Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5077 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4790 - Teilhabe ermöglichen: Führerschein für Migrantinnen und Migranten Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Belit Onay, Maaret Westphely, Susanne Menge (GRÜNE), Klaus-Peter Bachmann, Immacolata Glosemeyer, Michael Höntsch, Dr. Silke Lesemann , Doris Schröder-Köpf, Dr. Christos Pantazis, Dr. Alexander Saipa, Uwe Schwarz und Petra Tiemann (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 01.12.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 28.01.2016, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Der Besitz eines Führerscheins ist nicht nur für viele Berufe Pflicht. In vielen Fällen führt zusätzliche Mobilität auch zu mehr Lebensqualität, beispielsweise für Menschen in ländlichen Gebieten, denen kein dichtes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln zur Verfügung steht. Auch die Möglichkeit, eine weiter entfernt gelegene Arbeitsstelle anzutreten, ist oftmals an den Führerscheinbesitz gebunden. Viele Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen besitzen einen Führerschein des Herkunftslandes . Dieser besitzt aber nur in den ersten sechs Monaten nach der Einreise Gültigkeit, danach muss er in einen deutschen Führerschein umgeschrieben werden. Voraussetzung dafür ist in den meisten Fällen das Ablegen der praktischen und theoretischen Führerscheinprüfung. Die theoretische Prüfung ist aber auch für viele Muttersprachlerinnen und Muttersprachler nicht immer leicht zu verstehen. Es gibt daher bereits jetzt die Möglichkeit, die theoretische Prüfung in elf anderen Sprachen als Deutsch abzulegen, Sprachen wie Arabisch oder Persisch gehören aber nicht dazu. Dadurch wird der Führerscheinerwerb - und damit auch der Zugang zum Arbeitsmarkt - für viele der derzeit nach Deutschland und Niedersachsen kommenden Flüchtlinge erheblich erschwert. So forderte auch der Bundesverband deutscher Fahrschulunternehmen die Möglichkeit zur theoretischen Führerscheinprüfung auf Arabisch sowohl für Pkw- als auch für Lkw-Führerscheine, da beispielsweise in der Logistikbranche händeringend nach Lkw-Fahrern gesucht werde. Vorbemerkung der Landesregierung Die Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 28 ff. der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Nach § 29 FeV dürfen Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis im Umfang ihrer Berechtigung grundsätzlich Kraftfahrzeuge im Inland führen, wenn sie hier keinen Wohnsitz haben. Auflagen zur ausländischen Fahrerlaubnis sind auch im Inland zu beachten . Für Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründen, besteht diese Berechtigung weiterhin. Eine Umschreibung des ausländischen Führerscheines ist grundsätzlich nicht erforderlich. Begründet der Inhaber einer Fahrerlaubnis aus einem Staat außerhalb der EU bzw. dem EWR einen Wohnsitz im Inland, besteht die Fahrberechtigung noch sechs Monate. Danach ist zum weiteren Führen von Kraftfahrzeugen im Inland die Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis erforderlich . Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5077 2 Nach § 31 Abs. 1 und 2 FeV setzt die Umschreibung einer solchen Fahrerlaubnis grundsätzlich die Ablegung einer Fahrerlaubnisprüfung (Theorie und Praxis) voraus. Hierauf kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn die ausländische Fahrerlaubnis von einem der in Anlage 11 FeV genannten Staaten erteilt worden ist. Eine Aufnahme in diese „Staatenliste“ erfolgt, wenn in den genannten Ländern vergleichbare Ausbildungs- und Prüfungsbedingungen existieren und eine sogenannte Gegenseitigkeitsvereinbarung geschlossen worden ist, d. h., diese Länder den Inhabern deutscher Fahrerlaubnisse die gleichen Privilegien gewähren. Einzelheiten zur theoretischen Fahrerlaubnisprüfung ergeben sich aus der Anlage 7 FeV in Verbindung mit der Richtlinie für die Prüfung der Bewerber um eine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Prüfungsrichtlinie). Nach Nummer 1.3 der Anlage 7 FeV ist die theoretische Fahrerlaubnisprüfung grundsätzlich in deutscher Sprache abzulegen. Abweichend davon kann die Prüfung auch in folgenden elf Fremdsprachen abgelegt werden: Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch , Kroatisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch und Türkisch. Darüber hinaus bestand für die Bundesländer nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Rechtslage die Möglichkeit, sowohl weitere Fremdsprachen mit Audio-Unterstützung in Form sogenannter Minidisc -Prüfungen (Übersetzung deutschsprachiger Fragebögen auf einen Tonträger/Abspielgerät) als auch die Hinzuziehung eines Dolmetschers zuzulassen. Niedersachsen hatte von dieser Ermächtigung ebenfalls Gebrauch gemacht und weitere Fremdsprachen (Albanisch, Arabisch, Kroatisch, Persisch/Afghanisch, Tamilisch und Vietnamesisch) mit Audiounterstützung sowie die Hinzuziehung eines Dolmetschers zugelassen. Aufgrund einer in diesen Bereichen deutlichen Zunahme von Manipulationsversuchen, teilweise unter Verwendung professioneller technischer Hilfsmittel, wurden in Niedersachsen die „Dolmetscherprüfung “ zum 01.05.2008 sowie die Prüfung in den genannten Minidisc-Fremdsprachen mit Einführung der computergestützten Prüfung (PC-Prüfung) zum 01.01.2010 abgeschafft. Diese Verfahrensweise entspricht der durch eine Rechtsänderung der FeV erfolgten Neuregelung der Anlage 7 Nr. 1.3 FeV. Danach ist nur noch bei der Prüfung von Gehörlosen die Hinzuziehung eines (Gehörlosen-)Dolmetschers möglich sowie bei Bewerberinnen und Bewerbern mit Lese- und Schreibschwäche eine Audio-Unterstützung (vgl. Frage 4). Weiterhin wurde die Anzahl der zulässigen Fremdsprachenprüfungen bundeseinheitlich auf die vorgenannten elf Sprachen reduziert. Diese am 01.01.2011 in Kraft getretenen Änderungen wurden insbesondere aus Gründen der Prüfungsgerechtigkeit und der Gleichbehandlung innerhalb der Bundesrepublik für notwendig erachtet. Den Bundesländern ist es seitdem verwehrt, hiervon abweichende Verfahrensregelungen treffen zu können. 1. Welche von niedersächsischen Migrantinnen und Migranten in ihren Herkunftsländern erworbenen Führerscheine werden hier anerkannt und unter welchen Bedingungen? Wie wird die Anerkennung bzw. die Nichtanerkennung begründet? Siehe hierzu die Vorbemerkungen. 2. In welchem Maße wurde von dem mehrsprachigen Theorietest seit dem Jahr 2012 Gebrauch gemacht (Anzahl der Prüfungen in Herkunftssprache, bitte mit Angaben zu Altersgruppe , Geschlecht, Herkunftssprache, bestanden/nicht bestanden)? Die zur Verfügung stehenden Statistiken sind beigefügt (Anlage 1). Diese enthalten jedoch weder geschlechtliche noch altersgruppenspezifische Aufgliederungen. Da für das Jahr 2015 noch keine abschließende Jahresstatistik vorliegt, ist hierzu eine Auswertung über das erste bis dritte Quartal im Vergleich zum Vorjahr abgebildet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5077 3 3. Wie viele Migrantinnen und Migranten, die anderer Muttersprache sind als der oben genannten elf Prüfungssprachen, wohnen in Niedersachsen und könnten eine Fahrerlaubnis nach Ablegung einer Fahrprüfung erlangen? Der Aufenthaltsstatus einer Ausländerin oder eines Ausländers wird im Ausländerzentralregister (AZR) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gespeichert. Das BAMF übernimmt auch die statistische Aufbereitung der Daten aus dem AZR und stellt den Ländern Auswertungen zur Verfügung. Zum Stichtag 30.11.2015 (die Zahlen zum Stichtag 31.12.2015 wurden noch nicht veröffentlicht) lebten in Niedersachsen insgesamt 653 157 Ausländerinnen und Ausländer in Niedersachsen . (Anlage 2). In welchem Umfang diese Staatsangehörigen bereits im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis sind, ist nicht bekannt. Weitere aktuelle Zahlen zu Asyl, Migration sowie zur Integration bietet die Broschüre „Das Bundesamt in Zahlen 2014“, die auf der Homepage des BAMF als Download zur Verfügung gestellt wird. 4. Welche Alternativen gibt es für die Dolmetscherprüfung und die computergestützte Prüfung in den sogenannten Minidisc-Sprachen (Albanisch, Arabisch, Persisch/Afghanisch , Tamilisch, Vietnamesisch), die zum 01.05.2008 bzw. dem 01.01.2010 abgeschafft wurden? Siehe hierzu die Vorbemerkungen. Prüfungen mit Audio-Unterstützung werden im Rahmen der normalen theoretischen Prüfung ohne Einzelterminierung absolviert. Die Bewerberinnen/Bewerber erhalten bei der Prüfung einen Kopfhörer, beim Anwählen der Frage oder der jeweiligen Antwort wird der Text vom Prüfsystem vorgelesen. Einzelprüfungen sind auf gesonderten Antrag möglich, hierbei wird beim Anwählen der Frage oder der jeweiligen Antwort der Text vom Prüfsystem über einen Kopfhörer vorgelesen. Eine ergänzende Erläuterung schwieriger Begriffe (z. B. Fliehkraft) durch den Prüfer ist im Einzelfall zulässig. 5. Welche Lehrmaterialien, Übungsfragebögen etc. sind für Migrantinnen und Migranten in welchen Herkunftssprachen erhältlich? Für alle in Anlage 7 zur FeV aufgeführten Sprachen kann man sowohl Lehrbücher, Testbögen als auch Lern-DVDs bei den entsprechenden Lehrmittelverlagen erwerben. Darüber hinaus kann im Handel auch Lernmaterial in weiteren Sprachen, die nicht Prüfungssprachen sind, erworben werden (z. B. www.lehrboegen.de). 6. Welche Erkenntnisse liegen über Schwierigkeiten und Probleme bei Sprachvermittlung im Rahmen von Führerscheinprüfungen in Niedersachsen vor? Die Fragen für die theoretische Führerscheinprüfung werden in einer Arbeitsgemeinschaft, der „VdTÜV-AG Theoretische Prüfung“, erarbeitet. Um sicherzustellen, dass die Übersetzungen für die Bewerber verständlich sind, werden die Fragen der theoretischen Führerscheinprüfung zum Teil von mehreren Dolmetschern unabhängig übersetzt, ins Deutsche rückübersetzt und von Personen aus dem jeweiligen Land getestet. Dieses Verfahren hat sich in der Praxis bewährt. Der in Niedersachsen für die Durchführung der Fahrerlaubnisprüfung zuständigen Technischen Prüfstelle der TÜV Nord Mobilität GmbH & Co. KG sind keine aktuellen Probleme bekannt. 7. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung für das Bundesland Niedersachsen, den Zugang zum Führerschein für Menschen mit Migrationshintergrund zu erleichtern bzw. sie beim Erwerb der Fahrerlaubnis zu unterstützen? Die Landesregierung sieht durch das Angebot, die theoretische Führerscheinprüfung neben Deutsch auch in elf Fremdsprachen ablegen zu können, schon jetzt eine Erleichterung bei der Erlangung der Fahrerlaubnis durch Migrantinnen und Migranten. Die Verkehrsministerkonferenz hat auf ihrer Sitzung am 08./09.10.2015 einvernehmlich beschlossen, das Bundesministerium für Ver- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5077 4 kehr und digitale Infrastruktur (BMVI) um eine Prüfung zu bitten, ob aus arbeitsmarkt- und integrationspolitischer Sicht weitere Fremdsprachen, insbesondere Arabisch, als Prüfungssprache in die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) aufgenommen werden sollten. (Ausgegeben am ) (Ausgegeben am 04.02.2016) Drucksache 17/5077 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4790 Teilhabe ermöglichen: Führerschein für Migrantinnen und Migranten Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Belit Onay, Maaret Westphely, Susanne Menge (GRÜNE), Klaus-Peter Bachmann, Immacolata Glosemeyer, Michael Höntsch, Dr. Silke Lesemann, Doris Schröder-Köpf, Dr. Christos Pantazis, Dr. Alexander Saipa, Uwe Schwarz und Petra Tiemann (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Anlage 1 Anlage 2