Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4072 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3936 - Zukunft der Schule in Innerstetal - Gründung einer Oberschule oder schulformübergreifender Unterricht? Anfrage des Abgeordneten Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 10.07.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 20.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 07.08.2015, gezeichnet In Vertretung der Staatssekretärin Michael Markmann Vorbemerkung des Abgeordneten Die Samtgemeinde Baddeckenstedt als Exklave des Landkreises Wolfenbüttel stellt eine kommunale Besonderheit in Niedersachsen dar. Sie hat keine direkte Verbindung zum Rest des Landkreises Wolfenbüttel, dazwischen liegt die Stadt Salzgitter. Die Samtgemeinde Baddeckenstedt grenzt weiterhin an die Landkreise Hildesheim und Goslar. Einzige weiterführende Schule ist die Hauptund Realschule „Schule im Innerstetal“ in Baddeckenstedt. Der Schulstandort ist für die Infrastruktur und die Attraktivität der ländlich strukturierten Samtgemeinde Baddeckenstedt von besonderer Bedeutung. Die Schule bzw. der Schulträger Landkreis Wolfenbüttel hat für die Schule im Innerstetal einen Antrag auf Einrichtung einer Oberschule in Baddeckenstedt gestellt. Dieser Antrag ist mit Bescheid vom 19. März 2015 abgelehnt worden. Nach Ansicht des Landkreises und der Samtgemeinde ist die Einrichtung einer Oberschule geboten , da der freie Elternwille bzw. die freie Schulwahl nicht gewährleistet wäre, weil eine Oberschule nicht für alle Schülerinnen und Schüler aus der Samtgemeinde unter zumutbaren Bedingungen erreichbar ist. Aktuell besuchen bereits rund zehn Kinder überwiegend aus der nördlichen Mitgliedsgemeinde Burgdorf die Oberschule Söhlde im Landkreis Hildesheim. Theoretisch könnten Kinder aus den übrigen Mitgliedsgemeinden im Innerstetal auch die Oberschule Liebenburg im Landkreis Goslar besuchen. Nach Berechnungen des Landkreises Wolfenbüttel sind die Transportkosten jedoch erheblich, Wegezeiten sind für die die Oberschule besuchenden Schüler am Rande der Zumutbarkeit . Viele Schülerinnen und Schüler aus der Samtgemeinde können unter zumutbaren Bedingungen keine Oberschule besuchen. Die Ablehnung durch die Landesschulbehörde ist unter Hinweis auf das Nichterreichen der vorgegebenen Zahl der Schülerinnen und Schülern erfolgt. Die hier zugrunde gelegten Zahlen berücksichtigen nicht, dass zahlreiche Schülerinnen und Schüler aus der Gemeinde Burgdorf eher nach Baddeckenstedt als nach Söhlde gehen könnten, um dort die Oberschule zu besuchen, wenn das entsprechende Angebot vorhanden wäre. Außerdem bliebe nach Einschätzung kommunaler Verantwortungsträger zu erwarten, dass Schülerinnen und Schüler aus den benachbarten Dörfern der Stadt Salzgitter ebenfalls für eine Anhebung der Schülerzahl sorgen könnten. Alles in allem ist nach Auffassung des Landkreises und der Samtgemeinde eine Ausnahmesituation zur Einrichtung einer Oberschule gegeben, da - wie oben bereits angesprochen - freier Elternwille und freie Schulwahl nicht gewährleistet wären. Die Schule bietet wegen der stark gesunkenen Zahl von Hauptschülern seit zwei Jahren bereits schulformübergreifende Klassen für Haupt- und Realschüler an. Die entsprechende Arbeit gestaltet Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4072 2 sich nach Meinung der Schüler, Eltern und Lehrer sehr erfolgreich, die Akzeptanz bei allen Beteiligten ist sehr groß. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) haben die Erziehungsberechtigten die Wahl zwischen den Schulformen und Bildungsgängen, die zur Verfügung stehen. Der freie Elternwille ist nicht von vornherein deswegen eingeschränkt bzw. die freie Schulwahl nicht gewährleistet, weil eine der im NSchG vorgesehenen Schulformen vom Schulträger nicht angeboten wird. Eine solche Argumentation des Landkreises und der Eltern, die sich der Fragesteller in seiner Vorbemerkung zu Eigen macht, würde letztendlich bedeuten, dass alle Schulformen überall vorgehalten werden müssen. Nur die zur Verfügung stehenden Schulformen können von den Erziehungsberechtigten für ihre Kinder angewählt werden. Steht eine Schulform nicht zur Verfügung, besteht die Möglichkeit, eine entsprechende Schule desselben oder eines anderen Schulträgers zu besuchen. Diese Möglichkeit wird nach der Vorbemerkung des Fragestellers von einigen Erziehungsberechtigten auch wahrgenommen . Entscheidend für eine schulorganisatorische Maßnahme gemäß § 106 NSchG, wie beispielsweise die Errichtung einer Schule, ist die Entwicklung der Schülerzahlen im Einzugsgebiet. Aufgrund der Lage der Samtgemeinde Baddeckenstedt in einem durch die Stadt Salzgitter geografisch geteilten Landkreis ist der Landkreis Wolfenbüttel als sogenannter geborener Schulträger sicherlich eingeschränkt in der Festlegung des Einzugsgebietes einer Oberschule in Baddeckenstedt. Dennoch hätte er die Möglichkeit der Festlegung eines größeren Einzugsgebiets als nur des Gebiets der Samtgemeinde Baddeckenstedt. Zusätzlich bestünde über eine einvernehmliche Vereinbarung nach § 104 Satz 3 NSchG die Möglichkeit der Ausdehnung des Einzugsgebiets auch auf Gebiete anderer Schulträger, z. B. auf das Gebiet der Stadt Salzgitter. Eine solche Kooperationsmöglichkeit hatte der Landkreis Wolfenbüttel bislang auch angestrebt. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4.1 der Verordnung für die Schulorganisation (SchOrgVO) in Verbindung mit § 4 Abs. 3 und § 6 Abs. 1 SchOrgVO muss der Schulträger bei Errichtung einer Oberschule eine Zweizügigkeit, also mindestens 48 Schülerinnen und Schüler pro Jahrgang, für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren im Rahmen einer Prognose nachweisen. Gemäß § 4 Abs. 2 SchOrgVO kann von dieser Mindestschülerzahl abgewichen werden, wenn es die Entwicklung eines regional ausgeglichenen Bildungsangebotes erfordert und andere Schulen unter zumutbaren Bedingungen nicht zu erreichen sind. Regional ausgeglichen ist ein Angebot, wenn Schülerinnen und Schüler grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten des Zugangs zu schulischen Bildungseinrichtungen und zu den darin zu erreichenden Bildungsabschlüssen unter zumutbaren Bedingungen haben. Ein solches Angebot orientiert sich grundsätzlich nicht an Grenzen des jeweiligen Schulträgers. Unter zumutbaren Bedingungen nicht erreichbar ist eine andere Schule im Allgemeinen dann, wenn sie für die Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich I in 75 Minuten Wege- und Wartezeit nicht erreichbar ist. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 4 Abs. 2 SchOrgVO sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Da die geforderte Schülerzahl schon im geplanten Jahr der Errichtung deutlich nicht erreicht worden wäre und überdies aufgrund des demografischen Wandels ein weiteres Absinken der Schülerzahl vom Schulträger prognostiziert worden war, war der Antrag auf Errichtung der Oberschule abzulehnen . 1. Erkennt die Landesregierung die Oberschule als Schule an, die Eltern und Schülern auch im ländlichen Bereich moderne, kombinierte und differenzierte Angebote vermitteln kann? Ja. Unabhängig von dieser Anerkennung sind von der Schulbehörde bei der Errichtung von Oberschulen die schulgesetzlichen Vorschriften sowie die Vorgaben der SchOrgVO zu beachten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4072 3 2. Erkennt die Landesregierung die Oberschule als Schule zur Steigerung der Attraktivität eines ländlichen Schulstandortes an? Ja. Unabhängig von dieser Anerkennung sind von der Schulbehörde bei der Errichtung von Oberschulen die schulgesetzlichen Vorschriften sowie die Vorgaben der SchOrgVO zu beachten. 3. Erkennt die Landesregierung an, dass die Schule im Innerstetal für die Exklave Samtgemeinde Baddeckenstedt von besonderer Bedeutung ist? Ja. Unabhängig von dieser Anerkennung sind von der Schulbehörde die schulgesetzlichen Vorschriften für die Schulorganisation sowie die Vorgaben der SchOrgVO zu beachten. 4. Ist die Landesregierung bereit, den Antrag auf Einrichtung einer Oberschule in der Schule im Innerstetal noch einmal zu prüfen? Bezüglich der Sachlage und der Einschätzung der Rechtslage zum Schulträgerantrag vom 29.07.2014 wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Bei einem neu eingereichten Antrag richtet sich das Verfahren nach § 106 Abs. 8 NSchG. 5. Wie gestalten sich die Schülerströme hinsichtlich der Schülerinnen und Schüler in bzw. aus der Samtgemeinde Baddeckenstedt, d. h. Besuch von Gymnasien, Integrierten Gesamtschulen , Oberschulen, Realschulen, Hauptschulen? Wie viele Schüler aus welchen Orten besuchen welche Schulformen in welchen Orten bzw. Gebietskörperschaften? Der Landesregierung liegen keine Angaben hinsichtlich der Schülerströme in die bzw. aus der Samtgemeinde Baddeckenstedt vor. Schulträgerschaft - einschließlich Festlegung von Schulbezirken - und Schülerbeförderung sind Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Kommunen. 6. Erkennt die Landesregierung an, dass sich die prognostizierten Schülerzahlen in der Schule im Innerstetal angesichts der in der Umsetzung befindlichen Inklusion, der zu beobachtenden Migration oder einer Trendwende in Bezug auf das Wohnen im ländlichen Bereich nach oben entwickeln bzw. entwickeln könnten? Hierbei handelt es sich um einen hypothetischen Kausalverlauf, zu dessen Wahrscheinlichkeit keine Aussagen getroffen werden können. Es bleibt dem Schulträger unbenommen, im Rahmen einer erneuten Antragstellung die aktuelle und prognostizierte Bevölkerungsentwicklung am Schulstandort und seinem Einzugsbereich darzustellen . 7. Wie sind die prognostizierten Zahlen für die Schule im Innerstetal a) im Falle der Weiterführung als Haupt- und Realschule und b) im Falle der Gründung einer Oberschule? Zu a): Prognosezahlen für den Fall einer Weiterführung der Haupt- und Realschule hat der Landkreis Wolfenbüttel im Antrag vom 29.07.2014 für die kommenden Schuljahre nicht vorgelegt. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler zum Schuljahresbeginn 2013/2014 wurde im Antrag mit 32 angegeben. Für das Schuljahr 2015/16 hat der Schulträger im Antrag als damalige Anmeldezahlen angegeben, dass lediglich 26 Schülerinnen und Schüler schulformübergreifend unterrichtet werden sollen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4072 4 Zu b) Der Landkreis Wolfenbüttel hat in seinem Antrag auf Errichtung einer Oberschule vom 29.07.2014 eine Prognose der Schülerzahlen vorgelegt, wonach beginnend mit 39 Schülerinnen und Schülern zum Schuljahr 2015/2016 ein Absinken der Schülerzahlen im Schuljahr 2024/2025 auf 27 Schülerinnen und Schüler prognostiziert wird. 8. Wie werden die in der Antwort zu Frage 7 dargestellten Prognosen begründet? Der Landkreis Wolfenbüttel stellte in seinem Antrag vom 29.07.2014 selbst fest, dass die erforderlichen Schülerzahlen für eine Oberschule ohne gymnasiales Angebot mit mindestens 48 Schülerinnen und Schülern durchgängig nicht erreicht werden. Vor diesem Hintergrund wurde die Errichtung einer Oberschule im Rahmen einer Ausnahme nach § 4 Abs. 2 SchOrgVO angestrebt. Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 9. Wird die Landesregierung bis zur Gründung einer Oberschule in der Schule im Innerstetal die Einrichtung schulformübergreifender Klassen unterstützen? Die sogenannten Grundsatzerlasse der Schulformen Hauptschule und Realschule, „Die Arbeit in der Hauptschule“ und „Die Arbeit in der Realschule“, sehen unter Ziffer 1.5.3 Regelungen für einen schulformübergreifenden Unterricht vor. Danach kann zur Vermeidung jahrgangsübergreifenden Unterrichts in einem Schulzweig gemeinsamer Unterricht in den Schuljahrgängen 5 bis 10 in allen Fächern und Fachbereichen nach Genehmigung durch die Landesschulbehörde durchgeführt werden . Dabei sind die schulformspezifischen Schwerpunkte in den Schuljahrgängen 9 und 10 einzuhalten . Anträge sind der Landesschulbehörde bis zum 01.02. eines Jahres zur Genehmigung vorzulegen . Der Niedersächsischen Landesschulbehörde liegt ein entsprechender Antrag vor. Die Erteilung einer Genehmigung ist vorgesehen. (Ausgegeben am 12.08.2015) Drucksache 17/4072 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3936 Zukunft der Schule in Innerstetal - Gründung einer Oberschule oder schulformübergreifen-der Unterricht? Anfrage des Abgeordneten Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 10.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums