Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4222 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3966 - Begünstigt die Landesregierung im Rahmen der EU-Förderung Lohndumping? Anfrage der Abgeordneten Gerda Hövel (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 20.07.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 28.07.2015 Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung vom 03.09.2015, gezeichnet Dr. Jörg Mielke Chef der Staatskanzlei Vorbemerkung der Abgeordneten Mit Erlass vom 15.06.2015 (403-46105/5103/0003 sowie -0004) regelt die Staatskanzlei die Finanzierung der Lohnkosten in mit europäischen Mitteln geförderten Projekten des Landes Niedersachsen neu. Durch die neue Regelung wird nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in den Förderprojekten eine Bezahlung unter Tarifniveau belohnt und eine tarifliche Bezahlung erschwert. Der DGB geht sogar noch weiter, indem er in einem Positionspaper vom 13.07.2015 resümiert: „Die Landesregierung fördert durch diese Regelung Tarifflucht und Lohndumping .“ Der Erlass ist bereits im Ministerialblatt veröffentlicht und damit in Kraft. Im zuständigen Begleitausschuss wurde der Erlass offenbar erst am 09.07.2015 vorgestellt. Eine Beteiligung von Verbänden und Organisationen hat offensichtlich nicht stattgefunden. Vorbemerkung der Landesregierung Mit Erlassen vom 15.06.2015 (403-46105/5103/0003 sowie -0004, Nds. MBl. Nr. 23/2015, S. 667 ff., vom 24.06.2015) hat die Staatskanzlei für Projekte, die in der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 mit Mitteln der Europäischen Strukturfonds EFRE und ESF gefördert werden, die Abrechnung von Personalausgaben durch Standardeinheitskostensätze neu geregelt. Der Begleitausschuss wurde hiervon in der Sitzung am 17.06.2015 informiert. Der den ESF betreffende Erlass vom 15.06.2015 wurde zwischenzeitlich wieder aufgehoben (Nds. MBl. Nr. 30/2015, S. 1002, vom 12.08.2015). 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden von der Landesregierung Standardeinheitskostensätze für Personal in den Strukturfonds festgelegt? Die Standardeinheitskostensätze zur Abrechnung von Personalausgaben für beim Zuwendungsempfänger und dessen Kooperationspartner beschäftigtes Personal wurden auf Grundlage von Artikel 67 Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Abs. 5 Buchst. a Ziff. i der VO (EU) Nr. 1303/2013 vom 17.12.2013 sowie der VV Nr. 2.3 zu § 44 LHO ermittelt und festgelegt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4222 2 2. Sind gegebenenfalls Ausnahmen oder Alternativen möglich? Wenn ja, warum wurden sie nicht angewandt? Eine Alternative zur Anwendung von Standardeinheitskostensätzen bildet die sogenannte Spitzabrechnung . Die Europäische Kommission hat die Anforderungen an die Berichtspflicht gegenüber der vorangegangenen Förderperiode erhöht. Daraus resultieren für die Antragsteller höhere bürokratische Hürden bei der Abrechnung der Projektkosten, um Abrechnungsfehler zu verhindern. Das Interesse der Landesregierung besteht darin, den Verwaltungsaufwand bei den Fördermittelempfängern möglichst gering zu halten. Deshalb wurde zunächst auch im ESF-Bereich die Anwendung von Standardeinheitskostensätzen favorisiert. 3. In welcher Höhe hat die Landesregierung auf der Grundlage des TV-L Standardeinheitskostensätze zur Abrechnung von Personalkosten im EFRE festgelegt (bitte nach den Tarifgruppen E 2 bis E 15 aufschlüsseln)? Mit Erlass der Staatskanzlei vom 15.06.2015 (403-46105/5103/0003, MBl. Nr. 23/2015, S. 677 ff, vom 24.06.2015) gelten die nachfolgenden Standardeinheitskostensätze ab dem 15.06.2015. Die Festlegung der Standardeinheitskostensätze erfolgte nicht auf Grundlage des TV-L, sondern auf Basis der Durchschnittssätze für die Haushaltsaufstellung aus dem RdErl. des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 13.02.2014 (Nds. MBl. Nr. 8/2014, S. 172, vom 26.02.2014) und vom 08.06.2015 (Nds. MBl. Nr. 26/2015, S. 829, vom 08.07.2015). Tarifgruppe Tarifgruppe-Text Standardeinheits kostensatz (Euro) E2 Beschäftigte/r TV-L E2 20,81 E3 Beschäftigte/r TV-L E3 21,96 E4 Beschäftigte/r TV-L E4 23,40 E5 Beschäftigte/r TV-L E5 24,61 E6 Beschäftigte/r TV-L E6 26,51 E7 Beschäftigte/r TV-L E7 26,97 E8 Beschäftigte/r TV-L E8 28,34 E9 Beschäftigte/r TV-L E9 31,10 E10 Beschäftigte/r TV-L E10 35,37 E11 Beschäftigte/r TV-L E11 38,17 E12 Beschäftigte/r TV-L E12 42,50 E13 Beschäftigte/r TV-L E13 35,74 E13Ü Beschäftigte/r TV-L E13Ü 46,23 E14 Beschäftigte/r TV-L E14 44,26 E15 Beschäftigte/r TV-L E15 49,51 E15Ü Beschäftigte/r TV-L E15Ü 59,10 4. In welcher Höhe hat die Landesregierung auf der Grundlage des TV-L Standardeinheitskostensätze zur Abrechnung von Personalkosten im ESF festgelegt (bitte nach den Tarifgruppen E 2 bis E 15 aufschlüsseln)? Der den ESF betreffende Erlass vom 15.06.2015 wurde aufgehoben (Nds. MBl. Nr. 30/2015, S. 1002, vom 12.08.2015). Der aufgehobene Erlass vom 15.06.2015 sah folgende Standardeinheitskostensätze vor: Tarifgruppe Tarifgruppe-Text Standardeinheits kostensatz (Euro) E2 Beschäftigte/r TV-L E2 17,34 E3 Beschäftigte/r TV-L E3 18,30 E4 Beschäftigte/r TV-L E4 19,50 E5 Beschäftigte/r TV-L E5 20,51 E6 Beschäftigte/r TV-L E6 22,09 E7 Beschäftigte/r TV-L E7 22,47 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4222 3 Tarifgruppe Tarifgruppe-Text Standardeinheits kostensatz (Euro) E8 Beschäftigte/r TV-L E8 23,62 E9 Beschäftigte/r TV-L E9 25,92 E10 Beschäftigte/r TV-L E10 29,47 E11 Beschäftigte/r TV-L E11 31,81 E12 Beschäftigte/r TV-L E12 35,42 E13 Beschäftigte/r TV-L E13 29,78 E14 Beschäftigte/r TV-L E14 36,88 E15 Beschäftigte/r TV-L E15 41,26 Die im aufgehobenen Erlass für den ESF-Bereich geregelten Standardeinheitskostensätze basieren nicht auf Grundlage des TV-L, sondern mangels geeigneter statistischer Daten entsprechend Artikel 67 Abs. 1 Buchst. b) i. V. m. Abs. 5 Buchst. a der VO (EU) 1303/2013 auf den Ist-Daten der verwendungsnachweisgeprüften Vorhaben aller ESF-Maßnahmen der Jahre 2012 und 2013. 5. Wurden bei dieser abschließenden Berechnung der Einheitssätze tarifrechtliche Lohnentwicklungen der Jahre 2014 und 2015 berücksichtigt? Ja. 6. Trifft es zu, dass die Standardeinheitssätze im ESF in der Regel maximal die Personalkosten nach TV-L in der Stufe 2/3 abdecken, während die analogen Sätze im EFRE Personalkosten bis zu den Stufen 4/5 finanzieren? Wenn ja, warum wird diese Unterscheidung vorgenommen? Wenn nein, welche Analogien entsprechen der Berechnungsgrundlage (bitte jeweils nach Fonds und Tarifgruppe aufgeteilt darstellen)? Für den EFRE können sich die Standardeinheitskostensätze ihrer Höhe nach abhängig von der Struktur der Landesbediensteten bis in die Tarifgruppen der Entgeltstufen 4 bzw. 5 bewegen. Der den ESF betreffende Erlass sah mangels geeigneter statistischer Daten vor, bei der Berechnung der Standardeinheitskostensätze auf die Ist-Daten der verwendungsnachweisgeprüften Vorhaben aller ESF-Maßnahmen der Jahre 2012 und 2013 zurückzugreifen, wodurch der in der Fragestellung aufgezeigte Effekt zu erklären ist. 7. Wie erklärt die Landesregierung das Zustandekommen unterschiedlicher Einheitssätze innerhalb dergleichen Tarifgruppe im ESF und EFRE? Den Erlassen vom 15.06.2015 (403-46105/5103/0003 sowie -0004, Nds. MBl. Nr. 23/2015, S. 667 ff, vom 24.06.2015) lagen auf die jeweiligen Fonds abgestimmte und somit unterschiedliche Basisdaten zugrunde, um die europäischen Vorschriften für die Ermittlung der Standardeinheitskosten zu erfüllen. 8. Wurde in der rückschauenden Berechnung aus den Jahren 2012/2013 berücksichtigt, dass der zukünftige durchschnittliche Stundensatz im Jahr in Höhe von 1.720 Stunden nur die „produktive Arbeitsleistung“ - also die Arbeitsleistung unter Abzug von Urlaubs - und Feiertagen - umfasst? Wenn ja, in welcher Höhe (in Prozent) wurde der durchschnittliche Stundensatz erhöht? Wenn nein, warum nicht? Ausgangspunkt für die Berechnung der Standardeinheitskosten im EFRE ist das Jahresarbeitgeberbruttogehalt . Die von der EU-Kommission ermittelte Jahresstundenzahl von 1 720 Produktivstunden gemäß Artikel 68 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1303/2013 berücksichtigt bereits Urlaubs- und Krankheitstage. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4222 4 9. Ist es zutreffend, dass bei der Herleitung der Standardeinheitssätze auch Personalkosten von Projektträgern berücksichtigt wurden, die tarifungebunden sind und Löhne unterhalb des TV-L gezahlt und abgerechnet haben? Wenn ja, wie begründet die Landesregierung diese Vorgehensweise, und hält sie sie unter dem Stichwort der „Guten Arbeit “ mit ihrer eigenen Politik für vereinbar? Die Landesregierung hat in der neuen Förderperiode erstmalig das Thema „Gute Arbeit“ zur Querschnittsaufgabe erklärt und regelmäßig entsprechende Kriterien zum Inhalt der Förderrichtlinien und der Projektauswahlkriterien gemacht. Die Standardeinheitskosten im EFRE lassen sich für Zuwendungsempfänger mit Bindung an einen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TV-L/TVöD) bzw. mit Dienstherrenfähigkeit aus den Durchschnittssätzen für die Haushaltsaufstellung aus dem RdErl. des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 13.02.2014 (Nds. MBl. Nr. 8/2014, S. 172, vom 26.02.2014) und vom 08.06.2015 (Nds. MBl. Nr. 26/2015, S. 829, vom 08.07.2015) und für alle übrigen Zuwendungsempfänger aus der Bundesstatistik „Verdienste und Arbeitskosten“ des Statistischen Bundesamtes herleiten. 10. In welchem Umfang wurden bisher niedrigere Personalkosten abgerechnet, als es nach dem TV-L vorgesehen ist (in Euro sowie in Prozent zum Gesamtbudget der Fonds in den Jahren 2012/2013, bitte nach Fonds getrennt darstellen)? Die für die Beantwortung der Frage erforderlichen Daten wurden in der vergangenen Förderperiode nicht erhoben. 11. Warum verzichtet die Landesregierung in ihrem Erlass auf eine gegebenenfalls jährliche Anpassung der errechneten Standardeinheitssätze in der Förderperiode 2014 bis 2020? Die Annahme der Fragesteller ist unzutreffend. Regelmäßige Anpassungen sind bereits im Erlass verankert. 12. Geht die Landesregierung davon aus, dass eine Tariferhöhung in diesem Zeitraum nicht erfolgen wird? Wenn ja, warum? Nein. (Ausgegeben am 15.09.2015) Drucksache 17/4222 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3966 Begünstigt die Landesregierung im Rahmen der EU-Förderung Lohndumping? Anfrage der Abgeordneten Gerda Hövel (CDU) Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei