Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4227 - Bekämpfung des islamistischen Terrors in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 07.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 15.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 07.12.2015, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung der Abgeordneten Anlässlich des derzeit in Celle laufenden sogenannten IS-Prozesses hat sich bereits nach den bisherigen Verhandlungstagen eine Reihe von Fragen zum Umgang der niedersächsischen Sicherheitsbehörden mit der Bedrohung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch den Salafismus ergeben. Sofern eine Beantwortung der nachstehenden Fragen nicht vollumfänglich öffentlich möglich ist, bitten wir gegebenenfalls um eine ergänzende vertrauliche Unterrichtung durch die Landesregierung im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Vorbemerkung der Landesregierung Der Salafismus ist die derzeit dynamischste islamistische Bewegung weltweit, was sich auch in Niedersachsen bemerkbar macht. Insbesondere die salafistischen Zentren im Umfeld größerer Städte verzeichnen einen regen Zulauf. Dazu gehören vor allem die Räume Wolfsburg/Braunschweig , Hildesheim/Göttingen und Hannover. Der niedersächsische Verfassungsschutz zählt derzeit für Niedersachsen 480 Salafisten, mit weiter steigender Tendenz. Der Großteil dieser Personen wird dem politischen und nicht dem gewaltbereiten Salafismus zugerechnet. Die Übergänge zum jihadistischen Salafismus sind jedoch fließend. Der stetige Anstieg des salafistischen Personenpotenzials in Niedersachsen spiegelt die internationale und deutschlandweite Gesamtentwicklung wider. Die Attraktivität der salafistischen Ideologie ist jedoch kein religiöses, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Unterschiedliche Problemlagen bringen Menschen, insbesondere im jungen Alter bzw. in der Phase der Sinnsuche, dazu, Halt, Anerkennung, einfache Erklärungen und Gemeinschaftsgefühl zu suchen. In diesen Situationen bietet der Salafismus scheinbar einfache Antworten. So wird die Welt in klar formulierte Gegenpole , wie „verboten“ - „erlaubt“, „Freund“ - „Feind“, „Paradies“ - „Hölle“, eingeteilt. Der Salafismus gibt seinen Anhängern eine neue und grenzüberschreitende Identität als „wahre Gläubige“ und vermittelt das Gefühl, anerkannt und fester Bestandteil einer weltweiten Gemeinschaft mit starkem Zusammenhalt zu sein. Eine Hinwendung zur salafistischen Lehre muss nicht zwangsläufig zu einer aktiven Teilnahme am bewaffneten Kampf führen. Die Mehrzahl der Salafisten in Deutschland sind dem politischen Salafismus zuzurechnen. Sie stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit, die sie als Dawa-Arbeit bezeichnen, um für ihre Vision einer gottgewollten Staats- und Gesellschaftsform zu werben und gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Jedoch endet der Radikalisierungsprozess nicht immer in dieser Phase. Es kann festgestellt werden, dass die Übergänge zwischen dem politischen und dem Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 2 jihadistischen Salafismus fließend sind und dass immer wieder Personen nach Syrien ausreisen, die vorher beispielsweise durch Missionierungsaktivitäten aufgefallen sind. Spätestens als Mitglied der salafistischen Gemeinschaft kommt man unweigerlich mit den Predigern des gewaltsamen Jihad in Berührung, die einen „Kultstatus“ in der salafistischen Szene haben. Der sogenannte Islamische Staat (IS) und andere islamistische Terrororganisationen nutzen das Internet als Kommunikationsplattform und als offenes Medium zur propagandistischen Agitation, Radikalisierung und Rekrutierung. Über die bekannten Plattformen der sozialen Netzwerke wie Youtube , Facebook oder Twitter verbreiten sie Propagandavideos, in denen auch in deutscher Sprache explizit zur Ausreise nach Syrien und zur Teilnahme am gewaltsamen Jihad aufgerufen wird. Die in den Veröffentlichungen immer wiederkehrenden Motive, wie z. B. die Glorifizierung des Märtyrertodes beim Kampf gegen „Ungläubige“ und die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates unter Geltung der Scharia, sind ein weiterer Bestandteil dieser islamistischen Beeinflussung der jugendlichen Muslime. Insgesamt ist festzustellen, dass die Erfolge des sogenannten Islamischen Staates (IS) und die Existenz eines Kalifats mit quasi-staatlichen Strukturen in Syrien/Irak zu einer nicht unerheblichen Strahlkraft und zum Teil zur Radikalisierung in der salafistischen Szene geführt haben, da erstmals die Utopie eines islamischen Kalifats in greifbare Nähe gerückt ist. Darauf bauen u. a. die Rekruteure des IS auf. Dies sind häufig Einzelpersonen, die durch ihre Radikalität Vorbildwirkung für andere entfalten. Zum Beispiel appellieren sie über entsprechende Videos und Berichte, die (scheinbare ) Gewalttaten gegen Muslime zeigen, an das Verantwortungsbewusstsein der Salafisten, ihre Glaubensgeschwister endlich von der vermeintlichen Unterdrückung des Westens zu befreien. Auch bereits ausgereiste Personen spielen nicht zuletzt aufgrund der Verbreitungsmöglichkeiten des Internets eine wichtige Rolle als Rekruteure des Jihad. Denn die sozialen Medien bieten jedem die Möglichkeit, als sein eigener Propagandaproduzent aufzutreten und seine persönlichen Eindrücke aus dem Jihad in Echtzeit weiterzugeben. Somit rückt der globale Jihad sehr nahe an die Lebenswirklichkeit deutscher Jugendlicher. Die Bilder aus den Kampfgebieten in heroischen Posen mit Waffen und großen Autos vermitteln dabei einen Lebensstil, der vor allem für Männer attraktiv ist und ihre Abenteuerlust anspricht. Im Vergleich zu den männlichen Ausgereisten liegt die Motivation der Frauen in den wenigsten Fällen in der Teilnahme am bewaffneten Kampf. Vielmehr suggeriert der IS, dass Frauen nur auf seinem Hoheitsgebiet die vermeintlich idealen Bedingungen für ein Leben nach der salafistischen Ideologie vorfinden. Mit dieser Vorstellung werben bereits ausgereiste Frauen gezielt die meist jungen Frauen in den sozialen Medien an. Über das Internet werden zudem von Einzelpersonen und den Propagandaabteilungen des sogenannten Islamischen Staates professionelle Ratgeber und „To-Do-Listen“ verbreitet, die Informationen zur Planung und Durchführung von Ausreisen beinhalten. Hinzu kommt, dass der IS über ein weitreichendes logistisches Netzwerk verfügt. Dies beinhaltet Kontaktpersonen in Deutschland, die konkrete Hilfestellungen rund um die Reise in die Jihadgebiete geben. Dazu gehört die Buchung von Flügen, die Besorgung entsprechender Ausstattung und Tipps für die Verschleierung der Absichten gegenüber dem familiären Umfeld. Vor dem Hintergrund der komplexen Planungen und Vorbereitungen, die für eine Ausreise nötig sind, senkt dies erheblich die Hürden für potenzielle Ausreisewillige. Wenn die Ausreisenden individuell über ein Transitland, z. B. die Türkei, nach Syrien gereist sind, dann stehen ihnen auch dort Ansprechpartner zur Verfügung, die ihnen die Weiterreise in die Gebiete des sogenannten Islamischen Staates organisieren. Im Fall der sogenannten Wolfsburger Gruppe spielte vermutlich ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle. Hier haben mehrere junge Menschen zusammengefunden, die sich schon länger kannten und sich mit der jihadistischen Ideologie befasst haben. Durch diesen Zusammenschluss gleichdenkender Personen ist eine Gruppendynamik entstanden, die eine verstärkte radikalisierende Wirkung entfaltet hat. So konnte, unabhängig von „klassisch“ organisierten Vereinen oder Moscheen , eine jihadistisch orientierte Netzwerkstruktur entstehen, die sich regelmäßig in wechselnden Lokalitäten getroffen hat. Derzeit sind den niedersächsischen Sicherheitsbehörden (Polizei und Verfassungsschutz) ca. 65 Islamisten aus Niedersachsen bekannt, die in Richtung Syrien/Irak ausgereist sind. Nicht in allen Fällen liegen jedoch Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien aufhalten oder aufgehalten haben. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung in Syrien und im Irak unter- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 3 liegen die Gesamtzahlen der Ausreisefälle tagesaktuellen Veränderungen mit weiterhin steigender Tendenz. Insbesondere (mutmaßliche) Rückkehrer aus dem Kriegsgebiet stehen im Fokus der niedersächsischen Sicherheitsbehörden. Zu Personen im niedrig einstelligen Bereich liegen Erkenntnisse vor, dass sie an Kampfhandlungen teilgenommen oder sich in Ausbildungslagern aufgehalten haben. Weitere Personen sind aus unterschiedlichen Gründen nicht bis nach Syrien gelangt. Die räumlichen Ausreiseschwerpunkte korrespondieren mit den salafistischen Zentren in Niedersachen . Auf den Ausreiseschwerpunkt in Niedersachsen, den Raum Wolfsburg, haben die Sicherheitsbehörden seit Langem hingewiesen. Fast die Hälfte der aus Niedersachsen ausgereisten Personen stammt von dort. Aus dem Raum Wolfsburg sind etwa 30 bis 40 Personen mit jihadistischen Bezügen im Zusammenhang mit dem Kampfgeschehen in Syrien/Irak bekannt, die beispielsweise der Ideologie und Zielsetzung des sogenannten Islamischen Staates nahe stehen, die Ausreisen nach Syrien/Irak in Erwägung ziehen oder vollzogen haben bzw. dafür werben oder auf sonstige Weise logistisch unterstützen. Einen weiteren Schwerpunkt mit ca. 30 % der Ausreisefälle in Niedersachsen bildet der Raum Hildesheim /Göttingen. Nach wie vor steht die Bundesrepublik Deutschland im Fokus des islamistischen Terrorismus, sodass eine ernstzunehmende Bedrohungslage auch für Niedersachsen vorliegt. Diese kann jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen; konkrete Hinweise auf Anschlagspläne liegen bislang jedoch nicht vor. I. Anwerbung für islamistische Terrororganisationen 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Personen, die andere für den sogenannten Islamischen Staat (IS) oder andere islamistische Terrororganisationen geworben haben bzw. werben? Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden liegen Erkenntnisse zu fünf Islamisten in Niedersachsen vor, die im Verdacht stehen, andere Personen in Niedersachsen gezielt für die Aktivitäten des IS oder anderer islamistischer Terrororganisationen in Syrien/im Irak geworben zu haben bzw. zu werben. Gegen die Personen wurden Strafverfahren nach §§ 85, 89 a bzw. 109 h StGB geführt. Ein Werber wurde zwischenzeitlich mit einer Wiedereinreisesperre von drei Jahren aus Deutschland abgeschoben (abgelehnter Asylantrag). Darüber hinaus nahmen einzelne, zweifelsfrei identifizierte Personen nach Anschluss an den IS von Syrien/Irak aus über das Internet Kontakt zu Personen in Deutschland auf. Diese Personen glorifizierten die Aktivitäten des IS oder anderer islamistischer Terrororganisationen und unternahmen Anwerbeversuche bzw. forderten die Kontaktierten auf, ebenfalls nach Syrien/Irak zu reisen (bei Frauen: auch durch Vermittlung von Ehen mit Jihadisten). Gegen diese Personen werden im LKA Niedersachsen Strafverfahren gemäß §§ 89 a bzw. 129 a/b StGB geführt. Zu weiteren, teilweise anonym ergangenen, Hinweisen auf noch nicht identifizierte Werber aus dem syrisch-irakischen Kriegsgebiet dauern die Ermittlungen an. Eine weitergehende Unterrichtung hierzu wird aus Gründen des Geheimschutzes für die vertrauliche Sitzungen des Ausschusses für Inneres und Sport oder des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes angeboten. 2. Welche Erkenntnisse hat sie über das Wirken des Yassin O. und seine Helfer? Gegen Yassin O. ist derzeit ein laufendes Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes gemäß § 129 a, b StGB anhängig; das LKA Niedersachsen ist mit den Ermittlungen beauftragt. Yassin O. spielt auch in dem beim OLG Celle anhängigen Gerichtsprozess gegen zwei Syrien- Rückkehrer eine Rolle. Nach derzeitiger Planung soll in diesem Prozess im Dezember 2015 das Urteil gesprochen werden. Die Landesregierung ist gerne bereit, mit den dann vorliegenden Infor- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 4 mationen und Bewertungen den Landtag in vertraulichen Sitzungen des Ausschusses für Inneres und Sport oder des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zu unterrichten. 3. Ist es zutreffend, dass Yassin O. und bzw. oder seine Ehefrau bis zu seiner anscheinend vorläufig letzten Ausreise wiederholt unbehelligt nach Deutschland ein- und ausgereist sind? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage eines LKA-Beamten, der ausweislich der Neuen Presse vom 01.09.2015 („Das LKA weiß von nichts?“) als Zeuge in dem sogenannten IS-Prozess auf die Frage, warum das LKA in Bezug auf das Wirken von Yassin O. in der Wolfsburger Ditib-Moschee keine Ermittlungen aufgenommen habe, ausgesagt hat, dass Ermittlungen gegen einen Prediger oder eine Moschee immer ein Politikum seien und dass die Polizei lieber die Finger davon lasse? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Wie viele Beamte des örtlichen polizeilichen Staatsschutzes sind in den im Verfassungsschutzbericht 2014 genannten salafistischen Schwerpunkten Braunschweig/ Wolfsburg, Hannover, Osnabrück und Hildesheim jeweils für die Bearbeitung des Salafismus regulär zuständig? Mit gefahrenabwehrenden und strafrechtlichen Ermittlungen im Themenfeld Islamismus/Salafismus sind folgende Kräfte in den örtlich zuständigen Polizeidienststellen befasst: In der Polizeiinspektion Braunschweig sind fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in der Polizeiinspektion Wolfsburg drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Ermittlungen im Themenfeld Islamismus /Salafismus zuständig. Innerhalb der PD Hannover sind hierzu derzeit 13 Mitbearbeiterinnen und Mitarbeiter vorgesehen. Die Polizeiinspektionen Osnabrück und Hildesheim setzen für Ermittlungen in diesem Phänomenbereich jeweils drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Soweit die jeweilige aktuelle Erkenntnis- und Ereignislage es erfordert, werden im Rahmen einer jeweiligen personellen Schwerpunktsetzung Verstärkungskräfte zur Bearbeitung dieses Phänomenbereichs eingesetzt. Darüber hinaus wurden mit Wirkung vom 01.10.2015 bei den zentralen Kriminalinspektionen zusätzliche Ermittlungseinheiten Staatsschutz eingerichtet, die für die Bereiche Braunschweig/ Wolfsburg , Osnabrück und Hildesheim zuständig sind. 6. Warum ist nach Bekanntwerden der Ausreisepläne des Angeklagten Ayoub B. keine sogenannte Gefährderansprache erfolgt? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 7. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Netzwerke der Werber, die junge Menschen in Niedersachsen für den IS oder andere islamistische Terrororganisationen rekrutieren? Hierzu wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung und zu Frage 1 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 5 8. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die finanziellen und organisatorischen Hintergründe dieser Personen und Netzwerke? Zu organisatorischen Hintergründen dieser Personen und Netzwerke wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung und zu Frage 1 verwiesen. Zu finanziellen Hintergründen von Werbern und Netzwerken liegen keine abschließend verifizierten Angaben vor, allerdings ist es nach hiesiger Einschätzung möglich, dass Gelder für den IS oder andere islamistische Terrororganisationen u. a. durch Spenden, aber auch durch vorsätzliche strafrechtlich relevante Taten wie z. B. Versicherungs- und Kreditbetrug akquiriert werden. Fernerhin liegen Erkenntnisse dahin gehend vor, dass Personen, die ihren angestammten Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgeben, um sich dem Jihad in Syrien oder dem Irak anzuschließen, ihr persönliches Eigentum verkaufen, Kredite aufnehmen und die hierdurch erlangten Summen bei der Ausreise in die Jihad-Gebiete mitführen. Eine weitergehende Unterrichtung hierzu wird aus Gründen des Geheimschutzes für eine vertrauliche Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes angeboten. 9. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über das Wirken des IS oder anderer islamistischer Terrororganisationen in Niedersachsen? Der IS oder andere im syrisch-irakischen Grenzgebiet aktive Terrororganisationen unterhalten nach hiesigen Erkenntnissen keine organisierten bzw. strukturierten Netzwerke in Niedersachsen. Gleichwohl liegen Erkenntnisse vor, wonach einzelne Personen im Namen des IS Radikalisierungsund Rekrutierungshandlungen vornahmen und für die Ausreise in das Einflussgebiet des IS warben . Ferner liegen Erkenntnisse vor, dass Angehörige islamistischer Terrororganisationen aus Syrien /Irak - darunter auch Islamisten aus Niedersachsen - über öffentliche Medien und andere Kommunikationsplattformen mit Islamisten aus Niedersachsen in Kontakt stehen. Zudem wurden bereits unterschiedliche Arten von Geldtransfers in Richtung der Krisen- /Kriegsregionen Syriens/Iraks festgestellt, bei denen die Möglichkeit besteht, dass diese islamistischen Terrororganisationen zugutekommen könnten. Die tatsächliche weitere Verwendung der Gelder im Ausland ist oftmals schwer bzw. nicht nachweisbar. 10. Wie klären die Sicherheitsbehörden konkret diese Netzwerke auf und gehen gegen sie vor? Der frühzeitigen Erkennung salafistischer, insbesondere terroristischer, Tendenzen kommt eine hohe Bedeutung zu. Die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden in Niedersachsen schöpfen in Bezug auf salafistische Personen, Gruppierungen, Vereine oder sonstige Organisationen, die in Verbindung zu terroristischen Aktivitäten stehen oder bei denen eine solche nicht von vornherein auszuschließen ist, die zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten aus. Zu bekanntwerdenden Fällen einer Radikalisierung oder sogar einer beabsichtigten Ausreise mit dem Ziel der möglichen Beteiligung am bewaffneten Jihad werden - soweit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Handeln noch nicht vorliegen - zunächst Gefahrenermittlungsverfahren in den Polizeidirektionen oder beim Landeskriminalamt geführt. Ziel der Ermittlungen sind zunächst die weitere Erkenntnisgewinnung zum Sachverhalt zur Verhinderung geplanter Ausreisen sowie mögliche Schritte zur Deradikalisierung. Alle Erkenntnisse sowie die Durchführung polizeilicher Maßnahmen werden regelmäßig unmittelbar und fortlaufend mit dem niedersächsischen Verfassungsschutz abgestimmt. Die Zentralstelle zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus bei der Staatsanwaltschaft Hannover wird bereits frühzeitig - noch im Rahmen der Gefahrenermittlungen - informiert und entscheidet über die Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 6 Das Landeskriminalamt sowie die Staatsschutzdienststellen in den Polizeibehörden in Niedersachsen werten die Erkenntnisse fortlaufend aus. Bei erkannten Brennpunkten werden im Einzelfall die Ermittlungen durch die Einrichtung von Ermittlungsgruppen oder -kommissionen konzentriert. Die in §§ 5 bis 12 NVerfSchG definierten Befugnisse dienen dem niedersächsischen Verfassungsschutz als entsprechende Ermächtigungsgrundlage, um tätig zu werden. Im Fall islamistischer oder jihadistischer Aktivitäten setzt der Verfassungsschutz das ihm im Rahmen der Gesetze zur Verfügung stehende Instrumentarium ein und greift insbesondere auf die in § 6 formulierte Nachrichtenbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln zurück. Dabei werden u. a. die Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, die Durchführung von Observationen oder die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe des Artikel-10-Gesetzes eingesetzt, um diese Netzwerke aufzuklären. Über den allgemeinen Erkenntnisaustausch im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes hinaus sind die Sicherheitsbehörden in den gemeinsame Zentren auf Bundes- („Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum “ in Berlin; GTAZ) und Landesebene („Gemeinsames Informations- und Analysezentrum - Polizei und Verfassungsschutz - Niedersachsen“; GIAZ-Niedersachsen) vernetzt. Dadurch wird der permanente unmittelbare Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und in Niedersachsen sichergestellt und optimiert. II. Auswanderer und Rückkehrer 11. Wie hoch ist die aktuelle Zahl der Salafisten in Niedersachsen (wenn möglich, bitte nach Geschlecht und Alter aufgeteilt darstellen)? Der niedersächsische Verfassungsschutz zählt derzeit für Niedersachsen 480 Salafisten, mit weiter steigender Tendenz. Es kann im Überblick festgestellt werden, dass die überwiegende Mehrzahl der dem Verfassungsschutz bekannten Salafisten männlich ist. Dies ist nicht verwunderlich, da Frauen nach der salafistischen Ideologie grundsätzlich ihren Lebensmittelpunkt in der Haushaltsführung und Kindererziehung haben sollen und ihr Agieren in der Öffentlichkeit auf ein Minimum zu reduzieren ist. In Bezug auf das Alter ist anzuführen, dass alle Altersgruppen vertreten sind. Eine große Gruppe stellen die 20 bis 30-Jährigen dar. Der Großteil der dem niedersächsischen Verfassungsschutz bekannten Salafisten ist älter als 30 Jahre. Diese Personen sind häufig als Funktionsträger und Führungspersonen aktiv in die salafistische Szene eingebunden. 12. Von wie vielen Menschen geht die Landesregierung aktuell aus, die von Niedersachsen aus in die Kriegsgebiete in Syrien, Irak und Libyen gereist sind, um sich islamistischen Terrororganisationen anzuschließen (wenn möglich, bitte nach Geschlecht und Alter aufgeteilt darstellen)? Derzeit sind den niedersächsischen Sicherheitsbehörden (Polizei und Verfassungsschutz) mehr als 65 Islamisten aus Niedersachsen bekannt, die in Richtung Syrien/Irak ausgereist sind. Unter den Ausgereisten befinden sich etwa zehn Personen, die an Hilfskonvois in Richtung Syrien teilgenommen haben. Die Feststellung, ob die Zielrichtung eines Konvois die humanitäre Hilfe oder aber eine jihadistische Unterstützung beinhaltet, ist im Einzelfall nicht abschließend möglich. Die weiteren Personen sind ausgereist, um sich tatsächlich oder mutmaßlich an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen zu beteiligen oder auf andere Weise dem Widerstand gegen das Assad-Regime anzuschließen . Nicht in allen Fällen liegen gesicherte Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien/Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Aufgrund der dynamischen Lageentwicklung in Syrien und im Irak unterliegen die Gesamtzahlen der Ausreisefälle tagesaktuellen Veränderungen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 7 Bei den in Richtung Syrien/Irak Ausgereisten aus Niedersachsen handelt es sich vor allem um Männer (79 %). Die Ausgereisten sind mehrheitlich zwischen 20 und 30 Jahre alt. 15 % sind zwischen 15 und 20 Jahre, 30 % sind zwischen 21 und 25 Jahre, 40 % sind zwischen 26 und 30 Jahre und 15 % sind über 30 Jahre alt. 13. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Entwicklung der entsprechenden Ausreisezahlen seit 2011? Im Zeitraum 2011 bis Mitte 2013 wurden lediglich Einzelfälle bekannt, in denen Personen (mutmaßlich ) in Richtung Syrien ausreisten. Ab Mitte 2013 häuften sich zunächst die sogenannten Syrienkonvois , die auch unter niedersächsischer Beteiligung organisiert und durchgeführt wurden. Es kann weiterhin nicht abschließend beurteilt werden, ob diese Konvois ausschließlich bzw. vorrangig der humanitären Hilfe in den Krisengebieten dienten. Erst seit der ersten Jahreshälfte 2014 wurden vermehrt Reisebewegungen in Richtung der Krisenbzw . Kriegsgebiete Syriens/Iraks festgestellt, die mutmaßlich mit der Unterstützung des bzw. Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien/im Irak im Zusammenhang stehen. Die Hochphase der Ausreisen war zwischen Februar und Dezember 2014 zu verzeichnen. 14. In wie vielen Fällen wurden Ausreisende aus Niedersachsen gestoppt, die sich dem IS oder anderen islamistischen Terrororganisationen anschließen wollten (wenn möglich, bitte nach Geschlecht und Alter aufgeteilt darstellen)? Dem Landeskriminalamt Niedersachsen sind fünf Fälle (Stand: 06.10.2015) zu Personen aus Niedersachsen (20 J./männlich, 21 J./männlich, 25 J./männlich, 26 J./männlich, 28 J./männlich) bekannt , die sich seit Mitte 2013 mutmaßlich einer islamistischen Terrororganisation im Ausland anschließen wollten und denen daher durch unterschiedliche, nicht niedersächsische, Sicherheitsbehörden im In- oder Ausland die Aus- oder Weiterreise im Rahmen von Kontrollen untersagt wurde. Darüber hinaus prüft die ermittelnde Staatsschutzdienststelle bei Hinweisen auf Ausreiseabsichten konsequent die Möglichkeit, bereits im Vorfeld ausreiseverhindernde oder -beschränkende Maßnahmen zu initiieren. Seit Mitte 2013 konnten auf Initiative niedersächsischer Sicherheitsbehörden durch die zuständigen Pass- und Ausländerbehörden gegen sieben Personen (Stand: 06.10.2015) ausreiseverhindernde Maßnahmen erwirkt werden. Ein weiterer Fall wird aktuell geprüft. 15. Wie bewertet die Landesregierung die bisherige Arbeit der Beratungsstelle zur Prävention neo-salafistischer Radikalisierung? Mit dem bisherigen Beratungsangebot werden unter Berücksichtigung sozial-pädagogischer bzw. religions-psychologischer Erkenntnisse Wege für die Resilienz und Abwendung von gewaltbezogener und extremistischer Ideologie aufgezeigt. Dieser Distanzierungsprozess wird eng von der Beratungsstelle begleitet. Betroffene Familienangehörige oder betroffene junge Menschen, Freunde und Bekannte aus dem privaten, schulischen und beruflichen Umfeld erhalten daher eine umfangreiche Beratung, Unterstützung und Begleitung. Das Angebot ist landesweit ausgerichtet und auch durch aufsuchende Sozial- und Beratungs- sowie Begleitungsarbeit professionalisiert. Diese Ausrichtung und der damit verbundene ganzheitliche Beratungs- und Begleitungsansatz haben sich bewährt. Die Beratungsstelle und ihre Arbeit sind sowohl von der eigentlichen Zielgruppe als auch von anderen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren im Bereich der Prävention und Intervention voll umfänglich akzeptiert und nachgefragt. Die von der Landesregierung unterstützte Organisationsform und das damit verbundene Aufgabenfeld der Beratungsstelle haben sich als niedrigschwelliger , belastbarer und zielführender Beitrag zur konkreten Prävention gegenüber neo-salafistischer Radikalisierung in Niedersachsen erwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 8 16. Wie viele Beratungsvorgänge hat es bisher gegeben? Seit Aufnahme der Beratungs- und Begleitungstätigkeit erhielt die Beratungsstelle ca. 30 Anfragen mit konkretem Beratungsbezug. Diese kamen von Familienangehörigen, aus dem sozialen Umfeld und dem schulischen Bereich sowie von Behörden (z. B. Sicherheitsbehörden, Jugendhilfe). Hieraus sind bisher 15 intensive Beratungsfälle hervor gegangen. Es handelt sich inhaltlich um sehr unterschiedliche Konstellationen mit zum Teil erheblichem Beratungs- und Begleitungsaufwand. Über diese konkreten Beratungsfälle hinaus sind die Beschäftigten der Beratungsstelle auch in die notwendige und umfängliche Netzwerkarbeit sowie Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen eingebunden. 17. Hält die Landesregierung die finanzielle, sachliche und personelle Ausstattung der Beratungsstelle für ausreichend? Die Beratungsstelle hat am 08.04.2015 ihre Arbeit aufgenommen. Bisher ermöglicht die finanzielle und personelle Ausstattung eine dem Bedarf angemessene umfassende Beratungs- und Begleitungsleistung . Dies gilt auch unter Berücksichtigung der seit Inbetriebnahme stetig wachsenden Nachfrage. Die Arbeit der Beratungsstelle wird quantitativ und qualitativ wissenschaftlich evaluiert sowie durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung begleitet. In diesem Rahmen könnte auch kurzfristig auf einen sich gegebenenfalls verändernden Finanzierungsbedarf reagiert werden. 18. Hat die Landesregierung in der Zwischenzeit weitere konkrete Präventionsmaßnahmen ergriffen, die über die in der Antwort der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage der CDU-Fraktion vom 19.01.2015 (Drs. 17/2753) genannten Maßnahmen hinausgehen, um einer islamistischen Radikalisierung junger Menschen entgegenzuwirken? Wenn ja, welche (bitte aufgeschlüsselt nach den Schwerpunkten Braunschweig/Wolfsburg, Hannover , Osnabrück und Hildesheim)? Um Präventionsmaßnahmen bedarfs- und zielgruppengerecht entwickeln und umsetzen zu können, finden ressortübergreifende Koordinierungstreffen statt. Hierbei werden auch, abhängig von der Entwicklung des Phänomens neo-salafistischer Radikalisierung, neue Maßnahmen initiiert und durch die jeweils zuständigen Ressorts weiter umgesetzt. Hier kann auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Justizministerium mit dem Schwerpunkt Prävention in Justizvollzugsanstalten sowie auf regional und fachspezifisch ausgerichtete Veranstaltungsreihen in Kooperation mit dem Kultusministerium für den schulischen Bereich verwiesen werden. Darüber hinaus hat die Beratungsstelle zu den genannten regionalen Schwerpunkten ein Netzwerk aufgebaut: Wolfsburg In Wolfsburg besteht eine Zusammenarbeit mit dem Stadtjugendpfleger, mit Streetlife (Einrichtungen der Jugendarbeit) sowie dem Fachdienst für Kriminalprävention und Täterarbeit. Braunschweig Im Rahmen der Veranstaltung „Jugend und Salafismus“ wird die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle und dem Braunschweiger Netzwerk gegen Gewalt verstärkt. Hildesheim Für den Bereich Hildesheim wurde am 01./02.10.2015 eine Lehrerfortbildung zum Thema Extremismusprävention mit fachlicher Unterstützung des LKA Niedersachsen durchgeführt. In Zusammenarbeit mit dem Präventionsbereich der Polizei sowie anderen Akteurinnen und Akteuren werden weitere Maßnahmen wie z. B. zweitägige Seminare an Schulen entwickelt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 9 Osnabrück In Osnabrück werden u. a. unter Einbeziehung der dortigen Dialogbeauftragten der Polizei ebenfalls Informationsveranstaltungen für Schulen durchgeführt. Diese Maßnahmen erreichen auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Osnabrücker Raum, dem Emsland sowie Ostfriesland. Hannover Auch im hannoverschen Raum besteht ein regelmäßiger Austausch der in dem Themenfeld eingebundenen Institutionen. Der Niedersächsische Verfassungsschutz stellt weiterhin auf Anfrage Referentinnen und Referenten für Multiplikatorenschulungen, Lehrerfortbildungen, Veranstaltungen interessierter Bürgerinnen und Bürger sowie Veranstaltungen von Verwaltung und Politik zu unterschiedlichen Themen im Bereich des Islamismus zur Verfügung. Raum Braunschweig/Wolfsburg: Ende Januar 2015 bis heute wurden in Wolfsburg/Braunschweig und Umgebung mehrere Vortragsveranstaltungen und Gesprächskreise durchgeführt (insgesamt 20). Weitere Termine stehen für die nächsten Monate 2015 noch an. Insgesamt konnten ca. 560 Lehrer, Schüler und Behördenmitarbeiter erreicht werden. Ferner gab es sogenannte Expertentreffen und Gesprächskreise mit Rats- und muslimischen Verbandsvertretern in den Städten Wolfsburg und Braunschweig. Anfang 2016 ist u. a. im Rahmen einer Projektwoche ein ganztägiger Workshop an einem Gymnasium in Peine geplant, in dem mehrere Schulklassen auch zum Thema Islamismus/Salafismus sensibilisiert werden. Erwähnenswert ist hierbei auch die saisonübergreifende Einbindung in das Fanprojekt des Fußballvereins Eintracht Braunschweig „Fanhochschule, Lernort Stadion“. An insgesamt elf Terminen, bis zum Saisonende 2016, werden Schulklassen in Workshops dialogbasiert inhaltlich neben den Themen Vorurteile - Ausgrenzung - Extremismus auch zum Themenfeld Islamismus/Salafismus und Islamfeindlichkeit fortgebildet. Hannover: In Hannover und Umgebung (Celle, Schaumburg, Seelze, Diepholz, Barsinghausen) wurden bisher insgesamt 13 Veranstaltungen durchgeführt. Besonders hervorzuheben ist das mit ca. 250 Teilnehmern sehr gut besuchte Symposium im April 2015 zum Thema „Salafismus und Islamfeindlichkeit: Aktuelle Zusammenhänge zwischen zwei Extremismusformen “. Weitere Vortragstermine sind bis zum Jahresende 2015 und bereits für 2016 fest eingeplant. Osnabrück: Für den Bereich Osnabrück fand am 05.10.2015 unter Federführung der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) eine Regionalveranstaltung für Schulen zum Thema Islamismusprävention statt, die durch die Polizeidirektion Osnabrück und das LKA Niedersachen fachlich flankiert wurde. Bei der IHK Osnabrück/Netzwerk Unternehmersicherheit wurde eine Veranstaltung mit 15 Teilnehmern durchgeführt. Weitere fünf Vortragsveranstaltungen fanden in verschiedenen niedersächsischen Städten und Gemeinden mit ca. 250 Personen statt. Das LKA Niedersachsen, Präventionsstelle Politisch Motivierte Kriminalität (PPMK), hat im Zeitraum Januar 2015 bis September 2015 zahlreiche Präventionsveranstaltungen im Themenbereich Islamismus durchgeführt bzw. andere Polizeidienststellen und externe Einrichtungen bei der Durchführung fachlich unterstützt. Dies erfolgte im Regelfall in enger Zusammenarbeit und Abstimmung Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 10 mit dem Dezernat 43 (Zentralstelle Politisch motivierte Ausländerkriminalität) bzw. dem dortigen Islamwissenschaftler . Darüber hinaus führten die örtlichen Polizeidienststellen eigenständig zahlreiche Präventionsveranstaltungen vor Ort durch. Die PPMK stellte den niedersächsischen Polizeibehörden und -dienststellen hierzu einen Mustervortrag „Salafismus“ zur Verfügung und unterrichtet diese regelmäßig per Rundschreiben zu aktuellen und praxisrelevanten Präventionsthemen. Die Veranstaltungen dienten in erster Linie der phänomenbezogenen Sensibilisierung. Dabei wurden - neben der Darstellung der Gefährdungslage Salafismus - mögliche Radikalisierungsindizien und Präventionsansätze aufgezeigt. In diesem Zuge wurde vielfach das von der polizeilichen Kriminalprävention entwickelte Medienpaket „Mitreden! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und jihadistische Internetpropaganda“ im schulischen und im Jugendhilfe-Bereich für die Präventionspraxis empfohlen und eingesetzt. Zusammengefasst wurden folgende zielgruppenorientierte Veranstaltungen durchgeführt: – polizeiinterne Fortbildungsveranstaltungen, – Fachtagung des LKA Niedersachsen für Vertreter aus Wissenschaft, Sicherheitsbehörden und der Präventionsarbeit zum Thema Syrienrückkehrer im Juni 2015 mit ca. 120 Teilnehmerinnen /Teilnehmern, – Veranstaltungen an Schulen mit unterschiedlichen Zielgruppen (fast immer Schulleiter und Lehrer , teilweise auch Eltern und Schüler), zum Teil mit Unterstützung der Landesschulbehörde, – Veranstaltungen im Bereich der Justiz (Bewährungshelfer, Bedienstete JVA, Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzugs), – Veranstaltungen im Bereich der Jugendhilfe (u. a. Jugendpfleger, Jugendsozialarbeiter), – Veranstaltungen im Bereich der Ausländerbehörden und – Veranstaltungen mit muslimischen Gemeinden. Die Präventionsveranstaltungen verteilten sich auf ganz Niedersachsen. Bekannten Orten mit salafistischen Zentren wurde dabei Rechnung getragen. So wurden u. a. mehrere Veranstaltungen im Großraum Braunschweig/Wolfsburg und im Raum Hannover durchgeführt. Weitere Veranstaltungen sind dort für die kommenden Wochen und Monate geplant. Für den Bereich Hildesheim wurde am 01./02.10.2015 eine Lehrerfortbildung zum Thema Extremismusprävention mit fachlicher Unterstützung des LKA Niedersachsen durchgeführt. Für den Bereich Osnabrück fand am 05.10.2015 unter Federführung der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) eine Regionalveranstaltung für Schulen zum Thema Islamismusprävention statt, die durch die Polizeidirektion Osnabrück und das LKA Niedersachen fachlich flankiert wurde. 19. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit der Imame in den Justizvollzugsanstalten, die sie im September 2014 verpflichtet hat und deren Arbeit nach Angaben von Ministerin Niewisch-Lennartz ständig evaluiert wird (vgl. Niederschrift der 55. Plenarsitzung, S. 5175)? Mit der Vereinbarung zwischen dem Justizministerium, dem Landesverband der Muslime in Niedersachsen e. V. - Schura Niedersachsen - und dem DITIB Landesverband der Islamischen Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen e. V. zur muslimischen Seelsorge im Justizvollzug ist eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen worden, dass Gefangenen muslimischen Glaubens eine religiöse Betreuung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen angeboten werden kann. Seit der Berufung muslimischer Seelsorgerinnen und Seelsorger im Jahr 2014 haben einige Anstalten erstmals ein muslimisches Seelsorgeangebot etablieren und andere das vorhandene Angebot erweitern können. Zur Fortentwicklung und Evaluation der Zusammenarbeit auf allen Ebenen ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die regelmäßig unter Leitung der an der Vereinbarung beteilig- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 11 ten muslimischen Landesverbände und des Justizministeriums zusammenkommt. In diesem Rahmen werden sowohl aktuelle Einzelfragen aus der Praxis als auch allgemeine rechtliche Aspekte erörtert sowie Verfahrensabsprachen zur weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit getroffen. Die Kommunikation zwischen den muslimischen Landesverbänden, dem Justizministerium und den Justizvollzugseinrichtungen ist konstruktiv und vertrauensvoll. Mit Blick auf die kontinuierlich voranschreitenden Entwicklungen in diesem Bereich ist eine abschließende Bewertung der muslimischen Seelsorge im niedersächsischen Justizvollzug derzeit nicht möglich. 20. Wie viele sogenannte Rückkehrer gibt es seit 2011? Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden bewerten ihre Erkenntnisse auf der Basis bundeseinheitlicher Kriterien. Demnach sind ca. 20 der ausgereisten Islamisten aus Niedersachsen zwischenzeitlich zurückgekehrt. Unter den Rückkehrern befinden sich auch etwa zehn Teilnehmer von sogenannten Hilfskonvois. Nicht in allen Fällen gelangten die Rückkehrer tatsächlich ins Krisengebiet . Die Aus- bzw. Weiterreisen konnten zum Teil verhindert werden. Bei den Rückkehrern, die sich tatsächlich im Krisengebiet befunden haben, ist die Kampfteilnahme bzw. der Anschluss an eine Terrororganisation nicht in jedem Fall verifiziert. 21. Wie viele Strafverfahren sind gegen diese Personen wegen welcher Straftatbestände eingeleitet worden und wie ist der Stand der jeweiligen Verfahren? Gegen Rückkehrer im Sinne der bundeseinheitlichen polizeilichen Kriterien wurden in Niedersachsen bisher (Stand: 06.10.2015) insgesamt acht Ermittlungsverfahren eingeleitet. Davon wurden fünf Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gemäß §§ 85, 89 a, 89 b und 276 StGB gegen sechs Beschuldigte eingeleitet, die allerdings nicht alle unmittelbar mit der Reisebewegung in Zusammenhang stehen. Diese Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft Hannover geführt. Ein Verfahren wurde von dort gemäß § 45 JGG (erzieherische Maßnahme) eingestellt, in den übrigen Fällen dauern die Ermittlungen noch an. Weitere drei Ermittlungsverfahren wurden gegen Rückkehrer, die aus einer Krisenregion zurückgekommen sind, eingeleitet. Bei der Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus - war ein Ermittlungsverfahren gegen einen sogenannten Rückkehrer aus der syrisch-irakischen Krisenregion wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat anhängig. Das Verfahren hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übernommen. Zwei weitere Ermittlungsverfahren waren bei der Staatsanwaltschaft Hannover zunächst ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des § 89 a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 StGB (Ausbildung in einem sogenannten Terrorcamp) eingeleitet und später vom Generalbundesanwalt übernommen worden, nachdem sich in diesen Verfahren zudem ein Anfangsverdacht gegen die Beschuldigten wegen einer in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden Straftat nach §§ 129 a, 129 b StGB (Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“) ergeben hatte. Es handelt sich dabei um die beiden Angeklagten , gegen die zurzeit vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle verhandelt wird. 22. Welche Strategien verfolgt die Landesregierung im Umgang mit Rückkehrern? Insbesondere die Rückkehrer aus den Kriegsgebieten stehen im Fokus der niedersächsischen Sicherheitsbehörden . Neben der konsequenten Strafverfolgung - insbesondere auch im Umgang mit dem Personenpotenzial der sogenannten Rückkehrer - finden in Niedersachsen bundesweit einheitliche Konzepte Anwendung. Gewonnene Erkenntnisse werden nach einem durch das LKA Niedersachsen vorgegebenen landes- und zum Teil bundesweit einheitlichen Standard bearbeitet. Die nachhaltige Unterbindung von Radikalisierungen junger Menschen und die Verhinderung der Ausreise in die Krisen-/Kampfgebiete stehen dabei grundsätzlich im Vordergrund. Präventive und repressive polizeiliche Maßnahmen werden sowohl im Vorfeld von Ausreisen als auch bei Rückkeh- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 12 rern - soweit möglich unter Einbeziehung aller Präventionsträger, kooperativer Familienangehöriger oder anderer Einflusspersonen - einzelfallbezogen umgesetzt. Darüber hinaus findet werktäglich ein Informations- und Erkenntnisaustausch zwischen Vertretern der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehr-Zentrum (GTAZ) in Berlin statt. Dieses Forum bietet sowohl bundesweit als auch behördenübergreifend eine zeitnahe Möglichkeit der Informationsbündelung und -zusammenführung. Anlassbezogen wird auch bei Gefahrenlagen, insbesondere im Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus, die eine bundesweite Bedeutung erlangen bzw. eine Öffentlichkeitswirkung entfalten können, jederzeit ein zeitnaher Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern gewährleistet. Unter Wahrung des Trennungsgebotes werden die vorliegenden Erkenntnisse zu dem Personenpotenzial der Ausreiser und Rückkehrer regelmäßig zwischen Polizei und Verfassungsschutz im Gemeinsamen Informations- und Analysezentrum Polizei und Verfassungsschutz Niedersachsen (GIAZ) ausgetauscht und auf der Basis bundeseinheitlicher Kriterien bewertet. Die Polizei trifft weiterhin auf Basis des „Maßnahmenkonzeptes zur Intensivierung der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in Niedersachsen“ (Erl. d. MI vom 01.11.2002, Az. 23.20 - 12315/1, VS NfD) einschließlich seiner Fortschreibung aus dem Jahr 2004 die geeigneten, erforderlichen und im Einzelfall verhältnismäßigen Maßnahmen zum effektiven Erkennen und Bekämpfen des islamistischen Terrorismus. Im Sinne des ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes wird auch seitens des niedersächsischen Verfassungsschutzes in jedem Einzelfall umfassend und fortlaufend geprüft, welche Maßnahmen gegen die jeweilige Person in Betracht kommen und zweckmäßig sind. Art und Umfang der Maßnahme richten sich hierbei nach den vorliegenden Erkenntnissen zur Person und der Bewertung ihres Gefährdungspotenzials sowie den rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen. 23. Welche Ansätze werden konkret verfolgt, um Rückkehrer und ihre Familien, die sich von den Terrororganisationen abgewandt haben und womöglich traumatisiert sind, bei der (Re-)Integration zu unterstützen? Auf Initiative des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung werden zurzeit ressortübergreifend Gespräche geführt, um Ansätze zur Unterstützung der (Re-)Integration von Rückkehrern abzustimmen. Hierzu gehört auch die Klärung, welche Rolle die Beratungsstelle „beRATen“ in einem solchen Szenario gegebenenfalls spielen kann. Die Beratungsstelle „beRATen“ wird hierzu auch durch das LKA Niedersachsen, Präventionsstelle Politisch Motivierte Kriminalität (PPMK), beratend unterstützt. Die Betreuung und Begleitung der Rückkehrer, bei denen eine strafrechtliche Relevanz gegeben ist, liegt zunächst in der Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden und der Organe der Rechtspflege einschließlich der Justizvollzugsanstalten, wobei sich die Einzelfälle sehr unterschiedlich gestalten können. Um eine gesellschaftliche und soziale Reintegration zu unterstützen, bedarf es einer engen und umfassenden Begleitung der Rückkehrerinnen und Rückkehrer bzw. Aussteigerinnen und Aussteiger . Diese muss bereits im Vollzug ansetzen und nach einer eventuellen Haftentlassung u. a. durch sozialpädagogische, gegebenenfalls auch therapeutische Fachkräfte fortgeführt werden. Dabei kommt einer Vernetzung der relevanten Akteurinnen und Akteure eine besondere Bedeutung zu. Die Entwicklung von effektiven Ansätzen und Strukturen, um dieser relativ neuen Herausforderung gerecht werden zu können, ist bereits angelaufen. Derzeit liegen auch in anderen Bundesländern bisher nur sehr begrenzte Erfahrungen vor, die zu einer ganzheitlichen Konzeptentwicklung gehören würden. Bei akuten Fallkonstellationen sind insoweit individuelle Abstimmungen und Vereinbarungen der beteiligten Einrichtungen und Institutionen notwendig. Infolge der Anschläge von Paris und Kopenhagen hat das Justizministerium am 05.02.2015 die „Arbeitsgruppe islamistische Radikalisierung (AGiR)“ eingesetzt. Die Arbeitsgruppe gliedert sich in die drei Teilbereiche Strafverfolgung, Justizvollzug und Prävention und hat für jeden Teilbereich zwei Mitglieder. Der Teilbereich Prävention hat u. a. die Aufgabe, ein niedersächsisches „Ausstei- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 13 ger- und Rückkehrer-Programm“ für Islamisten zu erarbeiten. Das Programm richtet sich zunächst an den niedersächsischen Justizvollzug, da hier der größte Handlungsbedarf besteht. Sodann soll geprüft, werden, ob und gegebenenfalls wie die Erkenntnisse aus dem Vollzug Eingang in ein Konzept für nicht-inhaftierte Aussteiger und Rückkehrer finden können. Zur Umsetzung dieses Programms hat die AGiR beim Violence Prevention Network e. V. (VPN) um die Erstellung eines Konzeptentwurfs gebeten. VPN arbeitet mit dem Programm „Verantwortung übernehmen - Abschied von Hass und Gewalt“ bereits seit mehreren Jahren mit dem niedersächsischen Justizvollzug zusammen , vornehmlich mit der Jugendanstalt Hameln. Der Entwurf eines Konzeptes für ein landesweites niedersächsisches Aussteiger- und Rückkehrer-Programm in Bezug auf den Justizvollzug liegt der AGiR seit kurzem vor, es wird momentan inhaltlich geprüft. Soweit islamistische Gefangene , insbesondere die Rückkehrer aus den Kriegsgebieten, traumatisiert sein sollten, werden diese durch den psychologischen bzw. psychiatrischen Dienst der jeweiligen Justizvollzugseinrichtung gezielt betreut. 24. Welche Einrichtungen sind gegebenenfalls mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut ? Hierzu wird auf die Ausführungen zu Frage 23 verwiesen. 25. Welche Ansätze werden konkret verfolgt, um die Gefahren, die von Rückkehrern ausgehen , die weiterhin radikalisiert sind, abzuwehren? Hierzu wird auf die Ausführungen zu Frage 22 verwiesen. 26. Ist die derzeitige personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung der Sicherheitsbehörden nach Auffassung der Landesregierung zur Überwachung der salafistischen Szene und insbesondere der Rückkehrer in Niedersachsen ausreichend? Nach gemeinsamer Einschätzung der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder geht vom internationalen islamistischen Terrorismus weiterhin eine hohe Gefährdung der Inneren Sicherheit unseres Landes aus. Die Sicherheitsbehörden stellen seit geraumer Zeit fest, dass ernstzunehmende Gefahren nicht nur von etablierten terroristischen Organisationen oder Rückkehrern aus terroristischen Ausbildungslagern oder aus Kampfgebieten ausgehen, sondern zunehmend auch von radikalisierten Einzeltätern und Kleinstgruppen innerhalb westlicher Staaten, wie die aktuellen Beispiele in Frankreich, Belgien und Dänemark verdeutlichen. Der Salafismus spielt bei der Bewertung der Gefahrensituation eine besondere Rolle. Fast alle Personen mit Bezug zu Deutschland, die den gewaltsamen Jihad befürworten oder sich ihm angeschlossen haben, standen zuvor mit Salafisten in Kontakt. Die geschilderte Gesamtsituation und die aktuelle Erkenntnislage zur salafistischen Szene in Niedersachsen verdeutlichen, dass auch Niedersachsen von den Gefahren des terroristischen und extremistischen Islamismus betroffen und bedroht ist. Diesen Gefahren gilt es entschlossen entgegenzutreten und die erforderlichen Maßnahmen für eine gezielte Gefahrenabwehr und für eine konsequente Strafverfolgung zu treffen. In diesem Zusammenhang wurden im Zuge der Fortschreibung die bundesweit geltenden Konzepte intensiviert, standardisiert und weiter ausgebaut. Zur Beobachtung und Bekämpfung werden alle im Rahmen der Gesetze vorhandenen Instrumentarien eingesetzt. In Niedersachsen ist eine erhebliche Zunahme von Ermittlungsverfahren mit einem terroristischen Hintergrund zu verzeichnen. Ebenso ist die Anzahl der als „Gefährder“ oder „Relevante Person“ eingestuften Personen stark angestiegen. Sowohl in der Anzahl der Verfahren als auch in der Anzahl der Personen ist die Tendenz weiterhin steigend. Auch das durch den Niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtete salafistische Personenpotenzial wächst stetig an. Darüber hinaus gibt es eine weiter zunehmende Anzahl an Gefährdungshinweisen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4818 14 Die personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung der Polizei wird fortlaufend überprüft, um den polizeilichen Aufgaben zukunftsorientiert, zielgerichtet und erfolgreich zu begegnen. Dieses gilt insbesondere auch für die Aufgaben des polizeilichen Staatsschutzes. Zur Wahrnehmung ihrer vielfältigen Aufgaben verfügt die Polizei des Landes Niedersachsen über eine umfangreiche und moderne Ausstattung. Diese wird - auch in Zusammenarbeit mit den Polizeien anderer Länder und des Bundes - fortlaufend weiterentwickelt, dem jeweiligen Stand der Technik angepasst und ständig optimiert . Zur Finanzierung konsumtiver wie auch investiver Ausgaben steht der Landespolizei ein Budget zur Verfügung. Im Rahmen der Budgethoheit besteht die Möglichkeit, lage- und situationsangemessen die erforderliche sachliche Ausstattung zur Überwachung der salafistischen Szene zu finanzieren. Insoweit ist festzustellen, dass die verfügbaren Mittel grundsätzlich ausreichend sind, um die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung auch unter Berücksichtigung erforderlicher Priorisierungen zu gewährleisten. Um den ermittlungstaktischen Erfordernissen in der Bearbeitung von terroristischen Umfangsverfahren gerecht zu werden, wurde das entsprechende Fachdezernat im Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA NI) mehrfach, zuletzt im Mai 2015 um acht Dienstposten, aufgestockt. In einem weiteren Schritt wurde die Organisationsstruktur des Polizeilichen Staatsschutzes in Niedersachsen den Herausforderungen in der Ermittlungsführung von Terrorismusverfahren angepasst und wurden in den Zentralen Kriminalinspektionen zusätzliche Ermittlungseinheiten „Polizeilicher Staatsschutz “ eingerichtet. Zur Intensivierung präventiver Maßnahmen wurde im LKA NI die zentrale Präventionsstelle Politisch motivierte Kriminalität (PPMK) eingerichtet, die u. a. mit dem Medienpaket des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK): „Mitreden! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und dschihadistische Internetpropaganda“ einen wichtigen Baustein zur Aufklärung über die Gefahren des Islamismus unter Beteiligung anderer Behörden und Einrichtungen umgesetzt hat. Um den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden, ist das Personal des Niedersächsischen Verfassungsschutzes im Bereich des Islamismus verstärkt worden. In der letzten Zeit sind mehrere Personen innerhalb der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums in den hier betroffenen Bereich umgesetzt worden. Dabei konnten teilweise Synergien aus der Reform des Verfassungsschutzes genutzt werden. Eine Verschlechterung der Aufgabenwahrnehmung anderer Bereiche ist, wie auch im Rahmen der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Adasch, Jahns und Nacke aus dem Februar 2015 (Nr. 30 der Drs. 17/2980) dargestellt, mit der Personalverstärkung im Bereich Islamismus nicht verbunden. Aufgrund der wachsenden Bedrohungslage durch islamistische Terrororganisationen , wie z. B. den sogenannten Islamischen Staat auch in Europa, wird der Personalbedarf fortlaufend evaluiert, um kurzfristig Anpassungen vornehmen zu können. (Ausgegeben am 14.12.2015) Drucksache 17/4818 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4227 Bekämpfung des islamistischen Terrors in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport