Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5236 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4997 - Macht Windkraft krank? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 12.01.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 19.01.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 14.02.2016, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten „Macht Windkraft krank?“ lautete die Überschrift eines Artikels der Welt vom 01.03.2015 (http://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article137938635/Macht-Windkraft-krank.html). Die in dem Artikel geschilderten Gefahren und Gesundheitsbeschwerden werden grundsätzlich als medizinisches Problem anerkannt. Hierzu wird u. a. Folgendes ausgeführt: „So stellte die Ärztekammer für Wien fest, dass sich ‚bei Anrainern von Windkraftanlagen Beschwerden durch übermäßige und vor allem niederfrequente Schallentwicklung und Infraschall häufen ‘.“ Auch Untersuchungen der Ludwig-Maximilians-Universität München bestätigen dies, und das Umweltbundesamt fordert, die gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall weiter zu erforschen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Infraschall nicht die einzige Immission ist, die von solchen Anlagen ausgehen kann. 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der aktuelle Stand der Wissenschaft nahe legt, dass die Auswirkungen von Windenergieanlagen zu gesundheitlichen Schäden führen können? Nach heutigem Stand der Wissenschaft sind schädliche Wirkungen durch Windenergieanlagen nicht zu erwarten. a) Wenn ja warum? b) Wenn nicht, warum nicht? Schall unterhalb des Hörbereichs, also mit Frequenzen von weniger als 20 Hz, wird nach ISO 7196 als Infraschall bezeichnet. Als tieffrequent bezeichnet man dagegen meist Geräusche im Frequenzbereich unter 100 Hz. Infraschall ist also ein Teil des tieffrequenten Schalls und ist ein alltäglicher Bestandteil unserer Umwelt. Er wird von einer großen Zahl unterschiedlicher Quellen erzeugt. Dazu gehören natürliche Quellen wie Wind, Wasserfälle oder Meeresbrandung ebenso wie technische Quellen, beispielsweise Heizungs- und Klimaanlagen, Straßen- und Schienenverkehr, Flugzeuge oder Lautsprechersysteme in Diskotheken. Die Kommission „Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin“ hat sich intensiv mit der Frage möglicher gesundheitlicher Wirkungen von Infraschall auf den Menschen befasst. Bei ihrer Bewertung verzichtet die Kommission auf eine Trennung zwischen Infraschall und tieffrequentem Hörschall, da der Übergangsbereich aus umweltmedizinischer Sicht nicht eindeutig abgrenzbar ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5236 2 Abschließend kommt die Kommission u. a. zu dem Schluss, dass nur wenige gesicherte Erkenntnisse über Auftreten und Wirkung von tieffrequentem Schall vorliegen und somit „derzeit anhand der nur begrenzt verfügbaren Erkenntnisse nicht ausreichend abzuschätzen (ist), welche und wie viele Personengruppen durch tieffrequenten Schall besonders betroffen sind“. Zur Frage des aktuellen Wissenstandes hinsichtlich möglicher Wirkungen von Infraschall auf den Menschen hat das Umweltbundesamt eine „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“ (ISSN 1862-4804) durchführen lassen, die im Sommer 2014 veröffentlicht wurde. In dieser Studie werden der aktuelle Stand des Wissens über die Auswirkungen von Infraschall (nicht nur im Kontext von Windenergieanlagen), die Identifizierung von Infraschallquellen und die potenziellen Betroffenheiten in Deutschland durch Infraschall dargelegt. Im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie wurden eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt und eine Datenbank mit insgesamt 1 200 Einträgen angelegt. Die Autoren kommen nach Sichtung der Literatur hinsichtlich möglicher Wirkungen von Infraschall auf den Menschen zum Fazit: „Bei den bisherigen Untersuchungen einer unterschwelligen Infraschallwirkung war es praktisch nicht möglich, den Schallanteil oberhalb von 20 Hz (Anm.: d. h. im hörbaren Bereich) soweit zu reduzieren, dass ein Effekt dieser Anteile bei den Untersuchungsergebnissen zuverlässig ausgeschlossen werden konnte. (…) Für eine negative Auswirkung von ausschließlich Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle konnten bislang keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gefunden werden, auch wenn zahlreiche Forschungsbeiträge entsprechende Hypothesen postulieren.“ Das Umweltbundesamt hat ein auf Basis der „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“ durchzuführendes Forschungsvorhaben „Lärmwirkungen von Infraschallimmissionen“ in Auftrag gegeben (UFOPLAN 3714 51 100 0). Das Land Baden-Württemberg führt derzeit eine Studie zu Infraschall und Windkraftanlagen durch. Mit dem Endbericht wird in Kürze gerechnet. Die Ergebnisse dazu müssen abgewartet werden. 2. Gibt es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens der Gesundheitsämter vor Ort zum Betrieb und weiteren Ausbau von Windparks? Die Errichtung von Windenergieanlagen unterliegt je nach Anlage einem gesetzlich geregelten Genehmigungsverfahren . Vor Errichtung eines Windparks ist des Weiteren in Abhängigkeit von der Anzahl der Anlagen eine standortbezogenen Umweltverträglichkeits-Vorprüfung, eine allgemeine Vorprüfung oder eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. 3. Gibt es Schwierigkeiten mit Hörgeräten bei hörbehinderten Menschen in der Nähe von Windparks und, wenn ja, welche? Grundsätzlich können Hörgeräte auch unerwünschten, störenden Schall im hörbaren Bereich verstärken . So gab es bei früheren Hörgerätegenerationen beispielsweise Probleme mit Arbeitsgeräuschen , die von Klimaanlagen erzeugt wurden. Bei aktuellen Hörgeräten werden Störungen dieser Art jedoch durch akustische Filter weitestgehend reduziert. Erkundigungen bei renommierten Hörgeräteherstellern und Experten haben keine Hinweise auf möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten mit Hörgeräten in der Nähe von Windparks ergeben. Auch aus technischer Sicht erscheinen Störungen durch tieffrequenten Schall oder Infraschall ausgesprochen unwahrscheinlich, da die entsprechenden Frequenzbereiche von Hörgeräten nicht verstärkt werden. 4. Welche technischen Möglichkeiten gibt es, Schwierigkeiten mit Hörgeräten bei hörbehinderten Menschen in der Nähe von Windparks zu minimieren bzw. zu beheben, und in welchem Umfang werden diese bereits angewandt? Siehe Antwort zu Frage 3. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5236 3 5. Bestehen Gefahren für Menschen mit Epilepsie durch Schattenschlag, Nachtbefeuerung und Lärm/Infraschall? In der in Antwort zu Frage 1 genannten Machbarkeitsstudie des Umweltbundesamtes wird im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Infraschall und Epilepsie festgestellt, dass es hierzu keine hinreichenden gesicherten Erkenntnisse gibt. Trotz des sich hieraus eventuell ergebenden grundsätzlichen Forschungsbedarfs hinsichtlich der Wirkungen des Infraschalls liefern die aktuellen Erkenntnisse und vorliegenden Daten keine hinreichend belastbaren Befunde, die klar für eine Gesundheitsgefährdung sprechen würden. Dies gilt sinngemäß auch für den Zusammenhang zwischen Epilepsie und Schattenwurf bzw. Nachtbefeuerung. (Ausgegeben am 25.02.2016) Drucksache 17/5236 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4997 Macht Windkraft krank? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung