Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 1 Große Anfrage mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3457 - Wie groß ist die Arbeitsüberlastung der Polizei? Große Anfrage der Fraktion der CDU an die Landesregierung vom 05.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.05.2015 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Vorbemerkung der Fraktion Die Polizeigewerkschaften beklagen zunehmende Belastungen für die Polizistinnen und Polizisten. So berichtete die Hannoversche Allgemeinen Zeitung (HAZ) am 30.01.2015 über die Arbeitsüberlastung der Polizistinnen und Polizisten („Polizisten drohen: Notfalls fallen Fußballspiele aus“). Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, beklagt in der HAZ vom 30.01.2015, durch die vielen Demonstrationen seien die Beamtinnen und Beamten an eine Belastungsgrenze gekommen. Auch fehlten die Polizistinnen und Polizisten an anderer Stelle. „Es ist doch völlig klar: Wer Fußball, Rocker, Salafisten und PEGIDA macht, der steht für die Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen eben nicht zur Verfügung“, sagte Wendt gegenüber der HAZ. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Dietmar Schilff, sagte im gleichen Artikel der HAZ, man steuere angesichts wöchentlicher Großdemonstrationen und dem Start der Rückrunde der Fußballbundesliga auf eine dramatische Situation zu. Für 2015 stehen wieder herausragende Großeinsätze wie der G7-Gipfel im Juni an. Hinzu kommen steigende Belastungen durch die Sicherung von Rocker-, Mafia- oder Mhallamiye-Kurdenprozessen , da solche Gerichtsverfahren auch die Sicherung durch die Polizei erfordern. Zudem muss das Alltagsgeschäft der Polizei ebenfalls bewältigt werden. Die weiterhin hohen Zahlen im Bereich der Wohnungseinbrüche und die Bekämpfung der Cyberkriminalität oder der Verbreitung von Kinderpornografie erfordern ebenfalls Personal. In der Neuen Presse vom 30.01.2015 wird der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, zitiert, ein Grund für die Überlastung besonders der Bereitschaftspolizei sei, dass andere Bundesländer eigenes Personal abgebaut hätten und nun bei Großeinsätzen sich bei anderen Bundesländern „kostengünstig Personal mieten“ würden. Manche Bundesländer steigern hingegen wieder die Einstellungszahlen für den Polizeidienst. Nordrhein -Westfalen plant beispielsweise, in den nächsten drei Jahren 350 zusätzliche Stellen zu schaffen . Vorbemerkung der Landesregierung Die Polizei des Landes Niedersachsen steht ebenso wie andere Teile der Verwaltungen und die Wirtschaft vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und technischer Veränderungen vor großen Herausforderungen . Die Grundlage für den bereits begonnenen Modernisierungsprozess als Antwort auf diese Herausforderungen in der niedersächsischen Polizei bildet die „Strategie 2020“. Ausgehend von dem Gedanken, dass die Polizei am besten weiß, was sie heute und morgen leisten muss, wurden die Inhalte von Polizistinnen und Polizisten selbst für die eigene Organisation entwickelt . Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 2 Die Niedersächsische Landesregierung begrüßt die von Gedanken der Transparenz, Beteiligung und Eigenverantwortlichkeit getragene Strategie ausdrücklich. Die Polizei versetzt sich so in die Lage, sich abzeichnende Entwicklungen pro-aktiv anzugehen und muss nicht vergleichsweise unvorbereitet auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Die „Strategie 2020“ stellt einen Gewinn für die Arbeit der Polizei und damit auch für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen dar. Dabei stützt sie sich in einmaliger Weise auf die Erfahrungen und Wünsche der Polizisten selbst. Im Handlungsfeld „Arbeitswelt“ kommt in der Festlegung „Im Mittelpunkt steht der Mensch“ und der Zielbeschreibung „Wir gestalten ein gesund erhaltendes Arbeitsumfeld, in dem dienstliche und persönliche Bedürfnisse vereint werden“ u. a. der hohe Stellenwert des Umgang und der Zusammenarbeit mit bzw. zwischen den Polizeibeschäftigten in der Organisation zum Ausdruck. Die im Rahmen der Entwicklung und Umsetzung der Strategie geführten Diskussionen, u. a. zum Thema zunehmende Belastungen für die Polizei, sind der Landesregierung aus vielfältigen Gelegenheiten bekannt. Aufgrund der Bedeutung wird dieses Thema sehr ernst genommen, aufmerksam verfolgt und hinsichtlich vorhandener Veränderungsmöglichkeiten fortlaufend geprüft. Hierzu führt das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport auch einen intensiven Diskurs mit Gewerkschaften, Interessen- und Personalvertretungen. Arbeitsbelastungen oder Anforderungen (Definitionen, Interpretationen) Zu dem in der Anfrage verwendeten Begriff „Arbeitsüberlastungen“ sind zunächst einige differenzierende Erläuterungen erforderlich. In der wissenschaftlichen Diskussion unterscheiden z. B. Beerlage 1 u. a. in der Studie „Organisationsprofile, Gesundheit und Engagement im Einsatzwesen“ zwischen Anforderungen, Beanspruchungen und Arbeitsbelastungen. Anforderungen ergeben sich hiernach aus dem Arbeitsauftrag (tätigkeitsbezogene) und aus den Rahmenbedingungen (arbeits- und organisationsbezogene wie physikalische Arbeitsumgebung, Arbeitsklima, Organisationsstruktur und -abläufe sowie gesellschaftliche Rahmenbedingungen). Sie bezeichnen neutral den objektiven Aspekt der Arbeitsbedingungen. Aus den Anforderungen resultieren Beanspruchungen der hiermit konfrontierten Personen. Wie diese Beanspruchungen erlebt werden, hängt davon ab, welche physischen, psychischen und sozialen Ressourcen zur Bewältigung der Anforderungen zur Verfügung stehen. Die Beanspruchungen sind damit auch ein wichtiger Bestandteil für die positive Wirkung von Arbeit (Wohlbefinden, Selbstwirksamkeit, Engagement etc.). Von Arbeitsbelastungen im engeren Sinn wird in der o. g. Studie gesprochen, wenn die individuellen und/oder kollektiven Ressourcen überbeansprucht werden. Es kommt dann zu Fehlbeanspruchungen , gegebenenfalls mit psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen, bis hin zu Erkrankungen . Um die aktuelle Situation in der Arbeitswelt und explizit auch die Situation zu den Arbeitsbelastungen in der Polizei Niedersachsen valide zu erheben, werden in Zukunft periodische Mitarbeiterinnen - und Mitarbeiterbefragungen durchgeführt. Die erste Befragung erfolgte bereits im Juli/August 2015. Sie wurde von einer Arbeitsgruppe des Landespolizeipräsidiums vorbereitet, durchgeführt und wird derzeit ausgewertet. Zu dem Bereich der Arbeitsbelastungen sollen sowohl ressourcenals auch belastungswirksame Faktoren erhoben werden. Ziel ist es, auf einer gesicherten Erhebungsgrundlage eine Analyse und Bewertung vorzunehmen, um ressourcenstärkende und belastungsreduzierende Maßnahmen zu identifizieren und zu entwickeln. Themenbegleitend wurde ein Forschungsförderungsvertrag mit der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Handel und soziale Arbeit, über ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Berufliche Anforderungen in der niedersächsischen Polizei - eine qualitative Studie zu Begründungszusammenhängen , kollektivem Erleben und sozialen Umgangspraktiken (Arbeitstitel)“ geschlossen. Während die o. g. Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbefragung als standardisierte Erhebung mit quantitativen Methoden durchgeführt wird, werden in der begleitenden Studie Methoden der qualitativen Sozialforschung wie Interviews oder Gruppendiskussionen angewandt. Ziel ist es hier, vertiefte Erkenntnisse über das Erleben beruflicher Anforderungen bzw. über das Belastungs- 1 Prof. Dr. Irmtraud Beerlage, Hochschule Magdeburg-Stendal; Lehr- und Forschungsgebiete: u. a. Modelle und Methoden der psychologischen Gesundheitsförderung Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 3 erleben und den sozialen Umgang hiermit in unterschiedlichen Organisations- und Funktionsbereichen der Polizei zu gewinnen. Einsatzanlässe im Wandel Der gesellschaftliche Wandel und die damit einhergehenden veränderten Anforderungen an die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung erfordern deren fortlaufende Reflexion und eine stetige Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse. Einsatzlagen, die noch vor Jahren einen erhöhten Kräfteaufwand für die Polizei Niedersachsen bedeuteten , sind heute nicht mehr relevant. So finden beispielsweise die Transporte von hochradioaktiven Abfällen in das Transportbehälterlager Gorleben, die landes- und sogar bundesweit mit einem hohen personellen und materiellen Einsatz einhergingen, nicht mehr statt. Versammlungsrechtliche Lagen mit Bezug zur PKK oder Punkertreffen in der Stadt Hannover bestimmten noch in den 1990er-Jahren das Einsatzgeschehen, entfalten heute aber kaum noch polizeiliche Bedeutung. Andere Protestformen und Gewaltphänomene kommen hinzu und stellen neue Herausforderungen an die Polizei dar. Dies galt beispielsweise für die regelmäßigen sogenannten PEGIDA-Proteste, die seit Oktober 2014 wiederkehrende Einsatzanlässe darstellten. Inzwischen sind nur noch geringe Teilnehmerzahlen im Rahmen dieser Protestform zu verzeichnen, sodass der polizeiliche Aufwand der Begleitung dieser Einsätze deutlich rückläufig ist. Die Bewältigung von Einsatzlagen anlässlich von Fußballspielen stellt für die Spielortbehörden in Niedersachsen in jeder Saison einen Schwerpunkt polizeilicher Einsatzlagen dar. Diese reichen von Begleitungen aus der Alltagsorganisation bis zu Großeinsätzen, wie z. B. anlässlich des Bundesligaspieles zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 im April 2014. Der jeweilige Aufwand ist dabei u. a. abhängig von der Spielklasse, der Zusammensetzung der Ligen und dem sportlichen Verlauf, aber insbesondere auch von den Verhältnissen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen von Fußballanhängern der jeweils beteiligten Vereine. Auch Maßnahmen zur Sicherung von Gerichtsverhandlungen, zum Schutz vor Rockeraktivitäten, zum Schutz vor Auseinandersetzungen mit Clankriminalität stellen gegenwärtig Anforderungen an die polizeiliche Einsatzbewältigung. Im Rahmen der Bewältigung polizeilicher Einsatzlagen ist allgemein festzustellen, dass sich die Aktions - und Erscheinungsformen der linksextremistischen Szene im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen verändern. Dabei kommt es in Einzelfällen zu erheblichen Ausschreitungen , in deren Verlauf Polizeibeamtinnen und -beamte mit hoher Gewaltbereitschaft attackiert werden . Auch im rechtsextremistischen Spektrum ist in den letzten Jahren eine deutlich erkennbare Gewaltbereitschaft gegen Einsatzkräfte festzustellen. Insgesamt ist wahrnehmbar, dass der gesellschaftliche Wandel nicht zwingend mit einer permanenten Mehrung polizeilicher Einsatzlagen einhergeht, sondern dass die sich verändernden Anforderungen an die Aufgabenbewältigung ein hohes Maß an Flexibilität von der Organisation und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfordern. Insofern nimmt die Arbeit der Polizeien der Länder und des Bundes nicht überproportional zu, sondern orientiert sich zunehmend an sich verändernden Schwerpunkten. Dabei nehmen immer auch weltpolitische Krisen und kriegerische Auseinandersetzungen Einfluss auf die jeweils aktuellen Anforderungen an die Bewältigung des polizeilichen Einsatzgeschehens. Darüber hinaus erfordern im Flächenland Niedersachsen regionale Besonderheiten ein hohes Reaktionsvermögen vor Ort. Die jeweils lageangepasste Einsatzbewältigung gewährleisten die Polizeibehörden , die ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit auszeichnet und die eigene Schwerpunktsetzungen vornehmen, grundsätzlich mit eigenen Kräften bzw. mit Kräften der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen oder der anderen Flächenbehörden. Sollten innerhalb Niedersachsens herausragende Einsatzlagen mit einem besonders hohen Kräfteansatz zu bewältigen sein, werden gegebenenfalls andere Länder um Unterstützung ersucht. Derartige Ersuchen werden durchschnittlich pro Kalenderjahr im unteren einstelligen Bereich gestellt. Wesentlich öfter bitten andere Länder um Unterstützung bei der Einsatzbewältigung. Dies betrifft sowohl Unterstützungshandlungen durch Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei Niedersachsen als auch beispielsweise Unterstützung durch Beritte, Diensthundeführer oder den Funkmessdienst. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 4 Kriminalitätsentwicklung Durch zielgerichtete präventive und repressive Maßnahmen, insbesondere in Deliktsbereichen, die das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung in einem besonderen Maße beeinflussen, leistet die Polizei einen wichtigen Beitrag, um das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen und die objektive Sicherheit nachhaltig zu erhöhen. Die Entwicklung der registrierten Kriminalität , die sich aus der Kriminalstatistik ableiten lässt, kann insgesamt als sehr positiv bezeichnet werden . Gegenüber dem Vorjahr wurden in 2014 7 026 Straftaten mehr bekannt, sodass insgesamt 552 730 Straftaten verzeichnet wurden. Dies stellt eine Zunahme von rund 1,3 % dar. Trotz dieses Anstiegs bewegen sich die Fallzahlen insgesamt aber immer noch auf einem deutlich niedrigen Niveau. Im Vergleich zu 2005 wurden im Jahr 2014 fast 50 000 Straftaten weniger gezählt. Niedersachsen gehört damit zu den Bundesländern mit einer vergleichsweise geringen Kriminalitätsbelastung. Niedersachsen ist ein sicheres Bundesland. Wohnungseinbrüche Die Zahl der Wohnungseinbrüche liegt noch auf einem hohen Niveau, aber der in vielen Bundesländern zu beobachtende Anstieg konnte in Niedersachsen nicht nur gestoppt werden, die Entwicklung ist hier im Vergleich zum Vorjahr sogar rückläufig. Der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls in Niedersachsen gebührt dennoch auch weiterhin große Aufmerksamkeit. Für das Jahr 2014 wurden in Niedersachsen insgesamt 14 654 Fälle registriert. Dies stellt insgesamt einen Rückgang von nahezu 1 100 Taten im Vergleich zum Jahr 2013 dar. Die frühzeitige kriminalpolitische Schwerpunktsetzung, einhergehend mit einer landesweiten Prioritätenentscheidung für den zielgerichteten Kräfte- und Mitteleinsatz zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls hat sich insoweit bewährt: Der Ermittlungsdruck auf Einbrecher wurde deutlich intensiviert. Eine Erhöhung der polizeilichen Präsenz an Brennpunkten, optimierte Analysemöglichkeiten, verbesserte Tatortarbeit, spezielle Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen sowie die Umsetzung einer großen Zahl von Präventionsprojekten, die landesweit durchgeführt wurden, haben dazu beigetragen, Wohnungseinbrüche zu verhindern, Tatserien noch früher zu erkennen und zu beenden. Cybercrime Die Entwicklung und die Etablierung der Informationstechnologie und insbesondere des Internets beeinflussen das Alltagsleben in besonderem Maße. In gleichem Zuge hat sich auch das spezielle Phänomen Cybercrime herausgebildet. Cybercrime wird heute weitgehend synonym verwendet für nahezu alle kriminellen Handlungen mit Bezug zum Internet. Von Cybercrime kann nicht nur jeder Einzelne betroffen sein, sondern auch wichtige Bereiche des Mittelstandes und der Industrie. Hieraus ergibt sich ein enormes Angriffsfeld für Cyberkriminelle. Vor diesem Hintergrund stellt sich die niedersächsische Landesregierung noch intensiver und strukturiert auf die wachsenden Herausforderungen ein. In der strategischen Ausrichtung der niedersächsischen Landespolizei 2020 bildet die Bekämpfung der Cyberkriminalität ein Kernelement. Umfassende Verbesserungen werden etabliert. Einen Schwerpunkt bildet dabei das Vorhaben, landesweit erheblich mehr Personal zu qualifizieren und weiter auch externen Sachverstand einzubinden . Damit einhergehend werden auch Ressourcen für eine zeitgemäße Aus- und Weiterbildung innerhalb der Polizei für diesen Bereich bereitgestellt. Darüber hinaus wird eine bessere ITtechnische Ausstattung sowohl in forensischen als auch in ermittelnden Bereichen vorgenommen. Damit werden strukturelle Grundlagen für ein nachhaltiges Verhindern rechtsfreier Räume in der digitalen Welt geschaffen. Kinderpornografie Das Thema Kinderpornografie, einschließlich deren Verbreitung über das Internet, ist eines der wichtigsten Themen in der Polizei, und es nimmt daher einen entsprechend hohen Stellenwert ein. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 5 Die niedersächsische Landesregierung unternimmt alles, um Kinder- und Jugendpornografie, die häufig über elektronische Medien verbreitet werden, von vornherein zu bekämpfen und möglichst lückenlos aufzuklären. Eine hohe Priorität liegt darin, die gesicherten Datenträger schnellstmöglich auszuwerten, um die Opfer dieser abscheulichen Kriminalität vor weiterem Missbrauch zu identifizieren und zu schützen. Dazu wurden die Fachkommissariate, in denen die überaus psychisch belastende Auswertung des inkriminierten Materials erfolgt, in erforderlichem Umfang personell unterstützt. Um Wege zu finden, den mit den erforderlichen Ermittlungen verbundenen besonderen psychischen Belastungen zu begegnen , hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport eine Belastungsstudie in Auftrag gegeben. Weiter werden auch technische Möglichkeiten intensiv genutzt, um die Auswertezeiten zu verringern und die Belastung des Personals zu minimieren. Dazu gehört auch die Einrichtung spezieller Auswerte-Arbeitsplätze. Dadurch werden jetzt Tathandlungen erkannt und verfolgt, die in den Vorjahren gegebenenfalls noch im Verborgenen gelegen hätten. Organisierte Kriminalität (Rocker/Mafia/Mhallamiye-Kurden) In der Kriminalitätsbekämpfung nehmen die Bereiche der Rocker-, Clan-, und russisch-eurasische Kriminalität erhebliche personelle Ressourcen in Anspruch. Rockergruppierungen sowie Familienclans (z. B. Mhallamiye) sind regelmäßig in den Deliktsfeldern der Schweren (Gewaltdelikte, Rauschgifthandel, Verstöße gegen das Waffengesetz) bzw. der Organisierten Kriminalität tätig. Das erfordert - neben der Bewältigung der daraus resultierenden Einsatzlagen - einen beträchtlichen und kontinuierlichen Personaleinsatz im Bereich der Informationsgewinnung und -steuerung, der Ermittlungsführung und vor allem der Analyse und Auswertung. Auch ist die erforderliche Kooperation mit externen, nicht der Strafverfolgung angehörenden Institutionen oder Personen (Kommunen, Verbände etc.) - als Teil eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes - ein nicht zu vernachlässigender Faktor bezüglich des damit verbundenen Personaleinsatzes und Zeitaufwandes. Salafisten Nach gemeinsamer Einschätzung der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder geht vom internationalen islamistischen Terrorismus weiterhin eine anhaltende hohe Gefährdung der Inneren Sicherheit unseres Landes aus. Die Sicherheitsbehörden stellen seit geraumer Zeit fest, dass ernstzunehmende Gefahren nicht nur von etablierten terroristischen Organisationen oder Rückkehrern aus terroristischen Ausbildungslagern oder aus Kampfgebieten ausgehen, sondern zunehmend auch von radikalisierten Einzeltätern und Kleinstgruppen innerhalb westlicher Staaten, wie die aktuellen Beispiele in Frankreich, Belgien und Dänemark verdeutlichen. Der Salafismus spielt bei der Bewertung der Gefahrensituation eine besondere Rolle. Fast alle Personen mit Bezug zu Deutschland, die den gewaltsamen Jihad befürworten oder sich ihm angeschlossen haben, standen zuvor mit Salafisten in Kontakt. Die geschilderte Gesamtsituation und die aktuelle Erkenntnislage zur salafistischen Szene in Niedersachsen verdeutlichen, dass auch Niedersachsen von den Gefahren des terroristischen und extremistischen Islamismus betroffen und bedroht ist. Diesen Gefahren gilt es entschlossen entgegenzutreten und die erforderlichen Maßnahmen für eine gezielte Gefahrenabwehr und für eine konsequente Strafverfolgung zu treffen. In diesem Zusammenhang wurden im Zuge der Fortschreibung die bundesweit geltenden Konzepte intensiviert, standardisiert und weiter ausgebaut. Zur Beobachtung und Bekämpfung werden alle im Rahmen der Gesetze vorhandenen Instrumentarien eingesetzt. In Niedersachsen ist eine erhebliche Zunahme von Ermittlungsverfahren mit einem terroristischen Hintergrund zu verzeichnen. Ebenso ist die Anzahl der als Gefährder oder relevante Person eingestuften Personen stark angestiegen. Sowohl in der Anzahl der Verfahren als auch in der Anzahl der Personen ist die Tendenz weiterhin steigend. Um den ermittlungstechnischen und ermittlungstaktischen Erfordernissen in der Bearbeitung von terroristischen Umfangsverfahren gerecht zu werden, wurde das entsprechende Fachdezernat im Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) um acht Dienstposten aufgestockt. In einem weiteren Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 6 Schritt wird die Organisationsstruktur des Polizeilichen Staatsschutzes in Niedersachsen den Herausforderungen in der Ermittlungsführung von Terrorismusverfahren angepasst. Zur Intensivierung präventiver Maßnahmen wurde im LKA NI die zentrale Präventionsstelle Politisch motivierte Kriminalität (PPMK) eingerichtet, die mit der Erarbeitung und Veröffentlichung des Medienpakets des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK): „Mitreden! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und dschihadistische Internetpropaganda “ einen wichtigen Baustein zur Aufklärung über die Gefahren des Islamismus umgesetzt hat. PEGIDA Der Islam und die in Deutschland lebenden Muslime stehen zunehmend im Mittelpunkt verschiedener Gruppierungen am rechten politischen Rand. Diesen Gruppen dienen die Angst vor einer angeblichen Islamisierung der Gesellschaft ebenso wie die Angst vor Islamismus und Salafismus als vermeintlich erfolgversprechende Mobilisierungsthemen. Islamfeindlichkeit stellt hier eine Form der Fremdenfeindlichkeit dar, die in den vergangenen Jahren auch als politisches Aktionsfeld an Bedeutung gewonnen hat. Bürgerliche Vorbehalte und mitunter auch Vorurteile mischen sich hier mit extremistischen Haltungen. Die PEGIDA-Bewegung stellt in diesem Zusammenhang eine neue Aktionsform dar, die versucht, solche Meinungen und Haltungen zu bündeln und auf die Straße zu bringen. Die PEGIDABewegung ist trotz ihrer islamfeindlichen Ausrichtung nicht per se als rechtsextremistisch zu bewerten . Das Ausmaß der rechtsextremistischen Einflussnahme variiert je nach Region. Ein bundesweit einheitliches Gesamtbild der PEGIDA-Bewegung ist derzeit nicht zu erkennen. So ergeben sich unterschiedliche Ausprägungen der PEGIDA-Bewegung auch in Niedersachsen, was die unterschiedlichen regionalen Namensgebungen verdeutlichen, wie beispielsweise BRAGIDA für Braunschweig, HAGIDA für Hannover, OLGIDA für Oldenburg. Seit Oktober des letzten Jahres wurden über mehrere Wochen hinweg zunächst nur in Dresden sogenannte Montagsdemonstrationen abgehalten. Unter dem Eindruck der zunächst steigenden Teilnehmerzahlen in Dresden bildeten sich auch in Niedersachsen PEGIDA-Ableger und -Nachahmer, die unter lokalen oder regionalen Bezeichnungen Demonstrationen in ihrer Stadt bzw. Region durchführen. Damit einhergehend gab es zahlreiche Gegenversammlungen mit einer stark bürgerlichen Prägung, die die Teilnehmerzahlen der PEGIDA-Demonstrationen teilweise um ein Vielfaches übertrafen. Seit Mitte Januar gibt es Veranstaltungen in Niedersachsen, die aktuell nur noch in Braunschweig und Hannover ihre Fortsetzung finden. Mittlerweile ist ein starker Rückgang der Teilnehmerzahlen und damit einhergehend eine stark rückläufige polizeiliche Begleitung dieser Versammlungen zu beobachten. Die Veranstaltungen verlieren zunehmend an Bedeutung. Personelle Situation der nächsten Jahre Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit in Niedersachsen hat für diese Landesregierung einen herausragenden Stellenwert. Der damit verbundene hohe Anspruch an die Landespolizei erfordert auch zukünftig qualifizierte, motivierte, erfolgsorientierte und zufriedene Beschäftigte, die ihr Handeln im Sinne einer modernen Bürgerpolizei an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten. Der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf die Arbeitswelt werden zunehmend greifbar . Auch in der Polizei steht zeitnah der erhebliche Verlust von Personal in einem relativ kurzen Zeitraum bevor; die geburten- und einstellungsstarken Jahrgänge verlassen die Organisation in den verdienten Ruhestand. Demgegenüber stehen nachwachsend lediglich geburtenschwächere Jahrgänge . Folgerichtig hat der „Wettbewerb um die klugen Köpfe“ bereits begonnen, dem sich auch die Polizei zu stellen hat. Bei der jährlichen Berechnung des Bedarfs an Neueinstellungen von Kommissar-Anwärterinnen und -Anwärtern wird in einer längerfristigen Prognose die zu erwartende Entwicklung des Personalkörpers abgeschätzt. Dabei wird neben den regulären Altersabgängen auch die Entwicklung der weiteren Abgänge, z. B. aufgrund Entlassung, Krankheit, Versterben sowie familienbedingter Abwesenheiten und Teilzeitbeschäftigung, berücksichtigt. Im Ergebnis erfolgt regelmäßig ein entsprechender Aufschlag bei den Neueinstellungen, um den Personalbestand zu erhalten. Auf diese Weise wird in Niedersachsen eine bedarfsgerechte Einstellungspraxis sichergestellt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 7 Nachwuchsgewinnung Wie bereits ausgeführt, sind sowohl die Bevölkerung insgesamt als auch die Zahl der potenziell Arbeitsfähigen deutlich rückläufig prognostiziert. Der gewaltigen Ruhestandswelle in Deutschland aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung allein während der nächsten zehn Jahre steht also ein zunehmend erheblich defizitäres Angebot an Arbeitskräften bzw. Nachwuchs gegenüber. Das Problem kumuliert zusätzlich durch die Tatsache, dass die stark anwachsenden Personalnachersatzbedarfe sowohl bei öffentlichen Arbeitgebern als auch bei der Privatwirtschaft gleichzeitig, also in direkter Konkurrenz auch zueinander, auftreten. Auch die Polizei des Landes Niedersachsen hat in den nächsten zehn Jahren erhebliche altersbedingte Abgänge allein durch reguläre Pensionierungen zu verkraften und daher genau in dem genannten Zeitraum ebenfalls die größten Nachersatzbedarfe. Hinzu kommen nicht vorhersehbare Abgänge, z. B. durch Versterben, vorzeitige Zurruhesetzung, Studienabbrecher bzw. „-durchfaller“, zunehmende Teilzeitbeschäftigung und die Zunahme von familienbedingten Auszeiten im Polizeivollzug . Derzeit noch unklar, gegebenenfalls aber weiter verschärfend, könnte sich der zu erkennende Trend auswirken, die Lebensarbeitszeit auf eigenen Antrag zu verkürzen. Allein diesen Feststellungen geschuldet wird die Polizei Niedersachsen alles daran setzen, im Rahmen der Gestaltungsspielräume das Erforderliche zu tun, um der aufgezeigten Problemstellung zu begegnen. Neben der Nachwuchsgewinnung für die Polizeiarbeit, wie sie bisher zu leisten ist und auch zukünftig zu leisten sein wird, kommt infolge sich verändernder Kriminalitätsformen zusätzlicher Nachwuchsbedarf beispielhaft für die Bekämpfung von Cyberkriminalität hinzu. Hierfür ist zusätzliches Fachpersonal zu gewinnen, das die erforderlichen Kenntnisse im Rahmen von speziell ausgerichteten Studiengängen erworben hat. Insofern bedarf es für die Polizei eines modernen, ganzheitlichen und zukunftsfähigen Personalmanagements . Hierzu zählen insbesondere Themenfelder wie Personalplanung und -einsatz, Besoldungsstruktur und Karriereperspektive, Personalrekrutierung und Bindung des Personals an die Organisation. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die Wertschätzung und die gesellschaftliche Anerkennung des Berufsbildes Polizei. Die Ergebnisse von regelmäßigen Umfragen belegen dieses eindrucksvoll. Neben dem positiven Image der Polizei hat die Nachwuchswerbung eine zentrale Bedeutung für die Sicherstellung des Personalnachersatzes. Diese erfolgt standardisiert, koordiniert und an klaren Zielen ausgerichtet auf Grundlage einer flächendeckenden permanenten Grundwerbung sowie zielgerichteter zentraler und regionaler Kampagnen und Aktionen basierend auf einem Gesamtwerbekonzept. Dabei geht die Nachwuchswerbung gezielt auf die Besonderheiten der Zielgruppen, also der 14 bis 31 Jahre alten Jugendlichen und jungen Erwachsenen und deren teilweise geänderte Erwartungen an einen potenziellen Arbeitgeber sowie deren besondere Technikaffinität ein. Dies schlägt sich sowohl in den transportierten Werbebotschaften als auch in der besonderen Bedeutung des professionellen Auftritts der Polizeiakademie Niedersachsen in den neuen Medien nieder. Sie legt ein Hauptaugenmerk auf die gezielte Werbung potenzieller Interessentinnen und Interessenten mit Migrationshintergrund. Aber auch andere Zielgruppen wie Realschüler/-innen und Spitzensportler/- innen stehen im Fokus. Darüber hinaus ist die Polizei Niedersachsen bestrebt, den Anteil an Einstellungen von Frauen weiter zu erhöhen. Neben der Präsenz in Schulen, der Teilnahme an Berufsmessen und Informationsveranstaltungen, der Berichterstattung in unterschiedlichen Printmedien sowie der Ausrichtung des jährlich wiederkehrenden Welcome Days gibt es weitere gelungene Beispiele für eine erfolgreiche Nachwuchswerbung der Polizei: – Facebook Karrierefanpage Seit Mai 2011 betreiben die Polizeiakademie, die Polizeidirektion Hannover und einige andere Behörden eigene Karrierefanpages im sozialen Netzwerk Facebook, um den Jugendlichen eine möglichst niedrigschwellige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu bieten und die Gelegenheit, sich ungezwungen und zeitgemäß über den Beruf zu informieren. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 8 – Internetseite www.polizei-studium.de Der neugestaltete Internetauftritt zur Nachwuchswerbung der Polizeiakademie Niedersachsen enthält umfangreiche, regelmäßig aktualisierte Informationen zu den Bewerbungsvoraussetzungen und -unterlagen sowie zu den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und Herausforderungen des Polizeiberufs. Der Internetauftritt ist mehrsprachig, wird regelmäßig aktualisiert und wurde bereits über drei Millionen Mal aufgerufen. – Kinospot Seit 2012 wurde der Kinospot „Polizei - sei dabei“ flächendeckend in zahlreichen kleineren und größeren Städten Niedersachsens vorgeführt. – Radiowerbung Im Mai 2012 hat die Polizeiakademie erstmals Radiowerbung auf einem von Jugendlichen bevorzugten Radiosender ausgestrahlt. Im Herbst 2014 wurde im Webradio geworben, da viele Jugendliche verstärkt diese Variante des Radios - besonders auch über Smartphones - nutzen. – Werbung in Bussen und Straßenbahnen Flächendeckend in ausgewählten Linien des Regionalverkehrs hat die Polizeiakademie Niedersachsen in Bussen geworben. Besonderheit der von Innen und Außen lesbaren Fensterplakate war ein QR-Code, den Jugendliche mit ihren Handys scannen konnten, um den Kinospot auf ihr Handy zu laden. Darüber hinaus wurde eine Werbung im Fahrgastfernsehen der ÜSTRA Hannover geschaltet. Im Resultat bewarben sich für die jährlichen Einstellungstermine im Oktober eines jeden Jahres jeweils rund 5 000 Menschen für 600 bis 800 Studienplätze. Mit diesen Bewerbungseingängen war der Personalnachersatz aufgrund der Geeignetheit einer überdurchschnittlichen hohen Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern bisher problemlos zu realisieren. Mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen im Zuge des demografischen Wandels wird die Landesregierung die Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung weiter intensivieren. So ist sichergestellt , dass die hohen Einstellungsstandards auch in der Zukunft gehalten werden. Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Polizeiberufs Um die Attraktivität des Polizeiberufes weiter zu steigern, werden durch die Landesregierung Maßnahmen wie der weitere Ausbau des Gesundheitsmanagements und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben intensiviert und gefördert. Das Konzept zur Umsetzung eines ganzheitlichen, partizipativen Gesundheitsmanagements in der Polizei Niedersachsen wurde durch eine Projektgruppe „Gesundheit in der Polizei Niedersachsen“ in Kooperation mit dem Institut für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft der Leibniz Universität Hannover entwickelt und in insgesamt 17 Pilotdienststellen erprobt. Mit der Einführung eines ganzheitlichen Gesundheitsmanagements wird das Ziel verfolgt, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern, psychische und physische Belastungen am Arbeitsplatz abzubauen, gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Arbeitszufriedenheit und -motivation zu steigern sowie die Gesundheitskompetenzen der Beschäftigten zu stärken. Zentraler Kern des Konzeptes ist die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Führungskräfte bei der Optimierung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen. Auf der Grundlage der in der Pilotierungsphase gewonnenen Erkenntnisse und definierten Standards erfolgt seitdem die sukzessive Implementierung des Gesundheitsmanagements in die Polizei Niedersachsen. Während der fortlaufenden Implementierung werden gesetzte und vereinbarte Standards stetig überprüft und weiterentwickelt. Seit 2008 ist die Polizei Niedersachsen eine durch die berufundfamilie GmbH zertifizierte familienfreundliche Organisation, die zahlreiche Bestrebungen unternimmt, die dienstlichen und persönlichen Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einklang zu bringen. Im Juni 2014 wurde die Polizei Niedersachsen bereits zum dritten Mal mit dem Zertifikat zum Audit berufundfamilie ausgezeichnet und hat somit wiederholt ihre familienbewusste Ausrichtung unter Beweis gestellt. Ziel der Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 9 Polizei Niedersachsen ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Gesamtorganisation zu verbessern. Unter Berücksichtigung der Erfordernisse der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung soll der Stellenwert einer familienbewussten Personalpolitik gestärkt werden. Auf der Grundlage von Zielvereinbarungen zum Audit wurden seit 2008 konzeptionell familienfreundliche Strukturen etabliert . Zuletzt lag der thematische Schwerpunkt im Bereich der Standardisierung der Rahmenbedingungen für das Arbeiten und Führen in Teilzeit, da sich familienbewusste Unterbrechungen und Teilzeitarbeit nicht nachteilig auf die berufliche Entwicklung auswirken dürfen. Insbesondere die Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes soll zu verbesserten Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben führen. In diesem Zusammenhang soll auch die Ausübung von Führungsfunktionen noch familienfreundlicher gestaltet werden, um Karrieremöglichkeiten für Polizeibeschäftigte mit familiären Aufgaben weiter zu verbessern. Die aktuelle Zielvereinbarung in dem Bereich der „Re-Auditierung Konsolidierung“ ist vor allem durch organisatorische und organisationskulturelle Schwerpunkte sowie eine lebensphasenorientierte Personalentwicklung gekennzeichnet. Hierzu gehört auch die Möglichkeit des Führens in Teilzeit. Darüber hinaus wird aktuell ein „Kompass durchs Audit“ für das polizeiinterne Intranet erstellt . Weiterhin soll mit den sogenannten Goldenen Regeln ein gemeinsames Grundverständnis zur Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben bei den Beschäftigten manifestiert werden. Durch die Fortschreibung und Weiterentwicklung des Pflegewegweisers wird eine weitere Sensibilisierung von Vorgesetzten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diese Thematik angestrebt. Insgesamt betrachtet zeugt die Konsolidierungsphase von einem hohen Komplexitätsgrad und weist enge Verbindungen u. a. zu den Themen Gleichstellung, demografischer Wandel und Organisationskultur auf. Ziel ist es, das gemeinsame Grundverständnis für das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie fortzuentwickeln, Normalität sowie einen selbstverständlichen Umgang mit Vereinbarkeitsfragen innerhalb der Organisation zu erzeugen bzw. auszubauen. Die Erfassung und Transparentmachung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen verbunden mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit sollen zu einer weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen und einer höheren Akzeptanz gegenüber familiären Belangen führen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit der Polizei. Sie ist Garant für eine langfristige Personalbindung an die Organisation und trägt entscheidend zur Attraktivität des Polizeiberufes bei. Aus Sicht der Landesregierung liegt die öffentliche Sicherheit in Niedersachsen in den Händen einer modernen, bürgernahen und hochqualifizierten Polizei. Auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei ist groß. Weit über 90 % der Bürgerinnen und Bürger vertrauen der Polizei laut einer Dunkelfeldstudie des LKA NI als rechtsstaatlicher Institution. Die fachlichen, physischen und psychischen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr hoch und weichen aufgrund vorhandener Besonderheiten von anderen Berufsbildern ab. Eine besondere, temporäre Beanspruchung des Einzelnen ist den dienstlichen Aufgaben aufgrund der Vielfalt der Tätigkeiten , zeitlicher Rahmenbedingungen und Einsatzerfordernisse einer hohen Anzahl von Kräften häufig immanent. Hieraus resultieren auch entsprechende Zuwächse von Stunden, die auch zu Nachtzeiten, an Wochenenden und Feiertagen entstehen und damit zum Teil über die festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehen. Der Landesregierung liegen keine Hinweise vor, wonach es in der Polizei zu flächendeckenden, permanenten Arbeitsbelastungen im Sinne einer Überbeanspruchung kommt. Allein aus Gründen der Fürsorge wäre einer solchen Entwicklung gezielt entgegen zu wirken. Aus den vorstehenden Darstellungen wird deutlich, dass sich die Landesregierung zielorientiert mit der „Belastungsdiskussion “ auseinandersetzt. Unter anderem die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung zum Aspekt Erleben beruflicher Anforderungen bzw. Belastungserleben werden genutzt, um Ursachen zu identifizieren und daraus Ansätze für Maßnahmen abzuleiten. Mit Blick auf konkrete Entlastungsmöglichkeiten für die Polizei wurde im Juli diesen Jahres bereits das Netzwerk „Aufgabenkritik“ implementiert. In diesem Netzwerk kann jede und jeder Angehörige der niedersächsischen Polizei Vorschläge zur Entlastung einbringen. Diese werden innerhalb des Netzwerks unter Beteiligung des Landespolizeipräsidiums sowie der Polizeibehörden diskutiert, analysiert und nach entsprechender Bewertung umgesetzt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 10 1. Wie bewertet die Landesregierung die Belastung der niedersächsischen Polizei? Siehe Vorbemerkung. 2. Wie hoch war die Belastung der niedersächsischen Polizei in 2014 durch Demonstrationen , durch Fußballspiele, durch die Sicherung von Fußballspielen und Gerichtsverfahren , durch Maßnahmen zum Schutz vor Rockeraktivitäten, zur Befriedung der Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Tschetschenen in Celle und dem Konflikt, der vor dem Krankenhaus in Lüneburg eskalierte, und durch Maßnahmen zum Schutz vor Salafisten und Islamisten? Die niedersächsischen Polizeibehörden erfassen polizeiliche Einsatzlagen aus besonderem Anlass ausschließlich nach behördeninternen Kriterien. Eine landesweit einheitliche statistische Erfassung solcher Einsatzdaten erfolgt nicht. Vor diesem Hintergrund wurden zur Gewährleistung einer einheitlichen Datenbasis bei der Beantwortung dieser Frage nur die polizeilichen Einsatzlagen aus besonderem Anlass berücksichtigt, bei denen mindestens zehn Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte eingesetzt worden sind. Danach leisteten die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten des Landes Niedersachsen zur Bewältigung von Einsatzlagen mit versammlungsrechtlichem Bezug, bei der polizeilichen Bewältigung von Fußballspielen in Niedersachsen (einschließlich des Präventionseinsatzes anlässlich des Spiels Braunschweig - Hannover 96 sowie des Fanreiseverkehrs anlässlich des Spiels Braunschweig II - Hannover 96 II), bei Schutzmaßnahmen für Gerichtsverhandlungen sowie bei polizeilichen Einsatzmaßnahmen im Rahmen von Rockeraktivitäten in 521 Einsatzlagen insgesamt 369 005 Einsatzstunden wie folgt: Einsatzanlässe 2014 gesamt: Einsatzstunden 2014 gesamt: Einsatzlagen mit versammlungsrechtlichem Bezug 285 189.513,0 Bewältigung von Fußballspielen in Niedersachsen 153 149.100,5 Schutzmaßnahmen für Gerichtsverhandlungen 56 13.469,5 Einsatzmaßnahmen im Rahmen von Rockeraktivitäten 27 16.922,0 Darüber hinaus führten die in Rede stehenden Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Kurden in Celle und Lüneburg, einschließlich der erforderlichen Schutzmaßnahmen über einen Zeitraum von mehreren Wochen im Bereich des Krankenhauses Lüneburg, zu insgesamt 27 polizeilichen Einsatzlagen, bei denen 9 951,5 Einsatzstunden geleistet wurden. Gegebenenfalls geleistete Einsatzstunden des Spezialeinsatzkommandos Niedersachsen (SEK), der niedersächsischen Mobilen Einsatzkommandos (MEK) sowie anderer niedersächsischer Spezialkräfte sind in der Auflistung nicht dargestellt. 3. Was sind die Gründe für die nach Aussage der Polizeigewerkschaften gestiegene Belastung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten? Der Landesregierung sind die zitierten Presseveröffentlichungen bekannt. Die sich verändernden Einsatzanlässe wurden in den Vorbemerkungen umfassend dargestellt. Die Landesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, die Positionen der Polizeigewerkschaften zu erläutern. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 11 4. Wie viele Überstunden haben sich gegenwärtig in den einzelnen Polizeidirektionen Niedersachsens angesammelt? „Überstunden“ leisten Beschäftigte dann, wenn sie die vereinbarte Arbeitszeit überschreiten. Dabei muss insbesondere wegen der unterschiedlichen Regelungen zum Ausgleich von „Überstunden“ zwischen „Zeitguthaben“ und „Mehrarbeit“ unterschieden werden. Voraussetzung von Mehrarbeitsstunden und damit Unterschied zum „Zeitguthaben“ ist, dass sie vor dem jeweiligen Einsatz dienstlich angeordnet und genehmigt wurden. „Mehrarbeit“ ist insoweit von „Zeitguthaben“ abzugrenzen. Mehrarbeit im Sinne des § 60 Abs. 3 NBG leistet, wer aufgrund dienstlicher Anordnung oder Genehmigung im Hauptamt über die individuelle wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst leistet. Werden Beamtinnen und Beamte durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit im Umfang von mehr als einem Achtel der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit im Monat beansprucht , so ist ihnen innerhalb eines Jahres für die über die individuelle wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamtinnen und Beamte mit aufsteigender Besoldung eine Mehrarbeitsvergütung erhalten. Üblicherweise unterliegt der Bestand an „Überstunden“ im Jahresverlauf Schwankungen, weil dem Leisten von „Überstunden“ häufig ein zeitnaher Freizeitausgleich gegenübersteht. Aus diesem Grund ist ein „Überstundenstand“ grundsätzlich nicht valide feststellbar, weil „Überstundenbestände “ zu jedem Stichtag das Ergebnis aus jeweils geleisteter Minder- und Mehrarbeit darstellen. Die Zeitguthaben unterliegen den im öffentlichen Dienst vorhandenen Kappungsgrenzen. Zum 31.12.2014 verfügten die Polizeibehörden und die Polizeiakademie Niedersachsen insgesamt über 1 506 429 2 „Überstunden“, die sich wie folgt verteilen: Behörde Mehrarbeit Zeitguthaben Gesamt Polizeidirektion Braunschweig 160.444 55.952 216.396 Polizeidirektion Göttingen 152.879 48.606 201.485 Polizeidirektion Hannover 200.172 73.516 273.688 Polizeidirektion Lüneburg 194.201 85.530 279.731 Polizeidirektion Oldenburg 137.342 90.816 228.158 Polizeidirektion Osnabrück 87.351 80.624 167.975 Zentrale Polizeidirektion 65.508 7.471 72.979 Landeskriminalamt Niedersachsen 46.208 10.833 57.041 Polizeiakademie Niedersachsen 4.835 4.141 8.976 SUMME 1.048.940 457.489 1.506.429 5. Wie sollen die Überstunden in der niedersächsischen Polizei langfristig abgebaut werden ? Nach den Vorgaben der Vorschriften über die Mehrarbeitsvergütungsverordnung können nur die Stunden finanziell ausgeglichen werden, die die Voraussetzungen der Mehrarbeit erfüllen und die aus dienstlichen Gründen nicht in Freizeit ausgeglichen werden konnten. „Zeitguthaben“ können ausschließlich in Freizeit ausgeglichen werden. 2 Vergleich: 2001 = 1.644.400 Stunden; 2010 = 1.286.993 Stunden. Weiteres aussagekräftiges Datenmaterial steht nicht zur Verfügung; die Berichtspflichten wurden 1995 im Rahmen der damaligen Verwaltungsreform gestrichen. Erhebungen sind grundsätzlich anlassbezogen durchzuführen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 12 Der Ausgleich von „Überstunden“ im Polizeidienst erfolgt i. d. R. durch Freizeit. Ein entsprechender Spielraum für die Freizeitgewährung ist vorhanden und zeigt, dass die „Überstunden“ keine permanente Belastung des Polizeivollzugsdienstes bedeuten. Das Controlling der „Überstunden“ als steuerungsrelevante Größe des Personalmanagements obliegt den Polizeibehörden und der Polizeiakademie in eigener Zuständigkeit. Dabei sind insbesondere die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jeweils vorgesetzten Führungskräfte gehalten, kontinuierlich den „Überstundenstand“ zu überwachen und zeitnahen Freizeitausgleich zu ermöglichen. Bei der Wahrnehmung dieser Führungsaufgabe werden die Führungskräfte z. B. durch Zielvereinbarungen , installierte Berichtswesen, eingerichtetes Monitoring oder Meldepflichten unterstützt. „Überstunden“ im Bereich des Polizeidienstes sind grundsätzliche Folge der besonderen Aufgabenwahrnehmung und -erfüllung und somit unvermeidbar. Polizeiliche Aufgabenerfüllung ist häufig nicht im Rahmen der regulären Arbeitszeit planbar. Insoweit ist der Anfall von „Überstunden“ normal und „dienstimmanent“. Es ist davon auszugehen, dass diese auch zukünftig in vergleichbarem Umfang anfallen. 6. Wie viele Einsatzstunden leistete die niedersächsische Polizei im Jahr 2014 im Wege der Amtshilfe in anderen Bundesländern (Gliederung nach Bundesländern)? Die Polizei des Landes Niedersachsen leistete im Jahr 2014 insgesamt 177 966,25 Einsatzstunden in anderen Ländern und beim Bund. Diese länderübergreifenden Unterstützungsleistungen umfassen den Einsatz der niedersächsischen Kräfte der Bereitschaftspolizei, der Polizeihubschrauberstaffel , der Wasserschutzpolizei, der Reiterstaffeln, der Diensthundestaffeln, der Konfliktmanager, der Szenekundigen Beamtinnen/Beamten im Bereich Sport sowie technischer Unterstützungsleistungen und gliedern sich wie folgt: Land: Einsatzstunden nds. Polizeikräfte in anderen Ländern und dem Bund im Jahr 2014: Baden-Württemberg 161,0 Bayern 355,5 Berlin 47.888,75 Brandenburg 3.006,5 Bremen 21.389,75 Hamburg 209,25 Hessen 239,5 Mecklenburg-Vorpommern 6.568,5 Nordrhein-Westfalen 518,5 Rheinland-Pfalz 2.483,25 Saarland 40,0 Sachsen 67.341 Sachsen-Anhalt 24.698,75 Schleswig-Holstein 886,0 Thüringen 1.163,0 Bund 719,0 Niederlande 298,0 Die im Jahr 2014 im Wege der Amtshilfe geleisteten Einsatzstunden durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LKA NI (Angehörige des Spezialeinsatzkommandos, der Mobilen Einsatzkommandos , der Beratergruppe und der Verhandlungsgruppe) betrugen 5 586. Der darüber hinausgehende Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 13 Anteil anderer Organisationseinheiten des LKA NI am Gesamtvolumen ist sehr gering und im Sinne der Fragestellung ohne aussagefähige Relevanz. Land: Einsatzstunden des LKA NI in anderen Ländern und dem Bund im Jahr 2014: Baden-Württemberg 15 Bayern 943 Berlin 392 Brandenburg 45 Bremen 580 Hamburg 12 Hessen 1.550 Mecklenburg-Vorpommern 59 Nordrhein-Westfalen 775 Rheinland-Pfalz 90 Saarland 0 Sachsen 0 Sachsen-Anhalt 41 Schleswig-Holstein 191 Thüringen 174 Bund (BKA und Zoll) 719 7. Wie viele Einsatzstunden leisteten Polizeieinheiten anderer Bundesländer in Niedersachsen im Wege der Amtshilfe (Gliederung nach Bundesländern)? Die Polizeien anderer Länder und des Bundes leisteten im Rahmen länderübergreifender Unterstützungsleistungen insgesamt 29 241,5 Einsatzstunden in Niedersachsen. Diese Einsatzstunden gliedern sich wie folgt: Land: Einsatzstunden von Polizeikräften anderer Länder und dem Bund in Niedersachsen im Jahr 2014: Baden-Württemberg 1.162,0 Bayern 87,5 Berlin 123,0 Brandenburg 0,0 Bremen 942,5 Hamburg 6.075,5 Hessen 1.174,0 Mecklenburg-Vorpommern 909,5 Nordrhein-Westfalen 6.409,0 Rheinland-Pfalz 1.473,0 Saarland 0,0 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 14 Sachsen 682,5 Sachsen-Anhalt 3.406,0 Schleswig-Holstein 4.504,0 Thüringen 822,0 Bund 1.471,9 Durch das LKA NI wurden in 2014 insgesamt 48 Anforderungen von Spezialkräften an andere Länder /den Bund gestellt. Die im Rahmen der Einsätze tatsächlich entstandenen Einsatzstunden wurden nicht erfasst und können retrograd nicht erhoben werden. Diese Anforderungen gliedern sich wie folgt: Land: Anzahl der Anforderungen des LKA NI i. R. d. Amtshilfe für Niedersachsen: Baden-Württemberg 0 Bayern 1 Berlin 4 Brandenburg 2 Bremen 8 Hamburg 10 Hessen 1 Mecklenburg-Vorpommern 1 Nordrhein-Westfalen 5 Rheinland-Pfalz 2 Saarland 0 Sachsen 5 Sachsen-Anhalt 3 Schleswig-Holstein 5 Thüringen 0 Bund 1 8. Wie viele Polizistinnen und Polizisten wurden im Jahr 2014 bei Einsätzen zu Fußballspielen und Demonstrationen verletzt? Im Rahmen der polizeilichen Bewältigung von Einsatzlagen im Zusammenhang mit Fußballspielen und versammlungsrechtlicher Aktionen wurden im Jahr 2014 insgesamt 70 Polizeibeamtinnen und -beamte verletzt. Davon konnten 16 Beamtinnen und Beamte aufgrund der erlittenen Verletzungen vorübergehend ihren Dienst nicht fortsetzen. 9. Leidet die Kriminalitätsbekämpfung und Aufklärung von Straftaten in Niedersachsen unter der gestiegenen Belastung durch andere Aufgaben? Nein. 10. Plant die Landesregierung, in den nächsten Jahren mehr Polizistinnen und Polizisten als bisher geplant einzustellen? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 15 Derzeit gibt es keine Pläne oder Überlegungen, den Personalkörper der Polizei Niedersachsen zu erhöhen oder zu reduzieren. Die derzeitige Personalstärke wird als angemessen betrachtet, den polizeilichen Aufgaben zukunftsorientiert, zielgerichtet und erfolgreich zu begegnen. 11. Was tut die Landesregierung, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Polizistinnen und Polizisten Niedersachsens zu steigern? Siehe Vorbemerkung. 12. Welche Regeln gelten für die Einsatzzeiten der Polizistinnen und Polizisten? Die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten ist wie für alle niedersächsischen Beamtinnen und Beamten unter Berücksichtigung der europäischen Schutzvorschriften der Richtlinie 2003/88/EG zur Arbeitszeit europarechtskonform in § 60 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) und in der Nds. Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten (Nds. ArbZVO) vom 6. Dezember 1996 in der Fassung vom 6. April 2009 sowie in der Vereinbarung über Grundsätze für die gleitende Arbeitszeit in der niedersächsischen Landesverwaltung (Gleitzeitvereinbarung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1999 geregelt. Ergänzend dazu gilt die im Rahmen des § 9 der Nds. ArbZVO erlassene Arbeitszeitregelung für den Polizeivollzugsdienst vom 25. Mai1992 in der Fassung vom 10. April 2007. Danach darf im Jahresdurchschnitt die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche nicht überschreiten. Nach den Arbeitszeitbeschränkungen des § 4 Nds. ArbZVO soll nicht länger als zehn Stunden täglich und darf nicht länger als zwölf Stunden gearbeitet werden. Im Durchschnitt eines Bezugszeitraums von vier Monaten darf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten. Spätestens nach sechs Stunden Arbeit ist grundsätzlich eine Pause von mindestens 30 Minuten zu gewähren. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. Innerhalb eines Siebentagzeitraumes ist eine Ruhezeit von 24 zusammenhängenden Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände es erfordern, kann diese Mindestzeit auf bis zu 24 Stunden verkürzt werden. Im Rahmen der bestehenden Abweichungsmöglichkeiten des § 9 ArbZVO können die Dienstvorgesetzten u. a. von den Regelungen zur täglichen Höchstarbeitszeit, dem Bezugszeitraum, zur Mindestdauer der Pause sowie zu Ruhezeiten Abweichungen zulassen, wenn gleichwertige Ausgleichsruhezeiten gewährt werden, oder in Ausnahmefällen, in denen gleichwertige Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht gewährt werden können, anderweitiger angemessenen Schutz gewährt wird (§ 9 Abs. 4 ArbZVO). Die Ausnahmen sind nur in den in Artikel 17 der EUArbeitszeitrichtlinie vorgegebenen engen Grenzen zulässig. Von diesen Abweichungsmöglichkeiten wird insbesondere bei geschlossenen Einsätzen oder anderweitigen besonderen Einsätzen Gebrauch gemacht. In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken , dass ungeachtet der unter Beachtung der EU-Arbeitsrichtlinie getroffenen Regelungen der ArbZVO der beabsichtigte Arbeits- und Gesundheitsschutz entsprechend Artikel 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit in den Fällen , in denen zwingende Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, wie etwa im Polizeibereich, entgegenstehen, vorübergehend zurücktritt. Ein den Umständen entsprechender größtmöglicher Gesundheitsschutz ist dabei zu gewährleisten. Insofern haben die Dienstvorgesetzten während der Einsätze auf die Einhaltung von Ruhephasen und insbesondere nach Beendigung der Einsätze auf die Gewährung ausreichender Ruhezeiten zu achten. Darüber hinaus entscheiden nach den Arbeitszeitregelungen die Polizeibehörden bzw. die Dienstvorgesetzten unter Beachtung der Nds. ArbZVO und der Arbeitszeitregelung für den Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit je nach Einsatzlage über die Einstufung des zu leistenden Bereitschaftsdienstes und über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach § 60 Abs. 3 NBG. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 16 13. Sieht die Landesregierung ein erhöhtes Unfallrisiko bei überlangen Einsätzen der Polizistinnen und Polizisten und wie sind diese bei Unfällen finanziell abgesichert? Laut Veröffentlichungen sowohl der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin als auch der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ist durch verschiedene Studien mittlerweile belegt, dass das Unfallrisiko der Beschäftigten bei langen Arbeitszeiten ansteigt. Ein solches Risiko kann grundsätzlich auch bei der Dienstverrichtung der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten nicht ausgeschlossen werden. Um ein solches Risiko zu minimieren, wird im Rahmen von Einsätzen eine Vielzahl geeigneter Maßnahmen ergriffen. Dabei kommen folgende Maßnahmen beispielsweise in Betracht: – Definition von Einsatzzeitfenstern im Rahmen der Vorbereitung im Vorfeld von Einsätzen. Das bedeutet, dass die Dauer des Arbeitstages genau errechnet wird, vom Dienstbeginn über Aufrüstzeit , gegebenenfalls Versorgung, Anfahrt, Einsatzdauer und Rückfahrt bis zur Abrüstzeit. – Kraftfahrerwechsel und Einhalten von angemessenen Pausen. – Übernachtungen vor der Rückreise bzw. auch nach der Anreise, die insbesondere bei auswärtigen Einsätzen frühzeitig vorsorglich mit eingeplant werden. Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte, die durch einen Dienstunfall (§ 31 BeamtVG ) verletzt werden, erhalten neben ihren Dienstbezügen oder ihrem Ruhegehalt Unfallfürsorgeleistungen nach Abschnitt V des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetz (NBeamtVG). Dies gilt auch für deren Hinterbliebene (§§ 44 bis 47 NBeamtVG). Die Entscheidung, ob ein Dienstunfall vorliegt, trifft die Personaldienststelle. Die Unfallfürsorge umfasst im Wesentlichen folgende Leistungen: – Einsatzversorgung und Schadensausgleich in besonderen Fällen (§§ 35 und 49 NBeamtVG) bei Dienstunfällen in Ausübung oder infolge des Dienstes bei einer besonderen Verwendung im Ausland. – Erstattung von Sachschäden und besonderen Aufwendungen (§ 36 NBeamtVG). – Erstattung von Aufwendungen für Heilverfahren (§§ 37 und 38 NBeamtVG). Das Heilverfahren umfasst die Erstattung von notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die ärztlichen Behandlungen, Krankenhausbehandlungen und Heilkuren sowie für Arznei- und Hilfsmittel. Außerdem werden die Aufwendungen für die notwendige Pflege erstattet. – Zahlung eines Unfallausgleichs (§ 39 NBeamtVG) bei einem schweren Dienstunfall, bei dem der Grad der Schädigungsfolgen für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten mindestens 25 % beträgt. – Unfallruhegehalt (§ 40 NBeamtVG) für Beamtinnen und Beamte, die infolge des Dienstunfalles dienstunfähig geworden und deshalb in den Ruhestand getreten sind. – Erhöhtes Unfallruhegehalt (§ 41 NBeamtVG), sogenannte qualifizierte Dienstunfallversorgung, für Beamtinnen und Beamte, die in Ausübung des Dienstes einer damit verbundenen Lebensgefahr aussetzt sind und infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleiden. – Einmalige Unfallentschädigung (§ 48 NBeamtVG) i. H. v. 150 000 Euro neben der laufenden Versorgung, sofern die Voraussetzungen für ein erhöhtes Unfallruhegehalt erfüllt sind und der unfallbedingte Grad der Schädigungsfolgen mindestens 50 % beträgt. 14. Wird die Landesregierung als Zeichen des Vertrauens in die niedersächsische Polizei auf ihre Pläne zur individualisierten, anonymisierten Kennzeichnung der Polizei bei geschlossenen Einsätzen verzichten? Das Thema „Kennzeichnungspflicht für die Polizei“ wird sowohl bundesweit als auch in der niedersächsischen Polizei kontrovers und intensiv diskutiert. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4170 17 Die Bundesländer Brandenburg, Berlin, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz haben hierzu Regelungen eingeführt. Diese sind unterschiedlich ausgestaltet und beinhalten (auch) die Pflicht zur individuellen Kennzeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei geschlossenen Einsätzen bzw. von geschlossenen Einheiten. In Schleswig-Holstein sind geschlossene Einheiten durch eine numerische, organisationsbezogene Zuordnung auf der Dienstkleidung der taktischen Einheiten ausreichend für eine Identifizierung gekennzeichnet. Die Bundesländer Bayern, MecklenburgVorpommern , Sachsen-Anhalt und das Saarland beabsichtigen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für geschlossene Einheiten nicht. Thüringen und Hamburg sehen laut dem jeweiligen Koalitionsvertrag die Einführung einer individualisierten, anonymisierten Kennzeichnungsflicht, ebenso wie Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, vor. Einem in Nordrhein-Westfalen erarbeiteten Umsetzungsvorschlag stimmte die zuständige Personalvertretung nicht zu. In BadenWürttemberg wird ein Umsetzungsvorschlag erarbeitet. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat im Sächsischen Landtag den Entwurf eines Gesetzes über die Ausweis- und Kennzeichnungspflicht der Bediensteten der Polizei eingebracht; dem Koalitionsvertrag 2014 bis 2019 zwischen der CDU und der SPD ist zum Thema „Innere Sicherheit und Polizei “ ein Hinweis zur beabsichtigten Einführung nicht zu entnehmen. Laut der zwischen den Landesverbänden von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD geschlossenen Koalitionsvereinbarung für die 17. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages wird für Niedersachsen die Einführung einer „individualisierten, anonymisierten Kennzeichnung der Polizei bei geschlossenen Einsätzen angestrebt“. Die Ergebnisse der von der Niedersächsischen Landesregierung geführten Gespräche mit Beteiligten und Interessenvertretungen werden eine wichtige Grundlage für eine sorgsam abzuwägende Entscheidung darstellen. (Ausgegeben am 04.09.2015) Drucksache 17/4170 Große Anfrage mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3457 - Wie groß ist die Arbeitsüberlastung der Polizei? Große Anfrage der Fraktion der CDU an die Landesregierungvom 05.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.05.2015