Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4300 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3947 - Was tut die Landesregierung gegen den drohenden Arbeitsplatzverlust bei Benecke-Kaliko? Anfrage der Abgeordneten Rainer Fredermann und Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 10.07.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 23.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 18.09.2015, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten In der aktuellen Runde des REACH-Verfahrens wird eine Einordnung des Stoffes Azodikarbonsäureamid (ADCA) als Substance of very high Concern (SVHC) geprüft. Für das in Hannover ansässige Unternehmen Benecke-Kaliko stellt ADCA nach eigener Aussage einen unverzichtbaren Bestandteil der Rohstoffpalette dar. Sollte die Europäische Kommission daher im Zulassungsverfahren zu einer nachteiligen Entscheidung zum Stoff ADCA kommen, sieht das Unternehmen rund 1 000 hochwertige Arbeitsplätze in der Region akut gefährdet. Vorbemerkung der Landesregierung Der Stoff Azodikarbonsäureamid (ADCA) wurde auf Initiative Österreichs im Dezember 2012 gemäß der europäischen REACH-Verordnung (EG) 1907/2006 auf die Kandidatenliste besorgniserregender Stoffe (SVHC: substances of very high concern) durch die ECHA gesetzt. Anlass des Antrags waren mögliche Gesundheitsgefährdungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem Stoff ADCA in Berührung kommen. Es ist das Prinzip von REACH, dass auch gefährliche Stoffe, die derzeit nicht durch weniger gefährliche Stoffe substituiert werden können, aber für den jeweiligen Produktionsprozess unentbehrlich sind, eingesetzt werden können, wenn zuvor der sichere Umgang mit diesen Stoffen nachgewiesen ist. Dazu dient das REACH-Zulassungsverfahren. Sollte der Stoff in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen werden, bedeutet dies kein generelles Verbot, sondern dass Hersteller und verarbeitende Betriebe unter Umständen eine Zulassung bei der Europäischen Kommission beantragen müssen. Die Kommission bewertet im Einzelfall, ob das Risiko geringer als der Nutzen ist. Ein Verbot des Stoffes käme nur dann infrage, wenn ganz gravierende und nicht beherrschbare Risiken vorlägen. 1. Hat sich die Landesregierung mit dem vom Unternehmen Benecke-Kaliko beschriebenen Problem befasst, gegebenenfalls wann und in welcher Form? Ja. Mit Schreiben vom 18. September 2014 hat sich die Benecke-Kaliko AG an Herrn Ministerpräsident Weil, den Chef der Staatskanzlei, Herrn Dr. Mielke, und Frau Staatssekretärin Honé gewandt . Am 1. Oktober 2014 fand ein telefonischer Gedankenaustausch zwischen Herrn Ministerpräsident Weil und dem Vorstandsvorsitzenden der Benecke-Kaliko AG, Herrn Dr. Leiß, statt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Internationalen Handel im Europäischen Parlament, Herr Bernd Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4300 2 Lange, MdEP, ist mit Schreiben der Staatskanzlei (StK) vom 6. Oktober 2014 gebeten worden, mit Herrn Dr. Leiß in genannter Angelegenheit Kontakt aufzunehmen. Mit gleichlautenden Schreiben vom 18. September 2014 hat sich die Benecke-Kaliko AG ebenfalls an das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW), das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) und das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) gewandt. Nach Abstimmung auf Fachebene der beteiligten Häuser hat MU (Ref. 37) einen mit MW abgestimmten Antwortentwurf erstellt. Der Antwortentwurf wurde der StK vom Ministerbüro des MU am 6. Oktober 2014 zugeleitet. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 hat sich Herr MdL Dr. Matthiesen in derselben Angelegenheit unter Beifügung eines gleichlautenden Schreibens der Benecke-Kaliko AG vom 18. September 2014 an das MU gewandt. Herrn MdL Dr. Matthiesen wurde im November 2014 ein zwischen MU und MW abgestimmtes Schreiben übersandt. In dem Schreiben wurde Herr MdL Dr. Matthiesen über die bereits erfolgte Kommunikation zwischen Herrn Ministerpräsident Weil, Herrn Dr. Leiß und Herrn MdEP Lange informiert. 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung gegebenenfalls ergriffen, um sich für den Erhalt der ca. 1 000 Arbeitsplätze stark zu machen, und welche Maßnahmen wird sie gegebenenfalls noch ergreifen? Die Landesregierung wird sich für eine weitere Verwendung von ADCA im Produktionsprozess des Unternehmens Benecke-Kaliko einsetzen. Sollte sich eine Entscheidung ergeben, dass ADCA zulassungspflichtig wird, wird die Landesregierung zusammen mit der niedersächsischen Gewerbeaufsicht - wenn gewünscht - die Benecke-Kaliko AG bei der Erstellung des Zulassungsantrags im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. 3. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag zur Einführung eines europäisch einheitlichen Arbeitsplatzgrenzwerts für Stoffe, die ausschließlich in der industriellen Produktion genutzt werden? Europäische Arbeitsplatzgrenzwerte sind in den EU-Richtlinien 2000/39/EG, 2006/15/EG und 2009/161/EU veröffentlicht. Sie stellen eine Umsetzung des Artikels 3 der EU-Richtlinie 98/24/EG dar. Diese Werte sind sogenannte Arbeitsplatz-Richtgrenzwerte und entfalten keine unmittelbare Rechtsbindung. Vielmehr müssen sie durch entsprechende Rechtsakte in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei müssen die EU-Grenzwerte bei der Beurteilung zur Festsetzung eines nationalen Wertes berücksichtigt werden, der Wert muss jedoch nicht notwendigerweise in der identischen Höhe übernommen werden. Die in den genannten Richtlinien bisher veröffentlichen Richtgrenzwerte betreffen in der Regel Stoffe mit weiter Verbreitung. Insofern verfolgt die EU-Kommission hier offensichtlich einen Ansatz, vor allem Stoffe zu reglementieren, bei denen von einer hohen Anzahl von exponierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auszugehen ist. Die generelle Aufnahme von Stoffen, die „ausschließlich in der industriellen Produktion genutzt werden“, würde also diesem seit 1998 verfolgten Relevanzansatz nicht entsprechen, da in vielen Fällen vergleichsweise nur eine kleine Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betroffen sein dürfte. Von daher sieht die Landesregierung kaum Möglichkeiten, auf Fachebene über die zuständigen Bundesbehörden einen solchen Vorstoß zu begründen. Sogenannte „Verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte“ auf EU-Ebene sind in den Richtlinien 98/24/EG, 2004/37/EG und 2009/148/EG festgelegt. Diese Werte müssen als Mindeststandard in nationales Recht übernommen werden, dürfen also nicht höher ausfallen. Strengere Grenzwerte auf nationaler Ebene sind erlaubt. Insgesamt wurden als verbindliche Grenzwerte auf dieser Basis bisher nur fünf Stoffe geregelt. (Blei, Benzol, Hartholzstäube, Vinylchlorid, Asbest). Dies sind ausnahmslos weit verbreitete Gefahrstoffe mit einer hohen Exponiertenanzahl und potenziell hoher Gefährdung. Eine Aufnahme von Stoffen, die lediglich das Kriterium „ausschließlich in der industriellen Produktion genutzt“ erfüllen, wäre hier fachlich noch weniger begründbar. Die Landesregierung ist darüber hinaus nicht der Auffassung, dass die Festsetzung eines EU-Arbeitsplatz -Richtgrenzwerts im vorliegenden oder in vergleichbaren Fällen eine geeignete Maßnah- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4300 3 me wäre, das infrage stehende REACH-Zulassungsverfahren für „ADCA“ und die Einstufung als „Substance of very high concern - SVHC“ im Sinne einer Nichtaufnahme positiv zu beeinflussen. Die Kriterien, die im Rahmen des Vollzugs der REACH-VO zu einer Entscheidung über Einzelstoffe führen, verlaufen davon völlig unabhängig und sind vom Kriterium, ob ein EU- oder nationaler Luftgrenzwert am Arbeitsplatz existiert und dieser nach dem Stand der Technik von den Verwendern eingehalten werden kann, nicht abhängig. (Ausgegeben am 25.09.2015) Drucksache 17/4300 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3947 Was tut die Landesregierung gegen den drohenden Arbeitsplatzverlust bei Benecke-Kaliko? Anfrage der Abgeordneten Rainer Fredermann und Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr