Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5076 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4560 - Wie verbreitet ist die Herkulesstaude in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 05.11.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 10.11.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 28.01.2016, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Die Herkulesstaude oder Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Ursprünglich stammt sie aus dem Kaukasus und ist in Europa und Nordamerika ein Neophyt. Der Riesen-Bärenklau bildet photosensibilisierende Substanzen aus der Gruppe der Furocumarine, die in Kombination mit Sonnenlicht phototoxisch wirken. Berührungen in Verbindung mit Tageslicht können bei Menschen und Säugetieren zu schmerzhaften Quaddeln und Blasen führen, die schwer heilen und wie Verbrennungen erscheinen (Photodermatitis). Es wird deshalb empfohlen, beim Umgang mit der Pflanze vollständige Schutzkleidung zu tragen, zu der auch ein Gesichtsschutz gehört. Vorbemerkung der Landesregierung Durch die Aktivitäten des Menschen, allen voran Handel und Verkehr, gelingt es global vielen Pflanzen-, aber auch Tierarten, ihre natürlichen Ausbreitungsgrenzen zu überwinden. Daraus können im Einzelfall ökologische Probleme, aber auch ökonomische oder gesundheitliche Schäden erwachsen. Es sei darauf hingewiesen, dass auch der heimische Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) über die gleichen Furocumarine verfügt wie der in der Vorbemerkung der Abgeordneten aufgeführte Riesen-Bärenklau. Allerdings ist die von der heimischen Art ausgehende Gefährdung für Menschen vor allem wegen deren geringeren Größe weniger bedeutsam. Über die Niedersächsischen Tier- und Pflanzenarten-Erfassungsprogramme erfolgt landesweit durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auch eine Dokumentation zur Bestandsentwicklung und Verbreitung gebietsfremder Pflanzenarten (Neophyten) und Tierarten (Neozoën). Diese Daten bilden die Grundlage für die von der Fachbehörde ausgeübte Informations- und Beratungstätigkeit von Kommunen, Verbänden sowie Bürgerinnen und Bürgern. Neben der Fachbehörde für Naturschutz informiert und beraten auch das Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) sowie die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt zu Neophyten. Der Gesetzgeber hat der naturgegebenen Ausbreitungsdynamik von Tier- und Pflanzenarten, in der auch der Mensch als Vektor eine große Rolle spielen kann und spielt, insoweit Rechnung getragen, dass er eingebürgerte Arten, die sich im Inland in freier Natur ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population selbst erhalten, zu den heimischen Arten zählt (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 des Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5076 2 Bundesnaturschutzgesetzes). Auch Arten, die aufgrund von Umweltveränderungen natürlicherweise migrieren, werden vom EU-Recht nicht erfasst. Eine neuere Studie verweist in diesem Zusammenhang auf weltweit insgesamt 13 168 Gefäßpflanzenarten, die sich durch den Einfluss des Menschen außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets verbreitet und vermehrt haben (sogenannte naturalized species); Nordamerika verfügt über fast 6 000 und Europa über 4 000 solcher Arten. Die Länder der nördlichen Hemisphäre sind aufgrund ihres großen Handelsaufkommens auch die „größten Exporteure“ von Neophyten. 1. Wie ist die Herkulesstaude in Niedersachsen verbreitet? Die Herkulesstaude bzw. der Riesen-Bärenklau kam vor 1980 nur punktuell in Niedersachsen vor (graue Rasterfelder in der nachstehenden Karte, Garve 2007), hat sich seitdem aber stark ausgebreitet und ist inzwischen nahezu flächig etabliert (schwarze Punkte in der Karte). 2. Welche Gefahren gehen von der Herkulesstaude aus? Durch phototoxische Hautreaktionen besteht Verletzungsgefahr bei Berührung der Pflanze. In Dominanzbeständen werden Artenzahlen und -diversität von Grünlandbrachen negativ beeinflusst (Thiele & Otte 2008b, Thiele et al. 2011, Hejda et al. 2009). In Deutschland sind Hybriden mit dem heimischen , weit verbreiteten Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) beobachtet worden. Über die Veränderung von Vegetationsstrukturen (durch Dominanzbestände im Grünland und an Ufern, Thiele & Otte 2008a) und Einflüsse auf Erosion an Flussufern wird berichtet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5076 3 3. Welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Herkulesstaude hat die Landesregierung mit welchem Erfolg unternommen? Zuständig für Maßnahmen zur Bekämpfung der Herkulesstaude sind die Kommunen. Welche Maßnahmen diese in der Vergangenheit in welchem Umfang und mit welchem Erfolg eingesetzt haben, ist der Landesregierung nicht bekannt. Wie bereits erwähnt, beraten und informieren sowohl die Fachbehörde für Naturschutz als auch das Pflanzenschutzamt der LWK Niedersachsen Kommunen, Verbände und Bürgerinnen und Bürger zur Neophyten-Problematik. Das Pflanzenschutzamt der LWK Niedersachsen hat zudem ein Merkblatt zur Biologie, Gefährlichkeit und Bekämpfung der Herkulesstaude auf der Homepage der LWK veröffentlicht (http://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/2/nav/510/article/27620.html). In diesem Merkblatt werden nichtchemische Bekämpfungsmaßnahmen mit dem notwendigen Anwenderschutz beschrieben . Im Jahr 2015 wurden durch das Pflanzenschutzamt der LWK Niedersachsen bisher 57 Genehmigungen zur chemischen Bekämpfung der Herkulesstaude auf Nichtkulturlandflächen erteilt. Die Genehmigungen bezogen sich u. a. auf Wegränder, Straßenbegleitgrün, Bankette, Ödland, Uferbereiche von Gräben und Kanälen und oft auch Übergangsbereiche von Kulturland zu Nichtkulturland wie z. B. Vorgewand oder Sommerwege. Der Erfolg der Bekämpfungsmaßnahmen dieser Pflanze, die mechanisch nur sehr schwer zum Absterben gebracht werden kann und die dank ihrer Ausbreitungsstrategie, die vor allem auch den Wasserweg für die Verbreitung ihrer Samen nutzt und deren Samen über eine relativ lange Überlebensfähigkeit verfügen, ist sehr begrenzt. 4. Welche weiteren Neophyten gibt es in Niedersachsen, wie sind diese verbreitet, und welche davon sind gefährlich für Mensch und Tier? Nach Angaben des NLWKN sind in Niedersachsen insgesamt 629 Neophyten nachgewiesen, von denen die große Mehrzahl allerdings unbeständig ist bzw. von denen keine Gefahr für Mensch und Tier ausgeht. Weitere Informationen zu diesen Arten stehen beim NLWKN zur Verfügung. 5. Welche Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Neophyten hat die Landesregierung mit welchem Erfolg unternommen? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Pflanzenschutzamt der LWK Niedersachsen zu verschiedenen Neophyten (hier: Ambrosia, Staudenknöterich -Arten) und ihrer Bekämpfung ebenfalls Informationsmaterial erstellt und veröffentlicht hat. Darüber hinaus sind ausgewählte Neophyten (z. B. Herkulesstaude, Staudenknöterich-Arten) und ihre Bekämpfung auch Schulungsinhalt von Fortbildungsveranstaltungen des Pflanzenschutzamts im Rahmen der Sachkunde/Pflanzenschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Städten, Gemeinden und Verbänden sowie teilweise auch im Garten- und Landschaftsbau. Die Niedersächsischen Landesforsten führen für verschiedene invasive Pflanzenarten (z. B. Staudenknöterich, Herkulesstaude , Spätblühende Traubenkirsche) Kontrollmaßnahmen durch, wo diese Ziele des Naturschutzes oder des Waldbaus gefährden. Viele Neophyten sind mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Niedersachsen so weit verbreitet und etabliert, dass sich Bekämpfungsmaßnahmen in diesen Fällen auf die Verhinderung von Schäden beschränken müssen. (Ausgegeben am 04.02.2016) Drucksache 17/5076 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4560 Wie verbreitet ist die Herkulesstaude in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz