Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5091 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4892 - Ist die Aufhebung von Schonzeiten zur Verhinderung übermäßiger Schäden durch Wildgänse nach Auffassung der Landesregierung geboten? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 18.12.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 04.01.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 29.01.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten In einigen Regionen Niedersachsens vermehren sich die Wildgansbestände exponentiell. Laut Landvolk Niedersachsen hat sich die Anzahl der Brutpaare von 1994 bis 2013 versechsfacht. Die Tiere richten dadurch auf landwirtschaftlichen Flächen zunehmend erhebliche Fraß-, Tritt- und Kotschäden an. Die Schäden begrenzen sich jedoch nicht ausschließlich auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. In Teichen und Seen leidet die Wasserqualität, und angrenzende Ufer- sowie Böschungsbereiche werden durch den Kot der Tiere unbetretbar. Die größten Probleme bei der Ausbreitung der Wildgänse bereiten nicht die Brutpaare, sondern nicht brütende Tiere. Dabei handelt es sich sowohl um Jungtiere, die noch nicht geschlechtsreif sind, als auch um Alttiere, die nicht mehr geschlechtsreif sind. Diese Gänse brüten nicht, sondern leben in sogenannten Trupps und äsen auf den Feldern. Dabei richten sie vor allem im Frühjahr große Schäden an, weil die zu dieser Zeit ausgesäten Ackerfrüchte noch sehr klein sind. Anders die Brutpaare: Sie befinden sich in der Brutzeit getrennt von den nicht brütenden Tieren z. B. im Uferbereich von Seen und richten keinen Schaden auf den Feldern an; denn sie ernähren sich zu der Zeit von Uferbewuchs. Könnten die Landwirte die Trupps im Frühjahr vorübergehend von den Feldern vertreiben, ließen sich große Teile der Schäden abwenden. Die Jagdzeiten für Grau-, Nil- und Kanadagänse beginnen aber beispielsweise erst am 1. August jedes Jahres. Die größten Schäden auf den landwirtschaftlichen Flächen werden jedoch im April und Mai angerichtet. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. März 2015 (Aktenzeichen 16 A 1610/13) kommt auf Grundlage des § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG und des § 24 Abs. 2 LJG NRW zu folgendem in den Leitsätzen des Urteils festgehaltenem Schluss: „Ist die Schonzeitenaufhebung zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden geeignet, erforderlich und angemessen, bleibt für die Ablehnung eines entsprechenden Antrags im Wege des Ermessens grundsätzlich kein Raum.“ Außerdem heißt es: „Eine Schonzeitaufhebung ist erforderlich, wenn non-letale Vergrämungsmethoden nicht geeignet sind, übermäßig Wildschäden zu vermeiden, und es auch sonst keine zufriedenstellende andere Lösung gibt.“ Ein Landwirt, auf dessen Flächen erhebliche Schäden verursacht worden waren, hatte gegen den Bescheid der zuständigen Landesbehörde geklagt, wonach der Antrag des Landwirts auf Aufhebung der Schonzeit für nicht brütende Grau-, Kanadaund Nilgänse abgelehnt worden war. In § 26 Abs. 2 NJagdG gibt es eine dem § 24 Abs. 2 LJG NRW ähnliche Bestimmung: „Die Jagdbehörde wird ermächtigt, zum Erlegen von krankem oder kümmerndem Wild, zur Wildseuchenbekämpfung, aus Gründen der Wildhege, des Artenschutzes oder zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden Schonzeiten durch Verordnung aufzuheben.“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5091 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen legt dar, dass auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass den Interessen der Landwirtschaft am Schutz vor Wildschäden im Bundesjagdgesetz und im Landesjagdgesetz NRW ein besonderes Gewicht eingeräumt wird, die Schonzeitaufhebung eine Ausnahme darstelle, die nur in engen Grenzen erteilt werden könne. Dabei sei für die Erteilung einer Ausnahme von der Schonzeit innerhalb der Brut- und Setzzeiten ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Grundsätzlich sollen die Tierarten, für die eine Jagdzeit festgelegt ist, nur in diesen festgelegten Jagdzeiten bejagt werden. 1. Wie schätzt die Landesregierung die Relevanz des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen für Niedersachsen ein? Gegenstand des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen war ein besonders gelagerter Einzelfall, der auf der Grundlage der spezifischen Regelungen des Landes Nordrhein- Westfalen zu entscheiden war. Es ging dabei um die Aufhebung von Schonzeiten, die durch eine Landesverordnung NRW in besonders bestimmten, regional begrenzten Gebieten für Grau-, Kanada - und Nilgänse festgelegt worden ist. Die allgemeine Jagdzeit vom 16. Juli bis 31. Januar war in diesem Gebiet auf einen Zeitraum vom 16. Juli bis 14. Oktober (drei Monate) eingeschränkt (allgemeine Schonzeit). Eine allgemeine regional einschränkende Schonzeitregelung, die der Entscheidung in NRW zugrunde lag, ist in Niedersachsen bisher nicht getroffen worden. Die niedersächsische Jagdzeit für bestimmte Wildgänsearten beträgt außerhalb von Vogelschutzgebieten fünfeinhalb Monate (1. August bis 15. Januar) und innerhalb von bestimmten Vogelschutzgebieten vier Monate (1. August bis 30. November). 2. Geht die Landesregierung davon aus, dass sich als Folge aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ergibt, dass die zuständigen Behörden in Niedersachsen einem Antrag auf Aufhebung der Schonzeit zur Verhinderung übermäßiger Wildschäden durch Wildgänse nachkommen müssen (mit Begründung)? Ob außerhalb der regulären Jagdzeiten eine Schonzeitaufhebung in Betracht kommt, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab, der aufgrund der konkreten niedersächsischen Rechtsgrundlagen unter Beachtung enger Auslegungsmaßstäbe zu entscheiden ist. Es liegt im Ermessen der zuständigen Jagdbehörden, die Schonzeit zur Verhinderung von übermäßigen Wildschäden durch Wildgänse aufzuheben. Jagdbehörden sind in Niedersachsen die Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover. Außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeit (1. April bis 15. Juli), vom 16.01. bis 31.03. und vom 16.07. bis 31.07. sind Schonzeiten in der Vergangenheit aufgrund regional gestellter Anträge aus Gründen der Schadensabwehr auf landwirtschaftlichen Flächen wegen einer sehr hohen Populationsdichte von Wildgänsen aufgehoben worden. 3. Machen sich nach Auffassung der Landesregierung Landkreise und kreisfreie Städte sowie das Land schadensersatzpflichtig, wenn die zuständigen Behörden einen Antrag auf Schonzeitaufhebung für Wildgänse mit dem Zweck, übermäßigen Wildschaden zu vermeiden, ablehnen? Nein. 4. Stimmt die Landesregierung der Annahme zu, dass Jäger im Frühjahr nicht brütende Wildgänse und brütende Paare aufgrund unterschiedlicher Verhaltensweisen und Aufenthaltsorte der Tiere unterscheiden können und damit eine Bejagung der nicht brü- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5091 3 tenden Tiere mit dem Ziel der Abschreckung und der Verhinderung übermäßiger Wildschäden möglich wäre? Es geht hierbei um die in die Abwägung einzustellenden Belange der wirtschaftlichen Interessen des Landwirtes einerseits und der Verhinderung des Leidens von elternlos gewordenen Gösseln, die auf ihre Eltern noch angewiesen sind, andererseits, Im Allgemeinen können - auch nennenswerte - Fehlabschüsse von brütenden Vögeln bei Aufhebung der Schonzeit innerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Im Frühjahr sind z. B. nichtbrütende und brütende Graugänse anhand von Gestalt- und Gefiedermerkmalen auf Schussentfernung oder darüber hinaus kaum auseinanderzuhalten. Zu den nichtbrütenden Graugänsen können sowohl geschlechtsreife Altvögel gehören, die nicht brüten, als auch nicht geschlechtsreife Jungvögel im ersten oder zweiten Kalenderjahr. Zudem verlassen brütende Weibchen regelmäßig das Nest und fliegen begleitet vom Ganter zur Nahrungssuche. Dabei werden nicht selten die gleichen Nahrungsgründe angeflogen, die auch nichtbrütende Vögel aufsuchen . 5. Ist nach Auffassung der Landesregierung eine Aufhebung der Schonzeit im Frühjahr für bestimmte Wildgänsearten geeignet und geboten, um übermäßige Wildschäden zu vermeiden? Dies zu beurteilen wird eine Frage des jeweiligen Einzelfalles sein, siehe oben. Die Landesregierung wird auch künftig die rechtlichen Voraussetzungen dafür gewährleisten, dass die Wildschadensverhütung und der Schutz der für die Brut und Aufzucht notwendigen Elterntiere in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. (Ausgegeben am 08.02.2016) Drucksache 17/5091 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4892 Ist die Aufhebung von Schonzeiten zur Verhinderung übermäßiger Schäden durch Wildgänse nach Auffassung der Landesregierung geboten? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz