Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4025 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3646 - Zwangsabschaltungen von Windparks aufgrund fehlender Stromnetze (Teil 2) Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 04.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 30.07.2015, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten In jüngster Zeit wurde wieder über vermehrte Zwangsabschaltungen von Anlagen der erneuerbaren Energie in Deutschland aufgrund unzureichender Netzkapazitäten berichtet. In Thüringen ist bereits in diesem Jahr nach Angaben von Volker Kamm vom Netzbetreiber 50 Hertz an 15 Tagen Windenergie abgeregelt worden. Dadurch seien etwa 8 570 Megawattstunden verfallen, im gesamten Vorjahr waren es rund 6 600 Megawattstunden, 2013 nur knapp 3 000. Vorbemerkung der Landesregierung Die von den Netzbetreibern vorgenommene Reduzierung oder Abregelung der bevorrechtigten Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien (EE) sowie Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen (KWK-Anlagen) ist notwendig, wenn die derzeit verfügbaren Netzkapazitäten im Verteil- oder Übertragungsnetzes nicht ausreichen, um den insgesamt erzeugten Strom abzutransportieren. Abregelungen sind im Rahmen des Einspeisemanagements nach § 13 Abs. 2 a Satz 3 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) i. V. m. § 14 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt und können grundsätzlich von allen Netzbetreibern angewiesen und sowohl im Verteilnetz als auch im Übertragungsnetz durchgeführt werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die vorrangigen Abregelungsmaßnahmen gegenüber konventionellen Erzeugern zuvor bereits ausgeschöpft wurden. Nach § 9 Abs. 1 EEG kann die Einspeiseleistung nur bei EE-Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt (Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie von mehr als 30 Kilowatt und höchstens 100 Kilowatt) durch den Netzbetreiber bei Netzüberlastung ferngesteuert abgeregelt werden. Die Netzbetreiber haben eine Informationspflicht gegenüber den Betreibern von EE-Anlagen, die sie im Zuge des Einspeisemanagements abgeregelt haben. Die Betreiber von EE-Anlagen, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung werden für die erzwungene Abregelung ihrer Anlagen vom Netzbetreiber entschädigt. Diese Entschädigungspflicht der Netzbetreiber ist in § 15 EEG geregelt. Der Netzbetreiber, in dessen Netz die Ursache für die Regelung nach § 14 EEG liegt, muss dem Netzbetreiber, an dessen Netz die Anlage angeschlossen ist, die Kosten für die Entschädigung ersetzen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) ist für die Datenerhebung zum Einspeisemanagement zuständig und wurde um Auskunft zur Datenlage gebeten. Die BNetzA hat dazu die nachfolgende Auskunft erteilt: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4025 2 Die BNetzA erhebt die Daten zum Einspeisemanagement auf der Ebene der Verteilernetze über das Monitoring nach § 35 EnWG. Dabei werden die Summenwerte der Ausfallarbeit und der Entschädigungszahlungen differenziert nach den einzelnen erneuerbaren Energieträgern abgefragt. Eine Abfrage zu der Anzahl der einzelnen Einspeisemanagementmaßnahmen (EMM) wird nicht durchgeführt. Die Monitoringabfrage bezieht sich jeweils auf das vorangegangene Kalenderjahr. Derzeit läuft die Abfrage für das Jahr 2014, weshalb gegenwärtig nur Daten für das Jahr 2013 bei der BNetzA vorliegen. Für das Jahr 2013 haben drei in Niedersachsen tätige Verteilernetzbetreiber EMM bei der BNetzA gemeldet. Da deren Netzgebiet jedoch teilweise über die Landesgrenzen Niedersachsens hinaus reicht, ist eine belastbare Aussage darüber, wo die Ausfallarbeit entstanden ist, nicht möglich. 1. Wie viele Zwangsabschaltungen gab es seit 2013 in Niedersachsen, und welche erneuerbaren Energien betrafen diese (bitte wenn möglich nach Jahren aufschlüsseln)? Die BNetzA hat bisher keine bundesländerspezifischen Daten zu der Anzahl der einzelnen EMM erhoben. In der Erhebung der BNetzA im Rahmen des Monitorings haben die Netzbetreiber die Einspeisemanagementmaßnahmen pro Energieträger als Summe für ein komplettes Jahr angegeben . Daher sind keine Aussagen über Anzahl und Dauer der Maßnahmen möglich. 2. Wie viele Gigawattstunden Windstrom gingen seit 2013 in Niedersachsen bzw. den in Niedersachsen tätigen Netzbetreibern verloren (bitte wenn möglich nach Jahren aufschlüsseln )? Nach den von der BNetzA auf Ebene der Verteilnetze erhobenen Daten der von den Netzbetreibern gemeldeten Daten für Niedersachsen ist durch Abregelung von Windanlagen nach § 13 Abs. 2 a Satz 3 EnWG i. V. m. § 14 EEG im Jahr 2013 eine Ausfallarbeit in Höhe von 48,09 Gigawattstunden (GWh) entstanden. Für die Jahre 2014 und 2015 konnten keine Daten durch die BNetzA zur Verfügung gestellt werden (siehe Vorbemerkung). 3. Was ist für die Zwangsabschaltungen ursächlich? Der Handlungsrahmen für die Netzbetreiber zur Anwendung von Einspeise-Managementmaßnahmen ist in § 14 EEG geregelt. Nach § 14 EEG darf eine Abregelung von EE-Anlagen im Rahmen des Einspeisemanagement durch die Netzbetreiber nur dann erfolgen, wenn 1. andernfalls im jeweiligen Netzbereich einschließlich des vorgelagerten Netzes ein Netzengpass entstünde, 2. der Vorrang für Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas und Kraft-Wärme-Kopplung gewahrt wird, soweit nicht sonstige Anlagen zur Stromerzeugung am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten, und 3. sie die verfügbaren Daten über die Ist-Einspeisung in der jeweiligen Netzregion abgerufen haben. Demnach ist die vom Netzbetreiber vorgenommene Abregelung der Einspeisung von Strom aus EE im Rahmen der EMM vor dem Hintergrund des Einspeisevorrang der EE-Energien nur dann erfolgt, wenn eine Ableitung der eingespeisten Energien nicht möglich ist, da einzelne Abschnitte eines Verteil- oder Übertragungsnetzes durch einen Netzengpass überbelastet werden könnten und somit die Netzsicherheit bedroht. Unzureichende Netzübertragungskapazitäten sind somit als Ursache für die EMM zu nennen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4025 3 4. Was ist konkret notwendig, um die Ursachen zu beheben? Die aktuellen Veränderungsprozesse der deutschen Energieerzeugungsstrukturen führen durch den Ausbau der EE dazu, dass Stromerzeugungsstandorte und Verbrauchsschwerpunkte zunehmend auseinander rücken. Die deutschen Verbrauchsschwerpunkte liegen derzeit insbesondere in Süd- und Westdeutschland. Da im Bereich der EE die Windenergie große Zuwächse bringen kann, liegt hier der Erzeugungsschwerpunkt in den windhöffigen Küstenländern. Durch den weiteren Ausbau der Offshorewindparks wird sich dieser Schwerpunkt der Windstromerzeugung weiter verstärken . Der Offshore- wie auch Onshorewindenergieausbau, aber auch der Ausbau weiterer EE-Erzeugungsanlagen erfordert den Ausbau der Stromnetze. Dies gilt insbesondere für die Übertragungsstromnetze . Dabei ist es wirtschaftlich nicht vertretbar, dass der Netzausbau für die maximal mögliche Einspeisung aus EE ausgelegt wird. Ein Ausbau für jede eingespeiste Kilowattstunde hätte zur Folge, dass die Netze die meiste Zeit überdimensioniert wären, da der Fall, dass alle angeschlossenen Anlagen in Volllast einspeisen, nur sehr selten eintritt. Durch eine Abregelung der temporär auftretenden Erzeugungsspitzen (Spitzenkappung) der Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen könnte der zusätzliche Netzausbaubedarf auf ein wirtschaftlich optimaleres Maß begrenzt werden. Diese Thematik wurde bereits im Oktober 2013 in der in Niedersachsen auf Initiative der Landesregierung durchgeführten „Kleinen Energierunde“ in deren Handlungsempfehlungen aufgegriffen. Es wurde vorgeschlagen, dass zur Optimierung des Netzausbaus Möglichkeiten der Kappung von Spitzenlasten bei der EE-Erzeugung und wirtschaftliche Steuerungsmöglichkeiten mit Bezug auf Anbindungserfordernisse für EE-Erzeugungsanlagen an entfernt liegenden Standorten eingeführt werden sollen. Durch das Bundeswirtschaftsministerium wurde dieser Vorschlag Niedersachsens nach Auswertung der Konsultation des „Grünbuchs“ zum Strommarktdesign aufgenommen und als Konsultationsergebnis in das „Weißbuch“ unter Maßnahme 14 eingestellt. Der von der BNetzA am 19.12.2014 genehmigte Szenariorahmen 2025 erhält bereits für alle Szenarien die ausdrückliche Vorgabe, eine Kappung von Einspeisespitzen zu modellieren. 5. Was tut die Landesregierung dafür, die Ursachen zu beheben? Die Landesregierungen planen in Deutschland keine Netzinfrastrukturen für den Stromtransport. Nach § 11 Abs. 1 EnWG sind die Betreiber von Energieversorgungsnetzen zu deren sicherem, zuverlässigem und diskriminierungsfreiem Betrieb verpflichtet, darüber hinaus müssen sie deren Wartung und bedarfsgerechte Erweiterung im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit planen und durchführen. Im Bereich der örtlichen Verteilnetze sind die örtlichen Energieversorgungsunternehmen für den Netzausbau zuständig. Die dezentralen Erzeugungsanlagen, insbesondere aus EE (PhotovoltaikAnlagen , kleinere Windparks), Kraftwärmekopplungs- und Biogasanlagen werden zumeist auf der Verteilnetzebene angeschlossen. Durch die gesetzliche Anschlussverpflichtung nach § 9 EEG hat der Einspeisewillige den gesetzlichen Anspruch auf Netzanbindung durch den zuständigen Netzbetreiber , in dessen Netzgebiet die Erzeugungsanlage errichtet wird. Im Bereich der Übertragungsnetze weist das EnWG in §§ 12 ff. die Aufgabe des Netzausbaus ausdrücklich den vier Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) zu. Die ÜNB haben seit 2012 den gesetzlichen Auftrag, jährlich einen gemeinsamen Netzentwicklungsplan (NEP) zu erstellen, öffentlich zu konsultieren und der BNetzA zur Bestätigung vorzulegen. Der NEP soll alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Netzes enthalten, die jeweils in den nächsten zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Mit dem eingeführten Entwicklungsplanverfahren wird die notwendige Flexibilität geschaffen, um das zukünftige Transportnetz an Veränderungen der energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen anpassen zu können. Die Planungen im Höchstspannungsnetz in Deutschland werden somit eigenverantwortlich durch die vier ÜNB erstellt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4025 4 Das Land Niedersachsen nutzt die Möglichkeit im Rahmen der jährlich stattfinden Konsultationen zum NEP-Strom, sich mit eigenen Stellungnahmen einzubringen und aktiv auf die Entwürfe der ÜNB zu reagieren. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen des Netzausbaurechts des Bundes dahin gehend weiter entwickelt werden, dass verstärkt Erdkabeltechniken eingesetzt werden können, um Belastungen für Mensch und Natur zu reduzieren. Auch im anschließenden Realisierungsprozess der Netzausbauprojekte werden die Inbetriebnahmetermine der jeweiligen Leitungsprojekte im Wesentlichen von dem Antragstellungszeitpunkt der ÜNB bestimmt, da erst nach Vorlage vollständiger Antragsunterlagen bei den Genehmigungsbehörden die Genehmigungsverfahren begonnen werden können. Das Land Niedersachsen stellt sicher, dass nach Vorlage vollständiger Antragsunterlagen die Genehmigungsverfahren in Landeszuständigkeit zügig durchgeführt werden, um eine zeitnahe bauliche Umsetzung der Vorhaben durch den ÜNB zu ermöglichen. Weiterhin setzt sich die Niedersächsische Landesregierung dafür ein, dass die Planungs- und Verfahrensprozesse so gestaltet werden, dass eine größtmögliche Transparenz hergestellt wird und die ÜNB die Möglichkeiten der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung zur Konfliktlösung nutzen. Werden durch die ÜNB Anträge erstellt, die bereits bei der Trassenplanung im breiten gesellschaftlichen Dialog entwickelt wurden, ist mit einem erheblichen Beschleunigungspotenzial zu rechnen. 6. Wie hoch waren die Entschädigungszahlungen an die Betreiber der betroffenen Windparks seit 2013 (bitte wenn möglich nach Jahren aufschlüsseln)? Die drei betroffenen Verteilernetzbetreiber in Niedersachsen haben für die Abregelung von Windkraftanlagen , deren Ursache im Netzzustand dieses Verteilnetzbetreibers begründet ist, im Jahr 2013 Entschädigungen gemäß § 15 EEG in Höhe von 112 543 Euro geleistet. Für die Jahre 2014 und 2015 konnten keine Daten durch die BNetzA zur Verfügung gestellt werden (siehe Vorbemerkung ). Über die Höhe der Entschädigungszahlungen für EMM, deren Ursachen in einem anderen Netzgebiet lagen, kann keine Aussage gemacht werden. 7. Welche Belastungen entstanden den Stromverbrauchern durch die Zwangsabschaltungen der Windparks? Nach § 15 Abs. 2 EEG sind die Netzbetreiber berechtigt, die Kosten durch Entschädigungen nach § 15 Abs. 1 EEG des Anlagenbetreibers bei der Ermittlung der Netzentgelte zum Ansatz zu bringen , soweit die Maßnahme erforderlich war und der Netzbetreiber diese nicht zu vertreten hat. In dem Strompreis, den der Verbraucher zahlt, sind somit anteilig die Netzentgelte der Netzbetreiber enthalten. In diese fließen auch die Kosten für die EEM ein. Über die zu Frage 6 genannten Zahlen hinaus liegen der Landesregierung keine weitergehenden belastbaren Zahlen vor, sodass weitergehende konkrete Aussagen darüber, welche Belastungen aus den oben genannten Abregelungen resultieren, nicht möglich sind. (Ausgegeben am 05.08.2015) Drucksache 17/4025 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3646 Zwangsabschaltungen von Windparks aufgrund fehlender Stromnetze (Teil 2) Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregie-rung, eingegangen am 04.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz