kriterien wurden vor dem Hintergrund der o. g. Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts weiter konkretisiert. Demzufolge lässt sich eine zahlen- und flächenmäßige Eignung als EU-VSG bezogen auf die für das EU-VSG V63 wertbestimmenden Vogelarten für die jeweiligen Flächen ableiten, wenn diese die Habitatansprüche der wertbestimmenden Vogelarten erfüllen, von den wertbestimmenden Vogelarten in einem zumindest durchschnittlichen Umfang genutzt werden bzw. als maßgeblich für den günstigen Erhaltungszustand im Hinblick auf das ökologische Gesamtgefüge eingestuft werden. Wie oben ausgeführt ist der ursprüngliche (fiktiv wiederhergestellte) Zustand zu berücksichtigen. Daher wurden für die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 die Wertigkeiten zum Zeitpunkt der Nachmeldung in 2007 zugrunde gelegt und die Flächen in ihrem ursprünglichen Zustand - und damit vor dem Bau der kommunalen Entlastungsstraße Bensersiel - hinsichtlich ihrer Eignung als EU-VSG bewertet. Zudem ist geprüft worden, ob eine nach 2007 entstandene ornithologische Wertigkeit ergänzend zu berücksichtigen ist. Dabei werden die „besten verfügbaren wissenschaftlich ermittelten Fakten“ zugrunde gelegt (BVerwG Beschluss vom 13.03.2008 - 9 VR 10.07 - Rdnr. 22 m. w. N. 3 ). Die vogelschutzfachlichen Gutachten und Datengrundlagen, die in den o. g. Judikaten zu den Bebauungsplänen benannt worden sind, sind bei der Neuabgrenzung berücksichtigt worden. Auf Grundlage des Beschlusses der Landesregierung vom 11.03.2014 wurde vom Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) ein öffentliches Beteiligungsverfahren zur geplanten Gebietserweiterung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel durchgeführt, in dem den Kommunen, Verbänden, berührten Grundstückseigentümern und sonstigen Beteiligten die Gelegenheit gegeben wurde, ihre Anregungen und Bedenken schriftlich gegenüber dem MU vorzutragen. Dieses wurde zunächst vom 20.03. bis zum 07.05.2014 auf der Grundlage des o. g. ersten Entwurfs zur Neuabgrenzung des EU-VSG V63 (Stand September 2013) und erneut eröffnet vom 20.08. bis zum 08.10.2014 auf der Grundlage des o. g. zweiten Entwurfes zur Neuabgrenzung des EU-VSG V63 (Stand Juli 2014) durchgeführt. Für diesen zweiten Teil des Beteiligungsverfahrens wurden den Beteiligten ein vom NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) erarbeiteter Auswahlvermerk samt Anlagen sowie die zugrunde gelegten Gutachten und Datengrundlagen zum Abruf im Internet bereitgestellt. Darin sind die Begründungen und fachlichen Grundlagen für die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel aufgeführt und die angewandte Methodik dargelegt. Mit Beschluss vom 03.02.2015 hat die Landesregierung die Gebietserweiterung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel beschlossen und die Erweiterungsflächen - entsprechend dem zweiten Entwurf zur Neuabgrenzung des EU-VSG V63 (Stand Juli 2014) - mit einer Größe von rund 26 ha als gemäß Artikel 4 Abs. 1 und 2 RL 2009/147/EG zu benennendes Gebiet ausgewählt. Durch die Gebietserweiterung erhöht sich die Gesamtgröße des EU-VSG V63 von bislang rund 8 044 ha auf rund 8 070 ha (+ ca. 0,3 %). 1. Warum hat das Kabinett am 2. Februar 2015 trotz begründeter naturschutzfachlicher und naturschutzrechtlicher Einwendungen verschiedener Beteiligter des Anhörungsverfahrens eine Neuabgrenzung des Vogelschutzgebietes beschlossen? Der Beschluss der Landesregierung vom 03.02.2015 zur Gebietserweiterung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel erfolgte nach Durchführung und Auswertung des öffentlichen Beteiligungsverfahrens zum Entwurf zur Neuabgrenzung bzw. Gebietserweiterung dieses EU-VSG (siehe Vorbemerkung ). Die im Rahmen dieses Beteiligungsverfahrens gegenüber dem MU vorgebrachten inhaltlichen Einwendungen wurden aus rechtlicher und fachlicher Sicht eingehend geprüft. Als Forderungen wurde insbesondere vorgetragen, zusätzliche Flächen am nordöstlichen Ortsrand von Bensersiel zwischen Bensersiel und Westbense in das EU-VSG V63 einzubeziehen sowie die Flächen am südwestlichen und südlichen Ortsrand von Bensersiel zwischen der kommunalen Entlastungsstraße und der Ortslage nicht in das EU-VSG V63 einzubeziehen. Als Ergebnis der Prüfung ergab sich 3 http://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/130308B9VR10.07.0.pdf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 4 kein zwingendes Erfordernis, die beiden vorgenannten Bereiche fachlich anders zu beurteilen, als dies für den zweiten Entwurf zur Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel (Stand Juli 2014) zugrunde gelegt worden ist. Dieser Entwurf stellt in diesen Bereichen die nach fachlichen Kriterien vorgenommene korrekte Abgrenzung bzw. Gebietserweiterung des EU-VSG V63 dar. 2. Welchen Einfluss hatten die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes 4 CN 3.13 vom 27. März 2014 sowie 4 BN 37.13 vom 13. Januar 2014 und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (1 KN 33/10 vom 10. April 2014), und sind diese Urteile rechtlich mit dem Kabinettsbeschluss vom 2. Februar 2015 in Einklang zu bringen? Die Entscheidungsgründe der Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wurden bei der Erarbeitung der Neuabgrenzung des EU-VSG V63 durch den NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) beachtet (siehe Vorbemerkung). Die fachliche Bewertung der betrachteten Flächen bzw. der in das EU-VSG V63 einzubeziehenden Flächen erfolgte daher allein nach deren ornithologischer Wertigkeit. Dabei wurde der gesamte Bereich um Bensersiel in die Prüfung einbezogen. Die angewandten Kriterien zur Bewertung der Flächen wurden vor dem Hintergrund der oben genannten Urteile weiter konkretisiert (siehe Vorbemerkung ). 3. Welche aktuellen ornithologischen Bestandsdaten liegen dem Kabinettbeschluss vom 2. Februar 2015 zugrunde? In dem vom NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) erarbeiteten Auswahlvermerk (siehe Vorbemerkung ) sind die im Folgenden genannten Gutachten und Datengrundlagen aufgeführt, die vom NLWKN bei der Neuabgrenzung des EU-VSG V63 geprüft und ausgewertet worden sind. Zudem ist darin verdeutlicht worden, dass für die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 die Wertigkeiten des betrachteten Bereichs zum Zeitpunkt der Nachmeldung in 2007 - und damit vor dem Bau der kommunalen Entlastungsstraße - zugrunde gelegt worden sind (siehe Vorbemerkung). – ROßKAMP, T., BÜRO FÜR BIOLOGIE UND UMWELTPLANUNG (1999): Brutvogelerfassung - Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel. Gutachten i. A. von Thalen Consult GmbH; unveröffentlicht. – ROßKAMP, T., BÜRO FÜR BIOLOGIE UND UMWELTPLANUNG (1999): Karte 14 „Auswertungskarte RoteListe -Arten“, Vorhaben Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel, Projekt Brutvogelkartierung, Juni 1999, i. A. von Thalen Consult; unveröffentlicht. – ROßKAMP, T., BÜRO FÜR BIOLOGIE UND UMWELTPLANUNG (2000): Rastvogelerfassung - Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel. Gutachten i. A. von Thalen Consult GmbH; unveröffentlicht. – THALEN CONSULT GMBH (2002): Karte 5 „Empfindlichkeitsuntersuchung Arten- und Biotopschutz“ zum Projekt „Ortsumgehung Bensersiel Umweltverträglichkeitsstudie“, März 2002, Thalen Consult i. A. der Stadt Esens, Bearbeiter T. Roßkamp; unveröffentlicht. – Rastvogeldaten M. Schreiber 1995/1996 („IBA_daten_gk3.shp“); GIS-Daten zu SCHREIBER, M. (1998): Vogelrastgebiete im Grenzbereich zum Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, an der Unterems und der Unterweser. Bramsche. – Rastvogeldaten M. Schreiber, Erfassungszeitraum Februar 2006 bis April 2006. – SCHREIBER, M. (2006): Vorschläge zur Verbesserung des Vogelschutz-Gebietsvorschlages „Ostfriesische Seemarsch von Norden bis Esens“ (V63); unveröffentlichte Stellungnahme zur naturschutzfachlichen Bewertung des Gebietsvorschlags V63 von Oktober 2006 des Landes Niedersachsen i. A. von Statoil Deutschland GmbH, Emden vom 11.12.2006. – SCHREIBER, M. (2010): „Zur Notwendigkeit eines Baustopps für die Ortsentlastungsstraße zum Schutz der Vogelwelt“. Unveröffentlichte Stellungnahme i. A. von H.-H. Kühn vom 23.02.2010. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 5 – BOHNET, V. (2009): Gastvogelerfassung im EU-VSG V63 „Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ im Winterhalbjahr 2008/2009. Unveröffentlichter Bericht i. A. der Staatlichen Vogelschutzwarte im NLWKN, Hannover. – PFÜTZKE, S. (2012): Brutvogelerfassung im EU-Vogelschutzgebiet V63 „Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“ - Abschnitt Dornumersiel bis Neuharlingersiel 2012. Unveröffentlichter Bericht i. A. der Staatlichen Vogelschutzwarte im NLWKN, Hannover. 4. Wer hat diese Daten zu welchem Zeitpunkt erhoben? Siehe Ausführungen zu Frage 3. 5. Stimmt das angewendete Verfahren zur Datenerhebung mit dem Schutzregime des Natura -2000-Netzes und seinem Aktualitäts- und Vorsorgeprinzip überein? Für die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 waren die Wertigkeiten des betrachteten Bereichs zum Zeitpunkt der Nachmeldung in 2007 - und damit vor dem Bau der kommunalen Entlastungsstraße - zugrunde zu legen, um dem Mangel der in 2007 fehlerhaft erfolgten Gebietsabgrenzung abzuhelfen . Maßgeblich sind also die seinerzeit aktuellen naturschutzfachlichen Werte. Zudem ist geprüft worden, ob eine nach 2007 entstandene ornithologische Wertigkeit ergänzend zu berücksichtigen ist. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Die in den Ausführungen zu Frage 3. genannten Gutachten und Datengrundlagen stellen die „besten verfügbaren wissenschaftlich ermittelten Fakten“ (BVerwG Beschluss vom 13.03.2008 - 9 VR 10.07 - Rdnr. 22 m. w. N. 4 ) dar. 6. Von wem und wann ist die jetzt der EU-Kommission gemeldete Erweiterungsfläche gutachterlich beurteilt worden? Im Zuge der fachlich fundierten Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel durch den NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) in 2013/2014 wurde der gesamte Bereich um Bensersiel und damit auch die Flächen der Gebietserweiterung einer fachlichen Prüfung unterzogen. Diese erfolgte insbesondere auf Grundlage der in den Ausführungen zu Frage 3. aufgeführten Gutachten und Datengrundlagen, einer Einschätzung der Lebensraumbedeutung der Flächen (zum Zeitpunkt der Nachmeldung in 2007) gemäß dem gebietsspezifisch vorgenommenen, lebensraumbezogenen Ansatz sowie einer Ortsbesichtigung. 7. Welche wertbestimmenden Vogelarten sind auf der Erweiterungsfläche gezählt und auf welchen Bestandskarten für die Erweiterungsfläche eingetragen worden? Die Bedeutung der Flächen der Gebietserweiterung für die wertbestimmenden Vogelarten des EU-VSG 63 und die Begründung, diese Flächen bei der Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel als zahlen- und flächenmäßig geeignetste Flächen zu berücksichtigen, wurde in dem vom NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) erarbeiteten Auswahlvermerk (siehe Vorbemerkung ) dargelegt. Darin wird ausgeführt, dass die Flächenauswahl primär dem gebietsspezifisch vorgenommenen, lebensraumbezogenen Ansatz, wie er bereits im Rahmen der Nachmeldung in 2007 angewendet wurde, folgt. Es wird verdeutlicht, dass Flächen in der Gebietserweiterung als Einheit mit den im bereits in 2007 gemeldeten EU-VSG V63 befindlichen Rasträumen für Gastvogelarten zu betrachten sind. Eine flächenmäßige Eignung dieser Flächen als EU-VSG bestand, weil hier zum Zeitpunkt der Nachmeldung in 2007 den Ansprüchen der Gastvögel im Hinblick auf die weiträumige Offenheit der Landschaft und deren Nutzung entsprochen wurde. Diese Flächen waren Bestandteil großer zusammenhängender Rasträume, die zudem die Qualität besaßen, zu einem funktionalen Zusammenhang mit dem Wattenmeer beitragen zu können. 4 http://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/130308B9VR10.07.0.pdf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 6 Weitere Flächen in der Gebietserweiterung wurden durch Brachen geprägt, wobei eine flächenmäßige Eignung dieser Flächen als EU-VSG im Hinblick auf die Ansprüche der wertbestimmenden Vogelarten der Röhrichte im EU-VSG V63 bestand. Demzufolge wiesen die südwestlich bis südlich der Ortslage Bensersiel gelegenen Bereiche als Teil des Gastvogellebensraums Großer Brachvogel, der südöstlich der Ortslage Bensersiel bzw. südlich der L 5 gelegene Bereich als Teil des Gastvogellebensraums Großer Brachvogel und Weißwangengans sowie der südlich der Ortslage Bensersiel bzw. westlich des Bensertiefs gelegene Bereich zudem als Brutvogellebensraum Röhrichtvögel wie insbesondere dem Schilfrohrsänger Bedeutung auf. Die ausweislich der in den Ausführungen zur Frage 3. aufgeführten Gutachten und Datengrundlagen festgestellten Bestände bzw. Vorkommen der wertbestimmenden Vogelarten in den Flächen der Gebietserweiterung sind in den Karten 5, 6, 7 und 10 als Anlagen zum Auswahlvermerk des NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) (siehe Vorbemerkung) dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass für die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 die Wertigkeiten zum Zeitpunkt der Nachmeldung in 2007 zugrunde gelegt worden sind (siehe Vorbemerkung). 8. Welche Kontakte hat es zwischen dem Umweltministerium und dem in Dortmund wohnenden Eigentümer der Flächen gegeben? Die Flächen der Gebietserweiterung des EU-VSG V63 stehen anteilig im Eigentum eines in Dortmund wohnenden Eigentümers. Dieser Eigentümer ist neben anderen im öffentlichen Beteiligungsverfahren zum Entwurf zur Neuabgrenzung bzw. Gebietserweiterung dieses EU-VSG (siehe Vorbemerkung ) beteiligt worden und hat u. a. in diesem Rahmen im August 2014 umfassende und detaillierte Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen. Das MU hat dem Eigentümer nach Abschluss des Verfahrens zur Neuabgrenzung bzw. Gebietserweiterung des EU-VSG V63 eine abschließende Mitteilung zu seinen Stellungnahmen und vorgetragenen Ausführungen zukommen lassen. 9. Hat es seitens des Umweltministeriums Bemühungen gegeben, die Angelegenheit in gemeinsamen Gesprächen mit dem Landkreis Wittmund, der Stadt Esens und dem Grundstückseigentümer zu klären? Ja, es ist mehrfach angeregt worden, klärende Gespräche zu führen. Was die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel anbetrifft, ist die durch das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10.04.2013 - 1 KN 33/10 - erkennbar gewordene Notwendigkeit, das EU-VSG dementsprechend neu abzugrenzen, dem Landkreis Wittmund sowie der Samtgemeinde und der Stadt Esens durch das MU am 17.05.2013 gesprächsweise eröffnet worden. Die fachliche, ornithologische Begründung zum Entwurf zur Neuabgrenzung bzw. Gebietserweiterung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel ist in dem öffentlichen Beteiligungsverfahren - auch dem Grundstückseigentümer gegenüber - ausführlich dargelegt worden (siehe Ausführungen zu Frage 8.). Die Vorgaben der EU-Vogelschutzrichtlinie sehen vor, dass für die Abgrenzung von EU-VSG ausschließlich fachliche, ornithologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind und private bzw. finanzielle Interessen Einzelner dabei keine Rolle spielen dürfen. In Bezug auf die Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel bestand deshalb seitens MU für Gespräche mit dem Grundstückseigentümer kein Anlass. 10. Wer haftet, wenn die jetzt vom Kabinett beschlossene Neuabgrenzung vor der EU-Kommission scheitern sollte? Eine Haftung setzt den Eintritt eines zurechenbaren Schadens und eine Beurteilung des Einzelfalls voraus. Ein zurechenbarer Schaden ist derzeit nicht erkennbar. Die Bewertung fiktiver Einzelfälle wäre bloße Spekulation. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4015 7 11. Warum ist eine Teilfläche östlich von Bensersiel, die nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes, des Bundesverwaltungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes zweifellos ein faktisches Vogelschutzgebiet darstellt, bei der Neuabgrenzung nicht berücksichtigt und nicht ornithologisch bewertet worden? Bei der fachlich fundierten Neuabgrenzung des EU-VSG V63 im Bereich Bensersiel durch den NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) wurde der gesamte Bereich um Bensersiel einer fachlichen Prüfung unterzogen. Diese erfolgte anhand der vor dem Hintergrund der Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichtes konkretisierten fachlichen Kriterien, die für die konkrete fachliche Auswahl der in das EU-VSG V63 einzubeziehenden zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Flächen zugrunde gelegt wurden (siehe Vorbemerkung). Zudem erfolgten eine Ortsbesichtigung und eine Einschätzung der Lebensraumbedeutung der Flächen gemäß dem gebietsspezifisch vorgenommenen, lebensraumbezogenen Ansatz. Ergebnis der im Auswahlvermerk des NLWKN (Staatliche Vogelschutzwarte) dargelegten fachlichen Prüfung der Flächen am nordöstlichen Ortsrand von Bensersiel zwischen Bensersiel und Westbense war, dass diese bei der Neuabgrenzung des EU-VSG V63 nicht in das EU-VSG einzubeziehen sind. Die vorgenannten Flächen weisen keine zahlen- und flächenmäßige Eignung als mögliches EU-VSG auf. Diese Flächen werden nach den besten verfügbaren wissenschaftlich ermittelten Fakten (siehe Ausführungen zu Frage 3.) nicht in einem zumindest durchschnittlichen Umfang von Gastvögeln genutzt bzw. weisen keinen weithin offenen Landschaftscharakter auf. Bei dem o. g. für die Gebietsabgrenzung des EU-VSG V63 angewandten gebietsspezifisch vorgenommenen , lebensraumbezogenen Ansatz kommt dem Kriterium der flächenmäßigen Eignung von Flächen als EU-VSG ein besonderes Gewicht zu. (Ausgegeben am 04.08.2015) Drucksache 17/4015 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3393 „Land trickst mit Vogelschutzgebiet“ - Handelt der Umweltminister nach Recht und Gesetz? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 21.04.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz