Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4383 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4209 - Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass der Landesbeitrag für die Errichtung einer Pflegekammer „null“ bleibt? Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah, Burkhard Jasper, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Gudrun Pieper, Annette Schwarz und Reinhold Hilbers (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 05.10.2015, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Die Landesregierung geht davon aus, dass die geplante Pflegekammer ihren anfänglichen Finanzbedarf ausschließlich durch externe Darlehen decken kann (s. Begründung A. IV. des Gesetzentwurfs ) und strebt eine solche Lösung ohne Beteiligung des Landes auch an (s. Antwort vom 08.12.2014 auf die Kleine schriftliche Anfrage „Landesbeitrag Null? Welche Kosten entstehen künftig im Landeshaushalt durch die Errichtung einer Pflegekammer?“, Drucksache 17/2562). In der Begründung A. IV. des Gesetzentwurfs heißt es weiter, die Pflegekammer benötige ein jährliches Haushaltsvolumen von rund 4,8 Millionen Euro, das im ersten Jahr komplett und in den Folgejahren - bei steigenden Beitragseinnahmen der Pflegekammer - anteilig vorzufinanzieren sei. Die Pflegekammer könne diese Mittel erst zurückzahlen, wenn ausreichende Beitragseinnahmen fließen. Im Fall erfolgreicher Klagen gegen die Pflegekammer wäre deren Rückabwicklung unvermeidlich . Eine Rückzahlung der Anschubfinanzierung wäre dann nicht möglich. Das Land treffe somit ein Ausfallrisiko. Jedoch habe der mit Inkrafttreten des Gesetzes einzurichtende Errichtungsausschuss als Vorläufergremium der Kammerversammlung deren Rechtsstatus, d. h. er könne bereits Kreditverträge für die Pflegekammer abschließen (wie beispielsweise in Rheinland-Pfalz geschehen). Voraussetzung hierfür seien eine entsprechende Willensbildung des Errichtungsausschusses einerseits und insbesondere die zeit- und bedarfsgerechte Vereinbarung von Darlehensverträgen zwischen dem Errichtungsausschuss und externen Darlehensgebern andererseits. Ob die Vorfinanzierung der Pflegekammer ausschließlich durch externe Kredite erfolgen werde, könne jedoch derzeit nicht sicher prognostiziert werden. In ihrer Antwort auf die o. a. Kleine schriftliche Anfrage teilt die Landesregierung mit, dass sie für die Jahre 2016 bis 2018 insgesamt 11 050 000 Euro als Anschubfinanzierung für die Errichtung einer Pflegekammer konkret vorgesehen habe. Vorbemerkung der Landesregierung Grundsätzlich wird sich die Pflegekammer Niedersachsen aus den Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren , sodass langfristig für den Betrieb der Pflegekammer keine Kosten für das Land entstehen werden. Kurzfristig werden dem Land jedoch Kosten durch die erforderliche Anschubfinanzierung entstehen. Zu diesem Zweck stehen für das Jahr 2015 im Kapitel 05 36 Titel 863 71-7 („Anschubfinanzierung zur Einrichtung einer Pflegekammer“) 50 000 Euro zur Verfügung. Auch für das Haushaltsjahr 2016 wird ein Betrag in Höhe von 50 000 Euro veranschlagt. Weitere Finanzmittel sind für Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4383 2 den Haushaltsplanentwurf 2016 und die langfristigen Mittelplanung 2015 bis 2019 nicht vorgesehen . 1. Gibt es außer dem jeweiligen Haushaltsgesetz eine Rechtsgrundlage, aus der sich eine Verpflichtung des Landes begründen ließe, eine Anschubfinanzierung zur Errichtung einer Pflegekammer als Selbstverwaltungsorgan der Pflegefachkräfte zu leisten? Nein. 2. Falls nicht, weshalb zieht die Sozialministerin, die bei öffentlichen Auftritten ein Versagen der Selbstverwaltung beklagt und Eingriffsmöglichkeiten für das Land fordert 1 , eine Anschubfinanzierung aus Landesmitteln für ein Selbstverwaltungsorgan der Pflegefachkräfte in Betracht, obwohl a) sie in ihrer Antwort auf Frage 11 der o. a. schriftlichen Anfrage darauf verweist, dass die Ausstattung mit den notwendigen Finanzmitteln der Selbstverwaltung obliege, Die Anschubfinanzierung wird für die Arbeit der Gründungskonferenz Pflegekammer benötigt, die die Arbeit des Errichtungsausschusses vorbereitet. Die Gründungskonferenz folgt in ihrer Zusammensetzung und Arbeitsweise zwar bereits dem Gedanken der Selbstverwaltung; sie ist jedoch nicht gesetzlich verankert und hat als informeller Arbeitskreis keinen eigenen Rechtsstatus im Sinne eines Selbstverwaltungsorgans. Ihre Tätigkeit kann somit nicht aus den Beitragseinnahmen der Pflegekammer finanziert werden. Der Errichtungsausschuss wird auf der Grundlage des Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen eingerichtet. Er hat als Vorläufergremium der Kammerversammlung deren Rechtsstatus. Seine Arbeit ist deshalb ebenso wie die der Pflegekammer aus Beitragseinnahmen zu finanzieren. b) sie selbst auf das Ausfallrisiko hinweist, das im Falle erfolgreicher Klagen gegen die Errichtung einer Pflegekammer durch deren Rückabwicklung drohe und Die Pflegekammer Niedersachsen ist nach § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht insolvenzfähig. Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung könnten die Beschäftigten der Pflegekammer deshalb vom Land Niedersachsen den Betrag fordern, der ihnen im Falle einer Insolvenz von der Bundesagentur für Arbeit bzw. vom Träger der Insolvenzsicherung gezahlt worden wäre. Dieses Ausfallrisiko besteht bei jeder Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. c) über die vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Klagen gegen die Zwangsmitgliedschaften in Industrie- und Handelskammern (1BvR 222/12, 1 BvR 1106/13) noch nicht entschieden ist? Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht tatsächlich seine Rechtsprechung im Hinblick auf die Mitgliedschaften in Industrie- und Handelskammern aufgäbe, würde die Landesregierung etwaige Auswirkungen auf die Berufskammern - und damit auch auf die Pflegekammer - unverzüglich prüfen. 3. Da Voraussetzung für eine Anschubfinanzierung über ein externes Darlehen eine entsprechende Willensbildung des Errichtungsausschusses einerseits und insbesondere die zeit- und bedarfsgerechte Vereinbarung von Darlehensverträgen zwischen dem Errichtungsausschuss und externen Darlehensgebern andererseits ist: Wie wird sich die Landesregierung verhalten, wenn der Errichtungsausschuss keine Initiative ergreift und sich nicht um ein externes Bankdarlehen bemüht? 1 Siehe hierzu z. B. Pressemitteilungen des Sozialministeriums vom 18.02.2015 zur Plenarrede „Pflege von Menschen braucht Sorgfalt - Gute Arbeit auch in der Pflege“ und vom 11.06.2015 zum Expertenhearing „Gute Pflege, gute Jobs statt Pflegenotstand“. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4383 3 Die Mehrheit der Pflegefachkräfte hat sich für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen. Sie haben Interesse daran, dass die Pflegekammer möglichst zeitnah ihre Arbeit aufnehmen kann. Für die Mitarbeit in der Gründungskonferenz Pflegekammer hat sich eine Vielzahl von Interessentinnen und Interessenten gemeldet. Die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Gründungskonferenz haben ihre Arbeit mit großer Motivation aufgenommen. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) wird die Mitglieder des Errichtungsausschusses unter Berücksichtigung von Vorschlägen der in Niedersachsen bestehenden Berufs - und Fachverbände der Pflegeberufe berufen. Dabei wird das MS darauf achten, kompetente und engagierte Personen für eine Mitarbeit zu gewinnen. Es besteht deshalb derzeit kein Anlass zu der Befürchtung, dass der Errichtungsausschuss nicht initiativ werden und sich nicht um externe Darlehen bemühen könnte. 4. Weshalb enthält der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen unter Artikel 1 „Siebenter Teil, Herstellung der Handlungsfähigkeit der Kammer“ keine spezifischen Regelungen zur Herstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kammer? Gemäß § 34 Abs. 3 des Gesetzentwurfs über die Pflegekammer Niedersachsen ist es neben der Durchführung der Wahlen zur Kammerversammlung und dem Beschluss der erforderlichen Satzungen Aufgabe des Errichtungsausschusses, die Grundlagen für die Tätigkeit der Kammer zu schaffen. Dies schließt die Herstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit, beispielsweise durch den Abschluss von Kreditverträgen, ein. 5. Wird nach Einschätzung der Landesregierung der dem Errichtungsausschuss nach Artikel 1 § 34 Abs. 3 des Gesetzentwurfs zur Verfügung stehende Zeitraum von zwölf Monaten ausreichend sein, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kammer herzustellen , da die Sozialministerin diesen Zeitraum in ihrer Pressemitteilung vom 28.07.2015 zur konstituierenden Sitzung der Gründungskonferenz bereits als zu knapp erachtete, um alle erforderlichen Satzungen zu verabschieden, eine arbeitsfähige Infrastruktur zu schaffen und die Wahlen zur Kammerversammlung durchzuführen? 6. Falls der Zeitraum für nicht ausreichend erachtet wird, gehört es dann zu den Aufgaben der Gründungskonferenz, bereits jetzt in Gespräche mit möglichen externen Kreditgebern einzutreten? Die Fragen 5 und 6 werden zusammen beantwortet. Die Gründungskonferenz Pflegekammer bereitet die Arbeit des Errichtungsausschusses administrativ vor. Hierzu gehören auch Gespräche mit möglichen Darlehensgebern, damit dem Errichtungsausschuss und der Pflegekammer von Anfang an die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Die Erfahrungen in Rheinland-Pfalz geben keinen Anlass zu Bedenken, dass die Bereitstellung ausreichender Finanzmittel in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar sein könnte. (Ausgegeben am 09.10.2015) Drucksache 17/4383 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4209 Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass der Landesbeitrag für die Errichtung einer Pflegekammer „null“ bleibt? Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah, Burkhard Jasper, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Gudrun Pieper, Annette Schwarz und Reinhold Hilbers (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung