Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4100 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3680 - Schiedsgerichtsklage gegen Atomausstieg Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Helge Limburg (GRÜNE) an die Landesregierung , eingegangen am 11.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 19.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 13.08.2015 gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagt vor dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsschutzstreitigkeiten gegen den Atomaussteig. Für die Stilllegung der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel fordert Vattenfall von der Bundesrepublik Deutschland 4,6 Milliarden Euro Schadenersatz. Die Bundesregierung erwartet für das Verfahren Ausgaben in Höhe von 9 Millionen Euro allein für Anwalts-, Gutachter-, Übersetzungs- und Gerichtskosten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung ist an dem in der Vorbemerkung der Abgeordneten bezeichneten Verfahren, das sich gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet, nicht beteiligt. Das Verfahren ist der Landesregierung nur aufgrund der Berichterstattung in den Medien und aufgrund von Antworten der Bundesregierung insbesondere auf Anfragen von Fraktionen des Deutschen Bundestages bekannt (vgl. u. a. Bundestagsdrucksachen 18/2451, 18/3012 und 18/3721). Auf dieser Grundlage werden die Fragen wie folgt beantwortet: 1. Was ist die rechtliche Grundlage für die Schiedsgerichtsklage von Vattenfall? Der Bundestagsdrucksache 18/3721, S. 4, Antwort zu Frage 12, ist zu entnehmen, dass Vattenfall AB und andere Unternehmen des Vattenfallkonzerns sich vor allem auf Artikel 26 des Energiecharta -Vertrags berufen, daneben auch auf verschiedene andere Vorschriften aus dem Investitionsschutzkapitel des Energiecharta-Vertrags. Mangels Kenntnis der Klageschrift liegen der Landesregierung keine weiteren Informationen vor, auf welche rechtliche Grundlage die Kläger ihre gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Ansprüche stützen. 2. Ist der Wortlaut der Klage öffentlich zugänglich? Wenn ja, wo? Nein. 3. Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens? Der aktuelle Stand des Verfahrens (ARB 12/12) ist auf der Internet-Seite des Internationalen Zentrums für die Beilegung von Investitionsschutzstreitigkeiten (ICSID) aufgeführt: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4100 2 https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/cases/Pages/casedetail.aspx?CaseNo=ARB/12/12 4. Wie hoch ist der Streitwert des Verfahrens? Siehe Antwort zu Frage 5. 5. Wer legt den Streitwert fest? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet: Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der geltend gemachten Forderung. Den Bundestagsdrucksachen 18/3012, S. 2 f., und 18/3721, S. 1 und 4, lässt sich entnehmen, dass sich die Klageforderung auf 4 675 903 975,32 Euro zuzüglich Zinsen beläuft. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 6. Finden die Verhandlungen öffentlich statt? Nach Rule 32 Abs. 2 der ICSID Rules of Procedure for Arbitration Proceedings - Arbitration Rules (Schiedsordnung) kann das Schiedsgericht Dritten erlauben, an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen , sofern nicht eine Partei widerspricht. Es gibt für Dritte jedoch keinen Rechtsanspruch auf eine öffentliche Sitzung. 7. Welche Unterlagen zum Verfahren wurden bislang veröffentlicht? Soweit der Landesregierung bekannt ist, wurden bislang keine Unterlagen aus dem Verfahren veröffentlicht . 8. Welche Unterlagen sind bislang nicht öffentlich, und welche Geheimhaltungsstufe haben sie jeweils? Siehe Antwort zu Frage 7. 9. Warum sind diese Unterlagen nicht öffentlich zugänglich? Ein einklagbares Recht der Öffentlichkeit oder von unbeteiligten Dritten auf Veröffentlichung wurde in dem Vertrag von 1965 offenbar nicht vorgesehen. 10. Wer hat geltend gemacht, dass diese Unterlagen bzw. Teile der Unterlagen nicht offengelegt werden? Hierzu liegen der Landesregierung keine belastbaren Informationen vor. 11. Wer sind die Richter in dem Verfahren, und wie wurden sie benannt? Das Schiedsgericht ist mit drei Schiedsrichtern besetzt. Die Auswahl der Schiedsrichter erfolgt durch die Streitparteien. Die Bundesregierung und Vattenfall haben jeweils ein Mitglied des Schiedsgerichts benannt. Der vorsitzende Schiedsrichter wird im gegenseitigen Einvernehmen von den Streitparteien ernannt. Die Schiedsrichter sind der Präsident des Schiedsgerichts Herr Albert Van den Berg sowie Herr Vaughan Lowe und Herr Charles N. Brower. Dies hat das ICSIDSekretariat auch auf der zu Frage 3 angegebenen ICSID-Internetseite bekannt gemacht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4100 3 12. Welche Qualifikationen müssen die Richter erfüllen? Die Anforderungen an die Qualifikation der Schiedsrichter ergeben sich aus Artikel 14 Abs. 1 des Übereinkommens über die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.03.1965 (ICSID-Konvention). Schiedspersonen im Rahmen eines ICSID-Schiedsverfahrens sollen hohen moralischen Ansprüchen genügen, eine anerkannte Befähigung auf den Gebieten des Rechts, des Handels, der Industrie oder des Finanzwesens besitzen und Gewähr dafür bieten, dass sie ihr Amt unabhängig ausüben werden. Nach Rule 3 und 6 der ICSID Arbitration Rules (Schiedsordnung) sollen Schiedspersonen nicht die Staatsangehörigkeit einer der Parteien besitzen und zudem ihre persönliche Unabhängigkeit erklären. 13. Handelt es sich um Richter auf Lebenszeit? Nein. 14. Wird die Begründung des Urteils veröffentlicht? Artikel 48 Abs. 5 der ICSID-Convention regelt, dass Schiedssprüche nur mit Zustimmung der Parteien veröffentlicht werden. Nach Rule 48 Abs. 2 Satz 2 der Arbitration Rules (Schiedsordnung) soll das ICSID-Sekretariat jedoch umgehend Auszüge aus der rechtlichen Begründung veröffentlichen. Auch auf der Webseite des Energiecharta-Sekretariats werden Schiedssprüche veröffentlicht. 15. Bestehen rechtliche Möglichkeiten, das Urteil anzufechten? Gemäß Artikel 52 der ICSID-Konvention kann jede Partei die Aufhebung eines Schiedsspruchs aus den dort genannten Gründen verlangen (z. B. bei nicht ordnungsgemäßer Bildung des Gerichts, schwerwiegender Abweichung von einer grundlegenden Verfahrensvorschrift oder Fehlen der Begründung des Schiedsspruchs). Artikel 51 regelt die Wiederaufnahme eines Verfahrens, Artikel 50 ein Verfahren zur Auslegung eines Schiedsspruchs. 16. Wo kann man Einsicht in die Schiedsgerichtordnung nehmen? Siehe Antwort zu Frage 17. 17. Wo und von wem wurde die Schiedsgerichtordnung erlassen? Die Fragen 16 und 17 werden zusammen beantwortet: Das Übereinkommen über die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18.03.1965 (ICSID-Konvention) wurde am 18.03.1965 unterzeichnet und ist von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden. Das Gesetz zu dem Übereinkommen v. 25.02.1969 ist im Bundesgesetzblatt 1969 II S. 369 veröffentlicht. Nach Artikel 44 der ICSID-Konvention wird jedes Schiedsverfahren gemäß Abschnitt 4 der ICSIDKonvention (Artikel 36 bis 47 enthalten Regelungen zum Schiedsverfahren, zur Bildung des Gerichts , dessen Befugnisse und Aufgaben und zum Schiedsspruch), sofern die Parteien nicht anderes vereinbaren, gemäß der Schiedsordnung geführt, die im Zeitpunkt der Zustimmung der Parteien zum Schiedsverfahren gilt. Nach Artikel 6 Abs. 1 b) und c) der ICSID-Konvention beschließt der Verwaltungsrat die Verfahrensordnung für die Einleitung von Vergleichs- und Schiedsverfahren und die Verfahrensordnungen für das Vergleichs- und das Schiedsverfahren (Vergleichsordnung und Schiedsordnung). Die ICSID-Konvention sowie die Arbitration Rules (Schiedsordnung) sind ins Internet eingestellt: https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/resources/Documents/2006%20CRR_English-final.pdf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4100 4 18. Bestehen nach Einschätzung der Landesregierung ausreichende rechtliche Möglichkeiten , politische und verwaltungsrechtliche Entscheidungen von deutschen Gerichten überprüfen zu lassen? In Deutschland bestehen nach Einschätzung der Landesregierung grundsätzlich ausreichende rechtliche Möglichkeiten, um politische und verwaltungsrechtliche Entscheidungen von deutschen Gerichten überprüfen zu lassen. Die Möglichkeiten zur Überprüfung der Entscheidungen von Investor /State-Schiedsgerichten beispielsweise vor einer weiteren Instanz oder weiteren Instanzen sind ungenügend. Die konkreten Möglichkeiten hängen jedoch von den einzelnen Verträgen ab. (Ausgegeben am 20.08.2015) Drucksache 17/4100 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3680 - Schiedsgerichtsklage gegen Atomausstieg Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 11.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz