Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4084 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3775neu - SuedLink: Was versteht die Landesregierung unter „aktueller Stand der Technik“, „was technisch möglich ist, muss auch gesetzlich möglich sein“ und „technologieoffen“? Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 25.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 07.07.2015. Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 10.08.2015, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung des Abgeordneten In der HAZ vom 18. April 2015 ist zu lesen, dass Minister Wenzel auf „mehr Erdverkabelung“ dränge und die Gesetzesvorschläge der Bundesregierung als „altbacken“ bezeichne. Im Artikel wird der Leser darüber informiert, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung „technologieoffen gestaltet werden“ müsse und man sich „neue Spielräume“ eröffne, wenn man sich „auf den aktuellen Stand der Technik einlasse“. Im Artikel wird Minister Wenzel mit der Aussage: „Was technisch möglich ist, muss auch gesetzlich möglich sein.“ zitiert. Am 8. Juni 2015 wurde der Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz im Rahmen der Beratung des Antrages der CDU-Fraktion „Nicht zuschauen - machen - Landesregierung muss bei der Energiewende endlich handeln!“ (Drs. 17/3106) durch die Landesregierung über den aktuellen Planungsstand des SuedLink informiert. Laut Niederschrift zur Sitzung vertritt die Landesregierung aber weiterhin den „Stand der Technik“ und nicht den „aktuellen Stand der Technik“ als technische Rahmenbedingung für die aktuelle Gesetzgebung. In der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage des Abg. Jasper (CDU) vom 31. März 2015 „Welchen Einfluss nimmt die Landesregierung auf die beabsichtigte Änderung des Energieleitungsausbaugesetzes ?“ ist von keiner Initiative der Landesregierung zu lesen, die zukünftig den „aktuellen Stand der Technik“ als Basis der Gesetzgebung verschreiben wolle und nicht wie bisher den technisch ausgereiften „Stand der Technik“. Im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) wird grundsätzlich - wie allgemein üblich - Bezug auf den „Stand der Technik“ und nicht auf den „aktuellen Stand der Technik“ genommen. Im Entwurf ist zu lesen, dass zukünftig als „Pilotvorhaben“ auch „längere Verkabelungsabschnitte“ möglich seien und damit die „aktuelle Technik“ im realen Netzbetrieb erprobt werden soll. Dass der „aktuelle Stand der Technik“ auf „Pilotvorhaben “ beschränkt bleiben soll, sei der Netzstabilität und der Versorgungssicherheit geschuldet . Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass der erforderliche Ausbau der Stromnetze mit möglichst geringen Belastungen für Mensch und Natur erfolgen soll. Um dies zu erreichen, ist auch ein Einsatz von netztechnischen Alternativen neben der klassischen Freileitungstechnologie erforderlich . Mit der Begründung, nur diese Freileitungstechnologie entspreche dem Stand der Technik, sind in der Vergangenheit der Einsatz und die Weiterentwicklung alternativer Übertragungstechno- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4084 2 logien weitestgehend blockiert worden. Und dies, obwohl eine Reihe von technischen Alternativen entwickelt und grundsätzlich verfügbar war und ist. Mit dem Verweis auf einen Stand der Technik darf nicht die missverständliche Schlussfolgerung verbunden sein, dass es sich hierbei um einen statischen Zustand handele, der sich Weiterentwicklungen verschließe. Deshalb liegt es im besonderen Interesse der Menschen in Niedersachsen, die vom Netzausbau in besonderer Weise betroffen sind, dass auch technische Entwicklungen der letzten Jahre in der Praxis erprobt und als Stand der Technik anerkannt und zugelassen werden, an deren Eignung zur Lösung der Übertragungsaufgabe keine vernünftigen Zweifel bestehen. Ohne eine solche Herangehensweise wäre es auch nicht möglich, ergänzend zum Ausbau im vermaschten Drehstromnetz neue Gleichstromübertragungsleitungen wie SuedLink zu planen, da auch die dort vorgesehene Übertragungstechnik sowohl in der Freileitungs- als auch in der Erdkabelbauweise im klassischen Sinne nicht als Stand der Technik angesehen werden kann. 1. Was versteht die Landesregierung unter „technologieoffen“? Beim Ausbau des Übertragungsnetzes wird von den Übertragungsnetzbetreibern traditionell die Freileitungstechnik als Stand der Technik angesehen. Der Einsatz erdverlegter Übertragungssysteme (Erdkabel oder gasisolierte Rohrleiter) war daher vom Bundesgesetzgeber in der Vergangenheit rechtlich nicht zugelassen worden. Erst infolge des vom Landtag 2007 beschlossenen Erdkabelgesetzes wurden mit dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) erstmalig bundesrechtlich Teilerdverkabelungsoptionen für wenige Pilotstrecken ermöglicht. Mit verschiedenen Bundesratsinitiativen hat sich die Landesregierung dafür eingesetzt, dass Erdkabeltechnologien bei allen neuen Leitungstrassen eingesetzt werden dürfen. Eine Vorfestlegung auf nur eine Übertragungstechnologie ist nicht hilfreich und behindert den Netzausbau, weil konfliktarme und akzeptanzsteigernde Lösungen häufig nur durch den Einsatz von neuen Technologien bereitgestellt werden können. 2. Was versteht die Landesregierung unter „aktueller Stand der Technik“, und was unternimmt sie vor dem Hintergrund der im Gesetzentwurf der Bundesregierung formulierten Bedenken gegenüber dem vollumfänglichen Einsatz im realen Netzbetrieb? Die Landesregierung begrüßt es ausdrücklich, dass die Bundesregierung mit dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus im Januar 2015 Erdkabeleinsatzmöglichkeiten ausweiten will. Damit wird der von der Landesregierung Niedersachsen vorgeschlagene Weg zum verstärkten Einsatz von Erdkabeltechnologien grundsätzlich positiv aufgegriffen. Allerdings bleibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung hinter den Erwartungen Niedersachsens und der Mehrheit im Bundesrat zurück. Dies führte dazu, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung am 07.05.2015 insbesondere auf Antrag der Niedersächsischen Landesregierung eine deutliche Ausweitung der Erdkabelmöglichkeiten eingefordert hat. Dabei hat erstmalig in einem Gesetzgebungsverfahren zum Netzausbau auch die bayrische Staatsregierung Anträgen zu einer deutlichen Ausweitung der Erdkabeleinsatzmöglichkeiten zugestimmt. In der Gegenäußerung vom 15.07.2015 zu der Stellungnahme des Bundesrates kündigt die Bundesregierung nun an, einzelnen Vorschlägen des Bundesrates zum verstärkten Einsatz von Erdkabeln zu folgen und diese im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufzugreifen. Dazu gehört auch die Ausweitung der Teilerdverkabelungsoption auf die Projekte von Conneforde nach Westerkappeln, Dollern nach Landesbergen und Wehrendorf nach Gütersloh . Bei entsprechendem Beschluss des Bundestages und Bundesrates wären damit alle neuen Drehstromleitungsprojekte in Niedersachsen, die sich noch nicht im Planfeststellungsverfahren befinden , mit der Möglichkeit der Teilerdverkabelung versehen. Damit wäre die bisherige Technikblockade gegen Erdkabeltechnologien hier grundsätzlich überwunden. Auch die von der Bundesregierung angekündigte Umkehrung des Regel- und Ausnahmeverhältnisses von Freileitungstechnologien hin zum Erdkabeleinsatz bei den großen Fernübertragungstrassen in Gleichstromtechnik greift niedersächsische Vorschläge auf und kann insbesondere für unser Bundesland die Belastungen für Mensch und Natur deutlich vermindern. Die Landesregierung erwartet nun, dass bereits für das laufende Genehmigungsverfahren für das SuedLink Projekt diese Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4084 3 angekündigte veränderte Rechtslage zur Anwendung gebracht wird. Es ist durch die Netzbetreiber und die für die Genehmigung zuständige Bundesnetzagentur (BNetzA) eine Vorzugstrasse zu entwickeln , die die Erdkabeltechnik als Regeltechnik zugrunde legt. Die verfügbaren Leitungstechnologien werden nach der Aufhebung diverser rechtlicher Hemmnisse nun verstärkt zum Einsatz kommen können. Dies wird dazu führen, dass Meinungsunterschiede über die Interpretation des Standes der Technik zunehmend in den Hintergrund treten werden. Es ist mit einem permanenten Aktualisierungsprozess zu rechnen. 3. Steht die Landesregierung vor dem Hintergrund der Netzstabilität und der Versorgungssicherheit hinter dem von Minister Wenzel formulierten Grundsatz: „Was technisch möglich ist, muss auch gesetzlich möglich sein.“? Ja. 4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag der Firma Infranetz AG, wonach der „SuedLink“ komplett in „Vollverkabelung“ und damit auf der gesamten Strecke als Erdkabel ausgeführt werden kann? Die Landesregierung fordert bei der geplanten Höchstpannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung (HGÜ) mit der Bezeichnung SuedLink den Einsatz von Erdkabeln zur Konfliktminderung und Steigerung der Akzeptanz. Gleichstromkabel werden derzeit in Deutschland zur Offshorenetzanbindung und bei Netzkupplungen (Interkonnektoren) erfolgreich eingesetzt und können somit auch bei SuedLink uneingeschränkt ohne Längenbegrenzung als Übertragungstechnologie eingesetzt werden . Unbeschadet dessen obliegt es nicht den Landesregierungen, in Deutschland Netzinfrastrukturen zu planen. Nach § 11 Abs. 1 EnWG ist dies die Aufgabe der Betreiber von Energieversorgungsnetzen . Die Planung des Ländergrenzen überschreitenden Trassenkorridors SuedLink erfolgt durch die Vorhabenträger und Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) TenneT und TransnetBW. Die zuständige Genehmigungsbehörde für Ländergrenzen überschreitende HGÜ-Leitungen ist die BNetzA. Das Land Niedersachsen hat in diesen Verfahren keine Planungs- und Genehmigungszuständigkeit. Eine Bewertung des Vorschlags der Firma Infranetz AG auf technische Realisierbarkeit einer Vollverkabelung bezüglich der vorgeschlagenen Technologien und eingesetzten Mittel auf eine dem Stand der Technik entsprechende sichere Energieübertragung ist Aufgabe der ÜNB TenneT/TransnetBW und der BNetzA. Soweit der Landesregierung bekannt ist, werden die Systemvorschläge der Firma Infranetz AG von allen Planungsbeteiligten als nicht verfügbare und umsetzbare Option angesehen. Es liegen der Landesregierung keine belastbaren Hinweise dazu vor, die es rechtfertigen würden, dieser Einschätzung fundiert zu widersprechen. (Ausgegeben am 13.08.2015) Drucksache 17/4084 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3775neu SuedLink: Was versteht die Landesregierung unter „aktueller Stand der Technik“, „was technisch möglich ist, muss auch gesetzlich möglich sein“ und „technologieoffen“? Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 25.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz