Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/4384 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4114 - Was hält die Landesregierung von der Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen und vom seismischen Messsystem? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 18.08.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 27.08.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 02.10.2015, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Der Newsletter des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V., Ausgabe August 2015, berichtet sowohl über die Arbeit der Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen als auch über das seismische Messsystem in den niedersächsischen Erdgasfördergebieten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Rohstoffgewinnung und andere Formen der Nutzung des Untergrundes können in Ausnahmefällen seismische Ereignisse mit geringer Magnitude induzieren. Beispielweise kann das Zusammenbrechen von bergmännisch aufgefahrenen Hohlräumen im Untergrund, die Auflast des in Talsperren gespeicherten Wassers oder die Entnahme großer Mengen an Rohstoffen aus dem Untergrund derartige Ereignisse auslösen. In Niedersachsen ereigneten sich in den letzten Jahrzehnten in unregelmäßigen Abständen immer wieder kleinere Erdbeben in der Nähe von Erdgasfeldern. Diese seismischen Ereignisse werden zum Teil von der Bevölkerung verspürt. Aufgrund der räumlichen Nähe zu den bekannten Erdgasfeldern wird ein ursächlicher Zusammenhang dieser Erdbeben mit der Erdgasförderung vom Niedersächsischen Erdbebendienst (NED) in enger Kooperation mit dem Seismologischen Zentralobservatorium der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) als „wahrscheinlich“ oder sogar „sehr wahrscheinlich“ (Erdgasfeld Völkersen, Erdgasfeld Klosterseelte/Kirchseelte/Ortholz , Erdgasfeld Goldenstedt/Visbek) eingestuft. Sobald es infolge dieser Ereignisse zu geringfügigen Schäden am Privateigentum kommt (Gebäude ), räumen die gesetzlichen Regelungen den Geschädigten zwar einen Anspruch auf zivilrechtlichen Ersatz solcher Schäden ein, jedoch setzt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen den ursächlichen Nachweis durch den Betroffenen voraus. In der Praxis kann sich dieser Nachweis schwierig gestalten, da zum einen sehr komplexe unterirdische Vorgänge zu einem Bergschaden führen können und zum anderen detaillierte Informationen des Bergbauunternehmers zumeist fehlen, die jedoch unverzichtbar bei der Ermittlung der Schadensursache sind. Hinzu kommen teils hohe Kosten, die durch die Hinzuziehung von geeignetem Sach- und Fachverstand vom Geschädigten zu tragen sind. Streitigkeiten über die Schadensursache und den Umfang der Ersatzpflicht der Bergbauunternehmen sind damit vorprogrammiert. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Landesregierung im Rahmen der geplanten Änderung des Bundesberggesetzes dafür ein, dass die Bergschadensvermutung im gesamten Bohrlochbergbau Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4384 2 zur Anwendung kommt. Damit verbunden ist vor allem die Umkehr der Beweislast, die die Rechtsposition der Betroffenen erheblich verbessert. Darüber hinaus hat die Landesregierung die Schaffung einer Schlichtungsstelle für Bergschäden initiiert, die nunmehr seit dem 01.08.2014 beim Landkreis Rotenburg eingerichtet ist. Die Schlichtungsstelle ist Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger, wenn ein Schaden mutmaßlich auf bergbauliche Tätigkeiten zurückzuführen ist und ein vorangegangener Einigungsversuch zwischen dem Geschädigten und dem Bergbauunternehmen aus Sicht des Geschädigten nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis geführt hat. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit der Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen in Rotenburg (Wümme)? Zweck der Schlichtungsstelle ist es, potenziell von Bergschäden betroffenen Bürgerinnen und Bürgern eine Informations- und Schlichtungsstelle zu bieten, die bei Schäden am Privateigentum koordinierend unterstützt sowie im Streitfall unter Mitwirkung eines neutralen Schlichters in einem einfachen , transparenten und kostenfreien Verfahren möglichst eine Beilegung der Streitigkeit erreicht. Die bisher abgeschlossenen Schlichtungsverfahren belegen, dass die Schlichtungsstelle ihren Zweck vollständig erfüllt und damit auch zur Versachlichung des Dialogs zwischen den Unternehmen und den Geschädigten beiträgt. Mit der Einführung der freiwilligen Schlichtungsverfahren für Bergschäden in Niedersachsen wurde die Position der Geschädigten erheblich und wirkungsvoll gestärkt, um so langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. 2. Wie viele Fälle wurden seit der „Indienststellung“ der Schlichtungsstelle bearbeitet? Insgesamt elf Schlichtungsanträge sind seit der Eröffnung der Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen am 01.08.2014 beim Landkreis Rotenburg (Wümme) eingegangen. Acht Schlichtungsverfahren sind abgeschlossen. 3. In welcher Höhe (Gesamtsumme und Durschnitt) sind Schäden an baulichen Anlagen durch die Förderung von Erdgas durch die Schlichtungsstelle außergerichtlich geklärt worden? Die Gesamtsumme der monetär ausgeglichen Schäden aus den acht Schlichtungsverfahren beträgt 41 250 Euro. Damit ergibt sich ein durchschnittlicher Zahlungsbetrag von 5 56,25 Euro je Schadensfall. 4. Seit wie vielen Jahren wird die Erdgasförderung in Niedersachsen seismisch überwacht ? Seit dem Jahr 2007 betreibt der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. (W.E.G.) aufgrund einer Initiative des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie gezielt seismische Stationen, um die Erdgasfördergebiete östlich von Bremen zu überwachen. Im Jahr 2012 wurde das Stationsnetz im selben Gebiet weiter ausgebaut, um die Empfindlichkeit und Messgenauigkeit zu optimieren. Seit Januar 2015 wird das seismische Überwachungssystem auf den Bereich der Erdgasfelder in der Region westlich der Weser erweitert (nach Westen bis in den Raum Cloppenburg , im Süden bis in den Raum Nienburg). Damit wird das Überwachungsgebiet von derzeit ca. 4 000 auf ca. 10 000 Quadratkilometer Fläche ausgeweitet. Bereits zuvor wurden Erdbeben in den Erdgasfördergebieten durch das seismologische Zentralobservatorium der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie durch unterschiedliche Forschungseinrichtungen und Universitäten registriert. Dabei ist hervorzuheben, dass diese lokalen Stationsnetze mit unterschiedlichen Zielsetzungen betrieben werden und damit keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Erdgasförderung aufweisen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4384 3 5. Welche seismischen Ergebnisse sind seit Inbetriebnahme des Messsystems zu verzeichnen ? Seit dem Jahr 2007 und damit seit Beginn der gezielten seismischen Überwachung der Erdgasförderung wurden in den Erdgasfördergebieten insgesamt 37 seismische Ereignisse instrumentell nachgewiesen, von denen 16 Ereignisse eine Stärke oberhalb der Schwelle der Wahrnehmung (diese wird vom Niedersächsischen Erdbebendienst mit einer Magnitude von 1,9 abgeschätzt) hatten . Einige wenige dieser prinzipiell wahrnehmbaren Ereignisse wurden im weiteren Umfeld gespürt . Nur zwei Ereignisse hatten einen Magnitude von größer 3,0. 6. Vor dem Hintergrund der jüngsten Erweiterung des Messgebietes: Hält die Landesregierung das Messnetz und Messsystem zur seismischen Überwachung der niedersächsischen Erdgasfördergebiete für ausreichend? Die Landesregierung hält den Ausbau des seismischen Überwachungssystems durch den W.E.G. für notwendig, damit die bisher bekannten seismisch aktiven Gebiete in den Erdgasförderregionen vollständig durch die Förderunternehmen überwacht werden. Zur flächenhaften Überwachung Niedersachsens ist zusätzlich ein landeseigenes Stationsnetz erforderlich , das eine unabhängige Überwachung garantiert und die Unterscheidung zwischen tektonischen und induzierten Erdbeben verbessert. Aus diesem Grund befindet sich bereits ein landeseigenes Stationsnetz durch den Niedersächsischen Erdbebendienst im Aufbau. 7. Welche und wie viele Standorte bilden derzeit das seismische Messsystem in Niedersachsen ? Das Stationsnetz des W.E.G besteht zurzeit aus 16 Überwachungsstationen in den Erdgasfördergebieten östlich von Bremen. Dazu gehören sechs Immissionsstationen zur seismologischen Auswertung sowie zehn Emissionsstationen zur Bewertung der Einwirkungen von Erschütterungen auf Menschen und Gebäude. Weitere fünf Emissionsstationen betreibt das Erdgasförderunternehmen DEA Deutsche Erdöl AG im Bereich der von ihr betriebenen Erdgasfelder. Hiervon unabhängig betreibt die BGR in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen permanente Stationen zur Erdbebenüberwachung Deutschlands, die zum Teil auch in Niedersachsen liegen, sowie weitere temporäre Messstationen im Bereich der Erdgasfördergebiete . Ein Überblick über die vorhandenen Überwachungsnetze sowie die Lage der einzelnen Messstationen wird von der BGR im Internet dargestellt. Das landeseigene Stationsnetz des NED wird zurzeit geplant und soll im Laufe des nächsten Jahres in Betrieb genommen werden. 8. In welcher Höhe werden Steuermittel für das seismische Messsystem in Niedersachsen verwendet? Das seismische Überwachungssystem des W.E.G. wird allein durch Mittel des Wirtschaftsverbandes und damit durch die Mitglieder aus der Erdöl- und Erdgasindustrie finanziert. Die Kosten für das im Aufbau befindliche landeseigene Stationsnetz können aufgrund der aktuellen Planungsphase noch nicht abschließend benannt werden. Neben Sachkosten für die Anschaffung und Installation der Überwachungsstationen sind zudem Personalkosten für die Betreuung des Stationsnetzes durch den Niedersächsischen Erdbebendienst zu berücksichtigen. 9. Werden in Fällen von Bodenerschütterungen oder Erdbeben, wie z. B. in Emstek, Syke oder Völkersen, Veranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger vor Ort durchgeführt? Ja. Der NED stellt die Ergebnisse seiner Untersuchungen zu den seismischen Ereignissen im Rahmen von öffentlichen Informationsveranstaltungen vor Ort vor. So haben Bürgerinformations- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4384 4 veranstaltungen beispielsweise am 21.07.2015 in Emstek, am 29.07.2014 in Syke und am 24.06.2013 in Völkersen stattgefunden. 10. Was geschieht mit den aufgezeichneten Daten/Messdaten von Erschütterungen? 11. Welche Institutionen, Behörden oder Personen erhalten die Messdaten aus der seismischen Überwachung? Sind diese online verfügbar und somit transparent? 12. Haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit der Inaugenscheinnahme oder einer weiteren Verwendung der Daten? Die Fragen 10 bis 12. werden wegen ihres Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die registrierten Daten des seismischen Überwachungssystems des W.E.G. stehen dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie und der BGR zur Verfügung und fließen in deren detaillierte Untersuchungen ein. Dabei werden die sehr umfangreichen Daten im Seismologischen Zentralobservatorium der BGR archiviert. Die Daten des Seismologischen Zentralobservatoriums (u. a. Stations-Logs) werden von der BGR im Internet freizugänglich zur Verfügung gestellt. Parallel dazu führt der W.E.G. auch eigene Auswertungen durch. Die registrierten Daten und Auswertungen werden im Rahmen der ebenfalls freizugänglichen Bürgerinformationsplattform „Seism isches Messsystem“ im Internet veröffentlicht. (Ausgegeben am 09.10.2015) Drucksache 17/4384 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4114 Was hält die Landesregierung von der Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen und vom seismischen Messsystem? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkeh