Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4421 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4172 - Plant die Landesregierung als Konsequenz des Fachkräftemangels in der Altenpflege die Abschaffung der Fachkraftquote für bestimmte Heimformen? Anfrage der Abgeordneten Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 10.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 08.10.2015, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 des Niedersächsischen Heimgesetzes (NHeimG) muss der Betreiber eines Heimes sicherstellen, dass die Zahl der Beschäftigten und deren persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen zu leistenden Tätigkeiten ausreichen. Hierzu verweist § 17 Abs. 2 Nr. 2 NHeimG auf die Heimpersonalverordnung, die in den §§ 4, 5 und 6 die erforderliche persönliche und fachliche Eignung näher beschreibt. Danach muss jeder zweite Beschäftigte eine Fachkraft sein, und in Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern muss auch bei Nachtwachen ständig eine Fachkraft anwesend sein. Ausnahmen liegen im Ermessen der Heimaufsicht. Der von der Landesregierung in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Heimgesetzes (Drucksache 17/3914) sieht eine Änderung des § 17 vor. Danach sollen für ambulant betreute Wohngemeinschaften und Formen des betreuten Wohnens mit aneinander gekoppeltem Miet- und Pflegevertrag (Heime im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs) die o. a. Regelungen zur Fachkraftquote in der Heimpersonalverordnung künftig nicht mehr gelten. Vorbemerkung der Landesregierung Dem Landtag liegt der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Heimgesetzes (NHeimG) vor. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Entstehen von Wohnformen als Alternative zum Leben in einem Heim mit klassischer stationärer Versorgung ermöglichen und besonders fördern. Ältere auf Hilfe und Betreuung angewiesene Menschen sollen so lange wie möglich selbstbestimmt leben und gemeinschaftlich wohnen können, auch soweit sie an demenziellen Erkrankungen leiden. Im Interesse der Stärkung der ambulanten Pflege ist daher eine Anpassung der gesetzlichen Voraussetzungen erforderlich, um die Gründung alternativer Wohnformen zu erleichtern und zu sichern. Auch zukünftig wird es, wie bisher, alternative Wohnformen geben, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner selbstbestimmt und unabhängig von Dritten zusammen leben. Daneben ist zu erwarten , dass durch die Neuregelung des § 1 Abs. 5 NHeimG weitere alternative Wohnformen entstehen werden. Diese Wohnformen sollen nicht unter das Heimrecht fallen, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner spätestens zwei Jahre nach der Gründung ihre ambulanten Dienstleister frei wählen können und damit keiner dauerhaften strukturellen Abhängigkeit unterliegen, die den Schutz des Heimgesetzes erfordert. Bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs besteht eine strukturelle Abhängigkeit, die sich von der in stationären Heimen nicht wesentlich unterscheidet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4421 2 Dort soll das neue Landesgesetz gelten. Gleichwohl handelt es sich um ein ambulantes Betreuungssetting , das seinem Wesen und Charakter nach der familiär geprägten Versorgung in der häuslichen Umgebung sehr nahe kommt. Insofern sollen die heimrechtlichen Verordnungen nur eingeschränkt gelten. Heime, die ihre Bewohnerinnen und Bewohner auf stationärer Grundlage betreuen, fallen auch weiterhin unter den Anwendungsbereich des Heimgesetzes und der dazu erlassenen Verordnungen. 1. Gibt es für Heime im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs eine Bewohnerobergrenze ? Falls ja, wie hoch ist sie, und wo ist sie geregelt? Für Heime im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs gibt es keine Bewohnerobergrenze . Dessen ungeachtet ist davon auszugehen, dass die an alternativen Wohnformen interessierten Menschen in ihrem eigenen Interesse vor dem Einzug prüfen, ob die dort vorhandenen Rahmenbedingungen einschließlich der Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner subjektiv als akzeptabel und geeignet eingeschätzt werden. 2. Liegt es bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs künftig im Ermessen des Heimbetreibers, wie viele Fachkräfte für ausreichend erachtet werden und ob bei Nachtwachen ständig eine Fachkraft anwesend ist? Sowohl im derzeit geltenden NHeimG als auch im aktuellen Gesetzentwurf sind keine Regelungen enthalten, die konkrete Angaben zur Anzahl der Beschäftigten für den Heimbetrieb machen. Auch das Bundesheimgesetz enthielt derartige Regelungen nicht. Gleichwohl ist ein Heimbetreiber unverändert gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 NHeimG zu einer ausreichenden Personalausstattung verpflichtet. Dies gilt auch für die Vorhaltung von Nachtwachen. Die Beurteilung, ob die Zahl der Beschäftigten für den Heimbetrieb ausreicht, richtet sich nach der Lage des Einzelfalls und obliegt zunächst grundsätzlich dem Betreiber. Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber die Frage der Personalausstattung in Pflegeeinrichtungen in die Hände der Vereinbarungspartner gelegt. Um eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten sicherzustellen, schließen gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) die Landesverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Land mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen im Land gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge. Überdies tragen die im Elften Kapitel des SGB XI verankerten Regelungen zur Sicherstellung der Qualität zusätzlich zum Schutz der Pflegebedürftigen bei. So sind die zugelassenen Pflegeeinrichtungen nach § 112 Abs. 2 SGB XI verpflichtet, Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie ein Qualitätsmanagement durchzuführen. Diese werden vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung , dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung oder der von diesen bestellten Sachverständigen regelmäßig Qualitätsprüfungen unterzogen. 3. Anhand welcher konkreten Kriterien können die Heimaufsichtsbehörden bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs künftig Verstöße gegen die in den §§ 5 Abs. 3 Nr. 2 und 5 Abs. 2 Nr. 5 NHeimG normierten allgemeinen Grundsätze feststellen und sanktionieren? Der Heimbetreiber ist unverändert gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 NHeimG zu einer ausreichenden Personalausstattung verpflichtet. Die Heimaufsichtsbehörde hat in Heimen eine Beurteilung der Personalausstattung nach dem Gesichtspunkt der ausreichenden Zahl erst dann vorzunehmen, wenn sie Beanstandungen des Heimbetriebs feststellt, deren Ursache in einer nicht ausreichenden Zahl der Beschäftigten liegt oder die durch eine bessere Personalausstattung behoben werden könnte. Die Anforderung weiteren Personals durch die Heimaufsicht auf der Grundlage des Heimrechts ist nur Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4421 3 dann gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass in dem von der Anordnung betroffenen Heim Mängel in der pflegerischen Versorgung der Bewohner bestehen, die nur durch die Einstellung von mehr Pflegekräften behoben werden können, oder wenn das Auftreten solcher Mängel konkret zu befürchten ist. Wenn dies der Fall ist, kann die Heimaufsichtsbehörde nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 NHeimG den Betreiber zur Einstellung weiteren Personals verpflichten. Zur Entwicklung eigener „Heimpersonalmindestschlüssel“, die sie ohne Anlass zu Beanstandungen im Einzelfall durchsetzen will, ist die Heimaufsicht hingegen nicht befugt. Verstöße gegen die in § 5 Abs. 2 Nr. 5 NHeimG normierten Grundsätze werden wie bisher von den Heimaufsichtsbehörden festgestellt und sanktioniert. Bei den Einrichtungen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs handelt es sich um Heime. Durch den Gesetzentwurf wird insoweit keine neue Rechtslage geschaffen. 4. Könnte der Heimbetreiber bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs künftig wirtschaftliche Vorteile gegenüber anderen Mitbewerbern am Markt erzielen, wenn es ihm gelänge, mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern eine möglichst geringe Zahl an Fachkräften zu vereinbaren? Bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs handelt es sich um Wohnformen , in denen Dienstleister auf ambulanter Basis die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner übernehmen. Die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung wird hier zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern (Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträgern) vereinbart. Vereinbarungen zu konkreten Personalschlüsseln im Bereich der ambulanten Pflege liegen bisher nicht vor. 5. Könnte der Inhalt dieser Vereinbarung von den Heimaufsichtsbehörden für die Beurteilung der Frage, ob eine ausreichende Zahl an Fachkräften beschäftigt wird, als Indiz in der Weise herangezogen werden, dass lediglich negative Abweichungen der tatsächlichen Beschäftigungsquote von der vereinbarten Beschäftigungsquote beanstandet werden? 6. Welche Möglichkeiten hätten die Heimaufsichtsbehörden künftig, bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs die vom Heimbetreiber mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern geschlossenen Vereinbarungen hinsichtlich einer nicht ausreichenden Zahl an Fachkräften infrage zu stellen? Zu den Fragen 5 und 6 wird auf die Ausführungen zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. 7. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass mit der geplanten Änderung des § 17 bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs die Position der Heimaufsichtsbehörden bei der Feststellung von Verstößen und der möglichen Verhängung von Sanktionen gegen den Heimbetreiber gestärkt wird? Falls ja, weshalb? 8. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass mit der geplanten Änderung des § 17 bei Heimen im Sinne des neuen § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs ein Beitrag zu mehr Fachlichkeit in der Pflege geleistet wird? Falls ja, weshalb? Die Fragen 7 und 8 werden zusammen beantwortet. Mit der geplanten Änderung sollen bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften nach § 1 Abs. 3 des Gesetzesentwurfs die heimrechtlichen Verordnungen nur eingeschränkt gelten. Daneben bleiben sowohl die Verpflichtung der Heimbetreiber zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Personalgestellung gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 NHeimG als auch die Sanktionsmöglichkeiten der Heimaufsicht unverändert bestehen. Ebenso unverändert sind die Heimbetreiber den Qualitätssicherungsmechanismen des SGB XI unterworfen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung sowie die Ausführungen zu den Fragen 2 und 3 hingewiesen. (Ausgegeben am 15.10.2015) Drucksache 17/4421 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4172 Plant die Landesregierung als Konsequenz des Fachkräftemangels in der Altenpflege die Abschaffung der Fachkraftquote für bestimmte Heimformen? Anfrage der Abgeordneten Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung