Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4458 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4244 - Wie gefährlich ist der Hundebandwurm? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 04.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 18.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 16.10.2015, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Der Dreigliedrige Hundebandwurm (Echinococcus granulosus), oft einfach nur als Hundebandwurm bezeichnet, gehört zu den u. a. bei Hunden und Wölfen auftretenden Bandwürmern. Im Endwirt kommt der Wurm im Dünndarm vor. Es existieren verschiedene Stämme des Hundebandwurms, die jeweils unterschiedliche Zwischenwirte bevorzugen. In Europa dominiert der Schafstamm, E. granulosus sensu stricto (s.s.). Der Hundebandwurm ist der Auslöser der zystischen Echinokokkose des Menschen. Die Larvenstadien siedeln sich dabei überwiegend in der Leber an, aber auch im Herz, der Lunge und anderen Organen. Echinococcus-Infektionen müssen seit 2001 dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Vorbemerkung der Landesregierung Nach dem Infektionsschutzgesetz ist der Nachweis der Krankheitserreger Echinococcus nicht dem Gesundheitsamt, sondern anonym direkt dem Robert Koch-Institut zu melden. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Zeitraum zwischen Infektion und Nachweis der Erkrankung einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu vielen Jahren umfassen kann und die Feststellung keine konkreten Schutzmaßnahmen durch das Gesundheitsamt nach sich zieht. Die Meldung ist daher nur für epidemiologische Erkenntnisse gedacht. 1. Gab es in Niedersachsen oder in angrenzenden Bundesländern bereits Fälle von Erkrankungen von Wölfen an Hundebandwürmern, und, wenn ja, wo? In einer momentan in der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführten Doktorarbeit über die Belastung von in Gehegen und freilebenden Wölfen in Norddeutschland, die sich aber noch in der Phase der Ergebnisauswertung befindet, sind lediglich etwa 1 % der Proben positiv für Bandwürmer der Familie Taeniidae (zu der die Gattungen Taenia und Echinococcus gehören). Die genauere Speziesdifferenzierung steht zwar noch aus, es ist aber zu erwarten, dass es sich hauptsächlich um Taenia-Arten handeln wird. Erste Ergebnisse werden bei dem Kongress „Erreger von Zoonosen und anderen Erkrankungen bei Wildtieren“ am 12. und 13.11.2015 in Hannover vorgestellt . Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4458 2 2. Falls nicht, wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass Wölfe in Niedersachsen von Hundebandwürmern befallen werden könnten? Es geht voraussichtlich eine sehr geringe Gefahr der Verbreitung von E. granulosus s.s. (dem Schafstamm) in Niedersachsen durch Wölfe aus. E. granulosus s.s. ist in Nordeutschland nicht bei Schafen verbreitet, Wölfen fehlt hier also die Gelegenheit, sich anzustecken. Berichte von Hunden (und Menschen) mit zystischer Echinokokkose beruhen vornehmlich auf Fällen von importierten Tieren bzw. Menschen, die sich auf Reisen in Endemiegebiete (Mittelmeerländer, Südosteuropa) angesteckt haben. Ein anderes denkbares Szenario besteht in der Zuwanderung von infizierten Wölfen aus Endemiegebieten . Neuere Studien berichten aber von einer recht geringen Infektionsrate von E. granulosus s.l. bei Wölfen in Europa: In Portugal gibt es eine geschätzte Prävalenz von 1,5 % (allerdings mit einem Schweine assoziierten Stamm; Guerra et. al, 2013), in Spanien von 15 % (mit dem Schafstamm ; Sobrino et al., 2006), ebenfalls 15 % in Italien (mit dem Schafstamm; Guberti et al., 2004), 4 % in Estland (mit einem Stamm, der bei Rentieren und Wild vorkommt; Moks et al., 2006) sowie 30 % in Finnland (ebenfalls der Rentierstamm; Hirvelä-Koski et al., 2003). 3. Welche konkreten Gefahren gehen von Hundebandwürmern aus? Nach Angaben des Robert Koch-Instituts gibt es in Deutschland wahrscheinlich kaum autochthone (in Deutschland erworbene) Infektionen. Die überwiegende Zahl der hier beobachteten Erkrankungen tritt bei Migrantinnen und Migranten auf, die sich in ihren Herkunftsländern infiziert haben. Auch Infektionen durch importierte Hunde sind möglich. Erkrankungen von Touristinnen und Touristen, die sich auf Reisen in Gebiete mit gehäuftem Vorkommen infiziert haben, sind eine Seltenheit. Die Krankheit ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Obwohl auch Wölfe in den Endemiegebieten vorkommen, spielen sie kaum eine Rolle bei der Infektion von Menschen. Der Übertragungszyklus von E. granulosus s.s. ist vornehmlich ein domestischer , d. h. zwischen Haustieren und Menschen. Der Hund ist Endwirt, das Schaf Zwischenwirt und der Mensch Fehlwirt. Die humane cystische Echinokokkose entsteht durch die Aufnahme infektiöser Eier, die der Endwirt mit dem Kot ausscheidet. Der enge Kontakt zwischen Mensch und Hund ist hier der entscheidende Faktor. Da Wölfe menschliche Siedlungen eher meiden, ist die Gefahr, dass ein Mensch mit Wolfskot in Berührung kommt, sehr gering. 4. Wie viele Echinokokkose-Fälle gab es seit 2001 in Niedersachsen? Tabelle 1: Nichtnamentlich direkt an das RKI gemeldete Fälle von Echinokokkose in Niedersachsen seit 2001 Jahr Erreger/Krankheitsform Fuchsbandwurm/ Alveoläre Echinokokkose Echinokokkose nicht weiter differenziert Hundebandwurm/ Zystische Echinokokkose Gesamt 2001 1 1 2002 3 3 2003 1 4 5 2004 1 9 10 2005 1 5 6 2006 1 1 8 10 2007 7 7 2008 1 6 7 2009 1 7 8 2010 1 1 2 2011 1 7 8 2012 2 2 4 2013 1 2 3 6 2014 2 1 3 6 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4458 3 Jahr Erreger/Krankheitsform Fuchsbandwurm/ Alveoläre Echinokokkose Echinokokkose nicht weiter differenziert Hundebandwurm/ Zystische Echinokokkose Gesamt 2015 1 2 3 Gesamt 10 8 68 86 * Am RKI verfügbare Daten (Abfrage 15.09.2015, Datenstand vom 01.09.2015 [bis Ende Juni 2015]: https://survstat.rki.de) 5. Wie viele amtliche Untersuchungen auf Echinococcus granulosus wurden seit 2014 an gefundenen Wolfsprobenmaterialien durchgeführt? Seit 2014 wurden die vier in Niedersachsen tot aufgefundenen Wölfe im Rahmen des Wolf-Totfundmonitorings negativ auf Echinococcus granulosus untersucht. 6. Plant die Landesregierung eine verpflichtende Untersuchung von Wolfsproben auf Echinococcus granulosus, und, wenn nein, weshalb nicht? Es ist beabsichtigt, auch zukünftig an das LAVES eingesendete Wölfe auf Echinococcus granulosus zu untersuchen. 7. Wie viele Fachmediziner und Krankenhäuser in Niedersachsen sind ausgebildet und eingerichtet, Echinokokkose-Fälle zu behandeln? Da sich die Zysten in erster Linie in der Leber bilden, handelt es sich um ein sogenanntes gastroenterologisches Krankheitsbild. Entsprechende Fachärztinnen und Fachärzte stehen in ganz Niedersachsen zur Verfügung. Wie beschrieben, kommt die Erkrankung jedoch sehr selten vor. Das Robert Koch-Institut hat daher ein bundesweit agierendes Konsiliarlabor für Echinokokkose benannt , das am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg angesiedelt ist. Zu Fragen der Therapie der zystischen Echinokokkose bestehen Verbindungen zur Sektion Klinische Tropenmedizin der Universität Heidelberg. Sie bietet eine Spezial-Sprechstunde für die zystische Echinokokkose an und steht auch anderen Kliniken beratend zur Verfügung. 8. Welche Maßnahmen möchte die Landesregierung gegebenenfalls gegen die Einschleppung von Hundebandwürmern ergreifen? Die überwiegende Zahl der hier beobachteten Erkrankungen tritt vermutlich bei Migrantinnen und Migranten auf, die sich in ihren Herkunftsländern infiziert haben. Auch Infektionen durch importierte Hunde sind möglich. Erkrankungen von Touristinnen und Touristen, die sich auf Reisen in Gebieten mit gehäuftem Vorkommen infiziert haben, sind eine Seltenheit. Die Krankheit ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Hunde, welche aus Drittländern nach Deutschland eingeführt werden, werden an den Grenzkontrollstellen einer veterinärrechtlichen Kontrolle unterzogen. Weitere Kontrollmaßnahmen sind seitens der Landesregierung nicht geplant. 9. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Dunkelziffer der Fälle ein, bei denen durch Hausschlachtungen und Schlachthofverarbeitungen der Echinococcus granulosus nicht erkannt wird und dadurch in die Nahrungskette gelangt? Im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung werden sowohl jeder Schlachtkörper als auch die dazu gehörenden Organe von Schlachttieren, die für den Hundebandwurm als Zwischenwirte empfänglich sind (Schaf, Ziege, Rind, Pferd und Schwein), einer gründlichen, auf die jeweilige Tierart bezogenen Untersuchung unterzogen. Werden Finnen des Hundebandwurms entdeckt, so ist befallenes Fleisch als untauglich zu erklären bzw. zur sicheren Abtötung des Parasiten bei nur vereinzeltem Befall einer Kältebehandlung zu unterziehen. Die durch den Parasiten in Form von „Bandwurmfinnen “ bevorzugt befallenen Organe wie Leber und Lunge werden jedoch bei Befall grund- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4458 4 sätzlich als untauglich beurteilt. Angaben zu einer Dunkelziffer zu Fällen, in denen im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung ein Befall mit Echinococcus granulosus nicht erkannt wird und der Parasit dadurch in die Nahrungskette gelangen könnte, sind nicht bekannt. 10. Inwieweit sind die Gefahren durch den Dreigliedrigen Hundebandwurm Teil der Ausbildung im Rahmen des Wolfsmonitorings und der Wolfsberatung? Im Rahmen der Schulungen der ehrenamtlichen Wolfsberaterinnen und Wolfsberater wird auf den richtigen und sicheren Umgang bei der Probenentnahme und der Rissdokumentation großer Wert gelegt. Auch auf Krankheiten, die bei Wölfen vorkommen können, wird eingegangen; auf den Hundebandwurm ist in der Vergangenheit nicht explizit eingegangen worden. 11. Wie wird die Öffentlichkeit, speziell betroffene Personengruppen, über die Gefahren durch den Dreigliedrigen Hundebandwurm informiert? Aufgrund des geringen Risikos für die Öffentlichkeit sind auf den Hundebandwurm spezifisch ausgerichteten Informationen nach Ansicht der Landesregierung nicht erforderlich. Eine Prävention dieser Erkrankung ist gegeben, wenn allgemeine Hygienemaßnahmen bzw. Arbeitsschutzmaßnahmen beim Umgang mit Tieren beachtet werden. (Ausgegeben am 23.10.2015) Drucksache 17/4458 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4244 Wie gefährlich ist der Hundebandwurm? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz