Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4133 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3997 - Werden Schulen in freier Trägerschaft von der Flüchtlingsbetreuung ausgeschlossen? Anfrage des Abgeordneten Heiner Schönecke (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 21.07.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 31.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 27.08.2015 gezeichnet In Vertretung Erika Huxold Vorbemerkung des Abgeordneten Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat Anfang Mai seine Prognose für die Zahl der Asylbewerber im Jahr 2015 in Deutschland von ursprünglich 300 000 deutlich nach oben korrigiert : Bis Ende des Jahres erwartet das BAMF voraussichtlich 400 000 Erstanträge und 50 000 Folgeanträge. Damit wäre die Zahl der Asylbewerber doppelt so hoch wie im vergangenen Jahr. Die Landkreise und Kommunen haben diese steigende Zahl der Flüchtlinge zu betreuen und vor allen Wohnraum für sie zur Verfügung zu stellen. Im Landkreis Harburg heißt das, dass zurzeit mehr als 1 500 Flüchtlinge untergebracht und betreut werden müssen. Über 85 % der Flüchtlinge sind junge Männer im Alter von 16 bis 30 Jahren. Die Herausforderung der Betreuung ist für viele Menschen eine Herzensangelegenheit. Der Landkreis Harburg hat zu diesem Zweck die Richtlinie „Konzept für ein Beschäftigungsangebot für Flüchtlinge als Teil der ,Willkommenskultur‘ im Landkreis Harburg“ herausgegeben. Das alleine reicht allerdings nicht für die Betreuung aus, sondern viele Ehrenamtliche haben sich in Netzwerken und Gruppen organisiert und bieten ihre Hilfe an. Die freiwilligen Organisationen ermöglichen mit ihrer Arbeit jungen Flüchtlingen die soziale Integration vor Ort. Das Land Niedersachsen hat im Erlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ die Möglichkeiten zum Erlernen der deutschen Sprache vorgegeben. Neben den staatlichen Schulen gibt es aber auch die Schulen in freier Trägerschaft , die solche Aufgaben mit erfüllen können. Gerade das ehrenamtliche Engagement der Schulgemeinschaften und Vereine zur Förderung der freien Schulen zeigt, dass dieses Hilfspotenzial ungenutzt bleibt. Am Beispiel des Vereins zur Förderung der Waldorfpädagogik Nordheide e. V. wird deutlich, dass dort die staatliche Unterstützung nicht greift. Über 350 Schüler, 34 Lehrer und die Elternschaft möchten sich in diesen gesellschaftlichen Auftrag einbringen und erwarten rechtliche Vorgaben und Hinweise des Gesetzgebers in diesen Fragen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland, und somit auch nach Niedersachsen, nimmt immer weiter zu. Es handelt sich sowohl um Flüchtlinge im Erwachsenenalter als auch um schulpflichtige Kinder und Jugendliche. Die beim letztgenannten Personenkreis vorliegenden Bildungsund Sprachstandards sind dabei sehr heterogen. Sie sind der Maßstab für die Feststellung der durchzuführenden Maßnahmen und bilden die Grundlage für die Entscheidung über die individuell zu wählenden Aktionen, die für die betroffenen Personen im Hinblick auf ihre Eingliederung in die Gesellschaft in Betracht kommen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4133 2 Das Niedersächsische Kultusministerium ist in diesem Zusammenhang im Rahmen der bestehenden gesetzlichen und ergänzenden rechtlichen Bestimmungen für die bildungspolitische Eingliederung der Schülerinnen und Schüler verantwortlich. Vorrangige Bedeutung kommt im schulischen Bereich dem Erwerb und der Erweiterung der sprachlichen Handlungsfähigkeit in der deutschen Sprache zu, die die Grundlage für eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht und für eine gleichberechtigte schulische, berufliche und gesellschaftliche Teilhabe bildet. Die gleichberechtigte Teilhabe und Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache sind Bestandteil des Bildungsauftrages und deshalb in das pädagogische Konzept der Schulen aufzunehmen. Im Sinne der Sprachförderung als Teil durchgängiger Sprachbildung ist die Aufgabe der Förderung von sprachlicher Handlungsfähigkeit mehr als bisher Aufgabe jeden Unterrichts über den Deutschunterricht und den additiven Sprachförderunterricht hinaus. Mit dem Runderlass vom 01.07.2014 zur „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ (SVBl. S. 330) sind wesentliche Verbesserungen für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache auf den Weg gebracht worden . Mit Blick auf die zunehmend von kultureller, sprachlicher, religiöser und sozialer Vielfalt geprägte Schule ist das oberste bildungspolitische Ziel der Landesregierung, Bildungserfolg unabhängiger von der Herkunft zu machen und jedem Kind durch anschlussfähige Bildungsangebote optimale Entwicklungsbedingungen und Bildungschancen zu ermöglichen. Als Maßnahmen zu einer höheren Bildungsbeteiligung zählen hierbei neben der Erweiterung der Anzahl und Qualität von Ganztagsschulen und der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern im Allgemeinen auch innovative Ansätze zur Stärkung der sprachlichen Schlüsselkompetenzen im Rahmen von Sprachbildung und Sprachförderung. Für Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache, deren Kompetenzen nicht ausreichen , um erfolgreich am Regelunterricht teilzunehmen, sollen gemäß § 54 a Niedersächsisches Schulgesetzes (NSchG) besondere additive Fördermaßnahmen zum Erwerb oder zur Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse eingerichtet werden. Additive Sprachfördermaßnahmen in diesem Sinne sind: - Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung, - Sprachlernklassen, - Förderkurse „Deutsch als Zweitsprache“, - Förderunterricht und - Besondere Sprachförderkonzepte. Sprachlernklassen dienen dem Ziel, neu nach Deutschland zuwandernde Kinder und Jugendliche ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen auf den erfolgreichen Besuch einer ihrer bisherigen Bildungsbiographie und dem individuellen Lern- und Leistungsstand entsprechenden Regelklasse sprachlich vorzubereiten. Ein systematischer Spracherwerb in Deutsch als Zweitsprache ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, zunehmend fach- bzw. bildungssprachliche Handlungsfähigkeit zu erwerben. 1. Können Schulen in freier Trägerschaft Sprachlernklassen einrichten? Der in der Vorbemerkung der Landesregierung angeführte Runderlass richtet sich zunächst an die öffentlichen Schulen, die Schulen in freier Trägerschaft sind darin nicht als Adressaten genannt. Die Ersatzschulen unter den Schulen in freier Trägerschaft haben jedoch gemäß § 142 NSchG entsprechende Lern- und Erziehungsziele wie öffentliche Schulen zu verfolgen, die im Land Niedersachsen vorhanden oder grundsätzlich vorgesehen sind. Damit obliegt ihnen u. a. auch die Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, um die gleichberechtigte Bildungsteilhabe zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, können daher auch Schulen in freier Trägerschaft die in dem in Rede stehenden Runderlass aufgeführten Maßnahmen ergreifen. Somit ist auch die Einrichtung von Sprachlernklassen an Ersatzschulen möglich. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4133 3 2. Werden ihnen dann Lehrerstunden bzw. finanzielle Mittel dafür bereitgestellt, und, wenn ja, in welchem Umfang ist dies der Fall? Die Gewährung von Lehrerstunden bzw. Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden liegt in der Zuständigkeit der einzelnen Schule in freier Trägerschaft. Anerkannte Ersatzschulen erhalten gemäß § 149 ff. NSchG Finanzhilfe als Zuschuss zu den laufenden Betriebskosten. Für die Bereitstellung darüber hinausgehender finanzieller Mittel fehlt eine entsprechende rechtliche Grundlage. 3. Können Waldorfschulen nachmittags und abends Flüchtlingsbetreuung übernehmen? Es ist zwischen Flüchtlingsbetreuung einerseits und verpflichtenden schulischen Veranstaltungen andererseits zu unterscheiden. Flüchtlingsbetreuung stellt in der Regel ein freiwilliges, ehrenamtliches Angebot bestimmter Personengruppen (z. B. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Erziehungsberechtigte ) dar, es handelt sich grundsätzlich nicht um eine schulische Veranstaltung. Schulische Veranstaltungen sind solche Veranstaltungen, die im inneren Zusammenhang mit dem Schulbesuch stehen, durch ihn bedingt sind und in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule fallen. Kann eine Veranstaltung nicht diesem Zweck zugeordnet werden, ist zu entscheiden , ob die Schule die Veranstaltung in eigener Verantwortung durchführt oder ob es sich um eine Freizeitveranstaltung der Lehrkräfte oder einzelner Schülerinnen und Schüler handelt, bei der die Schule lediglich organisatorische Hilfestellungen gibt. Sowohl Lehrkräfte als auch Erziehungsberechtigte sowie Schülerinnen und Schüler können sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren. Ein solches bürgerschaftliches Interesse ist sehr wünschenswert und stellt eine wichtige Säule gesellschaftlichen Engagements dar. Es spricht daher nichts dagegen, dass sich Lehrkräfte, Erziehungsberechtigte sowie Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschulen, z. B. im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung, aktiv einbringen. Sollen Räume oder Gebäudeteile von Schulen in freier Trägerschaft oder Schulgrundstücke für die Flüchtlingsbetreuung zur Verfügung gestellt werden, so hat der jeweilige Schulträger darüber zu befinden, da er die Verfügungsgewalt darüber besitzt. Bei der Bereitstellung von Schulgebäuden, Schulräumen und Schulgrundstücken ist allerdings darauf zu achten, dass es nicht zu wesentlichen Nutzungseinschränkungen des regulären Schulbetriebs bzw. von schulischen Veranstaltungen kommt. 4. Gibt es eine Haftungsproblematik? Im Hinblick auf die Flüchtlingsbetreuung gelten die Ausführungen zu Frage 3 im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Schulgebäuden, Schulräumen und Schulgrundstücken. Die Klärung von möglichen Haftungsproblematiken und deren Absicherung obliegt den Schulträgern der Schulen in freier Trägerschaft. (Ausgegeben am 02.09.2015) Drucksache 17/4133 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3997 - Werden Schulen in freier Trägerschaft von der Flüchtlingsbetreuung ausgeschlossen? Anfrage des Abgeordneten Heiner Schönecke (CDU) an die Landesregierung,eingegangen am 21.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums