Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3518 - Stellen sich sogenannte Tierschutzaktivisten über das Gesetz? Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Helmut Dammann-Tamke, Angelika Jahns und Thomas Adasch (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 19.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 27.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 29.07.2015, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten In der Antwort vom 28.01.2014 auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Was tut die Landesregierung, um Straftaten durch militante ‚Tierschützer‘ zu verhindern?“, Drs. 17/1183, führt die Landesregierung aus, dass Niedersachsen aufgrund seiner landwirtschaftlichen Strukturen, des Neubaus eines Forschungszentrums für Tierimpfstoffe in Hannover sowie durch die Errichtung des europaweit größten Geflügelschlachthofs im Landkreis Celle einen Schwerpunkt für die Aktionen militanter „Tierschützer“ darstelle. Laut Landesregierung gab es im Zeitraum zwischen dem 01.01.2001 und dem 30.09.2013 insgesamt 82 Verdachtsfälle auf Brandstiftungen auf Tierhaltungsanlagen, hiervon können drei der politisch motivierten Kriminalität zugerechnet werden. Hinzu kommen jedoch die Brandstiftungen in einer Hähnchenmastanlage im Landkreis Harburg im Juli 2010 sowie in drei Hühnermastanlagen in Meppen im November 2012. In diesen beiden Fällen wurden die Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Brandstiftung von den zuständigen Staatsanwaltschaften eingestellt, weil die Ermittlungen nicht genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage geboten haben (§ 170 Abs. 2 StPO). Darüber hinaus zählt die Landesregierung in ihrer Antwort im genannten Zeitraum neun Tierbefreiungsaktionen sowie 26 Fälle von Sachbeschädigungen auf, bei denen die Täter im extremistisch-militanten „Tierrechtlermilieu“ vermutet werden. Laut Landesregierung seien die militanten „Tierschützer“ zu unterscheiden von den militanten „Tierrechtlern “, letztere verfolgen zudem extremistische Ziele. Die linksextremistischen, militanten Tierrechtler fordern im Zusammenhang mit der Abschaffung der „Herrschaft“ der Menschen über die Tiere auch die Abschaffung des Staates. Die diesem Spektrum zuzurechnende Personengruppe verübe Straftaten im Namen der Animal Liberation Front und sei zahlenmäßig im unteren zweistelligen Bereich zu verorten. Eine organisierte oder strukturierte Szene von extremistischen „Tierschützern “ sei in Niedersachsen nicht erkennbar. Daher beobachte der niedersächsische Verfassungsschutz auch keine im Bereich „Tierschutz“ tätige Organisation. Im Januar 2014 war bekannt geworden, dass das niedersächsische Landeskriminalamt einen V-Mann in eine Braunschweiger „Tierrechtsgruppe“ eingeschleust hatte, der wertvolle Unterstützung für die Gruppe gewesen sei. So berichtet die TAZ in einem Artikel vom 26.01.2014 über Fahrdienste im „Zeckomobil“, die Ralf G. angeboten habe, sowie über Tipps des V-Manns zum Lahmlegen von Lkw oder zum Fluten von Stallbaustellen. Wesentlich häufiger als Brandstiftungen und Sachbeschädigungen sind jedoch Einbrüche in Tierställe . Die Aktivisten brechen z. B. in Geflügelställe ein und filmen nachts die Tiere. Es kommt zu panischem Verhalten der Tiere mit der möglicherweise sogar kalkulierten Folge, dass Hunderte von Tieren dabei zu Tode kommen. Diese werden dann gefilmt und ins Internet gestellt oder in den Me- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 2 dien als Belege dafür verwandt, dass Tierschutzvorgaben nicht erfüllt werden. Erst kürzlich gab es einen weiteren Einbruch in einer Geflügelhaltung im Landkreis Cloppenburg. Dieses illegale Eindringen erfüllt in der Regel jedoch nur den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs. Die Zeit berichtet in ihrer Onlineausgabe vom 10.10.2014, dass in den vergangenen zehn Jahren bundesweit mehr als 2 000 Straftaten durch „Tierrechtsaktivisten“ begangen wurden. In dem Artikel steht: „Glaubt man den Zahlen der Sicherheitsbehörden, begehen die Öko-Extremisten jede Woche vier Delikte. Die Aktivisten der Animal Liberation Front sprechen selbst von mindestens zwei Anschlägen pro Woche. Doch in keinem Verfassungsschutzbericht, in keinem offiziellen Report von Landeskriminalämtern oder BKA tauchen diese Taten auf.“ Vorbemerkung der Landesregierung Wie bereits in der Antwort der Landesregierung vom 28.01.2014 auf die Kleine Anfrage „Was tut die Landesregierung, um Straftaten durch militante ,Tierschützer‘ zu verhindern?“ (Drs. 17/1183) beschrieben, stellte Niedersachsen in den vergangenen Jahren aufgrund seiner landwirtschaftlichen Strukturen sowie des Neubaus eines Forschungszentrums für Tierimpfstoffe und der Errichtung des europaweit größten Geflügelschlachthofs in Wietze einen Schwerpunkt für Aktionen „militanter Tierschützer“ dar. Seit dem Jahr 2009 ist die Zahl der registrierten politisch motivierten Sachbeschädigungen im Bereich des Themenfeldes „Tierschutz“ stark rückläufig. Nach einem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder wurde bundesweit im Jahr 2001 ein einheitlicher Kriminalpolizeilicher Meldedienst - Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) eingeführt, um eine bundeseinheitliche und differenzierte Auswertung und Lagedarstellung zu ermöglichen. Straftaten, die aus der Motivation des Tierschutzes heraus begangen wurden oder sich gegen die Halter von Tieren richten, werden im KPMD-PMK im Themenfeld „Tierschutz“ erfasst. Dementsprechend wurden die Fallzahlen zu politisch motivierten Sachbeschädigungen zum Themenfeld „Tierschutz “ für die Jahre 2009 bis 2013 im Dateisystem „Auswerteprogramm Polizeilicher Staatsschutz“ mit Stand vom 01.06.2015 erhoben. Die Recherche der Fallzahlen für die Jahre 2014 und 2015 erfolgte mit Stand vom 01.06.2015 im Nachfolgesystem NIVADIS Auswertung 2.0. Seitens des niedersächsischen Verfassungsschutzes wird die überwiegende Mehrheit der unter dem Oberbegriff des militanten Tierschutzes aktiven Personen und Organisationen nicht als extremistisch eingestuft. Zwar werden im Bereich des militanten Tierschutzes vereinzelt, insbesondere von den militanten „Tierrechtlern“, auch linksextremistische Positionen vertreten bzw. Kontakte zur linksextremistischen Szene unterhalten. Vielfach handelt es sich dabei aber nicht um geschlossene Gruppierungen oder feste Personenkreise, sondern um einzelne Personen. Eine generelle Zuordnung (militanter) Aktionen von Tierschützern zum politischen Extremismus kann daher nicht vorgenommen werden. Nach wie vor ist eine organisierte oder strukturierte Szene von extremistischen „Tierschützern“ in Niedersachsen nicht erkennbar. Aus diesen Gründen war und ist die militante Tierschutzszene kein Beobachtungsobjekt des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage auf Grundlage der Berichterstattung des Landeskriminalamts Niedersachsen wie folgt. 1. Waren die beiden Brandstiftungen im Landkreis Harburg und in Meppen nach Kenntnis der Landesregierung politisch motiviert, und sind sie der militanten „Tierschutz- oder Tierrechtsszene“ zuzuschreiben? Die Brandstiftung an der Hähnchenmastanlage am 30.07.2010 in Buchholz-Sprötze, bei der die Täter gewaltsam eindrangen und unter Verwendung von Brandbeschleuniger ein Feuer legten, wird auf Grundlage der Tatumstände, der drei ermittelten Tatverdächtigen sowie einer Selbstbezichtigung durch die Animal Liberation Front als politisch motivierte Tat durch Personen aus der militanten „Tierschutz- bzw. Tierrechtsszene“ angesehen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 3 Bei der Brandstiftung in drei Ställen einer Hähnchenmastanlage am 22.11.2012 in Meppen-Klein Fullen war zunächst aufgrund der Tatumstände, des angegriffenen Objekts sowie einer bekanntgewordenen Selbstbezichtigung ohne Gruppenbezeichnung eine politisch motivierte Tat aus Reihen der militanten „Tierschutz- bzw. Tierrechtsszene“ nicht auszuschließen. Die weiteren polizeilichen Ermittlungen, die nicht zur Ermittlung von Tatverdächtigen führten, ergaben keine eindeutigen Anhaltspunkte auf eine politisch motivierte Tat oder eine Täterschaft aus den Reihen der militanten „Tierschutz- bzw. Tierrechtsszene“. Eine inhaltliche Bewertung des Selbstbezichtigungsschreibens durch das Landeskriminalamt Niedersachsen und das Bundeskriminalamt (BKA) führten zu der übereinstimmenden Bewertung, dass an der Authentizität des Schreibens, also einer Urheberschaft von Personen der linken Szene oder von militanten Tierrechtlern, erhebliche Zweifel bestehen. Darüber hinaus hatten sich die bis dahin erfolgten Brandstiftungen der Tierrechtsszene an Stallanlagen überwiegend im östlichen und nördlichen Niedersachsen gegen Stallneubauten sowie Zulieferbetriebe der neu entstandenen Geflügelgroßschlachtanlage in Wietze im Landkreis Celle gerichtet , wo eine entsprechende Szene ansässig ist. Der Tatort Meppen liegt im westlichen Niedersachsen , wo bisher keine wesentlichen Aktivitäten oder Straftaten der Tierrechtsszene feststellbar waren . Vor diesem Hintergrund lässt sich eine politische Motivation im Sinne des KPMD-PMK bei dieser Tat nicht belegen. 2. Wenn nein, auf welchen Erkenntnissen begründet die Landesregierung diese Einschätzung ? Siehe Frage 1. 3. Wie hoch ist der Schaden, der durch Brandstiftungen von „Tierschutzaktivisten“ in Niedersachsen seit 2009 verursacht wurde, insgesamt? Die Gesamtschadenssumme aus vier Brandstiftungen, die der militanten „Tierschutz- bzw. Tierrechtsszene “ zugerechnet werden, beträgt 1 061 000 Euro. Bei der Ermittlung der Einzelschäden handelt es sich in der Regel um Schätzungen, nicht um gutachterlich ermittelte Werte. In der Summe nicht enthalten ist der Schaden der Brandstiftung an der Hähnchenmastanlage am 22.11.2012 in Meppen-Klein Fullen (vergl. Ausführungen unter Frage 1). 4. Wie viele Fälle von Sachbeschädigungen mit einem Tierschutzhintergrund gab es seit 2009 in Niedersachsen insgesamt? Für die Jahre 2009 bis 2015 (Stand 01.06.2015) wurden im Themenfeld „Tierschutz“ insgesamt 165 Sachbeschädigungen gemäß § 303 StGB registriert. Der hierbei ermittelte Sachschaden, der in der Regel auf Schätzungen der sachbearbeitenden Dienststelle und nicht auf gutachterlicher ermittelten Werten beruht, beträgt insgesamt 302 322 Euro. Zu beachten hierbei ist allerdings, dass bei 41 von 165 erfassten Sachbeschädigungen keine Schadensangaben in dem polizeilichen Auskunftssystem verzeichnet waren. Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015  Straftaten 45 25 27 15 27 18 8 165 davon Straftaten ohne Schadenssumme 12 2 3 6 7 7 4 41 Gesamtschadens - summen in Euro 70 750 17 370 13 615 4 040 12 996 24 450 7 940 151 161 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 4 5. Wie hoch ist der Sachschaden, der dadurch entstand? Siehe Frage 4. 6. Wie viele Einbrüche in deutsche und niedersächsische Ställe gab es seit 2009? Aufgrund der Vorbemerkungen der Fragesteller wurden zur Beantwortung dieser Frage neben dem Straftatbestand des § 243 StGB (besonders schwerer Fall des Diebstahls) auch die Straftatbestände der §§ 123 und 303 StGB (Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung) einbezogen. Für Niedersachsen sind in den polizeilichen Auskunftssystemen unter den genannten Straftatbeständen für den Betrachtungszeitraum insgesamt 668 Straftaten mit einem Gesamtschaden von 1 317 954 Euro registriert, bei denen als Tatort „Stallungen“ erfasst wurde. Im Einzelnen verteilen sich die Taten wie folgt: § 243 StGB § 303 StGB § 123 StGB Gesamtzahl 2009 94 15 3 112 2010 87 16 8 111 2011 102 13 11 126 2012 65 11 4 80 2013 79 5 7 91 2014 95 12 9 116 2015 23 8 1 32 668 Wie viele Einbrüche in Stallungen sich bundesweit seit dem Jahr 2009 ereigneten, ist der Landesregierung nicht bekannt. 7. Wie hoch ist der Schaden, der dadurch entstand? Siehe Frage 6. 8. Wurden alle Einbrüche zur Anzeige gebracht und verfolgt? In den polizeilichen Auskunftssystemen und in der Polizeilichen Kriminalstatistik wird nur das sogenannte Hellfeld - also die der Polizei bekannt gewordene Kriminalität - erfasst. Es ist nicht auszuschließen , dass es neben den 668 erfassten Straftaten (einschließlich Sachbeschädigungen und Hausfriedensbrüchen) in den Jahren 2009 bis 2015 weitere Einbrüche und einbruchsähnliche Taten in Stallungen gegeben hat, die nicht zu Anzeige gebracht oder nicht als Straftat erkannt wurden (sogenanntes Dunkelfeld). 9. Wie viel Belohnungen wurden ausgelobt? Über die Höhe der Auslobungen von Belohnungen im Zusammenhang mit Straftaten im Bereich des Themenfeldes „Tierschutz“ liegen der Landesregierung keine validen Daten vor. In dem in den Vorbemerkungen angesprochenen Verfahren „Brandstiftungen in der Hähnchenmastlage im Landkreis Harburg im Juli 2010“ hatte die Polizeidirektion Lüneburg eine Belohnung von 5 000 Euro ausgelobt. Von privater Seite war die Summe um weitere 20 000 Euro aufgestockt worden. Seitens der Staatsanwaltschaften sind in der Zeit seit 2009 keine Belohnungen ausgelobt worden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 5 10. Wie viele Einbrüche wurden aufgeklärt? Gemäß den bundeseinheitlichen Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik gilt eine Straftat als aufgeklärt, zu der nach dem (kriminal-)polizeilichen Ermittlungsergebnis mindestens ein Tatverdächtiger bekannt wurde. Von den 668 im Betrachtungszeitraum registrierten Einbrüchen und einbruchsähnlichen Straftaten (vgl. Frage 6) wurden 102 Taten aufgeklärt. 11. Wie viele Täter wurden ermittelt und verurteilt? Zu den 102 aufgeklärten Straftaten konnten 163 Tatverdächtige ermittelt werden. Diese verteilen sich auf die jeweiligen Straftatbestände wie folgt: § 243 StGB § 303 StGB § 123 StGB Gesamtzahl TV 2009 8 8 2010 33 3 6 42 2011 17 3 8 28 2012 7 3 10 2013 24 11 35 2014 22 6 5 33 2015 3 3 1 7 163 Hinsichtlich der Verurteilungen können den polizeilichen Auskunftssystemen keine validen Daten entnommen werden, da zu einem Großteil der Straftaten keine Verfahrensausgänge bei der Polizei vorliegen. Bei der Justiz erfolgt keine gesonderte statistische Erfassung von Verurteilungen zu Einbrüchen oder einbruchsähnlichen Taten in Stallungen, weshalb die justiziellen Statistiken diese nicht ausweisen . Es ist daher aus den Statistiken nicht ersichtlich, wie viele Personen wegen Einbrüchen oder einbruchsähnlicher Taten in Stallungen verurteilt worden sind. Da eine händische Auswertung der Akten bei den Staatsanwaltschaften aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht stattgefunden hat, ist nicht auszuschließen, dass es seit 2009 zu Verurteilungen gekommen ist. 12. Gibt es Einbrüche, die sogenannten Tierschutzaktivisten zugerechnet werden konnten? Im Betrachtungszeitraum sind sechs Fälle bekannt geworden, bei denen sogenannte Tierschutzaktivisten unberechtigt in Stallungen eindrangen. Ein Einbruch gemäß § 243 StGB (besonders schwerer Fall des Diebstahls) befand sich nicht darunter. In vier dieser Fälle bestand der Verdacht oder es lagen Hinweise darauf vor, dass die Stallungen mit dem Ziel betreten wurden, Foto- bzw. Filmaufnahmen illegal anzufertigen und diese anschließend zu verbreiten. In einem Fall dienten die Videoaufnahmen dazu, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz anzuzeigen. 13. Wie viele Tiere kamen bei den Einbrüchen zu Tode? Bei den sechs den „Tierschutzaktivisten“ zuzurechnenden Taten kamen in keinem Fall Tiere zu Tode . 14. Wie viele Film- und Fotoaufnahmen sind illegal aufgenommen worden, und auf welchem Wege und durch wen wurden sie verbreitet? Siehe Frage 12. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 6 15. Wie bewertet die Landesregierung die Seuchenproblematik bei Einbrüchen? Aus seuchenhygienischer Sicht werden Einbrüche in Tierhaltungen als problematisch angesehen. Bei Einbrüchen in Tierhaltungen ist nicht davon auszugehen, dass Biosicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Es besteht somit die Gefahr, dass Tierseuchenerreger in den Einbruchsbestand eingeschleppt oder aus dem Einbruchsbestand weiterverbreitet werden. 16. Gibt es nach solchen Einbrüchen veterinärmedizinische Auflagen und medikamentöse Verschreibungen? Grundsätzlich ist nach Kenntnis der Landesregierung in den in Rede stehenden Fällen keine Arzneimittelverabreichung indiziert; dies ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig, d. h. insbesondere vom Allgemeinbefinden der Tiere. Vorstellbar ist die Gabe eines Sedativums oder Beruhigungsmittels zur Stressreduktion im Falle einer starken Beunruhigung der Tiere - vergleichbar der Verabreichung bei Hunden zum Jahreswechsel, um den Stress der Tiere bei Feuerwerk zu lindern. Denkbar ist auch bei nicht sachgerechtem Umgang mit Tieren und Verletzungen die Verabreichung beispielsweise eines Schmerzmittels oder von Arzneimitteln zur Wundbehandlung. 17. Wenn ja, wer trägt die Kosten? Es gilt das Verursacher- bzw. Veranlasserprinzip. 18. Welche Warnhinweise und Vorschläge haben die Landesregierung oder ihr nachgeordnete Stellen an niedersächsische Tierhalter herausgegeben, damit solche Einbrüche verhindert werden können? Im Zusammenhang mit den Brandanschlägen auf Geflügelmastanlagen wurde durch das Landeskriminalamt Niedersachsen für die „Beauftragten für Kriminalprävention“ bei den Polizeiinspektionen in Niedersachsen eine Informationsbroschüre erstellt, in denen insbesondere bauliche und sicherungstechnische Maßnahmen für die Beratung der Betreiber solcher Anlagen aufgeführt sind. Die in der Informationsbroschüre aufgeführten Empfehlungen gelten sowohl für im Bau befindliche Anlagen als auch für Bestandsanlagen. Auf die präventive Unterstützung von Betreibern durch die kriminalpolizeilichen Beratungsstellen wird unter Frage 26 gesondert eingegangen. Darüber hinaus sind Landwirte durch die öffentliche Berichterstattung in der Tagespresse und durch Fachzeitschriften über die Einbrüche von Aktivisten in Ställe informiert. Es bedarf daher keiner gesonderten Warnhinweise durch die Landesregierung. Einbrüche mit hoher krimineller Energie in Ställe sind nur schwer zu verhindern, zumal die Ställe häufig im Außenbereich liegen. 19. Wie kann sich ein Landwirt schützen, der Bio- oder Freilandhühner hält? Für eine Freilandabsicherung bietet die Industrie verschiedene Produkte an, die jedoch teils sehr aufwendig bzw. kostenintensiv sind. Bei Bedarf unterstützt die Zentralstelle Prävention des Landeskriminalamts Niedersachsen bei der Beratung und Projektierung geeigneter Schutzmahnahmen . Auf die Ausführungen in Frage 18 wird hingewiesen. 20. Wie kann sich ein Bio- oder Outdoorlandwirt in der Schweinezucht schützen? Siehe Fragen 18 und 19. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 7 21. Wie können andere Landwirte geschützt werden, die weitere Nutztierarten im Außenbereich oder in Ställen halten? Siehe Fragen 18 und 19. 22. Wie geht die Landesregierung bzw. wie gehen andere Landesregierungen mit dieser Form der Organisierten Kriminalität um, welche Maßnahmen werden durchgeführt bzw. sind in Planung? Gemäß bundeseinheitlicher Definition handelt es sich bei „Organisierter Kriminalität“ um die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken. Die von Tierrechtlern verübten Straftaten weisen die aufgeführten Merkmale und Kriterien nicht auf. Polizeiliche Maßnahmen zum Schutz der Tierhalter orientieren sich an den taktischen Erfordernissen und rechtlichen Möglichkeiten des jeweiligen Einzelfalls. Sie reichen von einer Beratung zu Verhaltensweisen und technischen Sicherungen bis hin zu polizeilicher Präsenz im Bereich entsprechender Objekte, sogenannten Objektschutzmaßnahmen. Die Zentralstelle Prävention des Landeskriminalamts Niedersachsen war diesbezüglich mehrfach in den von Brandanschlägen betroffenen Gebieten von Wietze, Sprötze und Salzgitter beratend tätig. Auf Nachfrage der jeweiligen Betreiber von Mastanlagen wurden individuelle Sicherheits- und Schutzkonzepte mit technischen und verhaltensorientierten Präventionsmaßnahmen zu verschiedenen Aspekten erstellt. Darüber hinaus führte das Landeskriminalamt Niedersachsen am 14.12.2011 vor dem Hintergrund der Gefährdungslage polizeiintern eine Arbeitstagung für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter des polizeilichen Staatsschutzes zum Thema „Militanter Tierschutz“ durch. Zudem hielt das Landeskriminalamt Niedersachsen zur Sensibilisierung von Tierhaltern bei Veranstaltungen landwirtschaftlicher Verbände in Visbeck und Hannover in den Jahren Jahre 2011 sowie 2012 themenbezogene Vorträge, in denen auch Präventionsaspekte behandelt wurden. 23. Ist das Einschleusen von V-Männern in Gruppen von Tierrechtsaktivisten aus Sicht der Landesregierung ein geeignetes Mittel, um frühzeitig Aufschluss über geplante kriminelle Aktionen zu gewinnen? Die Zulässigkeit des Einsatzes einer Vertrauensperson inklusive dessen Erfolgsaussichten können nur am konkreten Einzelfall bewertet werden. Grundsätzlich ist es möglich, dass es einer Vertrauensperson gelingt, in eine Täterstruktur einzudringen, um an Erkenntnisse zu gelangen, auf deren Grundlage kriminelle Aktionen wie beispielsweise Brandanschläge mit hohem Sachschaden verhindert werden können. 24. Stellt die Landesregierung künftig sicher, dass die eingeschleusten V-Leute nicht selbst zu Straftaten anstiften, gegebenenfalls wie? Vertrauenspersonen erhalten ihre allgemeinen und speziellen Aufträge durch die polizeiliche VP-Führung. Die Führung der Vertrauensperson erfolgt in der Regel von gesonderten, von den ermittlungsführenden Dienststellen getrennten, Organisationseinheiten. Die VP-Führung ist bestimmten Richtlinien unterworfen und erfolgt durch geeignetes, speziell geschultes Personal, welches hinsichtlich der mit den Einsätzen verbundenen Anforderungen und Risiken besonders sensibilisiert Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 8 ist. Im konkreten Einsatz erhält die VP ihre von der sachbearbeitenden Dienststelle stammenden Aufträge nur über diese der VP zugeordneten VP-Führer. Da die VP im Kontakt mit Zielpersonen letztlich auf sich allein gestellt agieren und auch eine Begleitung durch die VP-Führung keine unmittelbare Einflussnahme auf das Verhalten und die Gesprächsführung der eingesetzten Vertrauensperson zulässt, werden diese bereits im Zuge ihrer Anwerbung darüber belehrt, dass die Zusammenarbeit sofort beendet wird, falls – die VP wissentlich oder leichtfertig falsche Informationen gibt, – sie von einer Weisung vorwerfbar abweicht oder sich sonst als unzuverlässig erweist, – sich eine strafbare Tatbeteiligung herausstellt, – sie sich bei ihrer Tätigkeit für die Strafverfolgungsbehörde strafbar macht. Ferner wird der VP ausdrücklich erklärt, dass sie niemanden zu Straftaten anstiften darf. Der Verstoß gegen diese Vorgabe würde eine vorwerfbare Abweichung von einer Weisung darstellen und zur sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit führen. Diese Belehrung wird durch die Vertrauensperson nach Bekanntgabe schriftlich gegengezeichnet. Vor jedem Einsatz einer Vertrauensperson erfolgt eine erneute schriftliche Belehrung durch die VPFührung , in der abermals auf die eine weitere Zusammenarbeit sofort beendenden Umstände hingewiesen wird. Darüber hinaus wird durch die VP-Führung während der regelmäßigen persönlichen Treffen mit Vertrauenspersonen immer wieder auf die o. a. Kriterien verwiesen. Ergänzend wird die VP regelmäßig durch Plausibilitäts- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen, die fester Bestandteil der VP-Führung sind, hinterfragt. Diverse andere einsatzbegleitende verdeckte Maßnahmen lassen gegebenenfalls weitere Zuverlässigkeitseinschätzungen der Vertrauenspersonen zu. Stellt die VP-Führung fest, dass die VP dennoch die genannten Kriterien nicht einhält und unter Umständen zu Straftaten anzustiften versucht, wird die Zusammenarbeit eingestellt und grundsätzlich eine bundesweite polizeiliche Warnmeldung an VP-Dienststellen veranlasst. Darüber hinaus wird in jedem Verdachtsfall die sachleitende Staatsanwaltschaft direkt oder über die ermittlungsführende Dienststelle informiert, respektive eine Strafanzeige wegen der im Raum stehenden, von der VP begangenen Straftaten gefertigt. 25. Wie bewertet die Landesregierung die Aussagen in dem Zeit-Artikel, nach denen eine erhebliche Anzahl von Straftaten durch „Tierrechtsaktivisten“ begangen wird, diese jedoch in keinem Verfassungsschutzbericht, in keinem offiziellen Report von Landeskriminalämtern oder BKA auftauchten? Im Rahmen des KPMD-PMK werden dem BKA entsprechende von „Tierrechtsaktivisten“ begangene Delikte unter Zuordnung eines Phänomenbereichs durch die Bundesländer übermittelt. Seitens des BKA werden die eingehenden Meldungen ausgewertet und eventuell um eigene Erkenntnisse ergänzt. Die bei den Auswertungen und Analysen gewonnenen Erkenntnisse werden den Landeskriminalämtern periodisch zur Verfügung gestellt. Bei der Auswertung im Februar 2015 zu dem Unterthema „Tierschutz/Tierrecht/Jagd“ wurden für das Jahr 2014 bundesweit rund 230 Straftaten registriert . Dies stellt im Verhältnis zur Gesamtzahl politisch motivierter Kriminalität (32 700 Taten) einen sehr geringen Anteil (ca. 0,7 %) dar. Das Landeskriminalamt Niedersachsen berichtet polizeiintern regelmäßig und umfassend zu aktuellen Themenfeldern des polizeilichen Staatsschutzes, darunter auch zu Aktivitäten und Straftaten durch Tierrechtsaktivisten, beispielsweise in Form entsprechender Lagebilder zur politisch motivierten Kriminalität. Wie in den Vorbemerkungen bereits beschrieben, ist die militante Tierschutzszene kein Beobachtungsobjekt des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Daher kann auch keine Berichterstattung zu „Tierrechtsaktivisten“ im jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht Niedersachsen oder in ähnlichen Periodika erfolgen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4023 9 26. Wird die Landesregierung etwas tun, um die Prävention vor Straftaten aus der „Tierrechtlerszene “ zu verbessern, gegebenenfalls was? Bereits im Jahr 2012 informierte die Zentralstelle Prävention des Landeskriminalamtes Niedersachsen im Rahmen der internen Öffentlichkeitsarbeit landesweit die Beauftragten für Kriminalprävention bei den Polizeiinspektionen in Niedersachsen über präventive Aspekte im Themenzusammenhang mit „Brandanschlägen auf Hühnermastanlagen“ und gab Hinweise zu Präventions- sowie Sicherungsmaßnahmen. Darüber hinaus stehen die kriminalpolizeilichen Beratungsstellen nach wie vor den Betreibern bei der Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen bei Bedarf beratend und unterstützend zur Seite. So wurden in Einzelfällen von den örtlichen Polizeidienststellen, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Präventionsteam des Landeskriminalamts Niedersachsen, Verantwortliche gefährdeter Betriebe aufgesucht und Vorschläge zur technischen Absicherung der Anlagen unterbreitet. (Ausgegeben am 05.08.2015) Drucksache 17/4023 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3518 Stellen sich sogenannte Tierschutzaktivisten über das Gesetz? Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Helmut Dammann-Tamke, Angelika Jahns und Thomas Adasch (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 19.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport