Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5082 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4449 - Ist die Landesregierung in ihrer Haltung zu Glyphosat voreingenommen? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 16.10.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 22.10.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 28.01.2016, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Am 23. September 2015 hat das Umweltministerium einen Workshop mit dem Titel „Der Pflanzenwirkstoff Glyphosat - Gefahr für Mensch und Umwelt?“ durchgeführt. In seinen einleitenden Worten führte Minister Wenzel sinngemäß aus, jeder deutsche Acker werde mittlerweile einmal im Jahr mit Glyphosat behandelt. Ein Vertreter des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) berichtete anschließend über den Stand und Ablauf des europäischen Zulassungsverfahrens für Glyphosat. Daraufhin haben drei Referentinnen ihre vorwiegend kritische Bewertung des Herbizids dargestellt. Frau Professor Dr. Monika Krüger von der Universität Leipzig brachte Glyphosat in Zusammenhang mit dem nicht eindeutig definierten Krankheitsbild „chronischer Botulismus “ bei Rindern. Margit Salzmann vom niedersächsischen Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim hat sich zum WHO-Verdacht der krebserzeugenden Wirkung von Glyphosat geäußert. Schließlich hat Heike Moldenhauer vom BUND die Diskussion aus Sicht der Umweltverbände dargestellt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ein Forschungsprojekt der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) zum Themenkomplex „Bedeutung von Clostridium botulinum bei chronischen Krankheitsgeschehen“ in Milchviehbetrieben mit 2,2 Millionen Euro gefördert. Insgesamt wurden 141 Betriebe zwischen Mai 2012 und Februar 2014 untersucht. Auf der Internetseite der TiHo werden Fragen zur Studie beantwortet. Auf die Frage „Bedeuten Ihre Ergebnisse, dass es den chronisch-viszeralen Botulismus nicht gibt?“ antwortet die TiHo: „Unsere Ergebnisse besagen, dass es keine Beziehung zwischen C. botulinum und einem chronischen Krankheitsgeschehen weder auf Betriebsebene noch auf Tierebene gab. Daraus folgt, dass wir keine Hinweise auf den sogenannten chronisch-viszeralen Botulismus finden konnten.“ (https://ibei.tiho-hannover.de/botulismus/faqs /category). Vorbemerkung der Landesregierung Der Workshop des Umweltministeriums „Der Pflanzenwirkstoff Glyphosat - Gefahr für Mensch und Umwelt?“ am 23. September 2015 in Hannover wurde mit rund 150 Gästen sehr gut angenommen. Das dokumentiert, wie mögliche Gefahren durch Glyphosat die Öffentlichkeit bewegen. Die Minister Wenzel und Meyer haben einführend die Positionen und Aktivitäten ihrer Ressorts bezüglich Glyphosat dargestellt. Danach erläuterte Herr Dr. Hohgardt vom BVL Stand und Ablauf des europäischen Zulassungsverfahrens für Glyphosat sowie die grundsätzliche Position des Bundes zu Glyphosat. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5082 2 Zu zwei Verdachtsmomenten von Glyphosat – Chronischer Botulismus bei Rindern, möglicherweise verursacht durch Glyphosat, und – Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“ - so die Einstufung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) - referierten die Veterinärmedizinerin und Mikrobiologin Frau Prof. Krüger von der Universität Leipzig sowie die Fachtoxikologin Frau Dipl.-Biol. Salzmann vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim , Mitglied der niedersächsischen Expertengruppe zur Bewertung von Glyphosat (siehe dazu auch die Antwort der Landesregierung zur Drs. 17/4450 in der Drs 17/5079). Die Position der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände zu Glyphosat stellte die Agro-Gentechnikexpertin Frau Moldenhauer vom BUND vor. Die Veranstaltung wurde abgeschlossen durch eine Podiumsdiskussion mit den agrarpolitischen Sprechern aller im Landtag vertretenen Parteien mit Herrn Minister Wenzel, namentlich den Herren – MdL Helmut Dammann-Tamke, CDU-Fraktion, – MdL Wiard Siebels, SPD-Fraktion, – MdL Hans-Joachim Janßen, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, – MdL Hermann Grupe, FDP-Fraktion. Der Workshop war somit inhaltlich hochkarätig besetzt und repräsentierte eine breite Meinungsvielfalt zur Glyphosat-Thematik sowie eine politische Ausgewogenheit. Eine Voreingenommenheit der Landesregierung wird hier nicht gesehen. 1. Ist die einleitende Bemerkung des Ministers Wenzel beim Workshop des Umweltministeriums am 23. September 2015, jeder deutsche Acker werde mittlerweile einmal im Jahr mit Glyphosat behandelt, nach Auffassung der Landesregierung zutreffend? 2. Wenn die in Frage 1 genannte Bemerkung des Ministers nicht zutreffend ist, warum hat er sie dann getätigt? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Glyphosat ist nach Darstellung des Bundesamts für Risikobewertung der weltweit am meisten eingesetzte Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln. Allein in Deutschland wurden 2012 rund 6 000 t des reinen Wirkstoffes Glyphosat verschiedenen Pflanzenschutzmitteln zugesetzt (Quelle: Spiegel online vom 20.01.2014). Der Verbrauch ist ansteigend. Herr Minister Wenzel hat mit seiner vergleichenden Darstellung auf diese großen Mengen hingewiesen ; eine parzellenscharfe Darstellung für alle 11,9 Millionen ha Ackerflächen in Deutschland ist nicht möglich und war auch nicht beabsichtigt. 3. Wurde nach Auffassung der Landesregierung bei der Zusammenstellung der Referenten für den Glyphosatworkshop des Umweltministeriums das Gebot der Neutralität beachtet ? Siehe Vorbemerkung. 4. Warum wurden nach Auffassung der Landesregierung keine Referenten zur Veranstaltung eingeladen, die eine weitere Verwendungsmöglichkeit von Glyphosat in der Landwirtschaft befürworten? Die Landesregierung stimmt mit der Einschätzung der EU-Kommission überein, dass im Gesundheits - und Umweltbereich das Vorsorgeprinzip höchste Priorität hat. Angesichts der gravierenden Verdachtsmomente gegen Glyphosat wäre es daher unverantwortlich gewesen, neben dem BVL- Vertreter ergänzend noch einen zusätzlichen Referenten für eine weitere Verwendungsmöglichkeit Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5082 3 von Glyphosat einzuladen, insbesondere da die Prüfung des Krebsverdachts gegen Glyphosat seitens der EU-Kommission noch nicht abgeschlossen ist. Angesichts des Verdachts der kanzerogenen Wirkung von Glyphosat war es der Landesregierung wichtig, im Rahmen des Workshops die Gefahren für Mensch und Umwelt im Expertenkreis zu diskutieren . 5. Ist das Umweltministerium nach Auffassung der Landesregierung an die auf Glyphosat bezogene Frage „Gefahr für Mensch und Umwelt?“ im Rahmen des Workshops offen herangegangen oder war sie für das Umweltministerium schon vor der Veranstaltung beantwortet? Das breite Spektrum der Referentinnen und Referenten beantwortet diese Frage. Die Beiträge der Fachleute sowie die intensive Diskussion auf dem Workshop haben allerdings nicht dazu beigetragen , dass die Bedenken des MU hinsichtlich möglicher Gesundheits- und Umweltgefahren durch Glyphosat geringer geworden sind. 6. Hat die Landesregierung Kenntnis von der Studie der TiHo zum nicht eindeutig definierten Krankheitsbild „chronischer Botulismus“? Ja. Bei der genannten Studie handelt es sich um ein Forschungsprojekt zum Themenkomplex „Bedeutung von Clostridium botulinum bei chronischen Krankheitsgeschehen“ in Milchviehbetrieben. Dieses wurde Anfang Februar 2011 vom Bundeslandwirtschaftsministerium über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung initiiert und gefördert. Die Studie wurde von den Projektpartnern im Rahmen einer öffentlichen Abschlussveranstaltung am 12. September 2014 in Hannover präsentiert, bei welcher Vertreter der Behörden - auch der Landesregierung (ML) -, der Tierärztekammer, der landwirtschaftlichen Verbände, anderer wissenschaftlicher Einrichtungen und einige Landwirte, die an der Studie teilgenommen haben, vertreten waren. Auch mit Kritikerinnen und Kritikern der Studie und mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Ansichten zum chronischen Botulismus hat das ML Gespräche geführt. 7. Ist es nach Auffassung der Landesregierung geboten, die Studie der TiHo zum chronischen Botulismus bei Rindern im Rahmen einer wissenschaftlich basierten Diskussion über mögliche Zusammenhänge zwischen Glyphosat und chronischem Botulismus zu berücksichtigen? Ja, auch diese Studie gehört zum breiten Meinungsbild der Wissenschaft. 8. Wie bewertet die Landesregierung die Darstellungen von Frau Professor Dr. Monika Krüger zum Zusammenhang zwischen Glyphosat und dem nicht eindeutig definierten Krankheitsbild „chronischer Botulismus“ bei Rindern vor dem Hintergrund der Ergebnisse der oben genannten TiHo-Studie? In ihrer Präsentation im Rahmen des Workshops am 23. September 2015 demonstrierte Frau Prof. Krüger die Wirkung von Glyphosat auf Mikroorganismen. Sie stellte verschiedene Studien vor, in denen eine unterschiedliche antimikrobielle Wirkung von Glyphosat auf unterschiedliche Bakterien untersucht wurde (sensible Klasse I- sowie resistente Klasse II-Bakterien). Zu den sensiblen Vertretern gehören diesen Studien zufolge Bakterien der Darmflora, zu den resistenten u. a. Clostridium botulinum. Daraus begründet sie eine mögliche gastrointestinale Dysbiose, mit Kolonisation im Darm, welche letztlich den „chronischen Botulismus“ verursachen soll. Die aufgestellte These ist weiter nach guter wissenschaftlicher Praxis zu untersuchen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5082 4 9. Wurde ein Vertreter der TiHo zum Workshop eingeladen, um die Sicht der TiHo zum chronischen Botulismus darzustellen, wenn nein, warum nicht? Zum Glyphosat-Workshop des MU wurde öffentlich, z. B. über die Website des MU, eingeladen. Die große Zahl der Rückmeldungen macht deutlich, dass die Werbung für den Workshop auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Warum eine TiHo-Vertreterin bzw. ein TiHo-Vertreter diese Einladung nicht wahrgenommen hat, kann von hier nicht beurteilt werden. (Ausgegeben am 04.02.2016) Drucksache 17/5082 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4449 Ist die Landesregierung in ihrer Haltung zu Glyphosat voreingenommen? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz