Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4492 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4171 - Gibt es „Chemtrails“, und kann man die behaupteten Inhaltsstoffe in Niedersachsen nachweisen ? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 10.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 21.10.2015, gezeichnet In Vertretung der Staatssekretärin Kay Nitsche Vorbemerkung des Abgeordneten Eine wachsende Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern stellt die Behauptung auf, dass am Himmel in Deutschland Chemikalien durch Flugzeuge versprüht würden. Diese „Chemtrails“ genannten Streifen am Himmel würden sich physikalisch völlig anders als Wolken verhalten und hätten die Aufgabe, im Wege des „Geo-Engineering“ das Wetter zu kontrollieren. Im Internet hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die auf der Seite www.sauberer-himmel.de über das wahrgenommene Phänomen informiert. Das Umweltbundesamt hatte sich aufgrund eines Artikels in der Zeitschrift Raum & Zeit im Jahr 2011 zu diesem Thema geäußert und war zu dem Ergebnis gekommen: „Für das in dem genannten Artikel erwähnte Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung sogenannter Chemtrails gibt es keinerlei wissenschaftliche Belege.“ Von Verfechtern der „Chemtrails“-Theorie wird immer wieder die Behauptung aufgestellt, dass am Himmel die Schwermetalle Aluminium, Barium und Strontium ausgebracht würden. In einer bundesweiten Untersuchung von Regenwasser seien signifikante Mengen dieser Stoffe festgestellt worden. Vorbemerkung der Landesregierung Der Landesregierung liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wonach über Deutschland eine systematische Einbringung von Aluminiumverbindungen in der Atmosphäre durchgeführt wird. Auch nach Ansicht des Umweltbundesamtes (UBA) gibt es für die Bildung sogenannter Chemtrails keinerlei wissenschaftliche Belege. Für das am Himmel zu beobachtende Phänomen von zunehmenden Kondensstreifen und deren außergewöhnlichen Formen ist der rasant zunehmende Flugverkehr verantwortlich. Luftfeuchtigkeit und Wind verbinden die von den Flugzeugen ausgestoßenen Kondensstreifen mitunter zu breiten Bändern, Netzen und Gittern. Wenn die heißen Verbrennungsgase eines Flugzeuges in Reiseflughöhe von rund 10 Kilometern Höhe aus den Turbinen schießen, werden sie schlagartig eisigem Frost von minus 40 Grad und darunter ausgesetzt. Die vor allem aus Kohlendioxid , Wasserdampf und Ruß bestehenden Abgasfahnen kühlen in Sekundenbruchteilen ab und der Wasserdampf gefriert an den Rußteilchen zu feinen Eiskristallen. Diese werden als dünne Kondensstreifen hinter den Fliegern sichtbar. In trockener Luft lösen sie sich dagegen rasch wieder auf und verschwinden binnen Sekunden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4492 2 In ihrem Inneren sind die Kondensstreifen von Flugzeugen verschmutzt, denn ihre Eiskristalle lagern sich an den Rußteilchen verbrannten Kerosins an. Ist die Umgebungsluft feucht, können die Kristalle nicht wieder verdunsten, sondern wachsen durch Anlagerung weiteren Wasserdampfes immer mehr an. Dabei fließen sie langsam auseinander, werden breiter und verteilen sich letztlich als dünner Wolkenschleier über ein größeres Areal am Himmel. Solche langlebigen Kondensstreifen können sich als Cirruswolken stunden-, ja sogar tagelang halten. Sind die Wetterbedingungen für langlebige Kondensstreifen günstig, stoßen wegen des stark gewachsenen Luftverkehrs die Streifen weiterer Flugzeuge hinzu. Sind diese in anderen Höhen und Richtungen unterwegs, bilden sich nach und nach regelrechte Streifen- und Gittermuster am Himmel. Was als Beweis systematischer Chemtrails propagiert wird, ist also nichts anderes als die Summe all jener auf unterschiedlichen Luftkorridoren binnen Stunden entstandenen und vom Wind verwehten, ganz normalen Kondensstreifen. Auffällig ist - und deshalb muss auch ergänzend darauf hingewiesen werden -, dass alle drei Elemente in Feuerwerken verwendet werden können. Deshalb können die Konzentrationen in der Luft nach intensiven Feuerwerksereignissen erheblich höher als die Basiswerte sein. Dementsprechend lassen sich die drei Elemente auch im Regen oder im Schnee nachweisen. 1. Was hält die Landesregierung von der Theorie, dass über Deutschland ein „GeoEngineering “ stattfinde? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 2. Liegen der Landesregierung Messwerte für die typische Menge von Aluminium, Barium und Strontium in der Luft und im Boden vor? Das im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz betriebene Lufthygienische Überwachungssystem Niedersachsen erfüllt Pflichten des Landes, die sich aus Regelungen der Europäischen Gemeinschaft (EU) ergeben und die durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und dessen nachgeordnete Regelwerke in deutsches Recht umgesetzt wurden. Diese Pflichten bestehen u. a. in der Messung und Beurteilung der Luftqualität, der zeitnahen Unterrichtung der Öffentlichkeit und der Erfüllung von Berichtspflichten gegenüber der Bundesregierung und (indirekt) der EU. Deshalb wird auch regelmäßig über die Belastung der Luft durch gasförmige und partikuläre Stoffe in Niedersachsen in Bezug auf die rechtlich vorgeschriebenen Grenz- und Zielwerte sowie Alarm- und Informationsschwellen durch das beauftragte Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim informiert. Im Rahmen der Luftqualitätsüberwachung in Niedersachsen werden auf Grundlage der 39. Bundes -Immissionsschutzverordnung neben den Feinstaubfraktionen PM10 und PM2,5 auch die Konzentrationen der Elemente Arsen, Blei, Cadmium und Nickel als Inhaltsstoffe des PM10-Feinstaubes erfasst. Eigene Erkenntnisse der Konzentrationen an Aluminium, Barium und Strontium an den Messpunkten in Niedersachsen könnten nur durch zusätzliche Auswertungen gewonnen werden. Für die folgenden Auswertungen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hildesheim wurde daher auf Literaturangaben zurückgegriffen, insbesondere die 2014 aktualisierte Veröffentlichung des Schweizer Bundesamtes für Umwelt (BAFU) „Feuerwerkskörper - Umweltauswirkungen und Sicherheitsaspekte “, in der umfassend Informationen und Daten über Feuerwerk und dessen Auswirkungen auf die Umwelt zusammengetragen, dargestellt und bewertet wurden. Das Abbrennen von Feuerwerk erfolgt vor allem zum Jahreswechsel an Sylvester und Neujahr sowie zu besonderen i. d. R. öffentlichen Anlässen und ist daher sowohl zeitlich als auch örtlich begrenzt . Insgesamt werden in Deutschland nach UBA-Angaben (2014) jährlich ca. 4 000 Tonnen PM10-Feinstaub freigesetzt. Die dabei auftretenden Konzentrationen hängen von den sehr variablen meteorologischen Ausbreitungsbedingen (z. B. Windgeschwindigkeit, Niederschlag) zum Zeitpunkt des Feuerwerks ab; z. B. können in den Stunden um den Jahreswechsel PM10-Feinstaubbelastungen an innerstädtischen Messstationen als Stundenmittelwerte von mehreren hundert Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4492 3 μg/m³ bis zu einigen tausend μg/m³ auftreten. Der vom Feuerwerk freigesetzte Feinstaub enthält die festen Reaktionsprodukte der abgebrannten pyrotechnischen Sätze (Zerleger- und Effektladungen ) und damit auch die der in den Mischungen enthaltenen reduzierenden Brennstoffe, z. B. Aluminium , sowie der flammenfärbenden Zusätze, z. B. Barium (grün) und Strontium (rot). Wie Untersuchungen in der Schweiz und auch die ebenfalls im BAFU-Bericht zitierten weltweiten Ergebnisse zeigen, werden während der Feuerwerksereignisse zum Teil erhebliche Konzentrationen an Metallen im Feinstaub gemessen, die allerdings nach einigen Stunden deutlich zurückgingen und nach wenigen Tagen das sonst übliche Konzentrationsniveau wieder erreichten (BAFU, z. B. Tab. 10, Tab. 33 bis Tab. 37). Die größten Unterschiede in der Konzentration während eines Feuerwerks gegenüber der Konzentration vorher und nachher wurden im Mittel über die Anzahl ausgewerteter Ereignisse beim Strontium gefunden. Der sogenannte Anreicherungsfaktor lag hier bei 56 (siehe Abb. 37, BAFU, Seite 105), gefolgt von Wismut (50), Kalium (23) und Barium (16); beim Aluminium (3) hebt sich die Konzentration in der Luft während eines Feuerwerks weniger ausgeprägt vom sonst üblichen Niveau ab. Einen Eindruck über das Konzentrationsniveau von Metallen in der Luft an drei Standorten in der Schweiz liefert Tab. 41 (Seite 110, BAFU). Im Jahresmittel (August 2008 bis Juli 2009) wurden je nach Standort für Aluminium im PM10 Werte von 70 ng/m³ bis 125 ng/m³, für Barium 2,2 ng/m³ bis 11,1 ng/m³ und für Strontium 0,7 ng/m³ bis 1,7 ng/m³ gemessen. Wie zu erwarten, lagen die Konzentrationen an dem urbanen, verkehrsbeeinflussten Messpunkt am höchsten. Zum Vergleich: Die an diesen drei Messpunkten in der Schweiz ebenfalls gemessenen Konzentrationen an Arsen, Blei, Cadmium und Nickel liegen im Jahresmittel auf vergleichbaren Konzentrationsniveaus wie die Werte von niedersächsischen Verkehrsstationen. In Bezug auf die Gehalte im Boden liegt der Landesregierung bisher keine Zusammenstellung vor über natürlicherweise in Gesteinen vorkommende Gehalte für diese Elemente. Allerdings liegen im Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Datenbestände vor, die im Rahmen von Untersuchungsprogrammen mit anderen Zielsetzungen erfasst wurden. Für die Bodendauerbeobachtung in Niedersachsen (BDF) werden seit einigen Jahren auch Aluminium- und Bariumgehalte in den Böden gemessen. Diese Elemente haben einen relativ hohen, geogen bedingten Bodenvorrat. Aus Daten des BDF-Programms können derzeit keine Trends abgeleitet werden . 3. Falls nein, ist der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz personell und technisch in der Lage, diese Werte zu erheben? Es ist nicht beabsichtigt, diese Werte zu erheben. 4. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, die oben genannten Stoffe messtechnisch zu erheben, um die Vorwürfe der Bürgerinitiative „Sauberer Himmel“ zu entkräften ? Nein. 5. Sind der Landesregierung erhöhte Barium- und Aluminiumwerte im Blut von Patienten bekannt? Der Landesregierung sind keine erhöhten Barium- oder Aluminiumwerte im Blut von Patientinnen und Patienten bekannt, da es über die von niedersächsischen Haus- und Klinikärzten durchgeführten Laboruntersuchungen keine verfügbaren Daten gibt. Darüber hinaus sind auch keine auffälligen Meldungen oder Publikationen in Deutschland bekannt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4492 4 6. Auf welchem Wege können Aluminium, Barium und Strontium in die Umwelt gelangen, oder kommen sie dort sogar natürlich vor? Die Elemente kommen auch vereinzelt natürlich vor; Aluminium als Bestandteil von Tonmineralen und anderen Silikaten. Barium (als Baryt) wurde bis 1988 am Rammelsberg (Goslar) bzw. bis 2007 bei Bad Lauterberg abgebaut und wird dort immer noch industriell verarbeitet (Importrohstoffe). Baryt ist in der Medizin als Röntgenkontrastmittel verbreitet, wird z. B. in der Farben-, Kunststoff-, Gummi- und Papierindustrie als Füllstoff verwendet, findet aber auch Verwendung in der Pyrotechnik und bei der Bekämpfung von Insekten und Nagetieren. Strontiumsulfat (Coelestin) kommt weit verbreitet in Kalksteinen des Berglandes und in Sulfatgesteinen z. B. am Südharz vor. Strontium ist in Käse- und Milchprodukten enthalten und wird in der Kernenergie und Strahlentherapie eingesetzt . Weitere Informationen finden sich z. B. unter: http://www.chemie.de/lexikon/Aluminium.html, http://www.chemie.de/lexikon/barium.html, http://www.chemie.de/lexikon/strontium.html. (Ausgegeben am 03.11.2015) Drucksache 17/4492 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4171 Gibt es „Chemtrails“, und kann man die behaupteten Inhaltsstoffe in Niedersachsen nachweisen? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz