Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4544 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3780 - Behördenwillkür bei der Futtermittelüberwachung? Anfrage der Abgeordneten Clemens Große Macke, Frank Oesterhelweg und Hans-Heinrich Ehlen (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 25.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 07.07.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 30.10.2015, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten In einem Schreiben an Abgeordnete des Landtags beklagt ein Futtermittelhersteller Behördenwillkür bei der Futtermittelüberwachung. Er bemängelt, dass sich seit dem Inkrafttreten der Gebührenregelung für die amtliche Futtermittelkontrolle am 18. April 2014 die Anzahl der im Betrieb genommenen kostenpflichtigen Proben nahezu versechsfacht habe. Die Anzahl der durchgeführten Routinekontrollen habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Pro untersuchter Probe falle ein Pauschalbetrag von 845 Euro an. Die Kosten der Routinekontrolle betrügen jeweils 510 Euro/Besuch . Dies sei vor allem vor dem Hintergrund nicht nachzuvollziehen, dass das Unternehmen nach eigener Angabe im Rahmen seiner Eigenkontrolle über 10 000 Proben in hauseigenen und akkreditierten externen Laboren durchführen lasse. Es wird weiterhin kritisiert, dass es keine Informationen darüber gebe, wie die erhöhte Kontrollzahl begründet werde. In dem Betrieb entstand der Eindruck, dass die Kostenzuweisung vordergründig zur Finanzierung der Behörden diene, anstatt das gemeinsame Ziel einer Optimierung der Lebens -und Futtermittelsicherheit zu verfolgen. Vorbemerkung der Landesregierung Im Oktober 2011 veröffentlichte „Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Beauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung“ ein Gutachten zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes , das das damalige BMELV infolge der Dioxinkrise Anfang 2011 in Auftrag gegeben hatte. Im Gutachten wurden schwere Defizite benannt und die Empfehlung ausgesprochen, durch die Einführung kostendeckender Gebühren für alle Kontrolltätigkeiten die notwendigen Finanzmittel zur Behebung der Defizite zu generieren. Dieser Empfehlung ist die Landesregierung mit der stufenweisen Stärkung des LAVES gefolgt. Um das Defizit der amtlichen Futtermittelüberwachung aus der Vergangenheit abzubauen, hatten die Koalitionsparteien bereits in ihrer Vereinbarung eine deutliche Verbesserung bei den amtlichen Kontrollen als Ziel festgeschrieben. Beginnend mit der Haushaltsaufstellung 2014 wurden die notwendigen personellen und sächlichen Ressourcen eingeplant, um u. a. die Futtermittelkontrollen, die in den Zuständigkeitsbereich des LAVES fallen, zu intensivieren. Im Ergebnis wurden 18 neue Stellen, davon zehn Stellen in der Futtermittelüberwachung und acht in der Futtermitteluntersuchung, geschaffen. Die Organisation und Durchführung der amtlichen Futtermittelüberwachung in Niedersachsen folgt den Vorgaben des auf der Homepage des BMEL veröffentlichten Bund/Länder-Kontrollprogramms Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4544 2 Futtermittel zur Umsetzung der VO (EG) Nr. 882/2004 und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung (AVV RÜb). Durch das Bund/Länder-Kontrollprogramm Futtermittel werden die durchzuführenden amtlichen Probenahmen und Untersuchungen pro Bundesland festgelegt. Die Kontrollverteilung erfolgt dabei unter Berücksichtigung der länderspezifischen Leistungsmerkmale der Futtermittelwirtschaft wie z. B. Anzahl der Futtermittelunternehmen, Art der Futtermittelunternehmen , Futtermittelproduktionsmenge. Da allein in Niedersachsen deutlich über 40 % der gesamtdeutschen Mischfuttermittel produziert werden, hat Niedersachsen im Ländervergleich auch den entsprechend größten Anteil an dem Bund/Länder-Kontrollprogramm Futtermittel zu leisten. Am 18.04.2014 trat die Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung in Kraft. Sie sah eine Gebühr von 510 Euro je Kontrollbesuch für eine amtliche Kontrolle vor. Für eine Probenahme einschließlich der Untersuchung je Probe wurde eine Gebühr von 845 Euro vorgesehen. Diese Gebührentatbestände wurden in die am 29.11.2014 erlassene Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens (GOVV) übernommen und gelten seitdem. Die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung wurde mittlerweile in drei Verfahren dem Grunde nach durch das Verwaltungsgericht Oldenburg bestätigt. Danach ist das Land auf der Grundlage europaund landesrechtlicher Vorschriften berechtigt, die Futtermittelbetriebe zu Gebühren für Routinekontrollen heranzuziehen. Das Gericht stellte jedoch weiter fest, dass die konkreten Gebührensätze zu weitgehend pauschalieren. Gleichwohl seien in zwei der drei Klageverfahren die klagenden Futtermittelunternehmen nicht in ihren Rechten verletzt, da sie durch die pauschale Gebührenfestsetzung nur begünstigt worden seien. Tatsächlich seien die Gebühren höher festzusetzen gewesen. Die Urteile sind bisher nicht rechtskräftig, es sind Berufungsverfahren anhängig. 1. Anhand welcher Parameter wird die Anzahl der durchzuführenden Routinekontrollen ermittelt? Nach Artikel 3 VO (EG) Nr. 882/2004 sind die amtlichen Kontrollen nach risikoorientierten Grundsätzen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang werden die Futtermittelunternehmen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anlage 1 a AVV RÜb einem risikoorientierten Beurteilungssystem unterworfen. In die Risikobeurteilung fließen in Abhängigkeit von den der zuständigen Behörde vorliegenden Informationen die folgenden Beurteilungsmerkmale ein: a) die Betriebsart, b) der Produktions- und Handelsumfang, das Vertriebsgebiet, c) die Anzahl kritischer Rezepturwechsel, d) die Verderblichkeit des Produktes, Rezepturarten, e) die Herkunft der Ausgangserzeugnisse, f) die Produktion und die Behandlung, g) der bauliche und technische Zustand der Produktions-, Lagerungs-, Behandlungs- und Transporteinrichtungen sowie der Hygienezustand und die Wartung, h) die Bewertung des Verschleppungsrisikos, i) eventuelle potenzielle Kontaminationsmöglichkeiten mit Stoffen, die keine Futtermittel sind, j) die Dokumentation und die Rückverfolgbarkeit, k) die Aktualität und die Anwendung des HACCP-Systems, l) die betrieblichen Eigenkontrollen (Wareneingangs- und Produktausgangskontrollen), die interne Betriebsorganisation, m) eventuelle Beanstandungen und Produktrückrufe, n) das Verhalten des Unternehmers (Mängelbeseitigung, Reaktion auf Beanstandungen, Ergreifen von Abhilfemaßnahmen, Kooperationsbereitschaft), o) die Ergebnisse amtlicher Futtermitteluntersuchungen und p) die Ergebnisse aus Inspektionen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4544 3 Im Ergebnis der Risikobeurteilung resultiert eine Mindestkontrollfrequenz pro Futtermittelbetriebsstätte und Zeiteinheit. 2. Anhand welcher Parameter wird die Anzahl der zu nehmenden Proben in Futtermittelbetrieben ermittelt? Die Anzahl der im Rahmen der amtlichen Futtermittelüberwachung zu entnehmenden und zu untersuchenden Futtermittelproben wird durch das Bund/Länder-Kontrollprogramm Futtermittel länderspezifisch festgelegt. Dem Kontrollprogramm folgend sind durch das LAVES jährlich 3 764 Futtermittelproben zu entnehmen und zu untersuchen. Durch die sukzessive Stärkung der Kontrolle in Niedersachsen ist es das Ziel, ab 2016 die Probenfestlegung aus dem Kontrollprogramm zu erreichen . In 2015 sind 3 300 Probenahmen geplant. Zur systematischen Festlegung der jährlichen Probenahmen bezogen auf jedes einzelne Futtermittelunternehmen setzt das LAVES ein EDV-gestütztes Probenmanagementsystem ein. Bei der Berechnung der Probenzahl steht der risikoorientierte Grundsatz nach Artikel 3 VO (EG) Nr. 882/2004 im Vordergrund. Folgende Faktoren fließen dabei in die Berechnung der Probenanzahl pro Unternehmen ein: – Art des Futtermittelunternehmens (z. B. Hersteller, Importeur, Händler, Landwirt etc.), – Art der Futtermittel (z. B. Alleinfuttermittel, Ergänzungsfuttermittel, Einzelfuttermittel, Zusatzstoffe , Vormischungen, Futtermittel für Heimtiere etc.), – Menge der hergestellten/gehandelten Futtermittel, – Ergebnis der Risikobewertung des Futtermittelunternehmens. 3. Inwiefern werden Umfang und Qualität der in den Unternehmen durchgeführten Eigenkontrollen in die Risikoanalyse des Unternehmens einbezogen? Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anlage 1 a, Nr. 1, Buchst. l) AVV RÜb werden die Eigenkontrollen der Unternehmen berücksichtigt. 4. Die Einstellung von mehr als 70 neuen Kontrolleuren verursacht im Landeshaushalt erhebliche Kosten. Welche dieser Kosten werden durch die Einnahmen aus den Gebühren für die amtliche Futtermittelkontrolle gedeckt? Welche sollen daraus gedeckt werden ? Welche Kosten werden auch dauerhaft aus dem Haushalt des Landes im Zuge der Daseinsvorsorge gedeckt? Mit der ersten Stufe zur Stärkung des LAVES im Haushaltsjahr 2014 wurden insgesamt 67,5 neue Stellen mit einem finanziellen Gesamtvolumen von 3,1 Millionen Euro (Personal- und Sachkosten) veranschlagt, um den gesundheitlichen Verbraucherschutz in den Bereichen der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung, im ökologischen Landbau sowie in den Bereichen Tierarzneimittel und Tierschutz nachhaltig zu stärken. Dem stand ein planmäßiger Aufwuchs der Einnahmeerwartung in derselben Höhe gegenüber. Unabhängig davon, dass im Rahmen der Haushaltsplanung auf der Basis der seinerzeit vorliegenden Informationen und der Vorgaben zur Haushaltsaufstellung entsprechend zu kalkulieren war, inwieweit die Intensivierung der Überwachung einzelner Bereiche bei flankierender Änderung der gebührenrechtlichen Grundlagen zur Refinanzierung der Stärkung des LAVES beiträgt, sind im Landeshaushalt nach dem Gesamtdeckungsprinzip (Haushaltsgrundsatz) alle Einnahmen unterschiedslos als Deckungsmittel für den gesamten Ausgabebedarf einzusetzen. Dies gilt auch für das budgetierte LAVES. Eine durch das Haushaltsgesetz oder den Haushaltsplan normierte Zweckbindung der Einnahmen speziell im Bereich Futtermittel und eine daraus folgende 1:1-Beziehung zwischen einzelnen Einnahme - und Ausgabepositionen besteht nicht. Vielmehr wird die Ausgabeermächtigung des LAVES Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4544 4 insgesamt auf die Höhe aller tatsächlichen Einnahmen, zu denen auch die Gebühreneinnahmen aus dem Bereich der Futtermittelkontrollen zählen, und den im Haushaltsplan ausgewiesenen Zuschussbedarf begrenzt. Der bisherige und künftige Zuschussbedarf des LAVES ergibt sich aus dem Haushaltsplan bzw. für die Vorjahre aus der jeweiligen Haushaltsrechnung. 5. Welche unterschiedlichen Kontrollen werden vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bei einem Futtermittelhersteller regelmäßig durchgeführt? Die amtlichen Futtermittelkontrollen des LAVES dienen dazu, die Einhaltung des geltenden gemeinschaftlichen und nationalen Futtermittelrechtes gemäß Artikel 17 Abs. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 sicherzustellen. Zu diesem Zweck werden routinemäßige Betriebskontrollen, Probenahmen und Untersuchungen, Zulassungsprüfungen, Kennzeichnungskontrollen, Dokumentenprüfungen und anlassbezogene Kontrollen bei Verdacht auf einen Rechtsverstoß vorgenommen. 6. Wie hoch sind die ermittelten durchschnittlichen Kosten für die Probenahmen bei Futtermitteln einerseits, und wie hoch sind die Kosten für die eigentliche Untersuchung der Proben andererseits? Nach Berechnungen des LAVES entstehen für die Probenahme einer amtlichen Futtermittelprobe je Endprobe Kosten in einem Rahmen von 119 bis 235 Euro. Die Aufwendungen des LAVES für die Probenahme sind bisher in der Kalkulation der Tarifziffer VIII.3.1.2 GOVV (Probenahme und Untersuchung) unberücksichtigt geblieben, da eine Pauschalisierung der sehr unterschiedlichen Aufwendungen für die amtlichen Probenahmen gemäß VO (EG) Nr. 152/2009 nicht ohne weitere komplexe Differenzierung mit der Natur der Pauschale vereinbar ist. Die durchschnittlichen Kosten für die Untersuchung einer Futtermittelprobe betragen 845 Euro. Diese Gebühr ist als Gesamtpauschale für alle in diesem Zusammenhang entstehenden Leistungen auf der Grundlage der Kosten-Leistungs-Rechnung des LAVES ermittelt worden. 7. Was kosten vergleichbare Proben in akkreditierten Privatlaboren? Die Kosten der Untersuchungsdienstleistungen von Privatlaboratorien für Routineuntersuchungen sind teilweise niedriger als in den amtlichen Laboratorien. Die Vergleichbarkeit der Dienstleistungen ist jedoch nur bedingt gegeben. Die Aufwendungen und Kosten für die amtlichen Untersuchungen sind teilweise höher, da immer zwingend gesetzlich vorgeschriebene Labormethoden zur Anwendung gebracht werden müssen. Amtliche Untersuchungsergebnisse (insbesondere bei Auffälligkeiten ) müssen zudem immer mehrfach abgesichert werden, um gegebenenfalls erforderliche amtliche Maßnahmen in der Folge rechtssicher vornehmen zu können. Amtliche Laboratorien verfügen ferner nicht über die Möglichkeit, z. B. Angebotspakete oder Serienuntersuchungen zur Kostenminimierung einzusetzen. 8. Die Kontrollen und die Probenuntersuchungen verursachen für die Unternehmen erhebliche Zusatzkosten. Warum werden den Futtermittelunternehmern die vorgenommene Risikobewertung und die daraus resultierende Probenanzahl sowie die Zahl der Kontrollen nicht mitgeteilt, um eine Kostenkalkulation vornehmen zu können? Die Kontroll- und Probenplanung des LAVES wird einmal jährlich anhand der Futtermittelsortimentsabfrage individuell für jedes Futtermittelunternehmen festgelegt. Auf Anfrage des Futtermittelunternehmers wird das Ergebnis der Kontroll- und Probenplanung selbstverständlich mitgeteilt. Dies geschieht in der Regel durch die Futtermittelkontrolleure des LAVES im Rahmen der Betriebskontrollen . Grundsätzlich dürfen solche Mitteilungen nicht dazu führen, dass sich die Unternehmen auf in der Regel unangemeldete Kontrollen einstellen können. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4544 5 9. Wie wird vonseiten der Behörden auf der Grundlage der einschlägigen Landesgebührenordnung sichergestellt, dass es zu keiner Ungleichbehandlung von kleinen und großen Futtermittelunternehmen kommt? Im Rahmen der Kontroll- und Probenplanung des LAVES werden u. a. die hergestellten/gehandelten Futtermittelmengen und -arten berücksichtigt, sodass ein größeres Futtermittelunternehmen entsprechend häufiger kontrolliert wird als ein kleineres Unternehmen mit vergleichbarer Tätigkeitsund Sortimentsstruktur. 10. Wie wird sichergestellt, dass Futtermittelunternehmen mit unterschiedlichster Tätigkeits - und Produktstruktur, für die naturgemäß ein unterschiedlicher Untersuchungsaufwand erforderlich ist, gerecht behandelt werden? Siehe Antworten zu den Fragen 1 und 2. (Ausgegeben am 05.11.2015) Drucksache 17/4544 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3780 Behördenwillkür bei der Futtermittelüberwachung? Anfrage der Abgeordneten Clemens Große Macke, Frank Oesterhelweg und Hans-Heinrich Ehlen (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz