Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4899 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4326 - Glyphosat in Muttermilch - Grenzwert oder Vorsorgewert? Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 23.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 02.10.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 22.12.2015, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung des Abgeordneten In der Drucksache 17/4134 beantwortete die Landesregierung eine Anfrage zum Thema Glyphosat in Muttermilch. Strittig war u. a. die Definition der zulässigen Höchstgehalte von Glyphosatrückständen im Trinkwasser. Minister Meyer hatte zuvor in einem Radiointerview folgende Aussage getätigt : „Natürlich ist die Studie nicht repräsentativ, aber in allen untersuchten Proben ist Glyphosat gefunden worden. (…) Und es bleibt dabei, wenn es Trinkwasser wäre und nicht Muttermilch, wäre es nach den gesetzlichen Normen verboten - und das muss einem schon zu denken geben.“ In ihrer Antwort führt die Landesregierung aus, dass diese Aussage des Ministers zutreffend ist, und bezieht sich dabei auf § 6 Abs. 2 der Trinkwasserverordnung, nach der der Grenzwert von 0,1 µg/l grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Das grün geführte Landwirtschafts- und Umweltministerium in Rheinland-Pfalz bewertet den fraglichen Grenzwert aus der Trinkwasserverordnung wie folgt: „Die Trinkwasserverordnung des Bundes schreibt für PSM einschließlich ihrer toxischen Hauptabbauprodukte einen Grenzwert von 0,1 µg/l für den einzelnen Wirkstoff bzw. 0,5 µg/l für die Summe aller Wirkstoffe vor. Dieser Grenzwert ist als reiner Vorsorgewert aufzufassen und nicht toxikologisch begründet. Er wird jedoch auch zur Beurteilung der Grundwasserbeschaffenheit herangezogen; Grenzwerte für das Grundwasser selbst existieren nicht.“ Vorbemerkung der Landesregierung Trinkwasser ist ein Schutzgut von überragender Bedeutung, weil es lebenswichtig und das einzige nicht ersetzbare Element ist. Es muss rein und genusstauglich sein. Dazu gehört auch, dass bei seiner Verwendung keine auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit der Schädigung der menschlichen Gesundheit bestehen darf (Besorgnisgrundsatz). Um diesen sehr hohen Anforderungen gerecht zu werden, legt die Verordnung über Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung) für zahlreiche mikrobiologische und chemische Stoffe strenge Grenzwerte fest, deren Einhaltung regelmäßig sowohl vom Wasserversorger als auch den Gesundheitsämtern als Überwachungsbehörden überprüft werden. Wasser, bei dem Grenzwertüberschreitungen festgestellt und diese Abweichungen vom zuständigen Gesundheitsamt nicht zeitweise geduldet oder zugelassen wurden, darf nach § 4 Abs. 2 der Trinkwasserverordnung nicht als Trinkwasser abgegeben und anderen nicht zur Verfügung gestellt werden. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen dieses Verbot stellt nach § 24 Abs. 1 der Trinkwasserverordnung einen Straftatbestand dar, der nach § 75 des Infektionsschutzgesetzes mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden kann. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4899 2 1. Wie hoch ist der zulässige Grenzwert für Glyphosatrückstände im Trinkwasser, ab dem ein Inverkehrbringen verboten ist? 2. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn der Grenzwert von 0,1 µg/l für Pflanzenschutzmittelrückstände im Trinkwasser festgestellt wird? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Wie bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage „Glyphosat in Muttermilch - Echte Gefahr oder grünes Angstszenario?“ in der Drs. 17/4234 dargelegt, unterliegt Glyphosat als Herbizid dem für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und Biozidproduktwirkstoffe (PSMBP-W) gemäß § 6 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage 2 Teil 1, lfd. Nr. 10 der Trinkwasserverordnung festgelegten Einzelstoffgrenzwert von 0,00010 Milligramm pro Liter (mg/l), entsprechend 0,1 µg/l. Wird dieser Grenzwert überschritten, hat der Unternehmer und der sonstige Inhaber der betroffenen Wasserversorgungsanlage dies gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Trinkwasserverordnung unverzüglich dem Gesundheitsamt anzuzeigen. Das Gesundheitsamt hat daraufhin im Einzelfall gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Trinkwasserverordnung unverzüglich zu entscheiden, ob dadurch die Gesundheit der betroffenen Verbraucher gefährdet ist und ob die betroffene Wasserversorgungsanlage oder Teile davon bis auf weiteres weiterbetrieben werden können. Im Rahmen der hierfür im Einzelfall durchzuführenden Güterabwägung hat es auch die Gefahren zu berücksichtigen, die für die menschliche Gesundheit entstehen würden, wenn die Bereitstellung von Trinkwasser unterbrochen oder seine Entnahme oder Verwendung eingeschränkt würde. 3. Teilt die Niedersächsische Landesregierung die rheinland-pfälzische Auffassung, dass es sich bei dem Grenzwert von 0,1 µg/l für den einzelnen Wirkstoff eines Pflanzenschutzmittels um einen reinen Vorsorgewert handelt, der nicht toxikologisch begründet ist? 4. Falls 3. mit Nein beantwortet wird: Welche Rechtsauffassung vertritt die Niedersächsische Landesregierung zur Einstufung dieses Grenzwerts, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Der nach der Trinkwasserverordnung für PSMBP-W festgelegte Einzelstoffgrenzwert wurde aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes und entsprechend dem Minimierungsgebot in § 6 Abs. 3 Trinkwasserverordnung festgelegt. Die Anwesenheit von PSMBP-W setzt langfristig die Trinkwasserqualität aufs Spiel und ist trinkwasserhygienisch unerwünscht. Deshalb fordert das Minimierungsgebot , dass Konzentrationen solcher Stoffe, die die Beschaffenheit des Trinkwassers nachteilig beeinflussen können, so niedrig wie möglich zu halten sind. Der Grenzwert stellt die zum Zeitpunkt seiner Festlegung erreichbare analytische Bestimmungsgrenze dar. 5. Bedeutet ein Überschreiten des Trinkwasserhöchstgehaltes in anderen Lebensmitteln automatisch, dass ein gesundheitliches Risiko besteht? Die WHO hat den Wirkstoff Glyphosat in die Gruppe „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen “ eingestuft. Rückstandshöchstgehalte regeln in erster Linie die Verkehrsfähigkeit von Lebens- und Futtermitteln . Laut Bundesinstitut für Risikobewertung unterliegen Grenzwerte für Rückstandshöchstgehalte dem sogenannten ALARA-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable = so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar). Wird eine Überschreitung des Höchstgehaltes festgestellt, wird das Lebensoder Futtermittel i. d. R. aus dem Verkehr genommen und darf nicht weiter gehandelt oder verarbeitet werden, auch wenn noch kein gesundheitliches Risiko besteht. 6. Falls 5. mit Ja beantwortet wird: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Verbraucherschutz in Niedersachsen? Für den Verbraucherschutz gilt das Minimierungs- und Vorsorgegebot zu Risiken jeglicher Art. (Ausgegeben am 05.01.2016) Drucksache 17/4899 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4326 Glyphosat in Muttermilch - Grenzwert oder Vorsorgewert? Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung