Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5033 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4587 - Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den jüngsten Tierrissen durch Wölfe? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 10.11.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 13.11.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 19.01.2016, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Ende Oktober wurden erneut vier Viehrisse, die durch Wölfe verursacht wurden, in der Region Vechta festgestellt. Insgesamt wurden dort schon 140 Nutztierrisse nachgewiesen. Auch in den Landkreisen Diepholz und Osterholz gab es Wolfsrisse und Wolfssichtungen. Vorbemerkung der Landesregierung Der Landkreis Osterholz steht in keinem direkten räumlichen Zusammenhang mit den Landkreisen Vechta und Diepholz; ein Grund für seine Erwähnung in der Vorbemerkung ist nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist bei den gemeldeten Fällen zu unterscheiden zwischen Rissereignissen und gerissenen Einzeltieren. Gemeldet und in die Statistik (siehe Anlage) übernommen werden alle Fälle, bei denen vom Tierhalter ein Wolfsberater hinzugezogen wurde, auch die, bei denen die Todesoder Verletzungsursache eine ganz andere war (z. B. Totgeburten, Tod durch Krankheit mit anschließendem Prädatorenfraß, Verletzungen durch andere Nutztiere u. Ä.). Bei der Individualisierung ist generell zu berücksichtigen, dass die Barnstorfer Fähe nicht für jedes gerissene, eingeschläferte oder verletzte Einzeltier individualisiert worden ist, aber an mindestens einem Tier bei dem jeweiligen Rissereignis. Die in der Vorbemerkung der Abgeordneten Dr. Hocker, Dr. Genthe und Dr. Birkner genannte Zahl 140 bewegt sich in der Nähe der insgesamt in Niedersachsen seit Inkrafttreten bis zum genannten Stichtag der Richtlinie Wolf gerissenen oder infolge eines Wolfsangriffs getöteten Anzahl Nutztiere. 1. Ab wann ist ein Wolf auffällig, und wann darf er entnommen werden? Ein Wolf gilt als „auffällig“, wenn eine ausgeprägte Futterkonditionierung oder ausgeprägte Habituierung vorliegt und Menschen in geringer Entfernung geduldet werden. Dabei muss unterschieden werden, ob das Tier den Menschen nicht bemerkt hat oder ob es sich wiederholt und gezielt auf geringe Distanz annähert, obwohl es sich der Nähe von Menschen bewusst ist. Die Beurteilung auffälligen Verhaltens muss durch erfahrene Personen erfolgen, die mit dem Verhalten wilder Wölfe vertraut sind. Dafür muss der Einzelfall genau analysiert und dokumentiert werden. Für Wölfe, die in Kulturlandschaften leben, ist ein Mindestmaß an Habituierung überlebenswichtig . Eine Gewöhnung an den Menschen als Bestandteil der Lebensumgebung führt nicht per se zu problematischem Verhalten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5033 2 Das Reißen von Nutztieren dagegen stellt kein auffälliges Verhalten von Wölfen dar. Eine Tabelle zur Einschätzung verschiedener Wolfsverhaltensweisen und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen gibt es im „Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Lebensweise, zum Status und zum Management des Wolfes (Canis lupus) in Deutschland “, herausgegeben am 28.10.2015. Ein Wolf kann entsprechend § 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in Übereinstimmung mit Artikel 16 der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) u. a. aus der Natur entnommen werden, wenn er eine Gefahr für Menschen darstellt oder um erhebliche, anders nicht abwendbare land- und forstwirtschaftliche Schäden abzuwenden und zumutbare Alternativen nicht gegeben sind. 2. Ist die Wölfin im Raum Vechta auffällig, und, wenn nicht, was muss noch geschehen, bis sie als auffällig gilt und entnommen werden darf? Die Wölfin im Raum Vechta ist nach der unter 1. gegebenen Definition in Übereinstimmung mit dem ebendort genannten Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit nicht als auffällig zu betrachten. Entsprechend dem vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen Leitfaden „Leben mit Wölfen “ stellt das wiederholte Überwinden von Schutzmaßnahmen wie Elektrozäunen ein problematisches Verhalten dieses Tieres dar, dem nur mit stärkeren Abwehrmaßnahmen entgegengewirkt werden kann. Bei Nichterfolg dieser Abwehrmaßnahmen ist eine Entnahme unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG in Übereinstimmung mit Artikel 16 der FFH-Richtlinie 92/43/EWG zulässig. 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus der anhaltenden Zahl an Nutztierrissen durch den Wolf? Mit der Richtlinie Wolf ist bereits eine wichtige Voraussetzung für den Herdenschutz geschaffen worden. So werden in von Wölfen besiedelten Regionen Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor Wolfsangriffen auf Nutztiere durch das Land finanziell gefördert. Das Land Niedersachsen gleicht durch den Wolf verursachte Schäden an Nutztieren aus. Das Wolfsbüro des Niedersächsischen Landesamtes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) berät Nutztierhalter zum Thema Herdenschutz und hilft bei der Beantragung von Fördermitteln. Als Sofortmaßnahme stellt das Wolfsbüro Tierhalterinnen und Tierhaltern Zaun- und anderes Abwehrmaterial vorübergehend leihweise zur Verfügung. 4. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung unternommen, um die Wartezeit für Ergebnisse von DNA-Proben zu minimieren? Es ist vorgesehen, beim NLWKN Amtsveterinäre anzustellen, die für die Begutachtung von Nutztierrissen verantwortlich sein werden. Die amtliche Feststellung von Nutztierrissen wird dann nicht mehr von einer DNA-Analyse abhängig sein. Die DNA-Analyse wird dann nur noch zu Monitoringzwecken durchgeführt oder um ein bestimmtes Individuum und dessen Verwandtschaftsverhältnisse , Herkunft und anderes zu identifizieren. 5. Was bedeutet die Priorität der DNA-Tests der gerissenen Rinder aus dem Südlohner Moor konkret? In welcher Zeit ist mit einem Ergebnis zu rechnen, und weshalb konnten vergangene Fälle nicht mit Priorität behandelt werden? Die Bearbeitung von Nutztierrissen wird grundsätzlich prioritär behandelt und beim Senckenberg Institut möglichst als sogenannte Eilprobe beauftragt, um schnell Klarheit über die Verursacherschaft zu erhalten. Eilproben werden beim Senckenberg Forschungsinstitut so zeitnah wie möglich bearbeitet und den Standardproben zeitlich vorgezogen. Eine pauschale Auskunft, wie lang die Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5033 3 Zeitspanne für die Analyse ist, kann nicht gegeben werden, da die Bearbeitungsdauer wesentlich von der Qualität des eingesandten Probenmaterials abhängig ist. Schlechte Proben, Überlagerung durch andere Caniden u. Ä. verlängern die Auswertungsdauer unter Umständen erheblich. Das Senckenberg Forschungsinstitut nimmt nur eine beschränkte Anzahl an Eilproben an. Ein Ergebnis liegt in der Regel innerhalb von zwei Wochen vor. In einigen Fällen gibt es kein auswertbares Ergebnis , sodass die Analysen wiederholt werden müssen. Wenn auch nach Wiederholung der Analysen kein Ergebnis erzielt werden kann, wird die amtliche Feststellung einzig auf der Basis aller verfügbaren Dokumentationen und Spuren des Risses getroffen . 6. Welche Vorteile haben die Nutztierhalter im Raum Vechta durch das neu gegründete Wolfsbüro? Das Wolfsbüro bearbeitet u. a. die Anträge für Billigkeitsleistungen zum Ausgleich von durch den Wolf versursachten Schäden sowie die Anträge auf Präventionsmaßnahmen. Es berät die Nutztierhalter zum Herdenschutz und hilft bei Fragen zur Beantragung von Billigkeitsleistungen oder Präventionsmaßnahmen . Durch Einrichtung des Wolfsbüros haben sich die Bearbeitungszeiten für Rissbeurteilungen und Anträge erheblich verkürzt. Aktuell ist das Wolfsbüro verstärkt vor Ort präsent, um Rissvorfälle schnell amtlich zu dokumentieren , über Herdenschutzmaßnahmen zu informieren und im Bedarfsfall durch Ausleihe von Zaunmaterial die Nutztierhalterinnen und Nutztierhalter schnell in den Stand zu versetzen, eine effizientere Wolfsabwehr umzusetzen. Über ein für diesen Zweck bereitgestelltes Mobiltelefon ist die zuständige Mitarbeiterin des Wolfsbüros direkt zu erreichen. 7. Aus welchem Grund informierte der stellvertretende Vorsitzende des NABU im Landkreis Vechta den Wolfsberater des Landkreises Diepholz, der sich daraufhin für nicht zuständig erklärte, statt des zuständigen Wolfsberaters des Landkreises Vechta, und wie bewertet die Landesregierung diesen Vorgang? Diese Darstellung entspricht nicht den im MU bekannten Tatsachen. Vielmehr war der angerufene Wolfsberater erkrankt und es wurde versucht, einen anderen Wolfsberater zu erreichen. Das stellt ein völlig normales Prozedere dar, denn auch wenn nach Möglichkeit in jedem Landkreis mindestens zwei Wolfsberater vorhanden sein sollen, kommt es doch öfter auch zur hilfsweisen Übernahme einer Rissdokumentation durch einen Wolfsberater aus einem Nachbarlandkreis. Insofern handelt es sich nicht um eine Zuständigkeitsübertretung. Die Rissereignisse haben zu einem hohen Anteil in der Nähe der Landkreisgrenzen stattgefunden, da kann es leicht zur Übernahme durch den „nächsten“ freien Wolfsberater kommen. Ähnlich wie Nachsuchen nach verwundetem Wild durch Schweißhundführer werden Rissdokumentationen in der Wolfsberaterschaft oft an denjenigen weitergereicht, der diese Arbeit gerade am besten einrichten kann. 8. Gab es nach Kenntnis der Landesregierung bereits in der Vergangenheit ähnliche Fälle, in denen nicht zuständige Wolfsberater statt der zuständigen Personen gerufen wurden , und, wenn ja, wann und wo? Siehe Antwort zu Frage 7. Dies stellt ein normales Vorgehen dar, das nicht gesondert dokumentiert oder ausgewertet wird. Eine quasi amtliche „Zuständigkeit“ der Wolfsberater für einen bestimmten Landkreis gibt es nicht. Wenn ein Wolfsberater von einem Nutztierhalter angerufen wird und nicht in der Lage ist, selber zeitnah zu dem Rissort zu fahren, bemüht sich dieser, einen Kollegen für die Rissaufnahme zu gewinnen. Eine feste Reihenfolge gibt es dabei nicht. (Ausgegeben am 25.01.2016) Drucksache 17/5033 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4587 Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den jüngsten Tierrissen durch Wölfe? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz