Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5189 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4589 - Vorträge von Mitarbeitern von Genehmigungsbehörden bei Lobbyverbänden? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 10.11.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 13.11.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 10.02.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Der Bundesverband Windenergie bietet auf seiner Internetseite verschiedene Seminare an. Referentin eines Seminars „Genehmigungsverfahren von Windprojekten“ im September 2015 war u. a. eine Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums Gießen (Hessen). Ihr Referatsthema lautete: „Praxistipps zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren aus Sicht einer Genehmigungsbehörde“. Sie wurde auf der Homepage des Verbandes als Expertin für Windkraftgenehmigungen vorgestellt. 1. Wie bewertet die Landesregierung den beschriebenen Fall aus Hessen? Die Landesregierung bewertet nicht das konkrete Verwaltungshandeln von Behörden anderer Länder , hier die Anwendung des Nebentätigkeitsrechts bei Referentenvorträgen. 2. Gab es in Niedersachsen Fälle, in denen Mitarbeiter von Genehmigungsbehörden bei Veranstaltungen von Lobbyverbänden als Referenten auftraten, und, wenn ja, welche, und waren diese Nebentätigkeiten alle genehmigt? Genehmigungsbehördliche Aufgaben werden in Niedersachsen zu einem Großteil durch die Kommunen wahrgenommen. Neben der Einbeziehung der Landesdienststellen, die Genehmigungsbehörden sind, erfolgten daher auch fachaufsichtliche Abfragen bei den Kommunen. Dabei wurden die Abfragen auf das Jahr 2015 und die Geschäftsbereiche ML, MS, MU und MW beschränkt, da diese Bereiche mit dem Kontext der Frage „Erteilung und Kontrolle von Genehmigungen und Auflagen von Windkraftanlagen“ im weitesten Sinne Berührungspunkte aufweisen. Bezogen auf Beamtinnen und Beamte kennt das Nebentätigkeitsrecht in Niedersachsen keinen Genehmigungsvorbehalt, sondern nur eine Anzeigepflicht mit der Möglichkeit der Untersagung. Genehmigungen waren für solche Tätigkeiten nicht erforderlich. Im Bereich des MU gab es im Jahr 2015 zum einen beim Landkreis Oldenburg einen Mitarbeiter, der Lehrtätigkeiten bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall wahrgenommen hat. Die personalrechtlichen Voraussetzungen wurden vom Landkreis Oldenburg geprüft . Versagungsgründe gegen die angezeigte Nebentätigkeit wurden nicht festgestellt. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe wird vom Landkreis Oldenburg positiv beurteilt und unterstützt. Der betreffende Mitarbeiter ist durch die Tätigkeit technisch, rechtlich und wissenschaftlich in diesem speziellen Arbeitsbereich (Wasser und Abfall) auf dem jeweils neuesten Stand. Dies kommt unmittelbar auch dem Landkreis Oldenburg zugute. Zudem zählt die Aus- und Weiterbildung von Gewässerschutzbeauftragten und von Fachkräften für die Überwachung von Kleinkläranlagen zu Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5189 2 den wichtigen öffentlichen Aufgaben, die den Einsatz geeigneter fachlich hoch qualifizierter „Verwaltungspraktiker “ unbedingt erfordern. Zum anderen hat der Geschäftsführer der Niedersächsischen Gesellschaft zur Endablagerung von Sonderabfall mbH (NGS) im Jahr 2015 einen Kurzvortrag über die NGS beim Industrieclub Hannover gehalten. Im Bereich des MS übten 2015 einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Referententätigkeit aus. Eine Mitarbeiterin des Niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie übernimmt die fortlaufende, jährliche Moderation eines Fachtages des Evangelischen Erziehungsverbandes, welche außerhalb der Dienstzeiten stattfindet. Nach ihrer Aussage wurde die Zustimmung zu dieser Tätigkeit zu Zeiten der Bezirksregierung durch die Leitung des damaligen Landesjugendamts erteilt . Ein weiterer Mitarbeiter ist im Jahr 2015 einer Nebentätigkeit bei einer Institution, deren Träger Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen e. V. ist, nachgegangen . Bis Anfang des Jahres 2015 hatte der Mitarbeiter einen Lehrauftrag an der Berufsfachschule für Logopäden in Oldenburg, welche unter der Trägerschaft der AWO Bezirksverband Weser -Ems e. V. steht. Dieser Lehrauftrag war genehmigt bzw. angezeigt worden. Darüber hinaus traten drei Mitarbeiter des MS beim Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung als Referenten auf. Diese Tätigkeiten wurden angezeigt. Im Bereich des MW gab es 2015 einen Vortrag. Ein Mitarbeiter der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH hat bei einer Fachtagung der VDV (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen )-Akademie am 18./19.03.2015 zum Thema „Demografischer Wandel und ländlicher Raum - Vorstellung einer Planungsstrategie und eines Leitfadens zur künftigen Gestaltung der ÖPNV- Angebote für die Fläche“ ein Referat gehalten. Thema des Referates war „Die genehmigungsrechtliche Einordnung flexibler Bedienungsformen im Spannungsfeld zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlicher Leistungserbringung“. 3. Wie bewertet die Landesregierung Referententätigkeiten von Mitarbeitern von Genehmigungsbehörden bei Lobbyverbänden aus deren Fachbereichen? Eine Bewertung von Referententätigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Genehmigungsbehörden bei Interessenverbänden verlangt eine genaue Prüfung und Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall. So sind einerseits die Grundrechtspositionen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch das Interesse der von einem bestimmten Regelungsgebiet besonders Betroffenen an fachkundigen Informationen, die auf rechtlichen Spezialgebieten häufig nur Behördenmitarbeiter anbieten können, zu berücksichtigten. Auf der anderen Seite sind mögliche Auswirkungen auf die unparteiische Amtsführung und das Ansehen der Verwaltung in die Abwägung einzustellen. In diesem Spannungsfeld wird jedenfalls zu beachten sein, dass insbesondere der Anschein von zu großer Nähe zwischen Genehmigungsbehörde und Lobbyverbänden vermieden wird. Positiv werden dagegen Vortragstätigkeiten bewertet, die den Eindruck der unparteiischen Amtsführung nicht infrage stellen und gleichzeitig in transparenter Weise die Betroffenen über den Verfahrensablauf informieren, um damit zu einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren beizutragen. 4. Wann empfiehlt die Landesregierung den Genehmigungsbehörden konkret, Referententätigkeiten von Mitarbeitern bei Lobbyverbänden zu untersagen? Soweit sich die Referententätigkeit als Nebentätigkeit von Beamtinnen und Beamten darstellt, sind die Untersagungsgründe in § 73 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) geregelt. Nach dieser Vorschrift ist eine Nebentätigkeit zu untersagen, soweit sie geeignet ist, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen. Ein Untersagungsgrund läge insbesondere vor, wenn die Tätigkeit in einer Angelegenheit ausgeübt wird, in der die Behörde, der die Beamtin oder der Beamte angehört, tätig wird oder tätig werden Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5189 3 kann (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NBG). Hiernach scheiden die Tätigkeiten aus, die unmittelbar in Verbindung mit einem Verwaltungsverfahren stehen, welches von der Behörde der Beamtin oder des Beamten durchgeführt wird oder durchzuführen wäre. Eine konkrete Beratung oder Unterstützung in einem Genehmigungsverfahren bei derselben Behörde ist damit ausgeschlossen. Mit der Regelung soll einem Interessenkonflikt entgegengewirkt werden, der sich daraus ergeben könnte, dass eine oder ein in der Behörde tätige Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in einem konkreten Verfahren im Sinne einer Einzelfallberatung bereits mitgewirkt hat. Soweit eine Beratung z. B. auch im Rahmen einer Referententätigkeit jedoch vom konkreten Verfahren losgelöst ist und lediglich allgemeine Hinweise und Tipps etwa zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren gibt oder mit Informationen für Antragsteller zur Transparenz der Verwaltung und der Verwaltungsprozesse beiträgt , ist eine solche Praxis unbedenklich und wird sogar als sinnvoll erachtet. Weiter wäre eine Nebentätigkeit zu untersagen, wenn sie die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit der Beamtin oder des Beamten bei der dienstlichen Tätigkeit beeinflussen kann (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBG). Hierbei ist anders als bei § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NBG auf die konkrete dienstliche Tätigkeit der Beamtin oder des Beamten abzustellen. Es kommt mithin darauf an, dass sie oder er an einem etwaigen Genehmigungsverfahren zumindest mitwirkend beteiligt ist. Maßgeblich bei der Bewertung einer Referententätigkeit in Bezug auf diese Vorschrift sind sowohl der Inhalt des Vortrags als auch die Rahmenbedingungen. Je mehr sich ein Vortrag von einer sachlichen und unparteiischen Darstellung der Sach- und Rechtslage entfernt und die Förderung des Interesses beispielsweise einer antragstellenden Partei in den Mittelpunkt stellt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Beeinflussung der Unparteilichkeit und Unbefangenheit der oder des an einem Genehmigungsverfahren mitwirkenden Beamtin oder Beamten. Ein weiteres Kriterium ist die Höhe der für eine Referententätigkeit vereinbarten Vergütung. Eine gemessen am Status der Beamtin oder des Beamten und dem gegebenenfalls vorhandenen Ruf in der Fachwelt unangemessen hohe Vergütung kann ein Indiz für eine gefährdete Unparteilichkeit oder Unbefangenheit und damit zugleich ein Versagungsgrund für eine entsprechende Nebentätigkeit sein. Begibt sich eine Beamtin oder ein Beamter durch häufige, regelmäßige Vortragstätigkeiten gegen erhebliches Entgelt in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis, so gefährdet dies ihre oder seine Neutralität in besonderem Maße, sodass entsprechend Nebentätigkeiten zu untersagen sind. 5. Gibt es in allen Landkreisen Ansprechpartner für Korruptionsprävention, und, wenn nein, in welchen nicht? Die von der Landesregierung beschlossene Antikorruptionsrichtlinie vom 01.04.2014 (Nds. MBl. S. 330) gilt nicht für die niedersächsischen Kommunen. Diese entscheiden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung in eigener Zuständigkeit über Maßnahmen zur Korruptionsprävention oder Korruptionsbekämpfung. Den Kommunen wird in Nr. 1.2 der Richtlinie deren entsprechende Anwendung empfohlen. Zur Beantwortung der Fragen 5 und 6 wurde deshalb eine Abfrage bei den 37 Landkreisen durchgeführt . Diese ergab, dass in 24 Landkreisen gesonderte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Korruptionsprävention benannt sind. In 13 Landkreisen (Celle, Cuxhaven, Heidekreis, Holzminden, Lüchow-Dannenberg, Oldenburg, Osterholz, Rotenburg [Wümme], Schaumburg, Uelzen, Verden, Wesermarsch und Wittmund) wurde kein spezieller Ansprechpartner institutionalisiert. Die Aufgaben eines Absprechpartners für Korruptionsprävention sind in diesen Landkreisen bestimmten Fachdiensten (z. B. Rechnungsprüfungsamt , Personal) zugeordnet oder werden von Personen der Leitungsebene (z. B. HVB, Amtsoder Fachdienstleitung) wahrgenommen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5189 4 6. Welche Aufgaben haben diese Ansprechpartner konkret? Die Landkreise entscheiden über die Einsetzung und die Aufgaben dieser Ansprechpartner in eigener Zuständigkeit. Nach dem Ergebnis der Umfrage gehören bei den Landkreisen insbesondere die in Nr. 6.2 der o. g. Antikorruptionsrichtlinie des Landes genannten Punkte zum Aufgabenbereich der Ansprechpartner: – direkter Gesprächspartner für die Beschäftigten, – Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger zum Themenbereich Korruption, – Förderung der Sensibilität der Beschäftigten durch Beratung und Aufklärung (z .B. durch Schulungen , Rundschreiben, Information in Amtsleiterrunden), – Vorschläge an die Verwaltungsleitung zu internen Ermittlungen, zu Maßnahmen gegen Verschleierung und zur Unterrichtung der Staatsanwaltschaft bei einem durch Tatsachen gerechtfertigten Korruptionsverdacht, – Beratung bei der Entgegennahme von Sponsoringleistungen und bei der Öffentlichkeitsarbeit, – Kontakthalten zur und Informationsaustausch mit der Aufsichtsbehörde und anderen Stellen, – Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden in allgemeinen Fragen der Korruptionsbekämpfung . Die Aufgaben werden sowohl anlassbezogen als auch präventiv vorgenommen. Neben der Überprüfung bestehender Dienstanweisungen im Hinblick auf Korruptionsprävention wurden auch die Durchführung von Schwachstellenanalysen sowie die Erstellung und Pflege von Gefährdungsanalysen benannt. 7. Wird die Dienst- und Fachaufsicht in besonders korruptionsgefährdeten Bereichen, zu denen laut Vorgabe des Bundesinnenministeriums die Erteilung und Kontrolle von Genehmigungen und Auflagen von Windkraftanlagen zu zählen sind, besonders intensiv ausgeübt, und, wenn ja, worin unterscheidet sich diese intensive Aufsicht von der normalen Praxis? Zur Beantwortung dieser Frage erfolgte eine Abfrage bei ML, MS, MU und MW, da diese Ressorts mit dem Kontext der Frage „Erteilung und Kontrolle von Genehmigungen und Auflagen von Windkraftanlagen “ im weitesten Sinne Berührungspunkte aufweisen. Das Land übt in allen Bereichen eine intensive Aufsicht zur Verhinderung von Korruption aus. Hierzu gehören auch besondere Vorkehrungen in besonders korruptionsgefährdeten Bereichen. Beispielsweise hat das ML für seinen Geschäftsbereich besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen und führt im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht regelmäßige Revisionen durch. Hierbei wird geprüft , ob die genau festgelegte Vorgehensweise (z. B. Vier-Augen-Prinzip, Protokollpflicht) eingehalten wurde. Darüber hinaus wird im Rahmen dieser Prüfung eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt . Das MW hat für die o. g. Bereiche fachaufsichtlich angeordnet, dass eine Innenrevision durchzuführen ist und die Bereiche mit einer höheren Personalkapazität auszustatten sind. Darüber hinaus wurde Seitens des MW Wert auf eine klare Definition der Zuständigkeiten von zentraler und dezentraler Innenrevision gelegt. Korruptionsgefährdete Bereiche wurden in einen Gefährdungsatlas aufgenommen . Korruptionsgefährdete Bereiche im Zuständigkeitsbereich des MU wurden in einen Gefährdungsatlas aufgenommen und einer Risikoanalyse unterzogen. Darüber hinaus werden auch Präventionsmaßnahmen durchgeführt. Hierunter zählen gezielte Fortbildungen, das „Vier-Augen-Prinzip“ sowie eine Arbeitsplatz-Rotation. Auch wurde im Bereich der staatlichen Gewerbeaufsichtsämter eine zentrale Korruptionsbeauftragte bestellt. Im Geschäftsbereich des MS legen die Genehmigungs- und Fachaufsichtsbehörden im Rahmen der baurechtlichen Genehmigungsverfahren für bauliche Anlagen, die Immissionen erzeugen und Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5189 5 somit nachbarliche Belange beeinträchtigen können, besonderes Augenmerk auf eine intensive und fehlerfreie Verfahrensabwicklung. Derartige Anlagen sind bewusst nicht „verfahrensfrei“ gestellt , unterliegen somit dem Genehmigungsvorbehalt gemäß § 59 NBauO. Nach den Erfahrungen des MS sind die Bauaufsichtsbehörden in diesen Fällen besonders sensibilisiert, da derartige Anlagen durch Umwelt- und Naturschutzverbände, aber auch durch einzelne Bürger sehr kritisch beobachtet werden. In diesem Zusammenhang sind bisher keine Korruptionsfälle oder Korruptionsversuche bekannt geworden. (Ausgegeben am 17.02.2016) Drucksache 17/5189 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4589 Vorträge von Mitarbeitern von Genehmigungsbehörden bei Lobbyverbänden? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport