Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/4930 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4550 - Wirkt die Entschuldungshilfe? Anfrage der Abgeordneten Christian Grascha und Jan-Christoph Oetjen (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 02.11.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 09.11.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 30.12.2015, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung der Abgeordneten Im Jahr 2009 wurde zwischen dem Land Niedersachsen und den kommunalen Spitzenverbänden ein Zukunftsvertrag vereinbart. Ziel dieser Vereinbarung war ein Entschuldungsprogramm für die Kommunen in Niedersachsen. Die Schwierigkeiten finanzschwacher Kommunen sind natürlich unterschiedlich. Der Innenminister hat im Juni dieses Jahres angekündigt, über weitere Hilfen für dauerhaft überschuldete Kommunen nachzudenken. Hierzu sollten vorgesehene, aber ungenutzte Mittel des Zukunftsvertrages verwendet werden. Vorbemerkung der Landesregierung Zwischen der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens und der Landesregierung wurde am 17.12.2009 eine Gemeinsame Erklärung zur Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Kommunen (Zukunftsvertrag) abgegeben. Ein zentrales Element des Zukunftsvertrages bildet eine finanzielle Entschuldungshilfe zur nachhaltigen Konsolidierung von kommunalen Haushalten, die in § 14 a des Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetzes geregelt wurde. Danach können einzelne Kommunen auf Antrag dauerhaft von ihrer finanziellen Belastung durch Zins und Tilgung der aufgelaufenen Liquiditätskredite in Höhe von bis zu 75 % freigestellt werden. Für die Gewährung der Zins- und Tilgungshilfen wurden aus Mitteln des Landes Niedersachsens und der Solidargemeinschaft der Kommunen insgesamt ca. 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. 1. Bei welchen Kommunen, die die Entschuldungshilfe erhalten haben, wurden die Konsolidierungsziele nicht erreicht bzw. droht die Nichterreichung? Als Vertragsziel wurde bei 39 der bislang 42 abgeschlossenen Entschuldungsverträge ein kurzbzw . mittelfristiger Ausgleich des Ergebnishaushaltes vereinbart (sogenanntes Primärziel); darüber hinaus verpflichteten sich die Kommunen, Überschüsse zum Abbau von verbleibenden Fehlbeträgen und Liquiditätskrediten zu erwirtschaften (Sekundärziel). Bei weiteren drei Verträgen wurde eine Defizithalbierung vereinbart (Gemeinden Eschede und Wurster Nordseeküste, Berg- und Universitätsstadt Clausthal-Zellerfeld). Nach Auswertung der Berichte zum Stichtag 30.06.2015 weisen insgesamt 29 der 42 Vertragspartner im Haushaltsjahr 2015 einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt auf, wovon allerdings elf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4930 2 nicht die geplanten Jahresüberschüsse zum Abbau der Altfehlbeträge aus den seinerzeit erarbeiteten Finanzdatenprognosen erreichen. Dabei handelt es sich um die Landkreise Cuxhaven, Lüchow- Dannenberg, Lüneburg, die Städte Duderstadt, Göttingen, Goslar, Hildesheim und Geestland, die Gemeinden Ilsede und Beverstedt sowie die Samtgemeinde Hemmoor. Bei neun weiteren Vertragspartnern wird in den kommenden Jahren ein Haushaltsausgleich planmäßig bzw. mit leichter Verzögerung erwartet; Verzögerungen treten bei der Stadt Uelzen, der Samtgemeinde Elbtalaue und der Gemeinde Hagen im Bremischen aufgrund unerwarteter Gewerbesteuereinbrüche ein. Die verbleibenden vier Vertragspartner können derzeit und auch mittelfristig noch keinen ausgeglichenen Haushalt darstellen. Planmäßig tritt dies bei den drei Kommunen ein, mit denen eine Defizithalbierung vereinbart wurde. Bei der Stadt Braunlage wird das Erreichen eines ausgeglichenen Ergebnishaushaltes im Jahr 2020 von den Vertretern der Stadt wie auch von der Kommunalaufsicht als unrealistisch eingeschätzt. Die gravierende demografische Entwicklung, die besondere Steuerschwäche , die geografische Lage und touristische Anforderungen waren ursächlich dafür, dass der Haushaltsausgleich nicht erreicht werden kann. Derzeit werden in enger Abstimmung mit der Kommunalaufsicht Lösungen bzw. neue Konsolidierungspotenziale geprüft. 2. Welche Kommunen haben die vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten? Die Zukunftsvertragskommunen haben sich zur Erreichung vereinbarter Konsolidierungsziele verpflichtet ; insofern wird auf die Beantwortung der ersten Frage verwiesen. Um diese Zielerreichung sicherzustellen, haben sich die Vertragskommunen zur Durchführung konkreter Konsolidierungsmaßnahmen verpflichtet, deren Auswahl der jeweiligen Kommune im Rahmen des verfassungsrechtlich garantierten Rechtes auf kommunale Selbstverwaltung selbst oblag. Darüber hinaus wurden haushaltswirtschaftliche Rahmenbedingungen vereinbart, beispielsweise die Quote der freiwillig wahrgenommenen Aufgaben bemessen am Gesamthaushaushalt oder die Entwicklung der investiven Kreditaufnahmen. Soweit die Ziele der Entschuldungsverträge nicht gefährdet sind, wird den Vertragskommunen bei der Umsetzung dieser (Selbst-)Verpflichtungen eine größtmögliche Flexibilität eingeräumt. Entsprechende Abweichungen betrachtet das Land in diesen Fällen nicht als Nichteinhaltung vertraglicher Verpflichtungen. Sofern das Ziel des Haushaltsausgleichs bzw. der Defizithalbierung hingegen gefährdet erscheinen , ist eine restriktive Handhabung vorgesehen. So sind Konsolidierungsmaßnahmen, die nicht oder verzögert umgesetzt werden, zwingend durch anderweitige Haushaltsverbesserungen zu kompensieren; ebenso werden Abweichungen von den Rahmenbedingungen zur Haushaltsbewirtschaftung nur in begründeten Einzelfällen mitgetragen und sind ebenfalls zu kompensieren. Bislang verliefen entsprechende Verhandlungen erfolgreich. 3. Wie greift das Innenministerium z. B. bei einer steigenden Gesamtverschuldung bzw. fehlender Tilgung der restlichen Liquiditätskredite entgegen der Vereinbarung im Entschuldungsprogramm ein? Die Einhaltung der Entschuldungsverträge wird durch die zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden in enger Abstimmung mit einer im Innenministerium eingerichteten Controllingstelle überwacht. Bei Fehlentwicklungen, die auf aktives Handeln der Vertragskommune zurückzuführen sind, werden frühzeitig Aufsichtsgespräche geführt. Erforderlichenfalls kann die Kommunalaufsicht durch Maßnahmen im Rahmen des Haushaltsverfahrens nach §§ 110 ff NKomVG bzw. durch kommunalaufsichtliche Mittel nach §§ 170 ff NKomVG auf die Einhaltung der Entschuldungsverträge hinwirken (siehe Frage 5). Sofern Fehlentwicklungen auf extern bedingten, von der Kommune nicht zu vertretenden Faktoren beruhen (sogenannte unvorhersehbare Ereignisse), liegt keine Pflichtverletzung der Vertragskommune vor; in diesen Fällen nimmt das Innenministerium im Regelfall Nachverhandlungen auf. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/4930 3 4. Welche Kommunen, die eine Entschuldungshilfe erhalten haben, müssen zusätzliche Konsolidierungsschritte erfüllen? Für den Erhalt einer Entschuldungshilfe haben sich alle Vertragskommunen zur Durchführung konkreter Konsolidierungsmaßnahmen verpflichtet, die in den Entschuldungsverträgen bzw. dessen Anlagen festgelegt wurden. Sofern die Erreichung der Vertragsziele trotz Umsetzung der vereinbarten Konsolidierungsmaßnahmen gefährdet ist, können im Rahmen von Nachverhandlungen zusätzliche Konsolidierungsschritte vereinbart werden. Solche Nachverhandlungen sind bislang mit der Samtgemeinde Aue und der Stadt Uelzen erfolgt. 5. Welche Folgen bzw. Sanktionen sind möglich, wenn die Konsolidierungsziele durch die Kommunen nicht eingehalten werden? Die individuell ausgehandelten Entschuldungsverträge sehen keine Sanktionen vor. Allerdings kann die Kommunalaufsicht im Rahmen des Haushaltsverfahrens nach § 110 ff. NKomVG die Genehmigung von Verpflichtungsermächtigungen, investiven Krediten und Liquiditätskrediten einschränken, kürzen bzw. versagen. Sofern Vertragsverletzungen mit Rechtsverstößen einhergehen, kann die Kommunalaufsichtsbehörde Maßnahmen nach § 170 ff. NKomVG ergreifen. So könnten rechtswidrige Beschlüsse beanstandet werden, sodass diese nicht vollzogen werden dürfen. Sofern eine Kommune eine gesetzlich obliegende Pflichten und Aufgaben nicht erfüllt, so kann die Kommunalaufsichtsbehörde diese Maßnahmen auch anordnen oder gegebenenfalls auf Kosten der Kommune selbst durchführen. Als Ultima Ratio könnte ein Beauftragter bestellt werden, der alle oder einzelne Aufgaben der Kommune oder eines Kommunalorgans auf Kosten der Kommune wahrnimmt. Bislang war die Ergreifung solcher Maßnahmen im Rahmen des Vertragscontrollings nicht notwendig. 6. Welche konkreten Pläne existieren, um die Entschuldungshilfe für die Kommunen zu verlängern? Die Landesregierung hat im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden am 21.07.2015 beschlossen, das Entschuldungsprogramm weiterzuentwickeln und den noch zur Verfügung stehenden Finanzrahmen in Höhe von ca. 555 Millionen Euro zugunsten besonders finanzschwacher Kommunen abschließend auszuschöpfen. Durch eine gesetzliche Neuregelung im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2016 soll der Kreis der zu begünstigenden Kommunen neu definiert werden. Damit sollen nun auch besonders finanzschwache und mit Liquiditätskrediten stark belastete Kommunen stabilisiert werden können, die bisher aufgrund der strengen Bewilligungsvoraussetzungen nicht von den Entschuldungshilfen aus dem Zukunftsvertrag partizipieren konnten. (Ausgegeben am 08.01.2016) Drucksache 17/4930 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4550 - Wirkt die Entschuldungshilfe? Anfrage der Abgeordneten Christian Grascha und Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport