Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4310 - Flüchtlinge und Arbeitsmarkt - Was weiß die Landesregierung? Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 23.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 28.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 24.11.2015, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Am 16.03.2015 berichtete die Welt unter der Überschrift „Deutschlands erster Talentscout für Flüchtlinge“, die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen habe an mehreren Standorten ein Pilotprojekt initiiert, um Flüchtlinge mit Berufsqualifikationen zu finden, die als Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt integriert werden können. Ziel der Talentscouts sei es, qualifizierten Asylbewerbern die Möglichkeit zu geben, eigenes Geld zu verdienen, einen geregelten Tagesablauf zu erhalten und sich in der deutschen Gesellschaft erfolgreich zu integrieren. Abgefragt werde nach Schulabschlüssen , Berufsausbildung, Arbeitserfahrungen und Sprachkenntnissen. Der Kreis der potenziellen Förderkandidaten sei dabei grundsätzlich auf Menschen aus Ländern wie Syrien oder dem Iran beschränkt , da nur hier eine gute Chance auf einen dauerhaften Aufenthaltstitel bestehe. Durch die Talentscouts könne ein großer Pool von sehr gut ausgebildeten Fachkräften erschlossen werden. Die IHK München und Oberbayern hat im April 2015 in einem Artikel „Flüchtlinge - Fachkräftepotenzial erkennen“ darauf hingewiesen, dass bereits im Kontext des ESF-Bundesprogramm „XENOS - Arbeitsmarktliche Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit Zugang zum Arbeitsmarkt “ im Jahr 2014 eine Qualifikationserhebung stattgefunden habe, wonach rund ein Fünftel der Befragten in ihrem Herkunftsland eine absolvierte Berufsausbildung vorzuweisen habe, etwa auch im Elektro-, Metall- oder Baubereich. Weitere 12 % haben ein Studium begonnen oder abgeschlossen . Am 05.02.2014 berichtete The European unter der Überschrift „Die unsichtbare Arbeitskraft“ über die geplante Kooperation Niedersachsens mit der Bundesagentur für Arbeit, eine Erhebung über die Qualifikationen und Entwicklungspotenziale einreisender Asylsuchender durchzuführen. Vorbemerkung der Landesregierung Um Flüchtlingen einen möglichst frühzeitigen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ist es ein besonderes Anliegen der Landesregierung, die vorhandenen Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale schon sehr frühzeitig, bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, zu identifizieren. Dabei ist ein wichtiges Ziel, es den nach Verlassen der Aufnahmeeinrichtungen zuständigen Stellen zu erleichtern, die zur weiteren schulischen und beruflichen Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt erforderlichen Maßnahmen ohne Zeitverzögerung zu ergreifen. Ein zügiger Zugang zum Arbeitsmarkt erhöht nach Einschätzung der Landesregierung die Chancen einer gesellschaftlichen Integration von Flüchtlingen, vermeidet den Bezug von Sozialleistungen und kann einen Beitrag zur Fachkräftesicherung darstellen. Einen besonderen Stellenwert nimmt in diesem Zusammenhang die frühzeitige Sprachförderung von Asylsuchenden und Flüchtlingen ein, für die sich die Landesregierung seit Langem und wiederholt gegenüber dem Bund eingesetzt hat. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 2 1. In welcher Form werden aktuell von Asylbewerbern Sprachkompetenzen - orientiert am europäischen Referenzrahmen für Sprachen - abgefragt? Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter setzen gesprächsbasierte Verfahren für die Ermittlung der mündlichen Deutschkenntnisse ein. Hierdurch können erste Aussagen zum Sprachstand bereits zu einem frühen Zeitpunkt getroffen werden, vor allem bei Asylsuchenden und Flüchtlingen, die noch über keine schriftlichen Deutschkenntnisse verfügen. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter führen als standardisierte Dienstleistung Deutschtests durch. Dabei werden vorhandene schriftliche Deutschkenntnisse anhand von schriftlichen Tests gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) eingestuft. 2. In welcher Form werden aktuell von Asylbewerbern berufliche Qualifikationen abgefragt ? 3. In welcher Form werden aktuell von Asylbewerbern akademische Qualifikationen abgefragt ? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Die Landesregierung führt seit Juli 2015 in Kooperation mit der Regionaldirektion Niedersachsen- Bremen der Bundesagentur für Arbeit das Projekt „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen “ an den vier Standorten der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (Braunschweig, Friedland, Bramsche, Osnabrück) durch. Im Rahmen des Projektes erfolgt auf freiwilliger Basis eine berufliche Kompetenzabfrage bei volljährigen Asylsuchenden und Flüchtlingen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, sofern der Sozialdienst der Erstaufnahmeeinrichtung das Vorhandensein schulischer, beruflicher und akademischer Qualifikationen erfragt hat und eine Bleibeperspektive vorliegt. Die in diesem Erstgespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit unter Beteiligung von Sprachmittlern festgestellten Kompetenzen und Qualifikationen werden im EDV-System der Behörde „verbis“ festgehalten und stehen als Kundenprofil allen Arbeitsagenturen bzw. Jobcentern zur Verfügung, sodass bei erneuter Vorstellung des Asylsuchenden bzw. Flüchtlings bei der Arbeitsverwaltung auf kommunaler Ebene darauf zurückgegriffen und an die Feststellungen angeknüpft werden kann. Im gemeinsamen Modellprojekt „Early Intervention“ von Bundesagentur für Arbeit, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem vom Europäischen Sozialfonds geförderten Bundesprogramm „XENOS - Arbeitsmarktliche Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge“ werden frühzeitig Potenziale für den Arbeitsmarkt identifiziert und gezielt Arbeitsvermittlungsdienstleistungen bereitgestellt . Asylsuchende und Flüchtlinge können so frühzeitig und zugeschnitten auf ihr Qualifikationsprofil in Prozesse und Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration einbezogen werden. Vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge identifizierte Asylsuchende erteilen der Bundesagentur für Arbeit freiwillig über Beruf, Abschlüsse und wesentliche Stationen ihres Lebenslaufes Auskunft. Auf dieser Grundlage erfolgt anschließend die Vorauswahl durch die Arbeitsvermittlung in der zuständigen Agentur für Arbeit. Mit den nachfolgenden Erstgesprächen werden die Asylbewerberinnen und Asylbewerber in den regulären Vermittlungsprozess einbezogen. Das Modellprojekt „Early Intervention “ wird in Niedersachsen am Standort Hannover durchgeführt. Auch außerhalb der genannten Modellprojekte greift die Arbeitsverwaltung auf bedarfsgerechte Angebote zur Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zurück und erfasst im Rahmen ihrer Beratungs- und Vermittlungstätigkeit die beruflichen und akademischen Qualifikationen von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) verfügen mittlerweile flächendeckend über besonders spezialisierte Arbeitsvermittlungsfachkräfte , die aufbauend auf einem Erstgespräch (gegebenenfalls bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung im Rahmen des Projekts „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen“) mit den Asylsuchenden bzw. Flüchtlingen eine Lotsenfunktion in den weiteren Gesprächen wahrnehmen. Bei der Beratung erfolgt die Abfrage der beruflichen Qualifikationen über eine Selbstauskunft der Asylsuchenden. Bei den Jobcentern in kommunaler Trägerschaft gibt es ähnliche Strukturen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 3 Bei Asylsuchenden und Geduldeten mit Arbeitsmarktzugang und Asylberechtigten sowie anerkannten Flüchtlingen, bei denen die Voraussetzungen des § 7 SGB II erfüllt sind, soll die Beratungs- und Vermittlungsarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung zur Identifizierung von beruflichen Qualifikationen durch zielgruppenspezifische arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Projekte unterstützt werden. Den Agenturen für Arbeit und Jobcentern (gemeinsamen Einrichtungen) steht ferner das auf die spezifischen Bedürfnisse des Personenkreises ausgerichtete neue Produkt „Perspektiven für Flüchtlinge - Potenziale identifizieren, Integrationen ermöglichen (PerF)“ im Rahmen einer Maßnahme gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III bzw. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 45 SGB III zur Verfügung . Diese arbeitsmarktpolitische Maßnahme hat zum Ziel, Potenziale von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu erheben und für den Arbeitsmarkt zu nutzen. Neben einer Kompetenzfeststellung soll dadurch über Rahmenbedingungen des deutschen Arbeitsmarktes informiert und sollen Bewerbungsaktivitäten unterstützt werden. Die Kompetenzfeststellung erfolgt möglichst bei Arbeitgebern , um die Teilnehmenden auf die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland im sogenannten Echtbetrieb vorzubereiten. Während der gesamten Maßnahmedauer werden berufsbezogene deutsche Sprachkenntnisse vermittelt und vertieft. Am Ende der Maßnahme bekommen die Agenturen für Arbeit und Jobcenter (gemeinsamen Einrichtungen) einen individuellen Bericht, der Aussagen zu den berufsfachlichen Kenntnissen und Stärken des Teilnehmenden enthält. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) im Bezirk der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen haben im bundesweiten Bestellverfahren der Bundesagentur für Arbeit dieses Produkt berücksichtigt. Darüber hinaus sind durch die Agenturen für Arbeit und Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) jederzeit weitere individuelle Bestellungen zum bedarfsgerechten Einsatz der Maßnahme möglich. Die Umsetzung des Angebotes beginnt ab Ende Oktober 2015. Die Jobcenter in kommunaler Trägerschaft können vergleichbare Maßnahmen initiieren und nutzen. 4. Wann und in welcher Einrichtung (Landesaufnahmebehörde oder nach Verteilung auf die Kommune) werden aktuell sprachliche Qualifikationen abgefragt? Die sprachlichen Qualifikationen der Asylsuchenden und Flüchtlinge werden zunächst vom Sozialdienst der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen im Rahmen eines Perspektivengesprächs auf Basis einer Selbstauskunft erfragt und im Perspektivenbogen festgehalten. In den Beratungsgesprächen mit den Vermittlungsfachkräften der Bundesagentur für Arbeit werden die sprachlichen Qualifikationen erfragt beziehungsweise die geeigneten Maßnahmen zur Ermittlung gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) eingeleitet. 5. Wann und in welcher Einrichtung (Landesaufnahmebehörde oder nach Verteilung auf die Kommune) werden aktuell berufliche Qualifikationen abgefragt? Die beruflichen Qualifikationen der Asylsuchenden und Flüchtlinge werden zunächst vom Sozialdienst der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen im Rahmen eines Perspektivengesprächs auf Basis einer Selbstauskunft erfragt und im Perspektivenbogen festgehalten. Die beruflichen Qualifikationen der Asylsuchenden und Flüchtlinge werden ferner im Beratungsgespräch mit den Vermittlungsfachkräften der Bundesagentur für Arbeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen an den Standorten Bramsche, Braunschweig, Friedland und Osnabrück erfragt, soweit die Personen volljährig sind, sie einen Qualifikationshintergrund haben, eine Bleibeperspektive vorliegt und die Kapazitäten des Projektes „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen“ ausreichen. Ansonsten erfolgt dieses Gespräch in den Arbeitsagenturen oder Jobcentern, wenn Asylsuchende bzw. Flüchtlinge nach Zuteilung an eine Kommune dort als Kunden vorstellig werden. Der Zeitpunkt des ersten Beratungsgespräches ist somit unterschiedlich, es erfolgt teilweise bereits wenige Tage nach der Ankunft der Asylsuchenden und Flüchtlinge. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 4 6. Wann und in welcher Einrichtung (Landesaufnahmebehörde oder nach Verteilung auf die Kommune) werden aktuell akademische Qualifikationen abgefragt? Die akademischen Qualifikationen der Asylsuchenden und Flüchtlinge werden zunächst vom Sozialdienst der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen im Rahmen eines Perspektivengesprächs auf Basis einer Selbstauskunft erfragt und im Perspektivenbogen festgehalten. Die akademischen Qualifikationen der Asylsuchenden und Flüchtlinge werden ferner im Beratungsgespräch mit den Vermittlungsfachkräften der Bundesagentur für Arbeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen an den Standorten Bramsche, Braunschweig , Friedland und Osnabrück erfragt, soweit die Personen volljährig sind, sie einen Qualifikationshintergrund haben, eine Bleibeperspektive vorliegt und die Kapazitäten des Projektes „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen“ ausreichen. Ansonsten erfolgt dieses Gespräch in den Arbeitsagenturen oder Jobcentern, wenn Asylsuchende bzw. Flüchtlinge nach Zuteilung an eine Kommune dort als Kunden vorstellig werden. Der Zeitpunkt des ersten Beratungsgespräches ist somit unterschiedlich, es erfolgt teilweise bereits wenige Tage nach der Ankunft der Asylsuchenden und Flüchtlinge. 7. An welcher Stelle werden die aus den Fragen 1 bis 6 gesammelten Erkenntnisse zusammengeführt ? Die gesammelten personenbezogenen Erkenntnisse werden in der IT der Bundesagentur für Arbeit zusammengeführt. 8. In welchem Stadium und durch wen erfolgt die Anerkennung der Gleichwertigkeit beruflicher Qualifikationen? Im Jahr 2012 wurde mit dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz des Bundes (BQFG) für die bundesrechtlich geregelten Berufe und dem Niedersächsischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (NBQFG) für die landesrechtlich geregelten Berufe erstmals ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Prüfung der Gleichwertigkeit einer ausländischen Berufsqualifikation mit einem deutschen Referenzberuf geschaffen. Daneben bestehen berufsspezifische Anerkennungsvorschriften. Die berufliche Anerkennung ist Voraussetzung zur Berufsaufnahme in reglementierten Berufen. In nicht-reglementierten Berufen erleichtert die Anerkennung den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt , indem die vorhandenen Qualifikationen in einem Bescheid festgestellt werden. Damit bietet sich auch die Möglichkeit, gegebenenfalls bestehende Unterschiede zu kompensieren. Das Anerkennungsverfahren nach BQFG und NBQFG erfolgt rechtlich losgelöst von dem aufenthaltsrechtlichen Status der Betroffenen. Im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens werden ausschließlich berufliche Qualifikationen geprüft und festgestellt. So lässt sich ein Anerkennungsverfahren auch aus dem Ausland betreiben, wenn die Absicht dargelegt wird, in Niedersachsen berufstätig werden zu wollen. Die berufliche Anerkennung ist somit nicht an ein bestimmtes Stadium im Zuwanderungsprozess gebunden. Das Verfahren kann durch die Anerkennungsinteressierten vor der Einreise, mit oder zeitnah nach der Ankunft oder erst lange Zeit später eingeleitet werden. Die Gleichwertigkeit einer im Ausland erworbenen Qualifikation mit schulrechtlich geregelten Berufsausbildungen wird von folgenden Stellen geprüft: – nicht reglementierte Berufsqualifikationen durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) der KMK (die Aufgabe wurde mit Wirkung vom 01.02.2015 durch das Kultusministerium auf die ZAB übertragen), – reglementierte Berufsqualifikationen durch die Niedersächsische Landesschulbehörde (Es ist geplant, auch diese Zuständigkeit auf die ZAB zu übertragen), – Lehramtsbefähigungen durch das Kultusministerium. Über die Gleichwertigkeit mit dualen Berufsausbildungen entscheiden die zuständigen Stellen nach dem Berufsbildungsgesetz (IHK, HWK, LWK usw.). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 5 Über die Gleichwertigkeit mit den Gesundheitsfachberufen entscheidet das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie. 9. In welchem Stadium und durch wen erfolgt die Anerkennung der Gleichwertigkeit akademischer Qualifikationen? Es ist zu differenzieren zwischen reglementierten und nicht-reglementierten Berufen. Für die reglementierten akademischen Berufe finden die sogenannten Anerkennungsgesetze, das BQFG und NBQFG, beziehungsweise die einschlägigen berufsspezifischen Bestimmungen Anwendung. Es wird insofern auf die Beantwortung zu Frage 8 verwiesen. Für akademische Qualifikationen in nicht-reglementierten Berufen ist hingegen kein Anerkennungsverfahren vorgesehen, sodass die Aufnahme einer entsprechenden Berufstätigkeit unmittelbar erfolgen kann. Gemäß geltender Rechtslage sind für die Anerkennung ausländischer Schulzeugnisse, mit denen eine Zulassung zu einem Erststudium an einer deutschen Hochschule erfolgen soll, die Hochschulen zuständig. Diese sind auch zuständig für die Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen, die im Ausland erworben wurden. In der Regel wird die Anerkennungs-Prüfung durch Akademische Auslandsämter oder die Studierendenbetreuung an den Hochschulen durchgeführt, Grundlage sind die Hinweise aus der anabin-Datenbank (www.anabin.de). Wurden bereits im Ausland Hochschulabschlüsse erworben, können sich die Absolventinnen und Absolventen dieser Studiengänge in Abhängigkeit ihres Aufenthaltstitels direkt auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben. Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) (http://www.kmk.org/zab/zeugnisbewertungen-fuer-auslaendische-hochschulqualifikationen.html) bietet die Möglichkeit einer Zeugnisbewertung, die den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern kann. Im Falle einer im Herkunftsland abgeschlossenen Berufsqualifikation als Lehrkraft kann jederzeit ein Anerkennungsverfahren beim Kultusministerium beantragt werden. Bei Personen, die nicht aus EU-Staaten stammen, wird die Anerkennung der Gleichwertigkeit der nachgewiesenen Lehrbefähigung nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Gesetzes über die Feststellung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (NBQFG) auf Antrag der ausländischen Lehrkraft durch das Kultusministerium geprüft und - gegebenenfalls nach erfolgreichem Abschluss einer Ausgleichsmaßnahme - ausgesprochen. Bei Personen, die aus EU-Staaten stammen, wird ein entsprechendes Verfahren nach den §§ 36 bis 42 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) durchgeführt. 10. Gibt es in Niedersachsen statistische Erhebungen über sprachliche, berufliche und akademische Qualifikationen von Flüchtlingen (bitte nach Herkunftsland aufschlüsseln )? 11. Falls keine Daten über die sprachliche, berufliche oder akademische Qualifikation von Flüchtlingen erhoben werden, warum erhebt Niedersachsen diese Daten nicht? Die Fragen 10 und 11 werden zusammen beantwortet. Derzeit liegen keine validen und repräsentativen statistischen Erkenntnisse über sprachliche, berufliche und akademische Qualifikationen von Flüchtlingen nach Herkunftsland für Niedersachsen vor. Im Rahmen des Projektes „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen“ werden neben einer Begleitanalyse von Organisation und Ablaufprozessen der Projektumsetzung auch Auswertungen zur Qualifikationsstruktur der Asylsuchenden und Flüchtlinge vorgenommen, deren Kompetenzen im Rahmen des Projektes dokumentiert wurden. Belastbare Gesamtergebnisse werden hierzu voraussichtlich Anfang 2017 vorliegen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 6 12. Gibt es Gespräche mit (potenziellen) Arbeitgebern über die Beschäftigung von Asylbewerbern ? 13. Wenn nein, warum nicht? 14. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 15. Gibt es Gespräche mit (potenziellen) Arbeitgebern über die Beschäftigung von Flüchtlingen ? 16. Wenn nein, warum nicht? 17. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 18. Welche sonstigen Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um Arbeitgeber in Niedersachsen bei der Beschäftigung von Asylbewerbern auf dem Arbeitsmarkt einzubinden ? Die Fragen 12 bis 18 werden zusammen beantwortet. Eine zentrale Bedeutung für eine erfolgreiche gesellschaftliche Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen hat die Integration in Ausbildung und Arbeit. Die Landesregierung hat im Rahmen der Fachkräfteinitiative Niedersachsen bereits frühzeitig einen ständigen Austausch mit den relevanten Arbeitsmarktpartnern etabliert - darunter die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, kommunale Spitzenverbände, Organisationen der Flüchtlingsarbeit und insbesondere auch die Spitzenverbände der Wirtschaft (IHKen, HWKen, UVN). Darüber hinaus wurden verschiedene Förderprojekte der Landesregierung zur Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden und Flüchtlingen gestartet, die auch gezielt darauf ausgerichtet sind, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stärker zur Ausbildung und Beschäftigung der Zielgruppe zu gewinnen und diesbezügliche Unterstützungsbedarfe der Unternehmen zu bedienen. Hierzu gehört beispielsweise das zum 01.11.2015 gestartete „Integrationsprojekt handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber (IHAFA)“ aller sechs Handwerkskammern in Niedersachsen , in dessen Rahmen landesweit interessierte Handwerksbetriebe gezielt zur Bereitstellung von Praktikums- und Ausbildungsplätzen für Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Flüchtlinge aktiviert und beraten werden. Daneben hat mit Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr im November 2015 eine Beratungsstelle für Unternehmen ihre Arbeit aufgenommen, bei der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber per Telefon-hotline und E-Mail zu sämtlichen Fragen rund um Recht und Praxis der Ausbildung und Beschäftigung von Asylsuchenden und Flüchtlingen Informationen und Kontaktpartner für spezielle Beratungsbedarfe erhalten können. Ferner können Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer in den Agenturen für Arbeit und Jobcentern (gemeinsamen Einrichtungen und zugelassene kommunale Träger) jederzeit speziell für den Personenkreis der Asylsuchenden und Flüchtlinge Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsmöglichkeiten abrufen . 19. Im Hinblick auf den Bericht aus The European vom 05.02.2014: Wie ist der Stand der geplanten Kooperation Niedersachsens mit der Bundesanstalt für Arbeit bezüglich einer Erhebung über die Qualifikation und die Entwicklung potenzieller einreisender Asylbewerber? Siehe Antwort zu den Fragen 2 und 3. 20. Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung auf diesem Themenfeld Erkenntnisse und Erfahrungen aus anderen Ländern? 21. Wenn nein, warum nicht? 22. Wenn ja, welche? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 7 Die Fragen 20 bis 22 werden zusammen beantwortet. Der Landesregierung liegen hierzu Erkenntnisse aus dem IAB-Bericht „Flüchtlinge und andere Migranten am deutschen Arbeitsmarkt: Stand September 2015“ vor. Danach liegen gegenwärtig in Deutschland und damit auch in den anderen Ländern noch keine repräsentativen Daten zur Qualifikation von Flüchtlingen vor. Belastbare Aussagen zur Qualifikationsstruktur der Flüchtlinge können deshalb noch nicht getroffen werden. Sowohl aus Befragungswie auch aus amtlichen Registerdaten können jedoch erste Hinweise abgeleitet werden. So erhebt das BAMF auch die Qualifikation von Flüchtlingen auf der Grundlage freiwilliger Selbstauskünfte. Die Erhebung ist nach Auskunft des BAMF trotz hoher Fallzahlen nicht repräsentativ. Den Angaben zufolge haben unter den 2015 befragten Flüchtlingen 13 % eine Hochschule, 17,5 % ein Gymnasium , 30 % Haupt- und Realschulen (Sekundarschulen), 24 % Grundschulen und 8 % gar keine Schule besucht. Befragungen unter Teilnehmern des mit ESF-Mitteln geförderten Bleiberechtsprogramms und des gemeinsam von BA und BAMF durchgeführten Programms „Early Intervention“ kommen zu ähnlichen Ergebnissen, allerdings sind die Ergebnisse durch Selektionseffekte der Programmteilnehmer verzerrt (vgl. Aktueller Bericht 8/2015). In der amtlichen Statistik der BA können zwar gegenwärtig Flüchtlinge noch nicht umfassend identifiziert werden, aber es können Aussagen über Erwerbslose und Erwerbstätige aus den wichtigsten Herkunftsländern der Flüchtlingsmigration getroffen werden. Allerdings sind in diesen Daten Asylbewerber und Geduldete in der Regel noch nicht repräsentiert, zudem setzt sich diese Population auch aus Personen zusammen, die nicht als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Nach diesen Daten hatten unter den bei der BA registrierten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Erwerbslosen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern 15 % keinen Hauptschulabschluss , 38 % Haupt- oder Realschulabschlüsse und 20 % die Fachhochschul- oder Hochschulreife . Unter den besonders von Krieg, Bürgerkrieg und politischer Verfolgung betroffenen Ländern hatten 22 % keinen Hauptschulabschluss, 25 % Haupt- oder Realschulabschlüsse und 20 % die Fachhochschul- oder Hochschulreife. Unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Erwerbslosen aus den Asylherkunftsländern insgesamt hatten 53 % keine abgeschlossene Berufsausbildung, 22 % betriebliche oder schulische berufsqualifizierende Abschlüsse und 10 % eine akademische Ausbildung. Unter den sozialversichungspflichtig Beschäftigten und Erwerbslosen aus den Kriegs- und Bürgerkriegsländern hatten 71 % keine abgeschlossene Berufsausbildung, 8 % mittlere Berufsabschlüsse und 8 % akademische Abschlüsse. Deutlich schlechter ist die berufliche Qualifikation der bei der BA registrierten Erwerbslosen: Unter ihnen hatten aus den Asylherkunftsländern insgesamt 80 %, aus den Kriegs- und Bürgerkriegsländern 87 % keine abgeschlossene Berufsausbildung. Diese Zahlen zeigen die große Herausforderung der Arbeitsmarktintegration für die BA. Allerdings haben auch 77 % der bei der BA registrierten erwerbslosen Ausländer und 43 % der erwerbslosen Deutschen keine abgeschlossene Berufsausbildung . 23. Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung auf diesem Themenfeld Erkenntnisse und Erfahrungen aus anderen Staaten? 24. Wenn nein, warum nicht? 25. Wenn ja, welche? Die Fragen 23 bis 25 werden zusammen beantwortet. Der Landesregierung liegen keine verlässlichen Erkenntnisse zur sprachlichen, beruflichen oder akademischen Qualifikation von Asylbewerbern und Flüchtlingen aus anderen Staaten vor. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR zählte zum Jahresende 2014 59,5 Millionen Personen, die durch Krieg, Bürgerkrieg und andere politische und ethnische Konflikte gewaltsam vertrieben wurden. Davon lebten 19,5 Millionen Personen als Flüchtlinge und 1,8 Millionen Perso- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4686 8 nen als Asylsuchende im Ausland. Wenn man die Gesamtzahl der Flüchtlinge nimmt, die heute in den verschiedenen Ländern leben, so hat man auf den ersten zehn Plätzen folgendes Ranking: Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien, Jordanien, Kenia, Tschad, Uganda und China. Ein bedeutender Teil der Flüchtlingsbewegungen findet also außerhalb von Industrienationen statt. Ein Hauptproblem: In vielen dieser Länder fehlt eine Infrastruktur, die es ermöglicht, sprachliche, berufliche oder akademische Qualifikationen zu erfassen. (Ausgegeben am 01.12.2015) Drucksache 17/4686 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortungmit Antwort der Landesregierung- Drucksache 17/4310 Flüchtlinge und Arbeitsmarkt - Was weiß die Landesregierung? Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr