Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4906 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4660 - Was heißt absolute, schonungs- und rückhaltlose Aufklärung aus Sicht der VW-Aufsichtsratsmitglieder Stephan Weil und Olaf Lies? Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode, Gabriela König, Christian Grascha, Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe und Christian Dürr (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 05.11.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 30.11.2015 Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung vom 18.12.2015, gezeichnet Dr. Jörg Mielke Chef der Staatskanzlei Vorbemerkung der Abgeordneten Ministerpräsident Weil und Minister Lies sind als Vertreter des Landes Niedersachsen Mitglieder des Aufsichtsrats der Volkswagen AG. Sie vertreten den Großaktionär mit über 59 Millionen VW- Stammaktien, was einer Beteiligung/einem Stimmanteil von über 20 % entspricht. Die Firma Bosch und Techniker aus dem VW-Konzern sollen bereits vor Jahren vor dem Einsatz der Manipulationssoftware als illegaler Praktik gewarnt haben. In der Unterrichtung von Ministerpräsident Weil am 13. Oktober 2015 heißt es hierzu: „Lassen Sie mich vor diesem Hintergrund kurz den Sachverhalt zusammenfassen, wie er sich nach meinem Kenntnisstand in groben Zügen darstellt . Vor etwa zehn Jahren wurden strategische Überlegungen darüber angestellt, wie Volkswagen in den Vereinigten Staaten mit einem Dieselmotor Erfolg haben könnte. Es sollte ein verbrauchsarmer Motor sein, der bewusst als ökologisches und ‚grünes‘ Produkt positioniert werden könnte. Deswegen sollte der Motor vom Typ EA 189 in den Vereinigten Staaten eingesetzt werden. Wie wir heute wissen, gelang es dabei jedoch nicht, die strengen Abgaswerte in den USA einzuhalten . Anstatt dies nun klar und deutlich zu thematisieren, ist fatalerweise der Entschluss gefasst worden, eine Software zu entwickeln, die die Abgasentwicklung unterschiedlich steuert, je nachdem , ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder im normalen Verkehr. Wo und wann dieser Beschluss gefasst wurde und wer ihn gefasst hat, das ist derzeit Gegenstand intensiver Ermittlungen . In den Folgejahren erfolgte dann auch ein Einsatz derselben Software in anderen Modellen und auf anderen Märkten. Wer dafür die Verantwortung hatte, ist auch Gegenstand der laufenden Ermittlungen.“ Am 15. Oktober 2015 veröffentlichte die Volkswagen AG eine Pressemitteilung mit folgendem Inhalt : „Die aktuelle Nachfolge-Motorengeneration EA 288 (Einsatz ab 2012) ist nicht betroffen“ (http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2015/10/VW_KBA.html). Seit dem 17. Oktober (Nachrichtenagentur Reuters), dem 20. Oktober (http://www.gruendersze ne.de/automotive-mobility/vw-skandal-ea288) und spätestens seit dem 22. Oktober wird über eine mögliche Ausweitung des VW-Skandals auf die Nachfolge-Motorengeneration EA 288 nach Euro-5- Norm berichtet (http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/VW- Skandal-Noch-mehr-Fahrzeuge-betroffen,vw2258.html). Die Betroffenheit des EA 288 wird erst im Laufe des 22. Oktober, ebenso wie die frühen Kenntnisse des VW-Vorstandes, von VW zurückgewiesen. Gleichzeitig heißt es aber, dass VW-Entwicklungschef Neußer seit dem Frühjahr 2014 über Verstöße in den USA informiert war. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4906 2 Vorbemerkung der Landesregierung Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Lies sind sowohl Mitglieder der Landesregierung als auch Aufsichtsratsmitglieder des VW-Konzerns. Sie unterliegen deshalb unterschiedlichen Rechtsund Pflichtenkreisen, z. B. aus der Landesverfassung einerseits und dem Aktienrecht des Bundes andererseits. Nach § 111 des Aktiengesetzes hat der Aufsichtsrat die Aufgabe, den Vorstand zu überwachen. Der Vorstand seinerseits hat die Kommunikation des Konzerns als Teil des operativen Geschäftes zu verantworten. Der Aufsichtsrat ist somit in die tägliche Kommunikation des VW-Konzerns nicht eingebunden. Gleichwohl gibt es natürlich einen Austausch zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zu Fragen der strategischen Kommunikation. Welche Aspekte dabei zwischen dem Unternehmen und den Aufsichtsratsmitgliedern ausgetauscht werden, unterliegt der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht und ist einer öffentlichen Beantwortung in einer parlamentarischen Anfrage nicht zugänglich. 1. Mit Bezug auf die Unterrichtung des Landtags durch Ministerpräsident Weil vom 13. Oktober 2015, eine vollumfassende Informationspflicht und die gesamte Kenntnislage bis zum 12. Oktober 2015: Ist Ministerpräsident Weil der Auffassung, den Landtag am 13. Oktober wahrheitsgetreu und vollumfassend informiert zu haben, oder gibt es Ergänzungsbedarf zur Unterrichtung? In seiner Unterrichtung vom 13. Oktober 2015 hat Ministerpräsident Weil den Landtag entsprechend dem bis dahin öffentlich bekannten Sachverhalt informiert. Zu konkreten Inhalten der Aufsichtsratstätigkeit können Ministerpräsident Weil und Minister Lies aufgrund ihrer aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht keine Auskunft erteilen. 2. Haben Ministerpräsident Weil und Minister Lies durch ihre „sehr ernste“ und „sehr intensiv (e)“ (Drucksache 17/4430) Wahrnehmung ihrer Aufsichtsratstätigkeit bei der Volkswagen AG abschließende Kenntnisse, welche Motoren/Dieselaggregate von der Manipulation betroffen sind? Diese Frage ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Abschließende Kenntnisse werden erst nach deren Abschluss vorliegen. 3. Vor dem Hintergrund, dass Ministerpräsident Weill in seiner Unterrichtung vom 13. Oktober 2015 die betroffenen Motoren auf die Typenreihe EA 189 beschränkt hat: Welche Erkenntnisse lagen dieser Darstellung gegenüber dem Landtag zugrunde? Ministerpräsident Weil hat in seiner Unterrichtung vom 13. Oktober 2015 die betroffenen Motoren nicht auf die Typenreihe EA 189 beschränkt. Er hat vielmehr geschildert, wie nach seinem damaligen Kenntnisstand der Einsatz eines Motors in den USA der Ausgangspunkt der Manipulationen war. 4. Haben Ministerpräsident Weil und Minister Lies durch ihre „sehr ernste“ und „sehr intensiv (e)“ (Drucksache 17/4430) Wahrnehmung ihrer Aufsichtsratstätigkeit bei der Volkswagen AG die Frage nach dem Umfang von möglicherweise betroffenen anderen und insbesondere noch im Verkauf befindlichen Motortypen angesprochen bzw. kritisch hinterfragt? Der Umfang betroffener Motortypen ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Zu konkreten Inhalten der Aufsichtsratstätigkeit können Ministerpräsident Weil und Minister Lies aufgrund ihrer aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht keine Auskunft erteilen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4906 3 5. Vor dem Hintergrund zahlreicher Aufsichtsratssitzungen, ständiger Unterrichtungen und der Pressemitteilung der VW AG vom 15. Oktober 2015, dass der EA 288 (Einsatz ab 2012) nicht betroffen sei: Wie lässt sich erklären, dass VW die Spekulationen in den Medien ab dem 17. Oktober 2015 erst am späten Nachmittag des 22. Oktober 2015 dementieren konnte? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 6. Sind frühere Aussagen, dass weitere Motortypen nicht betroffen sind, ohne eine gründliche und sorgfältige Prüfung des Sachverhaltes erfolgt? Eine solche Aussage hat die Landesregierung nicht getroffen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. Vor dem Hintergrund, dass fünf Wochen nach dem offiziellen Beginn des VW- Abgasskandals u. a. bei der EPA „bittere Enttäuschung“ (HAZ vom 28. Oktober 2015) bezüglich der Kommunikation über den VW-Konzern vorherrscht: Wie beurteilen die VW-Aufsichtsräte Weil und Lies die Kommunikation von VW im Rahmen der aktuellen Krise? Es handelt sich hier um eine Einschätzung der Presse. Diese wird von der Landesregierung nicht bewertet. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 8. Erwägt Ministerpräsident Weil eine Intervention in die derzeitige Krisenkommunikation des VW-Konzerns? Nein. 9. Vor dem Hintergrund, dass sich die VW-Aufsichtsräte Weil und Lies intensiv in die Aufklärungsarbeit und in die Aufarbeitung der Folgen des Abgasskandals einbringen: Wie stellt sich diese intensive Aufklärungsarbeit konkret dar, und welche konkreten Ergebnisse konnten hierdurch bereits erzielt werden? Ministerpräsident Weil und Minister Lies stehen seit Kenntnisnahme in laufendem Kontakt zum Vorstand und anderen Aufsichtsratsmitgliedern der Volkswagen AG. Das Präsidium des Aufsichtsrats der Volkswagen AG und der Aufsichtsrat haben seitdem mehrmals getagt. Dabei lassen sich die Aufsichtsgremien regelmäßig über den Stand der Ermittlungen unterrichten. Ministerpräsident Weil und Minister Lies haben sich in allen Sitzungen intensiv in die Aufklärungsarbeit und in die Aufarbeitung der Folgen des Abgasskandals eingebracht. Das Präsidium hat am 23. September 2015 die Bitte von Prof. Dr. Martin Winterkorn zur Aufhebung seines Vertrags als Vorsitzender des Vorstands zur Kenntnis genommen. Es hat zudem beschlossen , durch das Unternehmen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig zu stellen und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in aller Form zu unterstützen. Am 25. September 2015 hat der Aufsichtsrat Herrn Matthias Müller zum neuen Vorstandsvorsitzenden berufen und eine neue Führungsstruktur von Konzern und Marken sowie der Region Nordamerika beschlossen. Zudem wurde die US-amerikanische Anwaltskanzlei Jones Day mit einer sogenannten External Investigation beauftragt. Dabei handelt es sich um eine ebenso umfassende wie aufwändige Untersuchung, die sich mit allen derzeit infrage stehenden Vorgängen auseinandersetzen wird. Ministerpräsident Weil und Minister Lies haben sich in ihrer Funktion als Aufsichtsratsmitglieder mit einem umfangreichen Fragenkatalog zu den erhobenen Vorwürfen an den Vorstand gewandt. Mehrere Mitglieder von Markenvorständen wurden auf Vorschlag des Aufsichtsrats von ihren Aufgaben entbunden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4906 4 In einer Aufsichtsratssitzung am 7. Oktober 2015 wurde Herr Pötsch nach vorheriger registergerichtlicher Bestellung zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt. Außerdem hat der Aufsichtsrat einen Sonderausschuss gebildet, unter dessen Leitung die weitere Aufklärung erfolgen wird sowie die notwendigen Konsequenzen vorbereitet werden. Minister Lies ist Mitglied dieses Ausschusses, der seit seiner Gründung bereits mehrfach getagt hat und dem Aufsichtsrat regelmäßig über den Fortgang der Ermittlungen berichtet. Mit Wirkung zum 1. Januar 2016 hat der Aufsichtsrat die Schaffung eines neuen Vorstandsressorts „Integrität und Recht“ beschlossen und Frau Dr. Hohmann-Dennhardt als Vorstand für diesen Geschäftsbereich bestellt. Im Konzernbereich Automobile hat der Volkswagen Konzern seine Investitionstätigkeit an die aktuellen Entwicklungen angepasst. Die geplanten Sachinvestitionen für das kommende Jahr sollen maximal rund 12 Milliarden Euro betragen. Im vergangenen Planungszeitraum lag dieser Wert bei durchschnittlich rund 13 Milliarden Euro pro Jahr. Am 9. Dezember 2015 konnte der Volkswagen Konzern nach dem Auftauchen von Fragen zu CO2- Messwerten einiger Konzernmodelle die Aufklärung dazu weitgehend abschließen. Nach umfassenden internen Prüfungen und Messkontrollen ist nun klar, dass fast alle diese Modellvarianten doch den ursprünglich festgestellten CO2-Werten entsprechen. Der Verdacht auf rechtswidrige Veränderung der Verbrauchsangaben von aktuellen Serienfahrzeugen hat sich nicht bestätigt. Bei den internen Nachmessungen wurden nur noch bei neun Modellvarianten der Marke Volkswagen leichte Abweichungen festgestellt. Am 10. Dezember 2015 hat der Volkswagen Konzern in einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass er bei der Aufklärung, den technischen Lösungen und der Neuausrichtung des Konzerns gut vorankomme . Am 16. Dezember teilte der Volkswagen Konzern mit, dass er dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) die konkreten technischen Maßnahmen für die betroffenen EA189-Motoren vorgestellt habe und dass das KBA alle Maßnahmen vollumfänglich bestätigt habe. (Ausgegeben am 05.01.2016) Drucksache 17/4906 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4660 Was heißt absolute, schonungs- und rückhaltlose Aufklärung aus Sicht der VW-Aufsichtsratsmitglieder Stephan Weil und Olaf Lies? Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode, Gabriela König, Christian Grascha, Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe und Christian Dürr (FDP) Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei