Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4584 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4369 - Wie viele Tötungsdelikte wurden in Hannover begangen? Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 06.10.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 08.10.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 09.11.2015, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung des Abgeordneten Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete am 30. September 2015 unter der Überschrift „Jeden Monat ein Mord“ über die steigende Zahl von Tötungsdelikten in der niedersächsischen Hauptstadt: „Die Zahl der Tötungsdelikte in Hannover hat einen Höchststand erreicht. In den ersten neun Monaten des Jahres kamen mehr Menschen gewaltsam ums Leben als in den zwölf Monaten des Vorjahres. Für das Jahr 2015 verzeichnet die Polizei in ihrer Statistik neun Tötungsdelikte - jeden Monat eines. Im gesamten vergangenen Jahr starben acht Menschen in Hannover einen gewaltsamen Tod. Das ist die höchste Zahl seit 2007.“ Vorbemerkung der Landesregierung Da in dem der Anfrage zugrunde liegenden Presseartikel sowohl Tötungsdelikte aus der Landeshauptstadt Hannover als auch aus der Region Hannover (außerhalb der Landeshauptstadt Hannover ) aufgeführt werden, wurden die Zahlen für beide Bereiche erhoben. Zur Beantwortung der Fragen sind sinnvollerweise zwei unterschiedliche Statistiken, die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) und die Eingangsstatistik, die sich aus dem Vorgangsbearbeitungssystem (VBS) NIVADIS ergibt, heranzuziehen. Bei der PKS werden Delikte abschließend erst dann erfasst, wenn diese von der Polizei an die Staatsanwaltschaft endabgegeben werden (Ausgangsstatistik). In der Eingangsstatistik werden Delikte unmittelbar nach dem Anlegen der Delikte bzw. eines Vorgangs in NIVADIS erfasst. Insbesondere bei Tötungsdelikten kommt es häufig zu umfangreichen Ermittlungen, die einer längeren Bearbeitungszeit bedürfen. Zudem kommt es im Verlauf von Ermittlungen häufig zu neuen Erkenntnissen (z. B. durch Einlassungen der/des ermittelten Tatverdächtigen) und nach Bewertungen der Staatsanwaltschaft zu Änderungen des zunächst angenommen Straftatbestandes. Die Zahl der in einem Jahr erfassten (Eingangsstatistik) Delikte muss deshalb nicht gleich der Anzahl der in einem Jahr endabgegebenen Delikte (Ausgangsstatistik) sein. Die Eingangsstatistik ist rückwirkend nur bis ins Jahr 2005 vorhanden. Die Zahlen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 liegen jedoch aufgrund der Umstellung vom VBS MIKADO auf das aktuelle Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS nicht vollständig vor. Belastbare Zahlen sind erst ab dem Jahr 2008 vorhanden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4584 2 1. Wie viele Tötungsdelikte gab es in den Jahren 2003 bis 2015 in Hannover (bitte nach Jahren auflisten)? Die Anzahl der in einem Jahr erfassten Tötungsdelikte ergibt sich aus der Eingangsstatistik (siehe Vorbemerkung). Den folgenden Aufstellungen können die Anzahl der Tötungsdelikte für die Landeshauptstadt Hannover und die PD Hannover (gesamte Region Hannover) entnommen werden. 2. Wie hoch ist die Aufklärungsquote bezüglich der Tötungsdelikte in den Jahren 2003 bis 2015 in Hannover (bitte nach Jahren auflisten)? Die Aufklärungsquote ergibt sich aus der PKS (Ausgangsstatistik - siehe Vorbemerkung). Sie ist für das Jahr 2015 noch nicht abschließend zu beantworten (Stand: 13.10.2015) da sie, wie auch die Zahl der PKS-Delikte, bis zur Festschreibung der PKS, noch möglichen Veränderungen (z. B. durch Ermittlungsergebnisse) unterliegt. Die Aufklärungsquote kann über 100 % liegen, wenn Taten aus den Vorjahren zusätzlich aufgeklärt werden und auf der Grundlage bundeseinheitlich vereinbarter Richtlinien zur PKS im aktuellen Berichtsjahr abgebildet werden. Hannover, Landeshauptstadt Stand: 13.10.15 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Versuch 4 7 8 12 7 1 6 0 3 4 6 4 1 Vollendet 4 5 6 1 4 2 2 2 1 1 1 2 6 Summe 8 12 14 13 11 3 8 2 4 5 7 6 7 Versuch 23 19 13 30 18 20 9 14 19 11 14 13 9 Vollendet 5 2 7 7 3 2 3 3 5 1 4 3 2 Summe 28 21 20 37 21 22 12 17 24 12 18 16 11 Versuch 27 26 21 42 25 21 15 14 22 15 20 17 10 Vollendet 9 7 13 8 7 4 5 5 6 2 5 5 8 Gesamtzahl 36 33 34 50 32 25 20 19 28 17 25 22 18 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 01.... Mord § 211 StGB AQ 100,00% 91,67% 92,86% 92,31% 109,09% 100,00% 87,50% 100,00% 100,00% 100,00% 85,71% 100,00% 85,71% 02.... Totschlag und Tötung auf Verlangen §§ 212, 213, 216 StGBAQ 96,43% 90,48% 85,00% 97,30% 100,00% 90,91% 83,33% 111,76% 95,83% 100,00% 105,56% 93,75% 63,64% Summe AQ 97,22% 90,91% 88,24% 96,00% 103,13% 92,00% 85,00% 110,53% 96,43% 100,00% 100,00% 95,45% 72,22% Aufklärungsquote Landeshauptstadt Anzahl bekannt gewordener Fälle 01.... Mord § 211 StGB 02.... Totschlag und Tötung auf Verlangen §§ 212, 213, 216 StGB Summe Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4584 3 3. Welche Maßnahmen ergriff die Landesregierung bisher und wird die Landesregierung in Zukunft ergreifen, um die Anzahl der Tötungsdelikte in Hannover zu senken? Der allgemeinen Forschungslage folgend, gibt es eine Vielzahl von Ursachen, Entstehungsbedingungen und Risiken, die in Mord- und Totschlagsdelikte münden können. Dieses Wissen wird auch für verbesserte Interventions- und Vorbeugungsstrategien nutzbar gemacht . Vergleichsweise vielversprechend erscheinen Ansätze zur Verhinderung von Gewalteskalationen in Paarbeziehungen (Intimizide). Auf Niedersachsen bezogen waren im Berichtszeitraum 2012 bis 2013 37,50 % der Opfer von Tötungsdelikten mit dem Täter verwandt (Ehe, Partnerschaft, Familie einschließlich Angehörige). 29,17 % der Opfer waren Bekannte des Täters, weitere 11,11 % hatten eine flüchtige Vorbeziehung . Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Opfer zum Großteil verwandt bzw. bekannt mit dem Täter waren. Lediglich 17,55 % der Opfer hatten 2012 keine bzw. eine ungeklärte Beziehung zum Täter. 2013 waren es 22,22 % und 2014 insgesamt 29,21 %. 36,24 % der Opfer des Zeitraums 2012 bis 2014 lebten darüber hinaus mit dem Täter in einem gemeinsamen Haushalt. Lediglich 28,44 % der Opfer hatten gar keine räumliche und/oder soziale Nähe zum Täter bzw. die soziale Beziehung konnte nicht aufgeklärt werden. Es ist daher naheliegend, dass sich Präventionsbemühungen auf Delikte im sozialen Nahfeld konzentrieren . Ein Teil der bisher vorliegenden Erkenntnisse über die sogenannten Intimizide lässt den Schluss zu, dass es im Vorfeld solcher Taten Entwicklungen und Ereignisse geben kann, die als Warnsignale für eine tödliche Eskalation identifiziert werden können. Anknüpfend an diese Befunde wurden Handlungsorientierungen für die interdisziplinäre Kooperation zur Deeskalation bei häuslicher Gewalt und Stalking entwickelt und herausgegeben (siehe auch: http://lpr.niedersachsen.de/nano.cms/ publikationen?begriff=Gewaltpr%E4vention%20und%20Opferschutz). In diesem Zusammenhang hat sich unter niedersächsischer Beteiligung eine Bund-Länder-Projektgruppe von Polizeiexpertinnen und Polizeiexperten im Sommer dieses Jahres mit Möglichkeiten zum Erkennen und Verhindern von Hochrisikofällen häuslicher Gewalt und Nachstellung befasst und grundsätzliche Handlungsempfehlungen entwickelt. Zum Schutz potenzieller Verbrechensopfer wurde ferner die polizeiliche Richtlinie „Zeugenschutz und zeugenschutzähnliche Maßnahmen bei herausragenden Gefährdungssachverhalten“ des Landeskriminalamts Niedersachsen entwickelt. Sie beinhaltet auch die Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen für hochgefährdete Personen. PD Hannover Stand: 13.10.15 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Versuch 4 7 12 14 12 4 9 0 5 5 8 6 1 Vollendet 11 6 11 5 6 3 4 3 2 2 1 2 6 Summe 15 13 23 19 18 7 13 3 7 7 9 8 7 Versuch 28 27 18 47 24 28 14 26 29 18 17 15 16 Vollendet 21 6 10 7 5 4 3 5 6 2 5 6 2 Summe 49 33 28 54 29 32 17 31 35 20 22 21 18 Versuch 32 34 30 61 36 32 23 26 34 23 25 21 17 Vollendet 32 12 21 12 11 7 7 8 8 4 6 8 8 Gesamtzahl 64 46 51 73 47 39 30 34 42 27 31 29 25 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 01.... Mord § 211 StGB AQ 100,00% 92,31% 91,30% 94,74% 105,56% 100,00% 92,31% 100,00% 100,00% 100,00% 88,89% 87,50% 85,71% 02.... Totschlag und Tötung auf Verlangen §§ 212, 213, 216 StGBAQ 97,96% 90,91% 89,29% 98,15% 100,00% 90,63% 94,12% 103,23% 97,14% 100,00% 104,55% 95,24% 77,78% Summe AQ 98,44% 91,30% 90,20% 97,26% 102,13% 92,31% 93,33% 102,94% 97,62% 100,00% 100,00% 93,10% 80,00% Anzahl bekannt gewordener Fälle 01.... Mord § 211 StGB 02.... Totschlag und Tötung auf Verlangen §§ 212, 213, 216 StGB Summe Aufklärungsquote PD Hannover (Ausgegeben am 12.11.2015) Drucksache 17/4584 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4369 Wie viele Tötungsdelikte wurden in Hannover begangen? Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport