Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4016 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3705 - Wie bewertet die Justizministerin die Arbeit der niedersächsischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher? Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner und Jan-Christoph Oetjen (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 18.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 29.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 23.07.2015, gezeichnet Antje Niewisch-Lennartz Vorbemerkung der Abgeordneten Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sind ein Organ der Rechtspflege. Das Erkenntnisverfahren kann nur seine Wirkung entfalten, wenn die gefällten Urteile auch umgesetzt werden können. Die effektive Umsetzung des Rechtsgewährungsanspruches der Bürgerinnen und Bürger erhöht das Vertrauen in den Rechtsstaat. Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, dass dieser Anspruch auch umgesetzt wird. Daher müssen geeignete Rahmenbedingungen für das Ausbildungssystem und eine angemessene Besoldung geschaffen werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 1. Januar 2013 wurden den Gerichtsvollziehern neue Aufgaben übertragen. Allerdings wurden mit der Änderung der Verordnung zur Abgeltung der Bürokosten im Gerichtsvollzieherdienst seitens des niedersächsischen Justizministeriums die Gebührenanteile und die Höchstbeiträge für das Jahr 2014 bei einem Anstieg des Arbeitspensums gesenkt. Vorbemerkung der Landesregierung Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher erhalten neben ihren Dienstbezügen eine Vollstreckungsvergütung als Teil der Besoldung. Mit der Vergütung werden die typischen Aufwendungen im Gerichtsvollzieherdienst (z. B. Dienst zu ungünstigen Zeiten) abgegolten. Weiter dient die Vollstreckungsvergütung als Ansporn für eine zügige und erfolgreiche Erledigung der Aufträge. Gemäß § 29 GVO regeln die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher ihren Geschäftsbetrieb nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen. Sie haben hierfür auf eigene Kosten ein Geschäftszimmer zu unterhalten (§ 30 GVO). Zu diesem Zweck wird ihnen neben den beiden genannten Besoldungskomponenten zusätzlich eine Bürokostenentschädigung in Form eines Anteils an den von ihnen vereinnahmten Gebühren gewährt. Für die Bemessung der Bürokostenentschädigung sind folgende Kriterien maßgebend: – durchschnittliche Gebühreneinnahme je Gerichtsvollzieherin oder Gerichtsvollzieher einschließlich Dokumentenpauschale, – Büro-Jahreskostenbetrag (angenommener Wert für die Kosten des Betriebs eines durchschnittlichen Gerichtsvollzieher-Büros von zurzeit 20 274 Euro), – Durchschnittsbelastung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4016 2 Der den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern zustehende Gebührenanteil der Bürokostenentschädigung wird jährlich auf der Grundlage der auf diesem Weg ermittelten Durchschnittsbeträge berechnet und rückwirkend zum 1. Januar des jeweiligen Jahres durch Rechtsverordnung festgesetzt. Auf der Grundlage der Durchschnittsbeträge wird außerdem jährlich ein Höchstbetrag für die einzubehaltenden Gebührenanteile ermittelt und ebenfalls durch Rechtsverordnung festgesetzt. Bei Überschreitung des Höchstbetrags erhalten die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher zusätzlich 50 % des Mehrbetrags. 1. Wie viele Gerichtsvollzieher gibt es gegenwärtig in Niedersachsen, und wie hat sich die Zahl seit dem Jahr 2013 entwickelt? Stichtag Personalbestand Kopfzahl AKA 31.12.2012 400 393,73 31.12.2013 405 394,71 31.12.2014 403 392,88 2. Wie hoch ist die durchschnittliche Arbeitsbelastung der Gerichtsvollzieher unter Berücksichtigung der Aufgabenerweiterung im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung? Mit dem endgültigen Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Januar 2009 (BGBl. I S. 2258) ist ab 2013 die bisherige Bewertung der Tätigkeiten der Gerichtsvollzieher mit dem bisherigen Personalbedarfsberechnungssystem (dem sogenannten Bad Nauheimer Schlüssel) nicht mehr ausreichend. Die Kommission der Landesjustizverwaltungen für Fragen der Personalbedarfsberechnung hat dies zum Anlass genommen, das bisherige Personalbedarfsberechnungssystem zu überprüfen. Die Bewertung und entsprechende Neuberechnungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Kommission der Landesjustizverwaltungen für Fragen der Personalbedarfsberechnung hat daher eine vorläufige Regelung dahin gehend getroffen, dass für die Jahre 2013 und 2014 ein Zuschlag von 10 % auf den nach dem alten „Bad Nauheimer Schlüssel“ errechneten Personalbedarf 2012 festgesetzt wird. 3. Wie lange ist ein Gerichtsvollzieher 2013 und 2014 durchschnittlich krankheitsbedingt ausgefallen? Die durchschnittlichen Krankheitstage der Gerichtsvollzieher in Niedersachsen betrugen im Jahr 2013: 11,04 Tage und im Jahr 2014: 10,23 Tage. 4. Wie bewertet die Landesregierung das gegenwärtige Ausgleichsmodell der Kosten bzw. das Vergütungsmodell der Gerichtsvollzieher in Niedersachsen? Vergütung: Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher haben im Jahr 2014 eine jährliche Vollstreckungsvergütung von durchschnittlich 4 500 Euro erhalten. Im Vergleich dazu betrug die jährliche Vollstreckungsvergütung im Jahr 2013 pro Gerichtvollzieherin bzw. Gerichtsvollzieher durchschnittlich 3 852 Euro. Die Erhöhung ist im Wesentlichen auf die durch das 2. KostRMoG erfolgte Anhebung der als Berechnungsgrundlage dienenden Gerichtsvollziehergebühren um 30 % zurückzuführen . Derzeit hält die Landesregierung die Höhe der Vollstreckungsvergütung für angemessen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4016 3 Bürokostenentschädigung: Die Änderungsverordnung zur Festsetzung des Gebührenanteils der Bürokostenentschädigung für das Jahr 2014 befindet sich derzeit in Vorbereitung. Ein Einkommensverlust ist nicht zu erwarten. 5. Welche andere Kostenausgleichsmodelle bzw. Vergütungsmodelle existieren in anderen Bundesländern? Die derzeit in Niedersachsen noch geltende und früher bundeseinheitliche Vergütungs- und Entschädigungsregelung wird derzeit noch in sieben Ländern angewandt. Neun Länder haben auf andere Berechnungssysteme umgestellt, bei denen entweder a) Personalkosten nur noch gegen Nachweis erstattet werden oder b) die Vergütung und Entschädigung ohne Nachweispflicht zu einer einheitlichen Vergütung zusammengefasst werden. 6. Wie hoch war die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber für den Gerichtsvollzieherdienst in den Jahren 2013 und 2014 in Niedersachsen? Die Anzahl der Bewerbungen für den Gerichtsvollzieherdienst in Niedersachsen lag im Jahr 2013 bei 118 und im Jahr 2014 bei 141. 7. Konnten alle ausgeschriebenen Stellen im Gerichtsvollzieherdienst in den letzten zwei Jahren rechtzeitig besetzt werden? Die in den Jahren 2013 und 2014 ausgeschriebenen Stellen im Gerichtsvollzieherdienst konnten jeweils rechtzeitig besetzt werden. 8. Wie bewertet die Landesregierung das gegenwärtige Ausbildungssystem des Gerichtsvollzieherdienstes in Niedersachsen? Gerichtsvollzieheranwärterinnen und -anwärter absolvieren eine 24-monatige Ausbildung, die aus berufspraktischen Zeiten von insgesamt zehn Monaten und fachtheoretischen Lehrgängen von insgesamt 14 Monaten besteht. Zeiten einer beruflichen Tätigkeit innerhalb der Justiz können mit einer Dauer von sechs Monaten angerechnet werden. Mit den Ländern Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein besteht eine Ausbildungskooperation im Gerichtsvollzieherdienst. Die Anwärterinnen und Anwärter aus diesen Ländern nehmen an der fachtheoretischen Ausbildung in Niedersachsen teil und legen hier auch ihre Laufbahnprüfung ab. Die Aufteilung der Gerichtsvollzieherausbildung in fachtheoretische und berufspraktische Ausbildungsabschnitte hat sich bewährt. Auf neue Entwicklungen wie z. B. das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung kann innerhalb des bestehenden Systems angemessen reagiert werden. Die Gerichtsvollzieheranwärterinnen und Gerichtsvollzieheranwärter werden durch die Ausbildung sowohl in theoretischer als auch in berufspraktischer Hinsicht gut auf ihre späteren Aufgaben vorbereitet. 9. Ist nach Ansicht der Landesregierung eine Reform des gegenwärtigen Ausbildungssystems notwendig bzw. erforderlich, um die Attraktivität des Berufs zu steigern? Nein. Der Beruf der Gerichtsvollzieherin bzw. des Gerichtsvollziehers ist sehr nachgefragt. Im Jahr 2014 sind insgesamt 20 Bewerberinnen und Bewerber zur Gerichtsvollzieherausbildung zugelassen worden. Den zuständigen Oberlandesgerichten lagen für diese Ausbildungsplätze insgesamt 141 Bewerbungen vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4016 4 10. Welche andere Ausbildungssysteme existieren in anderen Bundesländern, und wie bewertet die Landesregierung diese Ausbildungssysteme? In Baden-Württemberg wird die Ausbildung für den Gerichtsvollzieherdienst ab Herbst 2016 auf eine Fachhochschulausbildung umgestellt. Nach einem sogenannten Y-Modell soll ein dreijähriges Studium - teilweise zusammen mit Rechtspflegeranwärterinnen und Rechtspflegeranwärtern - an der Fachhochschule Schwetzingen absolviert werden und mit einem Bachelor abgeschlossen werden . Für die Absolventen des neuen Studiengangs wird eine Sonderlaufbahn des gehobenen Dienstes (BesGr. A 9 bis A 11) eingerichtet werden. Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben sich dem niedersächsischen Ausbildungskonzept angeschlossen. Die derzeitige Gerichtsvollzieherausbildung in Niedersachsen hat sich grundsätzlich bewährt. Gleichwohl wird das Ausbildungssystem insbesondere auf der Grundlage der Erfahrungen in Baden-Württemberg künftig fortlaufend evaluiert werden. (Ausgegeben am 04.08.2015) Drucksache 17/4016 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3705 Wie bewertet die Justizministerin die Arbeit der niedersächsischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher? Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner und Jan-Christoph Oetjen (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 18.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums