Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5234 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4978 - Friedensrichter in Niedersachsen - Schattenjustiz oder Streitschlichtung? Anfrage des Abgeordneten Marco Brunotte (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 12.01.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 15.01.2016 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 17.02.2016, gezeichnet Antje Niewisch-Lennartz Vorbemerkung des Abgeordneten Friedensrichter verstehen sich als Teil eines seit Jahrhunderten bestehenden islamischen Rechtssystems . Nur Männer können Friedensrichter sein. Die Friedensrichter werden nicht nur in Angelegenheiten des Strafrechts aktiv, sondern auch in Familienangelegenheiten und Vertragsfragen. Sie sehen sich selbst als Vermittler und Schlichter, die u. a. in Fällen von „Blutrache“ involviert werden. Sie bewegen sich in einem eigenen Sanktionssystem . Dieses besteht in der Regel aus Ausgleichszahlungen zwischen den Konfliktparteien, die in bestimmten Fällen mehrere Zehntausend Euro betragen können. Dabei bleibt in den Verfahren das deutsche Rechtssystem außen vor. Anzeigen werden nicht erstattet , Gerichte nicht mit Verfahren befasst, Zeugenaussagen werden zurückgezogen, Zeugen können sich vor Gericht nicht mehr an das Tatgeschehen erinnern oder haben eine modifizierte Wahrnehmung. Die Verfahren werden nicht vor einem Gericht verhandelt, sondern von einem Friedensrichter entschieden. Somit werden das Gewaltmonopol des Staates und die Akzeptanz des deutschen Justizsystems infrage gestellt. Als Grund wird mangelndes Vertrauen in Polizei und Justiz angeführt. Der NDR berichtete in seinem Onlinenachrichtenportal am 17. Juni 2015 über Clan-Kriminalität und deren Paralleljustiz. Eine Mitarbeiterin des LKA Niedersachsen wird in dem Bericht mit der Aussage wiedergegeben, dass es z. B. bei Mhallamiye-Kurden zum Einsatz von Friedensrichtern kommen würde. Diese würden häufig zur Klärung von Straftaten innerhalb der Clans eingesetzt, sodass es nicht zur Stellung von Anzeigen kommen würde. Bei Maßnahmen der Polizei komme es auch zur Zusammenarbeit mit diesen Friedensrichtern. Nach den Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und Kurden im September 2015 in Hannover gab es vermehrt Gerüchte über den Einsatz eines Friedensrichters zur Regulierung des Konfliktes und zur Leistung von Entschädigungszahlungen. Die Justizministerkonferenz hat sich im Jahr 2012 mit dem Thema „Paralleljustiz“ befasst. Es wurde beschlossen, der Ausbreitung der Paralleljustiz in Deutschland entgegenzuwirken. Die Bundesregierung hat sich für die laufende Legislaturperiode vorgenommen: „Wir wollen das Rechtsprechungsmonopol des Staates stärken. Illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden.“ Vorbemerkung der Landesregierung Das Phänomen der „Paralleljustiz“ und damit verbunden auch sogenannten Friedensrichter wird bereits seit mehreren Jahren vermehrt in der Öffentlichkeit und Justizkreisen diskutiert. Auf die Antwort der Landesregierung zu der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5234 2 (CDU) - Drucksache 17/4893 - wird Bezug genommen. Unter „Paralleljustiz“ wird regelmäßig eine islamisch geprägte Schattenjustiz verstanden, in deren Mittelpunkt sogenannte Friedensrichter stehen , die ohne staatliche juristische Ausbildung und gesetzliche Legitimation Streitigkeiten zwischen Tätern und Opfern aus dem islamischen Kulturkreis privat regeln und somit das Strafmonopol des Staates systematisch unterlaufen. In diesen Fällen handelt es sich um eine von unserer Rechtsordnung nicht akzeptierte Form der Konfliktlösung, die sich außerhalb staatlicher Strukturen bewegt und selber Strukturen aufweist, die für sich den Anspruch erheben, parallel zu oder gar über staatlichen Instanzen stehend Streitigkeiten beizulegen. Dabei wird im Verborgenen agiert, die deutsche Rechtsordnung ignoriert und ein anderes Werte- und Normensystem zum Ausdruck gebracht. Bei den ausführenden Personen, den sogenannten Friedensrichtern, handelt es sich in der Regel um Autoritätspersonen wie Familienälteste, aber auch sonstige Personen, die Streitigkeiten aller Art zwischen den Beteiligten privat regeln. Die zur Schlichtung konsultierten Personen werden (neben der Polizei und der Justiz) immer dann herangezogen, wenn die Beteiligten nach einer Auseinandersetzung einen Vermittler zur Klärung eines Konfliktes benötigten. Die Schlichtung erfolgt in unterschiedlichen Formen, so werden beispielsweise Geldbeträge zur Beilegung eines Konfliktes gezahlt oder zukünftige Verhaltensweisen zwischen den Konfliktparteien festgelegt. In der Folge ziehen dann Zeugen oder Opfer ihre Aussagen vor dem Gericht zurück oder bagatellisieren sie. Die Landesregierung duldet eine solche Paralleljustiz, die außerhalb unserer Rechtsordnung stattfindet und dem Wertesystem des Grundgesetzes widerspricht, nicht. Auf dem Gebiet des Strafrechts wird das Thema „Paralleljustiz“ bereits seit mehreren Jahren auf staatsanwaltlichen Tagungen und Dienstbesprechungen vor allem unter dem Blickwinkel von sogenannter Clankriminalität immer wieder thematisiert. Anhaltspunkte dafür, dass es in Niedersachsen eine fest etablierte Paralleljustiz im Bereich des Strafrechts gibt, liegen der Landesregierung indes nicht vor. Die in Niedersachsen bekannt gewordenen Fälle von Paralleljustiz spielten sich überwiegend im Familienkreis bzw. innerhalb von größeren Clans oder zwischen verschiedenen Clans ab (z. B. Gewaltdelikte, Einschüchterung von Zeugen, Bedrohungen). Einige Angehörige derartiger Familienclans stehen im Verdacht, mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung zu stehen (Rotlichtmilieu , Drogenhandel). Die Bearbeitung dieser Verfahren erfolgt bei den Staatsanwaltschaften in Spezialabteilungen, den sogenannten OK-Abteilungen. Die Notwendigkeit für die Schaffung neuer Zuständigkeiten für bestimmte Familienclans wird in Anbetracht der bestehenden Regelungen, insbesondere auch der Intensivtäterlisten, nicht gesehen. Die Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft speziell zur Strafverfolgung von bestimmten Volksgruppen, Einwandererkreisen oder ethnischer Minderheiten begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon sieht die Landesregierung das in § 143 Abs. 4 GVG vorausgesetzte Erfordernis einer sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren nicht als gegeben an. Die Landesregierung hat bereits bei der Beantwortung früherer Anfragen herausgestellt, dass der Fokus bei der Bekämpfung von Kriminalität durch Angehörige bestimmter Volksgruppen auf einen ganzheitlichen und nachhaltigen Bekämpfungsansatz unter Beteiligung aller mit diesem Phänomen befassten Behörden und Institutionen, auch ressortübergreifend, ausgerichtet ist. In Niedersachsen sind eine zügige Aufklärung von Straftaten und eine wirksame Strafverfolgung gewährleistet. Zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sind die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden gut aufgestellt und können dem Phänomen adäquat begegnen. Im Bereich der Ziviljustiz wird das Rechtsprechungsmonopol des Staates im allgemeinen Zivilprozess durch Formen außergerichtlicher Einigung nicht berührt. Vielmehr obliegt es nach dem Grundsatz der Privatautonomie, der das Zivilverfahren prägt, allein den Parteien, ob und auf welche Weise sie ihre Streitigkeiten klären und ob und in welchem Maß sie hierzu das Gericht heranziehen . Die Grenzen der Privatautonomie werden materiell-rechtlich etwa durch Formvorgaben, gesetzliche Verbote (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) und Bindungen an „gute Sitten“ (§ 138 BGB) markiert. So ist nach § 138 Abs. 2 BGB ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das jemand „unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.“ Ferner sind Erklärungen anfechtbar, zu denen jemand „durch arglistige Täuschung oder widerrecht- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5234 3 lich durch Drohung bestimmt worden ist“ (§ 123 Abs. 1 BGB). Wenn Umstände vorliegen, die zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit etwa von außergerichtlichen Einigungen führen, können gegebenenfalls auftretende Zweifelsfragen vor den Zivilgerichten geklärt werden. Eine Prüfung von Amts wegen findet wegen des Grundsatzes der Privatautonomie nicht statt. Dies gilt im familiengerichtlichen Verfahren uneingeschränkt auch für die sogenannten Familienstreitsachen , also etwa Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsverfahren, die prozessrechtlich nach den Regeln der Zivilprozessordnung geführt werden. Auch hier obliegt es nach den Grundsätzen der Privatautonomie allein den beteiligten Parteien, ob sie ihre Streitigkeiten vor einem staatlichen Gericht oder einer anderen von ihnen selbst gewählten Institution klären. Auch in Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten, die verfahrensrechtlich nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geführt werden, gilt der Grundsatz, dass es den Beteiligten selbst überlassen ist, ob sie das Familiengericht zur Klärung dieser Streitigkeiten anrufen oder diese selbst regeln bzw. durch andere Institutionen klären lassen. Änderungen im Sorgerecht können jedoch nur durch einen gerichtlichen Beschluss herbeigeführt werden. Auch eine Ehe kann wirksam nur vor einem staatlichen Gericht geschieden werden. Ist den Beteiligten also daran gelegen, die gesetzlichen Wirkungen einer Ehescheidung herbeizuführen, bleibt ihnen lediglich der Gang zu einem staatlichen Gericht. In den Konstellationen, in denen das staatliche Wächteramt nach Artikel 6 Abs. 3 des Grundgesetzes berührt ist, vornehmlich also Fälle, in denen eine Kindeswohlgefährdung der Intensität im Raum steht, dass gegebenenfalls auch eine Trennung der Kinder von ihren Eltern in Betracht kommt, besteht ein staatliches Handlungsmonopol und ist der Staat verpflichtet, von Amts wegen Kindeswohlgefährdungsverfahren einzuleiten, durchzuführen und für die Durchsetzung der beschlossenen Maßnahmen zu sorgen. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Tätigkeit von Friedensrichtern in Niedersachsen? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Valide Daten zu der Tätigkeit von Friedensrichtern liegen nicht vor. Vorhandene Erkenntnisse resultieren demnach aus den Feststellungen und Erfahrungswerten der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie Einzelauskünften der niedersächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften . Diese berichten von Einzelfällen, in denen sich Hinweise auf den Einsatz sogenannter Friedensrichter ergeben haben. Verifizierbar sind diese Einsätze nur in wenigen Fällen, im Wesentlichen im Bereich des Strafrechts. Auch wenn in mehreren niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden und einigen Gerichten in verschiedenen Verfahren seit 2012 Anhaltspunkte für das Vorliegen des Einsatzes sogenannter Friedensrichter festgestellt wurden, ist eine systematische außergerichtliche Streitentscheidung durch sogenannte Friedensrichter nicht erkennbar. In zumindest einem Fall hat sich ein sogenannter Friedensrichter selbstständig an die ermittelnde Behörde gewandt und gemeinsam mit den Beteiligten wechselseitiger Körperverletzungshandlungen gegenüber den Behörden die Durchführung einer Schlichtung bestätigt, was zur Rücknahme von Strafanträgen führte. Anhaltspunkte dafür, dass es in Niedersachsen eine fest etablierte außergerichtliche Streitbeilegung durch sogenannte Friedensrichter gibt, liegen der Landesregierung nicht vor. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Tätigkeit von Friedensrichtern? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Die Landesregierung duldet keine Paralleljustiz, die außerhalb unserer Rechtsordnung stattfindet und dem Wertesystem des Grundgesetzes widerspricht. Derartige Entwicklungen haben für den Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5234 4 Rechtsstaat kurz-, mittel- und langfristig nachteilige Folgen im Zusammenhang mit der Ausübung und Anerkennung des verfassungsrechtlich festgelegten staatlichen Gewaltmonopols. Demgegenüber ist die Landesregierung immer daran interessiert, eine von Konfliktparteien getragene rechtskonforme und nachhaltige Streitschlichtung zu unterstützen. 3. Gibt es eine Zusammenarbeit der Landesregierung mit Friedensrichtern? Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. 4. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung in der Zusammenarbeit mit Friedensrichtern gemacht? Entfällt. 5. Mit welchen Maßnahmen geht die Landesregierung gegen Paralleljustiz durch Friedensrichter vor? Auf die Vorbemerkung wird zunächst verwiesen. Die Polizeibehörden und die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft stehen in einem engen Informationsaustausch , um Strukturen der außerhalb unserer Rechtsordnung stattfindenden und dem Wertesystem des Grundgesetzes widersprechenden Paralleljustiz zu verhindern. Zu den Erfolgsfaktoren gehören insbesondere Maßnahmen wie ein schnelles, konsequentes und niedrigschwelliges Einschreiten bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die lückenlose Dokumentation des Tatgeschehens, die unverzügliche richterliche Vernehmung von wichtigen Zeugen und die Prüfung der Einleitung von Zeugenschutzmaßnahmen. Einige Polizeibehörden haben mit einer Rahmenkonzeption auf das Phänomen der Clankriminalität reagiert. In diesen Konzeptionen wird neben repressiven und präventiven Aspekten in der Bekämpfung der Clankriminalität auch das Phänomen der Paralleljustiz behandelt. Zudem setzt Niedersachsen seit Jahren bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität einen Schwerpunkt im Bereich der Clankriminalität. Seit 2013 werden durch das Landeskriminalamt Niedersachsen regelmäßig Lagebilder erstellt, in denen auch Fälle von Paralleljustiz dargestellt werden . In Fortbildungsveranstaltungen und Fachtagungen werden die Justiz- und Polizeibehörden auch für dieses Phänomen sensibilisiert, sodass dem Phänomen in adäquater Weise begegnet werden kann. Darüber hinaus verfolgt die Landesregierung auch den Ansatz, möglichen Ursachen für die Entstehung von nicht gewünschter Paralleljustiz durch Bildung und Aufklärung entgegenzuwirken. Der Arbeitsbereich des Landespräventionsrates zum Bereich „Prävention von extremistischem Salafismus “ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben“ zielt darauf ab, durch Informations - und Wissensvermittlung sowie Beratung und Unterstützung von Personen, Institutionen und Kommunen vor Gefahren einer salafistischen Radikalisierung zu warnen und Alternativangebote zu entwickeln. Der Arbeitsbereich trägt zur Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren der Zivilgesellschaft und der staatlichen Institutionen auf den Ebenen von Kommunen, des Landes Niedersachsen und des Bundes bei. Zentraler Arbeitsansatz ist die Stärkung von Potenzialen und Ressourcen, um eine gesamtgesellschaftliche Wertschätzungs- und Anerkennungskultur von Vielfalt und Verschiedenheit zu fördern. Darüber hinaus unterstützt der Landespräventionsrat im Bereich der Kriminalprävention die kommunalen Präventionsgremien durch fachliche Beratung zu inhaltlichen und strukturellen Fragen, zu Gründung und laufendem Geschäft bis hin zu gezielter Beratung bei der Konzeption von Projekten, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5234 5 wobei auch die kommunalen Präventionsgremien wertvolle Aufklärungs- und Bildungsarbeit zur Verhinderung von „Paralleljustiz“ leisten. Im Schulbereich stellt der Bildungsauftrag der Schule nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes sicher, dass die Schule die Wertvorstellungen vermittelt, die dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen. Neben der reinen Kenntnis- und Wissensvermittlung werden den Schülerinnen und Schülern an Schulen in Niedersachsen das Verständnis für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik , Achtung, Toleranz und der Respekt vor anderen Kulturen sowie eine grundlegende Verantwortung gegenüber der Gesellschaft vermittelt. Auf dieser Grundlage ermöglichen die Schulen die freie Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen und versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten , Chancenungleichheiten entgegenzuwirken sowie Benachteiligungen auszugleichen. Zudem werden die originären Beteiligungsrechte der Eltern bei der schulischen Erziehung ihrer Kinder anerkannt und in das schulische Handeln im Rahmen des pädagogischen Auftrages mit einbezogen . Die im Bildungsauftrag geforderte Vermittlung der Werte, die dem Grundgesetz und der Niedersächsischen Verfassung zugrunde liegen, erfolgt in Schulen insbesondere in den Fächern Politik, Politik/Wirtschaft und Gesellschaftslehre. So finden sich in dem zum 01.08.2013 in Kraft getretenen Kerncurriculum des Faches Politik für die Oberschulen unter dem Themenfeld „Zusammenleben in der demokratischen Gesellschaft“ unter dem Stichpunkt Orientierungswissen folgende Hinweise: „Normative Grundlagen: Grundwerte, Normen, Gesetze, Grundrechte/Menschenrechte und demokratieadäquate Verhaltensweisen; Konflikte: Einzelinteressen, Fremdinteressen, Selbst- und Fremdbestimmung, Konfliktregulierung“. Im Kerncurriculum des Fachs Politik/Wirtschaft, das zum 01.08.2015 in Kraft getreten ist, wird Folgendes ausgeführt: „Mit dem politischen Fachkonzept ‚Demokratie‘ erschließen die Schülerinnen und Schüler das Demokratiemodell des Grundgesetzes und die Bedeutung der Verfassungsprinzipien. Gefährdungen der Demokratie durch politischen Extremismus sollten hier als Problemstellungen zum Ausgangspunkt der unterrichtlichen Realisierung gemacht werden.“ Ein Unterricht, in dem das in der Bundesrepublik Deutschland existierende Demokratieverständnis Inhalt ist, sowie ein Schulleben und eine Schulkultur, in der dieses Verständnis gelebt wird, sind eine gute Voraussetzung, um Paralleljustiz, ihre Strukturen, Absichten und Wirkungen zu analysieren , zu hinterfragen und gegebenenfalls infrage zu stellen. 6. Welche Maßnahmen sind nach dem Beschluss der Justizministerkonferenz im Jahr 2012 zum Entgegenwirkungen auf Bundesebene und im Land Niedersachsen ergriffen worden? Auf die Antwort zu Frage 5 wird zunächst verwiesen. Durch Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 13./14.06.2012 ist festgestellt worden, dass eine Paralleljustiz, die außerhalb unserer Rechtsordnung stattfindet und dem Wertesystem des Grundgesetzes widerspricht, nicht geduldet wird und durch intensive Aufklärung und vertrauensbildende Maßnahmen der Ausbreitung von Paralleljustiz entgegenzuwirken ist. Die Justizministerinnen und Justizminister hatten durch Beschluss der Justizministerkonferenz vom 06.11.2014 eine länderoffene Arbeitsgruppe zur Verhinderung von rechtsstaatlich problematischer „Paralleljustiz“ eingesetzt, an der sich das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport für die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beteiligte. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe beinhaltet neben der Feststellung, dass rechtsstaatlich problematische Paralleljustiz von außergerichtlicher Streitschlichtung abzugrenzen ist und eine Sensibilisierung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sinnvoll erscheint, auch die Feststellung, dass Paralleljustiz ein in unterschiedlicher Ausprägung in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenes Phänomen ist. Die Justizministerinnen und Justizminister haben durch Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5234 6 Beschluss der 86. Justizministerkonferenz am 12.11.2015 den Abschlussbericht zur Kenntnis genommen . Das Justizministerium hatte bereits mit Erlass vom 24.07.2012 den Geschäftsbereich um Rückmeldung zum Phänomen der „Paralleljustiz“ gebeten. Die Rückmeldungen haben bestätigt, dass Fälle sogenannter Paralleljustiz existieren, es sich dabei aber keineswegs um ein Massenphänomen handelt und zudem die Strafverfolgungsbehörden hinreichend sensibilisiert sind und dem Phänomen adäquat begegnen können. Darüber hinaus hat das Ministerium für Inneres und Sport auf Ersuchen des Justizministerium eine Erhebung in den Polizeibehörden zu den Erfahrungen der niedersächsischen Polizei mit dem Phänomen „Paralleljustiz“ veranlasst und gleichzeitig die Polizeibehörden über dieses Phänomen sensibilisiert . Als Ergebnis wurde dem Justizministerium im Dezember 2012 mitgeteilt, dass Erkenntnisse zur Anwendung von „Paralleljustiz“ in einigen niedersächsischen Polizeibehörden vorliegen, insgesamt aber die Anzahl der „Schlichtungsfälle“ nicht genauer quantifiziert werden konnte. 7. Ist das Thema „Friedensrichter“ Inhalt bei den aktuellen Verhandlungen des Landes Niedersachsen mit den muslimischen Verbänden DITIP und Schura? Das Thema „Friedensrichter“ als Teil eines islamischen Rechtssystems war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Vertragsverhandlungen des Landes Niedersachsen mit den islamischen Religionsgemeinschaften DITB und Schura. Dies folgt zwingend bereits aus der Zielsetzung des verhandelten Vertragsentwurfs, die Integration der Musliminnen und Muslime in Niedersachsen weiter zu fördern. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung wurde bei den Vertragsverhandlungen auch großer Wert auf die Verankerung der dem Vertrag zugrunde liegenden Grundwerte der Verfassung gelegt . So sind Grundlagen des Vertragsentwurfs nach seinem Artikel 1 die Wertegrundlagen und Verfassungsziele der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung und damit insbesondere auch die Geltung der Grundrechte und die freiheitliche demokratische Grundordnung. Hierzu gehören auch das Rechtsstaatsprinzip und die Unabhängigkeit der Gerichte. Die islamischen Religionsgemeinschaften verpflichten sich mit dem Vertrag , sich für die Verwirklichung dieser Werte und Ziele einzusetzen. Sie bekennen sich ferner zur vollständigen Geltung und Achtung der staatlichen Gesetze und verpflichten sich, auch hierfür einzutreten . Dies ermöglicht ihnen, sich ausdrücklich von fundamentalistischen islamischen und nicht integrationsbereiten Gruppierungen abzugrenzen und sendet ein entsprechendes Signal an die in Niedersachsen lebenden Musliminnen und Muslime, etwa auch gegen das Entstehen von Paralleljustiz und etwaiger „Friedensrichter“ im o. g. Sinne einzutreten. (Ausgegeben am 01.03.2016) Drucksache 17/5234 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4978 Friedensrichter in Niedersachsen - Schattenjustiz oder Streitschlichtung? Anfrage des Abgeordneten Marco Brunotte (SPD) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums