Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4024 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3778 - Power to Heat: Welche Potenziale sieht die Landesregierung, und was unternimmt sie? Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 25.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 07.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 31.07.2015, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung des Abgeordneten Gegenüber den Sommermonaten gibt es in den Wintermonaten einen deutlichen „Windstromüberschuss “, der mit dem steigenden Anteil der erneuerbaren Energien zunimmt. Ziel muss es daher sein, diesen regenerativ erzeugten Strom - sofern möglich - entweder in das Netz einzuspeisen oder direkt in Wärme umzuwandeln und zur Beheizung von Gebäuden einzusetzen. Nach einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts vom 15.12.2014 könnten „Millionen Haushalte“ davon profitieren und damit auch zur Stabilität der Netze beitragen. Akzeptanz findet Power to Heat (PtH) nach Expertenansicht aber vermehrt dann, wenn der sogenannte Überschuss-Strompreis auch entsprechend seinem hohen Angebot sinkt. Dann wird auch der Einsatz von PtH in einem Hybridsystem mit einem speicherbaren Energieträger wie Heizöl interessant. Quasi nebenbei wird damit der Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmemarkt erhöht. Vorbemerkung der Landesregierung Unter „Power to Heat“ (PtH) wird die Nutzung von Strom zur Bereitstellung von Wärme und Kälte, aber auch Regelenergie als eine Systemdienstleistung verstanden. Dabei wird Strom genutzt, der zu sehr günstigen Preisen angeboten wird und/oder aus regenerativen Energiequellen stammt und beispielsweise wegen Netzrestriktionen nicht an Verbraucher in anderen Netzgebieten weitergeleitet werden kann. PtH ermöglicht bereits jetzt Netzdienstleistungen für die Stabilität des Stromversorgungssystems und ist auch ein Konzept zur Optimierung von Anlagen zur Kraft-WärmeKopplung (KWK) und konventionellen Anlagen zur Wärmebereitstellung aus elektrischer Energie. Einzelne, große PtH-Anlagen nehmen bereits heute am Regelenergiemarkt teil und tragen so zur Versorgungssicherheit bei. PtH fördert die Integration erneuerbarer Energien in das zukünftige Energieversorgungssystem durch die unmittelbare Nutzung von Strom zur Bereitstellung von Wärme und Kälte und bietet viele Optionen für einen stabilen und kosteneffektiven Netzbetrieb. PtH baut teilweise auf bekannten Produkten wie Wärmepumpen, Durchlauferhitzer- und Elektrodenkesseln sowie Wärmespeichern auf, benötigt aber insbesondere im Bereich der Systemintegration noch viele neue Lösungen. Die Umsetzung ist im Vergleich zum Potenzial noch sehr gering. PtH ist ein wichtiges Thema, weil ein Mix aus verschiedenen Flexibilitätsoptionen mit der Energiewende einhergehen muss. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4024 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die Nutzung des „Überschussstroms“ aus erneuerbaren Energien für die Nutzung von Power to heat und damit als Einsatz in der Raumwärme und der Warmwasseraufbereitung? Das Thema PtH, die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, der beispielsweise wegen Netzrestriktionen nicht abtransportiert werden kann oder die Netze belastet, sowie die Verwendung von Wärmeerzeugern und -speichern zur Bereitstellung von Regelleistung für das elektrische Netz hat viele Facetten: Neue Anlagen und Produkte, die Einbindung in das Wärmesystem eines Industriebetriebes oder Wohnhauses, rechtliche Rahmenbedingungen und die Belastung von Strom mit Abgaben und Auswirkungen auf die Netze, um nur einige zu nennen. Zum Beispiel lassen sich Spannungsprobleme im Niederspannungsnetz aufgrund einer hohen Durchdringung des Netzabschnitts mit Photovoltaikanlagen durch den Einsatz von Heizpatronen in den Hausheizungen preiswert und sicher beherrschen. Im Vergleich zu Hausenergiespeichern, die Strom aus den Photovoltaik (PV)-Anlagen für die Verwendung nach Sonnenuntergang speichern, ist diese thermische Nutzung derzeit meist auch kostengünstiger. Elektrodenkessel im Leistungsbereich bis ca. 50 MW und große Durchlauferhitzer im Leistungsbereich bis ca. 10 MW, die Strom für die Wärmeerzeugung parallel zur konventionellen Wärmeversorgung aus Heizkesseln und KWK-Anlagen nutzen, sind am Markt verfügbar und auch schon im beschränkten Umfang installiert (genaue Zahlen liegen dem Umweltministerium hierzu nicht vor, es handelt sich aber bundesweit vermutlich um mehrere hundert MW Gesamtleistung). Geschäftsbasis für diese Anlagen ist die Nutzung der Anlagen für die Bereitstellung von Sekundärregelleistung , die in der Stromversorgung zum Ausgleich zwischen Kraftwerksleistung und Verbrauch benötigt wird, und zur Optimierung von KWK-Anlagen, deren wirtschaftlicher Betrieb bei sehr geringen Strompreisen schwierig ist. Im Bereich der Primärregelung spielt PtH wegen der heute geltenden technischen Rahmenbedingungen noch keine Rolle. Der Einsatz dieser Anlagen, wenn er mit EE-Strom erfolgt, spart vielfach den Einsatz von fossilen Brennstoffen und trägt somit zur Treibhausgasminderung bei. „Überschussstrom“ gibt es nicht. Im Netz kann immer nur so viel Strom sein, wie im gleichen Augenblick verbraucht wird. Zudem ist dieser quasi zu viel erzeugte Strom, der nicht verbraucht oder transportiert werden kann, den Anlagenbetreibern nach dem EEG zu vergüten (siehe dazu auch die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Zwangsabschaltungen von Windparks aufgrund fehlender Stromnetze“, Drs. 17/3646). Konzepte zur Aufnahme von Strom zu einer CO2-armen bzw. -freien Heizung wie das „Wärmepumpendorf “, Hochtemperaturspeicher und neue Dampfspeicher zeigen, was technisch und wirtschaftlich möglich sein wird, um Strom sinnvoll zu nutzen. Dabei ist die Konkurrenzsituation zur stofflichen Speicherung („Power to Gas“) und zu Batteriespeichern zu betrachten sowie die Notwendigkeit , dass durch die thermische Nutzung von Strom die maximale Netzlast bei einer Dunkelflaute nicht überschritten werden darf. PtH-Anlagen, die zu einer Erhöhung der erforderlichen Reservekapazität des Kraftwerksparks der Zukunft mit einhergehendem weiteren Netzausbaubedarf führen, wären kontraproduktiv. 2. Welche Potenziale in Relation zum gesamten Wärmebedarf in privaten Gebäuden zur Wohnnutzung sieht die Landesregierung in Niedersachsen und in Deutschland? PtH ist eine Option für das Energieversorgungssystem der Zukunft. In einem Strommarkt der Zukunft , der sich auf 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen stützt, wird es systembedingt dazu kommen, dass Strom auch für industrielle Kälte- und Wärmeprozesse eingesetzt wird. Aber auch auf dem allgemeinen Wärmemarkt wird langfristig die Wärmeerzeugung mittels Strom an Bedeutung gewinnen, um die Treibhausgasreduktionsziele zu erreichen. PtH ist eine am Markt heute schon verfügbare Technologie, um die regenerativ erzeugte fluktuierende elektrische Energie in Haushalt und Industrie gewinnbringend nutzen zu können. Forschungsarbeiten haben das Ziel, mit neuen Komponenten (z. B. Hochtemperatur-Wärmespeicher) eine weitere Integration dieser Technologie in das Energiesystem der Zukunft zu befördern. Eine Quantifizierung ist jedoch schwierig. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4024 3 – Ausreichenden Netzausbau unterstellt, wird es vermutlich noch viele Jahre dauern, bis die gesamte Stromproduktion aus Anlagen der erneuerbaren Energien zum ersten Mal den Gesamtbedarf an elektrischer Energie in Deutschland überschreitet. – Wenn die Einspeisevergütung für PV-Strom unter den Gaspreis sinkt, ist die Nutzung selbst erzeugten PV-Stroms zur Warmwasserbereitung innerhalb eines Gebäudes eine kosteneffektive Nutzung für Betreiber von PV-Anlagen. Der Warmwasserbedarf ist auch im Hochsommer in Privathaushalten hoch. Wenn die Gestehungskosten für PV-Strom unter den Gasbezugspreis fallen , ergibt sich sogar ein neuer Markt für PV-Anlagen, deren Wirtschaftlichkeit nicht von einer gesetzlich geregelten Einspeisevergütung abhängt, sondern von der Preisgestaltung der Netznutzungskosten für Strom und Gas. – Langfristig (2050) ist zu erwarten, dass die Wärmeversorgung in sehr hohem Maße mittels regenerativ erzeugten „Überschussstroms“ erfolgt - damit die Energiewende keine Stromwende bleibt. 3. Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um Power to heat in Niedersachsen zu fördern und damit den Anteil der erneuerbaren Energie am Wärmemarkt zu erhöhen ? Das Energie-Forschungszentrum Niedersachsen hat die Dialogplattform PtH ins Leben gerufen und am 05. und 06.05.2015 das erste Forum der Dialogplattform PtH in Kooperation mit dem Clausthaler Umwelttechnik-Institut und der Landesinitiative Energiespeicher und -systeme durchgeführt. Die Dialogplattform PtH wird künftig ein Forum zur technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit bieten, um Demonstrationsvorhaben, Forschungs- und Entwicklungsprojekte und wissenschaftliche Begleitforschungen zur Auswirkung von PtH auf das Energieversorgungsystem und den Klimaschutz zu initiieren Bereits zum 01.04.2014 hat das Land Niedersachsen die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) gegründet. Die KEAN soll zum Zentrum für Klimaschutz und die Energiewende in Niedersachsen werden und dazu beitragen, den Energieverbrauch insbesondere im Gebäudebereich und in Betrieben zu senken. Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch Einspar- und Effizienzmaßnahmen steht dabei im Mittelpunkt. Es ist deshalb geplant, die Aktivitäten der KEAN im Bereich Klimaschutz, Energieeffizienz und Einsatz erneuerbarer Energien noch weiter zu bündeln. Dazu soll neben den drei bestehenden Themenfeldern – Energieeffizienz in kommunalen Liegenschaften, – betriebliches Energiemanagement, – energetische Sanierung im Gebäudebestand, zum 1. Januar 2016 auch das Themenfeld – Speichersysteme und andere Flexibilitätsoptionen zur dezentralen Energieversorgung von Quartieren, privaten Haushalten und Betrieben in das Portfolio der KEAN integriert werden. Die Zielgruppen sind Kommunen, Unternehmen, Hauseigentümer, regionale Energieagenturen, Verbände im Bereich Energieeffizienz, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Verbraucherzentrale , Architektenkammer und weitere Partner in der Energieberatung. Die Agentur bietet derzeit Informationen, Veranstaltungen, Fortbildungen und Kooperationen auf den Handlungsfeldern Klimaschutz und Energieeffizienz. Das Thema PtH passt hervorragend in dieses Portfolio. (Ausgegeben am 05.08.2015) Drucksache 17/4024 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3778 Power to Heat: Welche Potenziale sieht die Landesregierung, und was unternimmt sie? Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 25.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz