Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4583 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4376 - Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt - Was ist zu veranlassen, um rechtzeitig eine verfassungskonforme Neuregelung gesetzlich zu verankern? Anfrage der Abgeordneten Renate Geuter (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 05.10.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 08.10.2015 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 06.11.2015, gezeichnet Peter-Jürgen Schneider Vorbemerkung der Abgeordneten Das BVerfG hat mit Beschluss vom 23.06.2015 entschieden, dass die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht mit dem Gleichheitssatz nach Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, und hat den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 30.06.2016 und rückwirkend zum 01.01.2009 eine Neuregelung zu treffen. Von dem Beschluss sind bestimmte Umwandlungen, Einbringungen, Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, Übertragungen von Anteilen an Gesellschaften und Fälle, in denen eine Gegenleistung nicht vorhanden oder zu ermitteln ist, betroffen. Die Unvereinbarkeit rührt daher, dass die Ersatzbemessungsgrundlage (Grundbesitzwert nach § 8 Abs. 2 GrEStG i. V. m. §§ 138 ff. BewG) Ergebnisse erzielt, die in der Regel deutlich unter den an dem Verkehrswert orientierten Werten der Regelbemessungsgrundlage (Gegenleistung, insbesondere Kaufpreis nach §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) liegen. Die Folge ist eine nach Auffassung des BVerfG nicht gerechtfertigte und dem Grundsatz der Lastengleichheit nicht genügende Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen. 1. Welcher gesetzliche Änderungsbedarf ergibt sich aus Sicht der Landesregierung aufgrund des BVerfG-Urteils für eine verfassungskonforme Neuregelung der Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer? Das Grunderwerbsteuerrecht ist Bundesrecht. Daher wird die Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG bundeseinheitlich neu geregelt. Für die Schaffung einer verfassungskonformen Neuregelung der Ersatzbemessungsgrundlage ist es erforderlich, dass die Neuregelung die vom BVerfG eingeforderte Annäherung der als Ersatzbemessungsgrundlage ermittelten Werte an den gemeinen Wert und damit an die Regelbemessungsgrundlage gewährleistet. Die Neuregelung ist Bestandteil des am 24.09.2015 vom Bundestag beschlossenen Steueränderungsgesetzes 2015 (StÄndG 2015) und dort in Artikel 6 Nrn. 1 a und 1 b und Nr. 3 aufgeführt (vormals „Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ [ZollkodexAnpG]). Die Neuregelung umfasst nunmehr den Verweis über § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG auf die durch das Erbschaftsteuerreformgesetz mit Wirkung ab dem 01.01.2009 für Zwecke der Erbschaftsteuer neu geschaffenen Bewertungsvorschriften im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4583 2 § 157 Abs. 1 bis 3 BewG sowie Folgeänderungen. Die Werte dieser sogenannten Bedarfsbewertung nähern sich dem gemeinen Wert an und entsprechen somit den Vorgaben des BVerfG. 2. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, bei einer gesetzlichen Neuregelung bisherigen Gestaltungsmodellen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer wirksam zu begegnen , und, wenn ja, welchen? Grundsätzlich ist es zu befürworten, Gestaltungsmodellen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer im Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung wirksam zu begegnen. Allerdings sind weder in Bezug auf die vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Ersatzbemessungsgrundlage noch in Bezug auf die vorgesehene Neuregelung derartige Gestaltungsmöglichkeiten bekannt. Ein konkreter erweiterter Handlungsbedarf ist daher nicht gegeben. 3. Inwieweit sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, für Steuerfälle ab dem 01.01.2009 für Betroffene nachteilige Folgen durch Regelungen zum Vertrauensschutz abzuwenden? Der Vertrauensschutz für abgeschlossene Steuerfälle ist umfassend durch § 176 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Hinsichtlich der Regelungen zum Vertrauensschutz sind folgende Fallkonstellationen zu unterscheiden: Für betroffene Fälle, in denen bereits eine erstmalige, (formell) bestandskräftige Steuerfestsetzung /Feststellung ergangen ist, ist der den Vertrauensschutz abbildende § 176 AO zu beachten. Eine verbösernde Änderung der Festsetzung/Feststellung ist hierdurch ausgeschlossen. Unbeachtlich ist es, wenn die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig ergangen sind. Letzteres trifft insbesondere für die ab Mitte 2011 ergangenen Folge- und Grundlagenbescheide hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ersatzbemessungsgrundlage (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO) zu. Für eine erstmalige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Feststellung, die der Steuerpflichtige außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten hat und die daher noch nicht bestandskräftig ist, besteht der Vertrauensschutz im Sinne des § 176 AO grundsätzlich nicht. In diesem Fall kann der Einspruchsführer aber durch eine Rücknahme seines Einspruchs eine Verböserung der angefochtenen Steuerfestsetzung verhindern. Entsprechendes gilt für eine erstmalige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Feststellung, die der Steuerpflichtige gerichtlich angefochten hat und die daher noch nicht bestandskräftig ist. In diesem Fall kann das Finanzgericht die Steuerfestsetzung zwar nicht verbösern, es kann aber einer anderweitig begründeten Klage die rückwirkende Neuregelung saldierend gegenüberstellen. Hier kann der Kläger durch Rücknahme der Klage eine Saldierung verhindern. Für Fälle, die bereits vor dem Beschluss vom 23.06.2015 verwirklicht worden sind, in denen aber noch kein Bescheid ergangen ist, besteht der Vertrauensschutz im Sinne des § 176 AO grundsätzlich nicht. Dieser könnte nur dann gegeben sein, wenn anderweitig ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (z. B. verbindliche Auskunft). (Ausgegeben am 12.11.2015) Drucksache 17/4583 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4376 Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt - Was ist zu veranlassen, um rechtzeitig eine verfassungskonforme Neuregelung gesetzlich zu verankern? Anfrage der Abgeordneten Renate Geuter (SPD) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums