Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4921 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4168 - Unterstützt die Landesregierung die Hormonbehandlung von Fischen und Verstöße gegen den Tierschutz mit Steuergeldern? Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg und Helmut Dammann-Tamke (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.09.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 09.09.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 21.12.2015, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe Nr. 35/2015 in dem Artikel „Gemolkene Fische“ über einen vorgeblichen Tierversuch zur Hormonbehandlung von Stören, der in erster Linie zur kommerziellen Produktion von Kaviar diene und zudem mit 667 000 Euro Fördermitteln der EU und des Landes Niedersachsen gefördert worden sei. Eine Wissenschaftlerin hatte laut Spiegel ein Verfahren entwickelt, nach dem auch reife Störeier als Kaviar verkauft werden könnten, weil sie nach der Entnahme gehärtet würden. So sei eine Schlachtung der Tiere zur Kaviargewinnung nicht mehr erforderlich. Der Spiegel berichtet allerdings, dass diese Methode unter Störzüchtern seit vielen Jahren bekannt sei. In dem Artikel steht dazu: „Blamiert ist auch die Landesregierung in Hannover, die den Beteuerungen der Wissenschaftlerin, sie könne die Herstellung der weltweit gefragten Delikatesse revolutionieren, allzu vertrauensselig glaubte.“ Mittlerweile habe die in Rede stehende Firma Vivace GmbH einen vorläufigen Insolvenzverwalter . Als die öffentlichen Gelder im Juni bei der Firma eintrafen, soll sie sich bereits in höchster Finanznot befunden haben. Hinzu kommt, dass die Methode nur mithilfe einer in Deutschland verbotenen Hormonbehandlung der Fische funktionierte. Die Anwendung der Hormonbehandlung sei dennoch möglich geworden, weil die niedersächsischen Behörden das Verfahren als Tierversuch genehmigt hätten. Der Spiegel schreibt dazu in Bezug auf den niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer: „Dass seine Leute nichts dabei fanden, eine kommerzielle Kaviarproduktion mit dafür nicht zugelassenen Hormonen zu genehmigen, lässt den Minister nicht gut aussehen. Zumal das Veterinäramt Cuxhaven bei einer Überprüfung der Anlage feststellte, dass Tierschutzvorgaben nicht eingehalten wurden.“ Hinweise auf mögliche Mängel in der Haltung der Fische liefert in dem Artikel zudem das Zitat des Kaviarimporteurs Ali Sepehr Dad: „Vivace-Kaviar schmeckt nach dem Rogen von Fischen, die bei schlechtem Futter und miserabler Wasserqualität in großer Enge gehalten werden.“ 1. Nach welcher Förderrichtlinie und mit welcher Begründung hat das Landwirtschaftsministerium die Förderung Kaviarproduktion in Höhe von 667 000 Euro genehmigt? Als Förderrichtlinie kam die „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur der Fischwirtschaft“, Erl. d. ML vom 26.08.2008, Nds. MBl. S. 954, zur Anwendung. Die Begründung für die Zuwendung ist die Neuschaffung von Be- und Verarbeitungskapazitäten für ein fischereiliches Produkt. Hierbei war zu be- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4921 2 rücksichtigen, dass „Kaviar, aus Fischeiern gewonnen“ mit dem KN-Code 1604 ein Erzeugnis ist, das der Gemeinsamen Marktordnung für Erzeugnisse der Fischerei und Aquakultur unterliegt. 2. Inwiefern hätte die Genehmigungsbehörde davon Kenntnis haben müssen, dass es sich bei dem Verfahren um eine bereits bekannte Methode handelte? Bei einer Zuwendung nach der o. g. Förderungsrichtlinie kommt es nicht darauf an, dass das Verarbeitungsverfahren bekannt oder neu ist. Von daher musste die Bewilligungsbehörde keine Ermittlungen über den Innovationsgehalt der Investition vornehmen. 3. Hätte der Auszahlungsbehörde bekannt sein können, dass sich das Unternehmen im Zeitpunkt der Auszahlung bereits in höchster Finanznot befand und damit die Gefahr bestand, dass die Fördermittel verloren sind? Über die Liquidität eines Unternehmens bestehen keine offiziellen und formellen Berichtspflichten oder Quellen. Von daher konnte der Auszahlungsbehörde vor dem Tag der Beantragung der Einleitung des Insolvenzverfahrens nicht bekannt sein, dass eine Finanznot bestand. 4. Ist die Förderung des Verfahrens auch nach heutigem Kenntnisstand zu rechtfertigen? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nicht ein bestimmtes Verfahren der Kaviargewinnung und -behandlung Gegenstand der Förderungsentscheidung war und auch nicht sein musste. Maßgeblich war die Produktion eines fischereilichen Erzeugnisses, in diesem Fall Kaviar. Unabhängig hiervon stellt die Gewinnung von Kaviar durch Abstreifen der Tiere aus Sicht der Landesregierung nach wie vor eine anzustrebende Weiterentwicklung in der Erzeugung von Störkaviar dar. 5. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass eine kommerzielle Kaviarproduktion als Tierversuch genehmigt wurde, um die eigentlich nicht zulässige Hormonbehandlung der Tiere doch zu ermöglichen? Die Verwendung von Lebensmitteln, die von Tieren stammen, die in klinischen Prüfungen eingesetzt wurden, ist nur unter folgenden rechtlichen Voraussetzungen möglich: Gemäß § 59 Abs. 2 Sätze 2 und 3 i. V. m. § 67 Abs. 1 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes dürfen von Tieren, bei denen klinische Prüfungen von Substanzen durchgeführt werden, Lebensmittel gewonnen werden, wenn die zuständige Bundesoberbehörde eine Wartezeit festgelegt hat. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat im vorliegenden Fall mit Schreiben vom 10.10.2013 eine Wartezeit von 0 Tagen für die gewonnen Eier (also den Kaviar) festgelegt. Niedersachsen hat sich im Verfahren zur EU-Revision des Tierarzneimittelrechts dafür eingesetzt, dass zukünftig von Tieren, die für klinische Prüfungen eingesetzt werden, keine Lebensmittel mehr gewonnen werden dürfen. Derzeit ist dies aber geltendes Recht. Insofern ist die Verwendung des im Rahmen einer als Tierversuch genehmigten klinischen Prüfung erzeugten Kaviars als Lebensmittel zulässig. 6. Welche Behörde war für diese Genehmigung verantwortlich? In Niedersachsen ist das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) für die Bearbeitung und somit auch Genehmigung von Tierversuchsanträgen zuständig. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4921 3 7. Auf wessen Weisung hin erfolgte die Genehmigung? Die Bearbeitung einschließlich Genehmigung des in Rede stehenden Tierversuchsvorhabens erfolgte zuständigkeitshalber durch das LAVES und nicht auf Weisung. 8. Welche Mitglieder der Landesregierung bzw. welche Staatssekretäre hatten Kenntnis von der Genehmigung oder haben sie gegebenenfalls beeinflusst? Die Bearbeitung von Tierversuchsanträgen liegt in der Zuständigkeit des LAVES (siehe Antwort zu Frage 6). Auf die Entscheidung, ob ein Versuchsvorhaben genehmigt werden kann, nahmen weder Mitglieder der Landesregierung noch Staatssekretäre Einfluss. Herr Staatssekretär Schörshusen und Herr Minister Meyer hatten dienstliche Kenntnis von der Genehmigung . 9. War der Genehmigungsbehörde des Tierversuchs bekannt, dass das Veterinäramt Cuxhaven bei einer Überprüfung des Unternehmens festgestellt hatte, dass Tierschutzvorgaben nicht eingehalten wurden? Die Überprüfung der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Anforderungen liegt in der Zuständigkeit des Landkreises Cuxhaven. Eine Nichteinhaltung von Tierschutzvorgaben ist dem LAVES nicht bekannt geworden. 10. Wenn ja, wie konnte es trotzdem zu der Genehmigung des Tierversuchs kommen? Entfällt. 11. Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu Frage 17. 12. War der Genehmigungsbehörde, die die Auszahlung der Fördermittel veranlasst hat, zum Zeitpunkt der Auszahlung bekannt, dass das Veterinäramt Cuxhaven die Tierschutzverstöße festgestellt hat? Zum Zeitpunkt der Auszahlung waren keine Tierschutzverstöße bekannt. 13. Wenn ja, warum wurde die Auszahlung dennoch veranlasst? Entfällt. 14. Wenn nein, warum nicht? Siehe Antwort zu Frage 17. 15. Hatten Mitglieder der Landesregierung oder Staatssekretäre Kenntnis über die Tierschutzverstöße ? Nein, Kenntnis über Tierschutzverstöße hatten weder Mitglieder der Landesregierung noch Staatssekretäre . (Siehe auch Antwort zu Frage 17). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4921 4 16. Wenn ja, wie und wann kamen sie zu dieser Information? Entfällt. 17. Gegen welche Tierschutzvorgaben hat das Unternehmen nach Feststellung des Veterinäramtes Cuxhaven verstoßen? Nach Aussage der zuständigen Behörde, des Landkreises Cuxhaven, wurden „im Rahmen der Überwachung des Betriebes keine relevanten tierschutzrechtlichen Verstöße festgestellt“. (Ausgegeben am 06.01.2016) Drucksache 17/4921 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4168 Unterstützt die Landesregierung die Hormonbehandlung von Fischen und Verstöße gegen den Tierschutz mit Steuergeldern? Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg und Helmut Dammann-Tamke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz