Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4509 - Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie Niedersachsen - Ist das Umweltministerium fachlich darauf vorbereitet (Teil 2)? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 28.10.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 04.11.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 15.01.2016, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung des Abgeordneten In meiner Anfrage „Wie wird die Seveso-III-Richtlinie in Niedersachsen umgesetzt?“ vom 14. Januar 2015 und meiner nachfolgenden Anfrage „Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in Niedersachsen - Ist das Umweltministerium fachlich darauf vorbereitet?“ vom 15. April 2015 hatte ich der Landesregierung eine ganze Reihe von inhaltlichen Fragen gestellt, deren Beantwortung aber weitere Nachfragen aufgeworfen hat. Vorbemerkung der Landesregierung Die Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (Seveso-III-Richtlinie) ist am 13.08.2013 in Kraft getreten und musste bis zum 31.05.2015 in nationales Recht umgesetzt werden. Ziel der Richtlinie ist es, schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhüten und die Unfallfolgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu begrenzen. Zu diesem Zweck fordert die Richtlinie von den Mitgliedstaaten die Begründung verschiedener Pflichten für die von ihr erfassten Betriebe und die zuständigen Behörden. Unter anderem müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass der Betreiber allgemein verpflichtet ist, alle notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der vorgenannten Ziele der Richtlinie zu ergreifen und ein Konzept zur Verhütung schwerer Unfälle zu erstellen . Demgegenüber müssen die von den Mitgliedstaaten benannten zuständigen Behörden beispielsweise die Betriebe in angemessenem Umfang inspizieren und die Ansiedlung neuer oder Änderung bestehender Betriebe überwachen. Die Seveso-III-Richtlinie enthält gegenüber der Seveso-II-Richtlinie (Richtlinie 96/82/EG) im Wesentlichen folgende Änderungen: – Anpassung des Anhangs I an ein neues EU-System zur Einstufung gefährlicher Stoffe (CLP- Verordnung) und damit Änderungen bezüglich der erfassten Betriebe, – umfassendere und detailliertere Vorgaben zur Überwachung der Betriebe (Inspektionssystem), – Information der Öffentlichkeit: Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen auf elektronischem Weg über die Tätigkeit nahegelegener Betriebe und zu Verhaltensregeln bei einem Unfall, – Ausweitung der Öffentlichkeitsbeteiligung: frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung der Ansiedlung neuer Betriebe, wesentlicher Änderung von Betrieben und störfallrelevanten Entwicklungen in der Nachbarschaft von Betrieben, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 2 – Zugang zu Gerichten für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit bei Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) hat am 26.05.2015 den Ländern und Verbänden innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmte Entwürfe für ein Mantelgesetz und eine Mantelverordnung zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie zur Stellungnahme übersandt. Das MU hat - wie auch die obersten Immissionsschutzbehörden zahlreicher weiterer Länder - von der vom BMUB eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme Gebrauch gemacht. Am 24.06.2015 fand zudem in Bonn auf Einladung des BMUB eine Anhörung der Länder statt. Die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Länder übten an den Entwürfen des BMUB erhebliche Kritik. Schwerwiegende Einwände wurden auch auf der Verbändeanhörung erhoben, die einen Tag später abgehalten wurde. Am 22.07.2015 hat die EU-Kommission (EU-KOM) den Bundesminister des Auswärtigen mit einem Mahnschreiben an die Übermittlung der Informationen zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU (Seveso-III-Richtlinie) erinnert und zur Stellungnahme aufgefordert. Damit hat die EU-KOM das sogenannte Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeleitet. Der Bund war aufgefordert, sich bis zum 22.11.2015 gegenüber der EU-KOM zu erklären und ist dem mit einem Schreiben vom 18.11.2015 fristgemäß nachgekommen. Aktuell befinden sich die Entwürfe des BMUB, nachdem sie im Anschluss an die Beteiligung der Länder und Verbände überarbeitet wurden, auf Bundesebene in der Ressortabstimmung. Nach Aussage des BMUB ist es nicht beabsichtigt, die Entwürfe vor Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal den Ländern zur Stellungnahme zu übersenden. Ausweislich eines Schreibens des Bundes an die EU-KOM vom 18.11.2015 im erwähnten Vertragsverletzungsverfahren ist geplant, das Paket aus Mantelgesetz und Mantelverordnung im Februar 2016 in den Bundestag einzubringen. Die Weiterleitung an den Bundesrat wird für den April 2016 angestrebt. Im Mai 2016 sollen Gesetz und Verordnung in Kraft treten. Der Bund hat vor diesem Hintergrund die EU-KOM gebeten, das Vertragsverletzungsverfahren ruhen zu lassen. Auf der Ebene des niedersächsischen Landesrechts löst die Seveso-III-Richtlinie Änderungsbedarf u. a. in Bezug auf die Niedersächsische Bauordnung (NBauO), das Niedersächsische Katastrophenschutzgesetz (NKatSG) und das Niedersächsische Störfallgesetz (NStörfallG) aus. 1. In der Antwort auf meine Anfrage vom 15. April 2015 schreibt das Ministerium: „Mit der neuen Richtlinie wird für den Bereich des Katastrophenschutzes erstmals eine Frist von zwei Jahren eingeführt, um nach Erhalt der erforderlichen Unterlagen einen externen Notfallplan zu erstellen.“ a) Haben die niedersächsischen Behörden die Instrumentarien, um die Plausibilität der von den Betrieben gelieferten Informationen zu prüfen? Ja, die Plausibilität kann durch die Katastrophenschutzbehörden überprüft werden. Zusätzlich sind die Entwürfe nach § 10 Abs. 4 NKatSG für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen, sodass auch Außenstehende Einwendungen erheben können und nicht plausible Angaben bemerken können . b) Verfügen die Behörden in Niedersachsen über Instrumentarien, um arbeitsfähige Pläne zu erstellen? Es besteht keine Veranlassung, an der Fähigkeit der niedersächsischen Katastrophenschutzbehörden zu zweifeln, dass sie die ihnen gemäß § 10 a NKatSG obliegenden Pflichten bei der Erstellung externer Notfallpläne erfüllen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 3 c) Welche Behörde trägt im Falle eines fehlerhaft erstellten Notfallplanes die Verantwortung , und wer haftet für die daraus entstehenden Folgen? Da fehlerhaft erstellte Notfallpläne im Sinne der Fragestellung auf falsche Informationen der entsprechenden Betriebe zurückgehen, würden diese auch die Verantwortung tragen und für die Folgen haften. 2. Für den Berichtszeitraum 2009 bis 2011 existierten in Niedersachsen insgesamt 257 Betriebsbereiche mit Gefährdungspotenzial, deren Zahl sich bis Mitte 2014 auf über 550 Betriebsbereiche erhöht hat. Über welche Mittel verfügen die Behörden in Niedersachsen , um bei diesem Wachstum der Betriebsbereiche mit Gefährdungspotenzial von ca. 35 % pro Jahr einen aktuellen und dynamischen Überblick zu haben? Der erhebliche Anstieg der Anzahl von Betriebsbereichen ist überwiegend auf Biogasanlagen zurückzuführen , die aufgrund des Überschreitens der Mengenschwellen nach Anhang I der Stoffliste der 12. BImSchV (StörfallV) unter das Störfallrecht fallen. Zur Prüfung des Geltungsbereiches der StörfallV für die jeweilige Biogas-Anlage ist eine Excel-Anwendung des Umweltbundesamtes verfügbar , die das MU den Überwachungsbehörden zur Verfügung gestellt hat. In Niedersachsen existiert für alle Behördenvertreterinnen und Behördenvertreter im Internetauftritt der Staatlichen Gewerbeaufsichtsverwaltung ein interner Bereich mit einer Liste von Betriebsbereichen , die von den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu aktualisieren ist. Die zehn Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter führen anhand eines DV-technischen Informationssystems eine Übersicht der Betriebe in ihrem jeweiligen Aufsichtsbezirk. Mithilfe dieses Informationssystems werden Überwachungsfristen verfolgt und u. a. die Überwachungstätigkeit dokumentiert . Datengrundlage für dieses Informationssystem bilden die Informationen der Anlagenbetreiber (Genehmigungslage, Gutachten, regelmäßige Prüfberichte, Berichtspflichten etc.) sowie die Ergebnisse der Überwachung des jeweiligen Betriebes. Wesentliches Instrument der Überwachung ist die Vor-Ort-Kontrolle durch das Aufsichtspersonal des zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes . 3. Vor dem Hintergrund, dass das Umweltministerium in Niedersachsen dem Bundesumweltministerium bislang nur alle drei Jahre einen Bericht über die von der Störfall- Verordnung betroffenen Betriebsbereiche zu übermitteln hatte: Ist der Umweltminister mithilfe der nachgelagerten Gewerbeaufsichtsämter in der Lage zu erläutern, wie viele Unternehmen in Niedersachsen mit gefährlichen Stoffen umgehen, ohne auf die Anzeigen der Betreiber einer Anlage angewiesen zu sein? Die meisten Betriebsbereiche nach der StörfallV bedürfen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung . Zur Durchführung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens steht in Niedersachsen ein elektronisches Antragstellungsprogramm - ELIA - zur Verfügung. Im Rahmen von Neugenehmigungen bzw. Änderungsgenehmigungen sind Daten und Informationen im Formblatt 3.5 zu den in der Anlage gehandhabten, eingesetzten und entstehenden Stoffen zu hinterlegen . Es ist zu kennzeichnen, ob der Stoff z. B. relevant ist im Hinblick auf das Störfallrecht oder das Gefahrstoffrecht. Ferner sind Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, ein sogenanntes Gefahrstoffkataster zu führen. Dieses Dokument ist der zuständigen Überwachungsbehörde im Rahmen der Überwachung zugänglich. Auf der Basis der gesetzlichen Regelungen verfügen die Überwachungsbehörden über Informationen zu gefährlichen Stoffen. 4. Mit Inkrafttreten der Seveso-III-Richtlinie haftet bzw. trägt die staatliche Behörde ebenfalls die Verantwortung für „das Verhüten und die Begrenzung der Unfallfolgen schwerer Unfälle“. Wie und mit welchen Mitteln bereitet sich das Umweltministerium auf diesen Zustand vor? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 4 Die Mitgliedstaaten tragen die Verantwortung dafür, dass die von ihnen benannten zuständigen Behörden die Pflichten erfüllen, die sich für die Mitgliedstaaten aus der Seveso-III-Richtlinie ergeben . Eine allgemeine Pflicht, schwere Unfälle zu verhüten und die Schäden infolge eingetretener schwerer Unfälle zu begrenzen, adressiert die Seveso-III-Richtlinie an die Mitgliedstaaten nicht. Artikel 5 Abs. 1 der Seveso-Richtlinie ist vielmehr zu entnehmen, dass die Verantwortung insoweit den Betreiber treffen soll. Dies rechtlich auszugestalten, obliegt wiederum den Mitgliedstaaten. 5. Am 14. Januar 2015 hatte ich gefragt: „Wie wirkt sich die Seveso-III-Richtlinie auf die Sicherheit im niedersächsischen Unternehmen aus?“ In der Antwort des Umweltministers hieß es, dass sich „keine wesentlichen Änderungen“ ergeben werden. Die Überschrift der Zusammenstellung des DIHK vom 17. August 2012 lautet „Übersicht wesentlicher Änderungen im Vergleich zur Richtlinie 96/82/EG (Seveso II) und Richtlinie 2012/18/EU (Seveso III)“. Handelt es sich nach Meinung des Umweltministers bei den jetzt vorgesehenen Änderungen um „wesentliche“ oder „keine wesentlichen“ Änderungen ? Entscheidend für die Beantwortung der Frage ist der Bezugspunkt des Begriffs „wesentlich“. Nimmt man den Vergleich zur Vorgängerrichtlinie als Bezugspunkt, enthält die Seveso-III-Richtlinie keine wesentlichen Änderungen. Wählt man demgegenüber das qualitative Verhältnis aller Änderungen untereinander als Maßstab, so lassen sich die Änderungen wiederum in wesentliche und unwesentliche teilen. Die vom MU in diesem Kontext als wesentlich bewerteten Änderungen sind in der Zusammenstellung des DIHK vom 17. August 2012 enthalten. 6. In der Antwort auf die Fragen 5 und 6 meiner Anfrage vom 15. April 2015 schreibt der Umweltminister: „Eine synoptische Darstellung aller Änderungen bezüglich der Regelungen der Seveso-III-Richtlinie im Vergleich zur Seveso-II-Richtlinie enthält eine Textsammlung des WEKA-Verlags zum Thema ‚Anlagensicherheit und Störfallvorsorge‘„. Der Zugriff auf diese Textsammlung ist kostenpflichtig und für den öffentlichen Zugriff gesperrt. Wie stellt das Ministerium sicher, dass sich Landtagsabgeordnete über dieses Thema angemessen informieren können? Es stehen u. a. folgende internetbasierte Systeme zur Recherche des aktuell geltenden europäischen , deutschen und niedersächsischen Rechts unentgeltlich zur Verfügung: Eur.-Lex - Zugang zum EU-Recht: http://eur-lex.europa.eu/homepage.html?locale=de Deutsche Gesetze BMJV: http://www.gesetze-im-internet.de/aktuell.html Voris - Niedersächsisches Vorschriften-Informationssystem -: http://www.nds-voris.de/jportal/portal/page/bsvorisprod.psml Hinsichtlich spezieller Einzelanfragen besteht die Möglichkeit, die Bibliothek des Landtages, die Bibliothek des MU und die Technische Informationsbibliothek/Universitätsbibliothek Hannover (TIB/UB) in Anspruch zu nehmen. 7. Plant der Umweltminister die Entwicklung eines Seveso-III-Informationsportals für die Öffentlichkeit (siehe Artikel 14 der Seveso-III-Richtlinie) und, wenn ja, mit welchen Inhaltsschwerpunkten ? Zur Information der Öffentlichkeit u. a. über Betriebsbereiche nach der StörfallV steht das Internetportal der Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter unter der Adresse www.gewerbeaufsicht-niedersach sen.de zur Verfügung. Die Verpflichtungen zur Information der Öffentlichkeit gemäß Artikel 13 der Seveso-II-Richtlinie, die in der neu gefassten Seveso-III-Richtlinie in Artikel 14 in modifizierter und erweiterter Form enthal- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 5 ten sind, obliegen gemäß § 11 der geltenden 12. BImSchV dem Betreiber. Zukünftig sind diese Informationen der Öffentlichkeit auch auf elektronischem Weg zugänglich zu machen. Erst nach Umsetzung des Artikels 14 der Seveso-III-Richtlinie in nationales Recht kann beurteilt werden, ob aus dieser weitergehende Pflichten zur Information der Öffentlichkeit für die zuständigen Behörden resultieren , die im Internetportal der Gewerbeaufsichtsverwaltung zu veröffentlichen wären. 8. In der Antwort auf meine Anfrage vom 15. April 2015 schreibt der Umweltminister: „Im Erwägungsgrund 4 der Seveso-III-Richtlinie 2012/18/EU wird ausgeführt, dass es aus Sicht der EU angebracht ist, die Richtlinie 96/82/EG zu ersetzen. Es soll sichergestellt werden, dass das bestehende Schutzniveau erhalten bleibt und weiter verbessert wird, indem die Bestimmungen wirksamer und effizienter gemacht werden und, wo möglich, unnötiger Verwaltungsaufwand durch Straffung oder Vereinfachung reduziert wird, sofern bei der Sicherheit, beim Umweltschutz und beim Schutz der Gesundheit des Menschen keine Abstriche gemacht werden.“ Stimmt der Umweltminister diesen Erwägungen zu, und mit welchen technisch-organisatorischen Maßnahmen will der Umweltminister dies erreichen? Die im Erwägungsgrund der Seveso-III-Richtlinie genannten Aspekte, dass im Rahmen der Neufassung der Richtlinie „das bestehende Schutzniveau erhalten bleibt und weiter verbessert wird, indem die Bestimmungen wirksamer und effizienter gemacht werden (…)“ findet die Zustimmung des MU. Diese Zielsetzung bei der legislativen Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht zu berücksichtigen, ist in erster Linie die Aufgabe des Bundes. Im Hinblick auf eine effiziente und sachgerechte Ausgestaltung des Verwaltungsvollzugs zur Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für die Menschen und die Umwelt im Rahmen der vorhandenen Ressourcen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 11 verwiesen. 9. Auf die Frage, welche technischen Systeme es nach Kenntnis der Landesregierung gibt, um die erweiterten Anforderungen, die die Seveso-III-Richtlinie an Unternehmen richtet, seitens der Unternehmen zu erfüllen, hatte der Umweltminister geantwortet, dass auf dem Markt eine Vielzahl von Sicherheitsmanagementsystemen verfügbar seien . Es konnte jedoch nicht beantwortet werden, unter welcher Produktbezeichnung und von welchen Firmen die fünf bekanntesten Systeme verkauft werden. Warum beschäftigt sich das Ministerium nicht mit den auf dem Markt verfügbaren Tools? Es ist nicht die Aufgabe des MU - auch vor dem Hintergrund der gebotenen Zurückhaltung bei Produktempfehlungen - den Markt nach Produkten zu durchforsten, deren Anwendung ausschließlich zur Wahrnehmung der dem Anlagenbetreiber obliegenden Pflichten dient. Es ist die Aufgabe des jeweiligen Betreibers eines Betriebsbereiches nach der StörfallV sicherzustellen, dass die Betreiberpflichten gemäß § 3 der 12. BImSchV erfüllt werden. Der Betreiber hat die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern und vorbeugend Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten. Ob und welche EDV-gestützten Tools dabei eingesetzt werden, liegt in seiner Entscheidungskompetenz . Die Aufgabe der zuständigen Überwachungsbehörde ist es, zu prüfen, ob der Betreiber die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Ferner verweise ich auf die Antworten zu den Fragen 7, 8 und 9 der Drs. 17/3876. 10. Plant das Umweltministerium nach dem Beispiel des bayerischen Umweltministeriums (Abteilung 7, Referat 71) die Einrichtung eines Referats mit den Zuständigkeitsbereichen „Grundsätze, Technik, Forschung“, um eine bessere Informationsbeschaffung zu gewährleisten und auf dem neuesten Stand der Entwicklung zu sein? Nach den hier vorliegenden Erkenntnissen befasst sich das Referat 71 des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz schwerpunktmäßig mit Grundsatz- und Koordinierungsaufgaben , wie z. B. Grundsatzfragen und Koordination referatsübergreifender Angelegenheiten der Abteilung, haushaltsrechtlichen Fragestellungen, Förderprogrammen und technologischen Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 6 Bewertungen von Anlagen und Geräten. Aufgabenstellungen, die die Seveso-III-Richtlinie betreffen , werden je nach Schwerpunkt der Fragestellung von den Fachreferaten oder dem Rechtsreferat der Abteilung 7 des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz wahrgenommen . Die Aufgaben des Referates 71 des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz werden im MU von verschiedenen Referaten sachgerecht und effizient wahrgenommen, sodass kein Handlungsbedarf im Hinblick auf Organisationsänderungen besteht. 11. In der Antwort auf meine Fragen vom 15. April 2015 schrieb das Umweltministerium: „Im Rahmen der Erstellung eines Konzeptes zur Verhinderung von Störfällen bzw. zur Erstellung eines Sicherheitsberichtes hat der Betreiber eine Risikobeurteilung seines Betriebsbereiches durchzuführen, aus der sich die technischen, managementspezifischen und organisatorischen Anforderungen ergeben.“ Mit welchen Mitteln wird das Umweltministerium die Plausibilität dieser „Risikobeurteilungen“ prüfen? In der Dienstanweisung für die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter sind in § 5 die Art, der Umfang und die Vorgehensweise bei der Überwachung von Anlagen geregelt. Bei den Besichtigungen vor Ort sollen die Bediensteten zunächst die vorhandene Organisation zur Einhaltung der geltenden Vorschriften im Arbeits- und Umweltschutz unter Berücksichtigung der betrieblichen Schutz-, Sicherheits- und Managementsysteme des Betriebs auf Plausibilität überprüfen (Systemprüfung). Bei IED-Anlagen sind ergänzend die Vorgaben des Niedersächsischen Überwachungsplans gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und § 52 a BImSchG aus dem Jahr 2013 im Hinblick auf die Durchführung medienübergreifender Vor-Ort- Besichtigungen zu beachten. Bei der Überwachung von Betriebsbereichen, die den Anforderungen der StörfallV unterliegen, ist ferner der niedersächsische Inspektionsleitfaden zu verwenden. Dieser Leitfaden dient speziell als Hilfestellung zur Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation der Überwachung von Störfallanlagen . 12. In der Antwort auf meine Fragen vom 15. April 2015 schreibt das Umweltministerium unter Nr. 8: „Die zuständige Überwachungsbehörde hat gemäß den Vorgaben des § 16 der 12. BImSchV bzw. Artikel 20 der Seveso-III-Richtlinie eine planmäßige und systematische Überprüfung der vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Verhinderung von Störfällen und der Begrenzung der Auswirkungen im Hinblick auf Vollständigkeit und Plausibilität vorzunehmen. (…) Die zuständige Behörde hat z. B. zu prüfen, ob die erforderlichen Dokumente vorliegen, ob die vorhandenen Maßnahmen geeignet sind, schwere Unfälle zu verhüten, ob angemessene Mittel zur Begrenzung der Folgen innerhalb und außerhalb des Betriebsgeländes vorhanden sind und ob der Sicherheitsbericht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die zuständige Überwachungsbehörde kann bei der Durchführung sicherheitstechnischer Prüfungen sowie von sicherheitstechnischen Unterlagen Sachverständige, die nach § 29 b BImSchG bekannt gegeben wurden, einbinden.“ Existiert eine Bedarfsanalyse über die Art und den Umfang der notwendigen technischen und personellen Ressourcen, um diese Aufgabe zu bewältigen , und in welcher Anzahl wird das Umweltministerium externe Sachverständige einbinden ? Auf der Basis der vorliegenden Entwürfe für ein Mantelgesetz und eine Mantelverordnung zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie wird eine valide Bedarfsberechnung durchgeführt. Soweit sich ein Mehrbedarf an personellen oder sächlichen Ressourcen konkret abzeichnet, wird dies in das Aufstellungsverfahren für den Haushaltsplanentwurf 2017 eingesteuert. Ob und inwieweit gemäß § 29 a BImSchG angeordnet wird, dass ein Betreiber eines Betriebsbereichs einen bekannt gegebenen Sachverständigen mit der Durchführung bestimmter sicherheitstechnischer Prüfungen sowie Prüfungen von sicherheitstechnischen Unterlagen beauftragt, entscheidet die zuständige Überwachungsbehörde auf der Basis der Gegebenheiten des Einzelfalles. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 7 13. In der Antwort auf meine Fragen vom 15. April 2015 schreibt das Ministerium unter Nr. 8: „Eine über die Prüfung der Plausibilität von Maßnahmen des Anlagenbetreibers hinausgehende Überwachung und der Einsatz weiterer Überwachungsinstrumente erfordert eine Erhöhung der personellen Ressourcen in den Überwachungsbehörden.“ Will das Umweltministerium mehr als die Plausibilität von Maßnahmen des Anlagenbetreibers prüfen, welche Überwachungsbehörden sind mit dieser Aussage gemeint, und wie viel Personal wird dafür benötigt? Die Aussage betrifft die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 14. Im Weser-Kurier vom 23. Januar 2015 heißt es: „Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hat als Konsequenz aus dem Explosionsunglück in der Chemiefabrik Organo-Fluid in Ritterhude eine umfangreiche Überprüfung aller nach dem Immissionsschutzgesetz genehmigungspflichtigen Industrieanlagen angeordnet. Die Gewerbeaufsichtsämter sollen den Genehmigungsstatus dieser sogenannten IED-Anlagen dokumentieren und überprüfen. Nach Angaben des Sprechers im Ministeriums gibt es in Niedersachsen rund 1 000 solcher Betriebe - vom Geflügelmaststall über Chemiefabriken bis zum Atomkraftwerk.“ In der Antwort auf meine Fragen vom 15. April 2015 heißt es: „Mit der im Fragetext angesprochenen Überprüfung von ‚1 000 Unternehmen‘ sind wahrscheinlich die Anlagen, die den Anforderungen der Industrie-Emissions-Richtlinie (IED) unterliegen, gemeint.“ Wie erklären sich die unterschiedlichen Aussagen? Ein Widerspruch in den Aussagen kann nicht erkannt werden. 15. In meiner Anfrage vom 15. April 2015 hatte ich gefragt: „Wann wird das in der rotgrünen Koalitionsvereinbarung (Seite 88) genannte ‚Kompetenzzentrum Großschadenslagen ‘ seine Arbeit aufnehmen, ‚um mögliche atomare, aber auch Chemieunfälle oder andere Großschadenslagen besser bewältigen zu können?“ Die Antwort des Umweltministers lautete: „Das Kompetenzzentrum Großschadenlagen (KomZ) im MI, das aufgrund der Erfahrungen mit dem Elbehochwasser 2002 und dem Chemieunfall nach dem Zugunglück in Bad Münder 2002 sowie der neuen Bedrohungslage nach den Anschlägen vom 11.09.2001 errichtet wurde, übernimmt bei Schadenlagen verschiedene Funktionen der Beratung, des Controllings und des administrativen Managements.“ Wenn dieses Kompetenzzentrum angeblich schon existiert, was soll dann gemäß dem rotgrünen Koalitionsvertrag auf „Landesebene“ noch eingerichtet werden? Das Kompetenzzentrum Großschadenlagen wurde mit Entscheidung der Landesregierung vom 14.01.2003 gebildet. Dies geschah vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Elbehochwasser und dem Chemieunfall in Bad Münder, der gewandelten Bedrohungslage nach dem 11.09.2001 und einer drohenden kriegerischen Auseinandersetzung im Irak, die auch die Sicherheitslage in Deutschland erheblich beeinflusste. Es war seinerzeit notwendig, unterhalb eines breit angelegten Koordinierungsverfahrens in einem interministeriellen Krisenstab die ständige Vernetzung und Bündelung der für die Gefahrenabwehr in größeren Schadenlagen Verantwortlichen sicherzustellen. Daher sollte in Anlehnung daran ein Kompetenzzentrum für Großschadenlagen im MI errichtet werden, das bei Schadenlagen verschiedene Funktionen der Beratung, des Controllings und des administrativen Managements übernehmen soll. Daneben sollte das Kompetenzzentrum im Alltagsbetrieb die verschiedenen präventiven Strategien vernetzen und für die Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen der Gefahrenabwehr sorgen. Das Kompetenzzentrum Großschadenlagen hat seit seiner Einrichtung eine Reihe von Großschadenslagen erfolgreich begleitet, so z. B. in der Zeit vom 04.06. bis 16.06.2013 bei der Bewältigung der Hochwasserereignisse an der Elbe im Jahr 2013. Das Kompetenzzentrum Großschadenlagen Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5013 8 soll ergänzend zu den bisher übernommenen Aufgabenstellungen im Falle eines kerntechnischen Unfalls zusammen mit dem Radiologischen Lagezentrum des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz die radiologischen Grundlagen erarbeiten, zusammenstellen und eine Bewertung ermöglichen. Dieses radiologische Lagebild soll dann dem interministeriellen Krisenstab im MI die Entscheidungen in solch einem Fall ermöglichen. Damit wird die bisherige Zuständigkeit für das radiologische Lagebild vom Betreiberlandkreis auf die Landesebene verlagert. Die veränderte Entscheidungskompetenz basiert auf den Erkenntnissen aus dem kerntechnischen Unfall in Fukushima, Japan. Die Zuständigkeit des MI soll in das NKatSG aufgenommen werden. (Ausgegeben am 21.01.2016) Drucksache 17/5013 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4509 Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie Niedersachsen - Ist das Umweltministerium fachlich darauf vorbereitet (Teil 2)? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz