Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4666 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4451 - Vorermittlungen und die Aktenordnung im Zusammenhang mit der „VW-Abgasaffäre“ Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Jörg Bode, Christian Dürr und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 16.10.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 22.10.2015 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 23.11.2015, gezeichnet Antje Niewisch-Lennartz Vorbemerkung der Abgeordneten In ihrer Antwort auf die Dringliche Anfrage der FDP-Fraktion in der 76. Plenarsitzung am 14. Oktober 2015 „‚VW-Abgasaffäre‘ - Hat die Landesregierung Einfluss auf die Staatsanwaltschaft Braunschweig genommen?“ hat Frau Ministerin Niewisch-Lennartz ausgeführt, dass in der Aktenordnung nicht zwischen Vorermittlungsverfahren und Ermittlungsverfahren nach Bestätigung eines Anfangsverdachts unterschieden werde. Laut einem Bericht der Braunschweiger Zeitung vom 15.10.2015 („Grüne Justizministerin entschuldigt sich bei Winterkorn“) erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, dass es früher für Vorermittlungen ein AR-Aktenzeichen gegeben habe, dies aber nun nach einer Änderung der Vorschriften anders sei. Die einschlägige Kommentarliteratur sieht vor, dass Vorermittlungsverfahren als AR-Sachen einzutragen sind (vgl. Pfeiffer, StPO, 2005, § 152, Rn. 1c; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung , 2013, § 152, Rn. 10). Die Ministerin, so heißt es in der Antwort auf die o. g. Dringliche Anfrage weiter, habe die Prüfung einer Änderung der Aktenordnung und des entsprechenden Formularwesens veranlasst. Vorbemerkung der Landesregierung Die Erfassung von Geschäftsvorgängen in Registern der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Niedersachsen erfolgt nach den Vorschriften der Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften - Aktenordnung (AktO) - (AV d. MJ v. 16.1.2014 (1454 - 102.12), Nds. Rpfl. 2014, S. 46). Die Aktenordnung ist seit dem Jahr 1968 bundeseinheitlich geregelt und wird unter der Federführung der Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen zwischen den Landesjustizverwaltungen abgestimmt. Es bestehen neben den bundeseinheitlichen Regelungen noch länderspezifische Zusatzbestimmungen . Für die Staatsanwaltschaften gelten neben den allgemeinen Bestimmungen die Regelungen des Abschnitts IV der Aktenordnung; beide Regelungskomplexe sind bundeseinheitlich. § 47 Abs. 1 Satz 1 AktO bestimmt, dass bei der Staatsanwaltschaft das Register für Strafsachen und Bußgeldsachen Js (Liste 32)/UJs (Liste 33) geführt wird. In dieses Register sind u. a. nach § 47 Abs. 1 Satz 2 lit. b) AktO eingehende Anzeigen, die sich gegen eine bestimmte Person richten , einzutragen. Für die Gerichte und Staatsanwaltschaften gilt darüber hinaus ergänzend die allgemeine Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 AktO, der sich auf die Erfassung von Vorgängen unter dem Registerzeichen AR bezieht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4666 2 1. Wann wurde die Aktenordnung wie geändert, sodass Vorermittlungen nicht mehr als AR-Sachen einzutragen sind? Es hat keine Änderungen der einschlägigen Vorschriften der Aktenordnung gegeben. 2. Wir sieht die angekündigte Prüfung der Aktenordnung und des entsprechenden Formularwesens im Detail aus? Die Erfassung von Ermittlungsvorgängen in Registern ist zunächst Gegenstand der Erörterungen während der Ende November 2015 stattfindenden Dienstbesprechung des Justizministeriums mit den Generalstaatsanwälten und den Leitenden Oberstaatsanwältinnen und den Leitenden Oberstaatsanwälten . Es wird erörtert, ob sich die von der Aktenordnung vorgesehene Eintragung in das Js-Register aus Sicht der staatsanwaltschaftlichen Praxis bewährt hat oder ob gegebenenfalls Änderungen für erforderlich erachtet werden. Dabei werden auch die Einleitungsverfügungen (Formulare ) der Staatsanwaltschaften und die darauf beruhenden Eingaben in das staatsanwaltschaftliche Vorgangsbearbeitungssystem web.sta und in das Textverarbeitungsprogramm eStA betrachtet. Auf der Grundlage dieser Erörterungen erfolgt die weitere Prüfung durch das Niedersächsische Justizministerium . 3. Mit welcher Zielrichtung wird die Prüfung betrieben? Die Prüfung erfolgt ergebnisoffen. 4. Wann wird diese Prüfung abgeschlossen sein? Das lässt sich noch nicht konkret vorhersagen. 5. Wie gestaltete sich die staatsanwaltliche Praxis bezüglich der Eintragung von Vorermittlungen im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig in der Vergangenheit ? Zur staatsanwaltschaftlichen Praxis der Eintragung von Vorermittlungen in der Vergangenheit wie in der Gegenwart hat die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig für ihren Bezirk wie folgt berichtet : „Ein Vorermittlungsverfahren kennt die Strafprozessordnung nicht. Auch in der Aktenordnung werden Vorermittlungen nicht erwähnt. Indessen ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen und gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 152 Abs. 2 StPO). Sobald sie durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen (§ 160 Abs. 1 StPO). Die staatsanwaltschaftliche Praxis im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig orientiert sich bei der Eintragung an der Aktenordnung: In das Register für Strafsachen und Bußgeldsachen Js (Liste 32) (…) werden u. a. Anträge auf Strafverfolgung, eingehende Anzeigen, die sich gegen eine bestimmte Person richten, und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Amts wegen eingetragen, und zwar unabhängig von einem Anfangsverdacht gegen die von dem Anzeigeerstatter beschuldigte Person (§ 47 Abs. 1 Satz 2 lit. a) bis c) AktO). Der Anfangsverdacht wird in dem Js-Verfahren geprüft. Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, in denen ein Beschuldigter nicht genannt ist, werden in ein vereinfachtes Register UJs eingetragen, und zwar auch dann, wenn seitens der Staatsanwaltschaft ermittelt wird. In das Js-Register werden Verfahren gegen Unbekannt erst übernommen, wenn gegen einen namentlich bezeichneten Beschuldigten ermittelt wird (§ 47 Abs. 3 AktO). Gemäß Zusatzbestimmung Nr. 4 zu § 47 AktO werden Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt allerdings in das Js-Register eingetragen, wenn sie sich wegen der Bedeutung des Schuldvorwurfs oder aus Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4666 3 sonstigen Gründen nicht für eine Bearbeitung in der zentralen Abteilung der Geschäftsstelle eignen . Daneben wird bei den Staatsanwaltschaften das Registerzeichen AR verwendet. Darunter sind alle Vorgänge zu erfassen, bei denen es zweifelhaft ist, ob sie zu angelegten oder noch anzulegenden Akten zu nehmen oder unter welchem Registerzeichen sie zu erfassen sind (§ 8 Abs. 1 S. 1 AktO). Mitteilungen, die nicht auf Einleitung eines Strafverfahrens abzielen, werden bei den Staatsanwaltschaften ebenfalls in das Allgemeine Register AR eingetragen. Veranlasst die Staatsanwaltschaft Ermittlungen, so wird die Sache in das Js-Register umgetragen (§ 47 Abs. 5 AktO). Randnummer 22 der Anlage B zur ländereinheitlichen Handreichung zur Eintragungspraxis der Staatsanwaltschaften präzisiert die Pflicht zur Eintragung in das AR-Register wie folgt: ‚Eine Eintragung ins Js-Register unterbleibt nur dann, wenn kein Straftatbestand erkennbar ist, unter den die Anzeige subsumiert werden kann; insoweit steht dem sachbearbeitenden Staatsanwalt ein Beurteilungsspielraum zu. In diesem Fall hat eine Eintragung des Verfahrens gegen den Beschuldigten im Allgemeinen Register (AR) zu erfolgen. Wird dagegen ein Sachverhalt angezeigt, der nach dem Sachvortrag unter einen Straftatbestand subsumiert werden kann, so ist dieses Verfahren in das Js-Register einzutragen. Dies gilt auch für querulatorische Anzeigen.‘“ (Ausgegeben am 27.11.2015) Drucksache 17/4666 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortungmit Antwort der Landesregierung- Drucksache 17/4451 Vorermittlungen und die Aktenordnung im Zusammenhang mit der „VW-Abgasaffäre“ Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Jörg Bode, Christian Dürrund Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums