Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5237 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4795 - Belegarztwesen in Niedersachsen noch ein Modell für die Zukunft? Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers und Dr. Thela Wernstedt (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 03.12.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 15.02.2016, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Belegärzte gewährleisten seit Jahrzehnten die Verzahnung des ambulanten Sektors mit dem stationären Versorgungsbereich. Neben der ambulanten Behandlung der Patienten in der Praxis werden diese auch, wenn es notwendig erscheint, vom Belegarzt in einer Klinikabteilung stationär behandelt . Der Arzt betreut den Patienten somit vor, während und nach dem stationären Aufenthalt. In letzter Zeit bauen Krankenhäuser durch Honorar- oder Anstellungsverträge mit niedergelassenen Vertragsärzten für die vollstationäre Leistungserbringung eine Konkurrenzsituation zum belegärztlichen Bereich auf, sodass mehr und mehr Belegstationen zur Disposition stehen. Gerade in ländlichen Regionen in der Fläche könnte aber durch Belegärzte eine wohnortnahe kostenangemessene Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden. Dem Vernehmen nach ist aber genau dieser Bereich seit Jahren rückläufig. Unter dem Gesichtspunkt der sektorenübergreifenden Versorgung, der Sicherstellung der ambulanten fachärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten und auch unter Kostengesichtspunkten könnte der Ausbau der belegärztlichen Versorgung ein wichtiges Element sein. Vorbemerkung der Landesregierung Die Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung durch das Belegarztwesen bietet ein durchgängiges Versorgungsmodell für Patientinnen und Patienten. Die belegärztliche Tätigkeit ermöglicht nicht nur eine sektorenübergreifende Kontinuität der Arzt-Patienten-Beziehung, sondern kann - gerade in ländlichen Bereichen - maßgeblich zur wohnortnahen Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung beitragen. Der Erhalt des Belegarztwesens liegt im Interesse der Landesregierung . 1. Wie hat sich das Belegarztwesen in Niedersachsen in den letzten zehn Jahren entwickelt (Anzahl Belegärzte, Anzahl Belegbetten, Anzahl Belegfälle)? Statistische Daten über die Entwicklung des Belegarztwesens in Niedersachsen liegen der Landesregierung nicht vor. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) ist die Anzahl der Belegärztinnen und -ärzte und der Belegfälle in Niedersachsen in den zurückliegenden Jahren rückläufig. Die Entwicklung der Anzahl der Belegbetten kann mangels valider Daten nicht beurteil werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5237 2 2. Wie stellt sich die Entwicklung der Belegärzte in dieser Zeit im Vergleich auf der Bundesebene dar (Anzahl Belegärzte, Anzahl Belegbetten, Anzahl Belegfälle)? Zu der Entwicklung des Belegarztwesens auf Bundesebene kann die Landesregierung mangels konkreter Daten keine Aussage treffen. 3. Welche Ursachen haben zu dieser Entwicklung beigetragen? 4. Wie wird die aktuelle Situation der Belegärzte eingeschätzt? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Mit der Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) 2000 plus im Jahr 2005 wurden erstmals belegärztliche Leistungen aller relevanten Gebiete in einem eigenständigen Abschnitt des EBM abgebildet. Nach Aussage der KVN ging damit eine Abwertung der belegärztlichen Honorare einher. Danach ist 2008 eine Stabilisierung der Honorare erreicht worden, insgesamt bleiben aber die belegärztlichen Honorare hinter den Honoraren anderer Kooperationsformen zwischen niedergelassenen Ärzten und Hauptabteilungen der Krankenhäuser zurück. Solche neuen Kooperationsformen sind seit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes am 01.01.2007 möglich. Seitdem können niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowohl in freier Praxis als auch als Teilzeitangestellte in Krankenhäusern arbeiten. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Haftpflichtversicherungsprämien für Belegärztinnen und -ärzte insbesondere in der belegärztlichen Geburtshilfe erhöht wurden. Der Umstand, dass Belegärztinnen und -ärzte ihre Haftpflichtversicherungsprämien selbst bezahlen, steigert die Attraktivität alternativer Kooperationsmodelle gegenüber dem Belegarztwesen - insbesondere dann, wenn solche Prämien vom Krankenhaus getragen werden. Der mit dieser Entwicklung einhergehende Rückgang der belegärztlichen Fallzahlen brachte zum Teil die Belegabteilungen der Krankenhäuser in wirtschaftliche Schwierigkeiten, sodass einige von ihrem Recht Gebrauch machten, den Status von Beleg- zu Hauptabteilung umzuwandeln. 5. Gibt es unterschiedliche Entwicklungen bei einzelnen Facharztgruppen? Entsprechende Statistiken liegen der Landesregierung nicht vor. Nach Angaben der KVN ist im Bereich der Augenärzte, Radiologen, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, Kardiologen und Dermatologen ein Anstieg der Anzahl der Belegärztinnen und -ärzte zu verzeichnen, in den übrigen Facharztgruppen ist die Anzahl der Belegärztinnen und -ärzte rückläufig. 6. Welche Vorteile bietet das Belegarztwesen für Patienten? 7. Welche medizinischen Vorteile ergeben sich durch die Behandlung eines Belegarztes? Die Fragen 6 und 7 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung durch das Belegarztwesen bietet ein durchgängiges wohnortnahes Versorgungsmodell für die Patientinnen und Patienten. Durch die kontinuierliche Betreuung der Patientinnen und Patienten sowohl bei der ambulanten als auch bei der stationären Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt können Doppeluntersuchungen vermieden werden. Durch die durchgängige Arzt-Patienten-Beziehung können darüber hinaus Komplikationsrisiken und Nebenwirkungen bei der Behandlung minimiert werden. 8. Welche Rolle spielen Belegärzte in der niedersächsischen Krankenhausversorgung? Belegabteilungen können eine wichtige Rolle in ländlichen Regionen spielen, um die wohnortnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Belegabteilungen bieten aber auch in Ballungszentren spezialisierte Leistungen auf hohem medizinischem Niveau an. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5237 3 9. Gibt es reine Belegarztkliniken in Niedersachsen, und welche Rolle spielen sie in der Versorgung von Patienten? Reine Belegarztkliniken sind in Niedersachsen, aber auch bundesweit inzwischen die Ausnahme. Ein Beispiel ist die Sophien-Klinik in Hannover, in der über 60 Belegärzte arbeiten und deren Klinikneubau mit Landesmitteln gefördert wird. 10. In welchen konkreten Arbeitsmodellen stellen Belegärzte die 24-stündige Versorgung ihrer Patienten sicher? Nach Auskunft der KVN erfolgt die 24-stündige Versorgung entweder in gegenseitiger Vertretung oder im Rahmen der Vorhaltung eines belegärztlichen Bereitschaftsdienstes. 11. Unter welchen finanziellen Rahmenbedingungen sind Belegärzte im Vergleich zu den Bedingungen in konkurrierenden Versorgungsformen (Teilanstellung von niedergelassenen Ärzten in der Hauptabteilung eines Krankenhauses, Honorararztwesen) tätig? Nach Mitteilung der KVN erhalten Belegärzte ihr Honorar auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) über die Kassenärztliche Vereinigung. Das Honorar ist gestaffelt nach Schwierigkeitsgraden der durchgeführten Operationen oder Behandlungen und in allen Belegkrankenhäusern Niedersachsens für eine bestimmte Leistung gleich. Bei Honorararztverträgen oder Teilanstellungsverträgen von niedergelassenen Ärzten werden die ärztlichen Honorare im Rahmen individueller Verhandlungen der Leistungserbringer mit den jeweiligen Krankenhäusern individuell verhandelt. 12. Welche Vorteile hat das Belegarztwesen gegenüber anderen Formen der ambulantstationären Verzahnung (Teilanstellung von niedergelassenen Ärzten in der Hauptabteilung eines Krankenhauses oder Tätigkeit als Honorararzt) hinsichtlich der rechtlichen und arbeitsrechtlichen Unbedenklichkeit der einzelnen Kooperationsformen (z. B. Anreizsysteme der Krankenhäuser, Antikorruptionsgesetz, Gleichstellungsgesetz)? Das Belegarztwesen ist gesetzlich breit verankert (§ 115 SGB V, § 121 SGB V, § 23 Bundespflegeverordnung , § 18 Krankenhausentgeltgesetz und § 18 Krankenhausfinanzierungsreformgesetz, Bundesmantelvertrag Ärzte, Landeskrankenhausplan, Einheitlicher Bewertungsmaßstab, Gebührenordnung für Ärzte). Andere Tätigkeitsformen können gegebenenfalls zu einer Arbeitnehmertätigkeit verbunden mit einer Sozialversicherungspflicht führen. Wie andere Kooperationsformen zukünftig - mit Blick auf das zu erwartende Antikorruptionsgesetz - zu bewerten sein werden, bleibt abzuwarten. 13. Welcher rechtlichen und versicherungstechnischen Grundlage ist der Belegarzt unterworfen , und wo wird Handlungsbedarf gesehen? Da Belegärztinnen und -ärzte in keinem Dienstverhältnis zum Krankenhausträger stehen, müssen sie für ihre belegärztliche Tätigkeit grundsätzlich für einen eigenen ausreichenden Versicherungsschutz sorgen. Nach Mitteilung der KVN haben Belegärztinnen und -ärzte für die belegärztliche Tätigkeit eine separate Haftpflichtversicherung abzuschließen, die arztbezogen anfällt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 14. Welche Vorteile bietet das Belegarztwesen für die Krankenkassen? Die Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung durch das Belegarztwesen ermöglicht eine wirtschaftliche Leistungserbringung. Durch die durchgängige Arzt-Patienten-Beziehung können darüber hinaus Doppeluntersuchungen vermieden werden. Durch die Verringerung von Komplikationsrisiken und Nebenwirkungen können weitere Kosten minimiert werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5237 4 15. Wie groß sind die Einsparpotenziale je Krankenhausfall im Durchschnitt bei belegärztlicher Behandlung gegenüber der vollstationären Behandlung? Der Landesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Nach Auskunft der KVN sind die Einsparpotenziale je Krankenhausfall bei belegärztlicher Behandlung abhängig vom Einzelfall. 16. Welche Maßnahmen könnten zu einem Ausbau des Belegarztwesens führen? Nach Auffassung der KVN müsste die Kostenseite - insbesondere bezüglich der Bedingungen der Haftpflichtversicherung - reduziert und die Einkommensseite deutlich verbessert werden. 17. Welche Regulationen und Möglichkeiten ergeben sich aus dem Bund-Länder- Kompromiss zur Krankenhausstruktur für Belegärzte vs. Belegabteilungen? Die Ergebnisse aus dem Bund-Länder-Kompromiss zur Krankenhausstruktur finden sich im Krankenhausstrukturgesetz wieder. Das Krankenhausstrukturgesetz enthält keine Regelungen, die speziell auf die Krankenhausstruktur für Belegärzte und Belegabteilungen ausgerichtet sind. 18. Wie wird sich das Belegarztwesen zukünftig weiterentwickeln, bzw. welche Perspektiven werden gesehen? Aufgrund unterschiedlicher Einflussfaktoren ist es der Landesregierung nicht möglich, eine Prognose über die zukünftige Entwicklung des Belegarztwesens zu treffen. 19. In welchen Bereichen könnte das Belegarztwesen in Niedersachsen, gegebenenfalls auch modelhaft, weiterentwickelt werden? Dauerhaft chancenreiche Perspektiven wird das Belegarztwesen auch weiterhin in großstädtischen Ballungsgebieten haben. Als Beispiel sei hier auf die Sophien-Klinik in Hannover verwiesen, deren aktuelles Neubauprojekt vom Land Niedersachsen mit 20 Millionen Euro gefördert wird. (Ausgegeben am 25.02.2016) Drucksache 17/5237 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/4795 Belegarztwesen in Niedersachsen noch ein Modell für die Zukunft? Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers und Dr. Thela Wernstedt (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung