Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4873 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4614 - LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Wie unterstützt Niedersachsen den „Neustart“? Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 12.11.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 17.11.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 14.12.2015, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten In der Online-Ausgabe der Zeitung für kommunale Wirtschaft („ZfK“) vom 21.10.2015 wird über einen „Neustart für LNG-Terminal in Wilhelmshaven“ berichtet. Demnach arbeite die Landesregierung an einer „abgespeckten Version“. Bezug nimmt der Bericht auf eine Berichterstattung in der Zeitschrift Capital, in der Wirtschaftsminister Olaf Lies wie folgt zitiert wird: „Die Landesregierung arbeite an einer abgespeckten Variante der ursprünglich geplanten Anlage, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies. So solle das Projekt für Investoren attraktiver werden.“ „Statt einer Anlage an Land (erfolgt) die Regasifizierung auf einem Schiff“, so Minister Lies laut ZfK. Die HAZ berichtet am 20.01.2015 über die Absicht der „Brunsbütteler Häfen“ in Schleswig-Holstein, ein „Transport- und Logistiksystem auf(zu)ziehen, das die deutsche Industrie mit verflüssigtem Erdgas (LNG) versorgen kann.“ Im Zusammenhang mit der Versorgungssicherheit beim Erdgas hat Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer in einem Interview in der Welt vom 12.03.2014 zum Ausdruck gebracht, „mindestens ein Flüssiggasterminal in Deutschland (zu) bauen“, und nennt hier neben Rostock die niedersächsischen Häfen Emden und Wilhelmshaven. Vorbemerkung der Landesregierung Angesichts rückläufiger Erdgasfördermengen innerhalb Europas eröffnet die Diversifizierung der Erdgasversorgung zusätzliche Handlungsspielräume, um bilaterale Abhängigkeiten im Interesse der Versorgungssicherheit und der Stabilität der Bezugspreise effektiv zu mindern. Künftige Flüssigerdgasimporte (LNG) können dabei der zunehmenden Dominanz Russlands als Gaslieferant entgegenwirken und erhöhen so die Krisenfestigkeit der deutschen Gasversorgung. Vor diesem Hintergrund ist dem Aufbau einer LNG-Infrastruktur eine steigende Bedeutung beizumessen . Aufgrund seiner geographischen Lage, der Häfen, der Einbindung in das europäische Gastransportnetz (Niedersachsen ist ein Drehkreuz im europäischen Erdgasverbund) sowie der vorhandenen Gasspeicherkapazitäten (z. B. küstennahe Standorte von Erdgasuntergrundspeichern ) verfügt Niedersachsen bereits über vielfältige infrastrukturellen Rahmenbedingungen, um auch versorgungsstrategische Vorhaben zum Import von LNG umzusetzen. Aktuell werden unterschiedliche Planungen in Niedersachsen vorangetrieben, die dem Aufbau einer LNG-Importinfrastruktur dienen. Hervorzuheben sind die laufenden Projektierungen und zum Teil bereits durchlaufenen Genehmigungsverfahren für die Errichtung eines LNG-Terminals in Wilhelmshaven sowie die wieder aufgenommenen Bestrebungen zur Anlandung von auf Spezialtankern regasifiziertem Gas an der Löschbrücke der Nord-West Oelleitung in Wilhelmshaven. Insbesondere letzteres Projekt ist mit vergleichsweise geringen Investitionen verbunden und könnte in kurzer Zeit umgesetzt werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4873 2 Neben den großmaßstäblichen LNG-Anlande- und Regasifizierungsanlagen besteht ein verstärktes Interesse der Wirtschaft, zunächst kleine und mittelgroße LNG-Anlagen (sogenannte Smart Scale LNG-Anlagen) zu realisieren, die vor allem auf die örtliche LNG-Versorgung fokussieren. Besonders im Bereich der maritimen Wirtschaft, des Straßengüterverkehrs und der Industrie wird künftig ein wachsendes Marktpotenzial für LNG prognostiziert. Allein bis ins Jahr 2020 soll die Anzahl von Schiffen mit LNG als alterative Antriebstechnologie deutlich steigen. Weltweit sind bis zu 1 000 Schiffsneubauten und rund 700 Umbauten geplant, obgleich die LNG-Versorgung in den Häfen noch längst nicht gegeben ist. Smart-Scale-LNG-Anlagen, entweder schwimmend auf dem Wasser oder in unmittelbarer Küstennähe , können dieses Defizit wirksam beseitigen, um LNG künftig bedarfsgerecht anzubieten. Aufgrund der Anlagengröße sind schwimmende Anlagen flexibel einsetzbar und investitionsgünstig. Niedersächsische Unternehmen der maritimen Wirtschaft sind aktuell damit befasst konkrete Projektvorschläge auszuarbeiten. 1. In welchem Zusammenhang steht die Entscheidung der Landesregierung hinsichtlich der Entscheidung der „Brunsbütteler Häfen“, dort ein Transport- und Logistiksystem für verflüssigtes Erdgas aufzubauen, und welche Abstimmung erfolgt zwischen den beiden Bundesländern? Der Landesregierung ist bisher keine abschließende Entscheidung der Brunsbüttel Ports GmbH bekannt geworden, die den Aufbau eines LNG-Importterminals betrifft. Anfang November 2015 konnte der Presseberichterstattung lediglich entnommen werden, dass der Hafenstandort Brunsbüttel ausreichendes Potenzial für ein LNG-Terminal zur Versorgung von Industrie, Verkehr und Energiewirtschaft bietet. Diese Einschätzung ist das Ergebnis einer Potenzialstudie des Fraunhofer -Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML), die im Wesentlichen der Ausarbeitung von maßgebenden Entscheidungskriterien dient und zudem konkrete Planungen ankurbeln soll. Im Gegensatz dazu werden in Niedersachsen - wie einleitend beschrieben - bereits konkrete Planungen angestellt. Diese stehen dabei in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Überlegungen des Hafenbetreibers Brunsbüttel Ports GmbH. 2. Welche Investitionssumme wird seitens der Landesregierung für die Realisierung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven angenommen, und welche Förderung ist durch das Land über den Landeshaushalt vorgesehen? Nach vorläufigen Angaben des Unternehmens Deutsche Flüssiggas Terminal Gesellschaft GmbH (DFTG) belaufen sich die Kosten für den Bau eines landseitigen versorgungsstrategischen LNG- Importterminals auf rund 1,5 Milliarden Euro. Kostengünstiger hingegen wäre die Errichtung eines schwimmenden Regasifizierungsterminals (Floating Storage & Regasification Unit - FSRU). Nach einer Kostenschätzung der Nord-West Oelleitung GmbH (NWO) belaufen sich die Investitionen auf rund 130 Millionen Euro (100 Millionen Euro für Anlandeanlage, 30 Millionen Euro für Erdgasanbindungsleitung). Nicht zu vernachlässigen sind dabei die zusätzlichen Kosten für die Bereitstellung der FSRU, die Abhängigkeit der Leasingkonditionen oder bei Erwerb der Anlage einen dreistelligen Millionenbetrag verursachen können. Smart-Scale-LNG-Anlagen bieten ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten, die wiederum erheblichen Einfluss auf die Kosten nehmen. Angefangen von einfachen Bunkeranlagen bis hin zur Regasifizierung vor Ort können die Investitionskosten hierbei erheblich variieren, weswegen diese projektspezifisch zu ermitteln sind. Angesichts der zurzeit anlaufenden Projektplanungen liegen der Landesregierung noch keine konkreten Angaben vor. Zielgerichtete Förderprogramme zum Aufbau einer LNG-Infrastruktur in Niedersachsen sind zurzeit nicht aufgelegt. Die Fördermöglichkeiten auf Landesebene wären daher im Einzelfall zu prüfen. Da insbesondere auch Aspekte der bundesdeutschen Versorgungssicherheit die aktuelle Diskussion über den Aufbau einer LNG-Infrastruktur prägen, wirbt Herr Minister Lies zurzeit beim Bundes- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4873 3 ministerium für Wirtschaft und Energie für weitere Unterstützung dieser Vorhaben. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung zurzeit, wie die Einführung von LNG landseitig gefördert und weiter in das öffentliche Bewusstsein gebracht werden kann. Hierzu übernimmt der Bund eine koordinierende Rolle, um gemeinsam mit den betroffenen Akteuren eine nationale Strategie für den Ausbau entsprechender Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe aufzustellen. 3. Wer entscheidet wann über die Realisierung, und wer wird das Terminal bauen und betreiben ? Die in Niedersachsen bekannten LNG-Vorhaben werden von privatwirtschaftlichen Unternehmen geplant, denen letztlich die Entscheidung über den Bau und Betrieb der Anlagen obliegt. Nach Unternehmensangaben von DFTG wird ein realistischer Bedarf für das LNG-Importterminal nach dem Jahr 2020 gesehen, weswegen die Entscheidung über den Bau des Terminals bis spätestens 2018 erfolgen soll. Die reine Bauzeit beträgt voraussichtlich drei Jahre, wie etwa beim LNG- Terminal in Rotterdam. Zu welchem Zeitpunkt die Realisierung des Vorhabens von NWO beginnen könnte, wurde vom Unternehmen bisher nicht bekannt gegeben. 4. Erfolgt der Erdgastransport über eine Direktleitung zu den Erdgasspeichern in Etzel, oder wird das Erdgas direkt in das bundesdeutsche Erdgasnetz eingespeist? Wie der leitungsgebundene Erdgasimport bedarf auch der kontinuierliche Betrieb von LNG-Importanlagen eines Erdgaszwischenspeichers, um tages- und jahreszeitliche Bedarfsschwankungen auszugleichen. Insbesondere bei versorgungstrategischen LNG-Importterminals können neben anlagenseitigen Bunkeranlagen auch Erdgasuntergrundspeicher als Puffer fungieren. Ob und in welchem Umfang dabei die bereits vorhandenen Kavernenspeicheranlagen in Rüstringen oder Etzel genutzt werden können, ist Gegenstand des weiteren Entwicklungs- und Planungsprozesses. Vor allem beim Betrieb von Smart-Scale-LNG-Anlagen stehen die Direkteinspeisung in regionale bzw. überregionale Erdgasversorgungsnetze sowie die LNG-Versorgung der Schifffahrt und des Lkw-Güterverkehrs im Vordergrund der technischen Konzeptionierung. 5. Welchen Anteil wird das verflüssigte Erdgas an der insgesamt in Deutschland angelieferten und verbrauchten Menge an Erdgas haben? Belastbare Voraussagen, welchen Anteil importiertes LNG am Erdgasgesamtverbrauch in Deutschland haben wird, können zurzeit nicht getroffen werden. Insbesondere das Zusammenspiel der Faktoren Wirtschaftlichkeit von LNG, Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie Energieeffizienz und -einsparung im Rahmen der Energiewende werden maßgebenden Einfluss auf die Entwicklung des LNG-Versorgungsanteils nehmen. Zurzeit ist festzustellen, dass die Preise für LNG (einschließlich Verarbeitungskosten) über den Bezugspreisen von russischem Erdgas liegen. Dennoch interessieren sich einige europäische Staaten für die am Markt verfügbaren Mengen. Ursächlich hierfür sind vor allem eine mangelhafte infrastrukturelle Anbindung an überregionale Leitungsnetze (z. B. Mittelmeerraum, Balkanländer) und/oder geopolitische Erwägungen im Interesse einer unabhängigen Versorgung (z. B. Baltikum, Polen). Die internationale Energieagentur (IEA) schreibt in einem 2014 erschienenen Report, die Aussicht, dass Europa auf kurze Sicht mehr LNG importiert, werde „durch die Notwendigkeit beschränkt, dafür asiatische Kunden überbieten zu müssen“. Die IEA prognostiziert in ihrem World Energy Outlook , dass sich vor allem die chinesische Gasnachfrage bis 2019 nahezu verdoppeln wird. Vor diesem Hintergrund ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass trotz des zu erwartenden Ausbaus des LNG-Handels kurzfristig preissenkende Effekte wirksam werden, die eine wirtschaftliche Konkurrenz zum leitungsgebundenen Gastransport aus Russland begründen. (Ausgegeben am 21.12.2015) Drucksache 17/4873 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4614 LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Wie unterstützt Niedersachsen den „Neustart“? Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr