Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/5513 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5384 - Finden Abschiebungen in den Sudan/Südsudan trotz massiver Menschenrechtsverletzungen statt? Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat und Belit Onay (GRÜNE) an die Landesregierung, eingegangen am 09.03.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 15.03.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 31.03.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Laut aktuellen Berichten ist die Sicherheits- und Menschenrechtslage in den Republiken Sudan und Südsudan weiterhin höchst instabil und gefährlich. So weist Amnesty International im aktuellen Jahresbericht für die Republik Sudan darauf hin, dass die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit 2015 drastisch eingeschränkt wurden und immer wieder politisch motivierte willkürliche Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen stattfinden. Von den Einschränkungen seien insbesondere Medien, zivilgesellschaftliche Organisationen und oppositionelle politische Parteien betroffen. Auch die bewaffneten Konflikte in Darfur sowie in den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile dauerten 2015 an und hatten Massenvertreibungen zur Folge. In den Krisengebieten herrsche ein Klima der Straflosigkeit, und humanitäre Organisationen seien daran gehindert worden, der unter den anhaltenden Kämpfen leidenden Zivilbevölkerung zu helfen. Die Aussicht auf eine friedliche Lösung der Konflikte werde als gering eingeschätzt. Die im April 2015 abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Sudan, bei denen Präsident Omar al-Bashir im Amt bestätigt wurde, wurden von den meisten großen Oppositionsparteien wegen fehlender rechtsstaatlicher Garantien boykottiert. Während des Wahlkampfes sei es auch zur Inhaftierung oppositioneller Aktivistinnen und Aktivisten gekommen. Zudem wurde von einer niedrigen Wahlbeteiligung, Wahlbetrug und Stimmenmanipulation berichtet. In der Republik Südsudan, die im Juli 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan erlangte, sind laut Amnesty International in 2015 ebenfalls weiterhin massive Menschenrechtsverletzungen zu beklagen. Beide Parteien hätten im südsudanesischen Konflikt Menschenrechte und internationales humanitäres Recht verletzt, so u. a. durch Zwangsabtreibungen, sexuelle Gewalt und Rekrutierung von Kindern. Die Konfliktparteien hätten von den UN beschützte zivile Einrichtungen angegriffen und dabei zivile Opfer verursacht. Einige dieser Verbrechen seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen. Der Konflikt habe über 2 Millionen Menschen vertrieben , inklusive 135 000 in UN-Basen im Südsudan. UNICEF stellte 2015 fest, Gewalt gegen Kinder habe im Südsudan mit Gruppenvergewaltigungen und Morden an Mädchen sowie der Kastrierung von Jungen, die danach zum Sterben zurückgelassen würden, ein neues Gewaltniveau erreicht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5513 2 1. Wie viele ausreisepflichtige Personen aus dem Sudan und dem Südsudan lebten jeweils in den einzelnen Jahren seit 2010 in Niedersachsen? Der Aufenthaltsstatus einer Ausländerin oder eines Ausländers wird im Ausländerzentralregister (AZR) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gespeichert. Das BAMF übernimmt auch die statistische Aufbereitung der Daten des AZR und übermittelt monatlich Auswertungen an die Länder. Die nachfolgende Tabelle beinhaltet die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen aus dem Sudan und Südsudan. Darin enthalten sind auch Personen, deren Ausreiseverpflichtung noch nicht vollziehbar ist (z. B. weil die Ausreisefrist noch nicht abgelaufen ist). Darüber hinaus sind auch Personen erfasst, deren Aufenthalt derzeit geduldet ist. 31.12.2010 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 Sudan 40* 51 27 30 Sudan - ohne Südsudan ** 6 13 43 Südsudan ** 0 3 7 31.12.2014 31.12.2015 31.01.2016 Sudan 42 65 63 Sudan - ohne Südsudan 180 316 329 Südsudan 20 30 30 * Die Auswertung für 2010 wurde noch vom Bundesverwaltungsamt zur Verfügung gestellt. Dabei wurde der Aufenthaltsstatus „ausreisepflichtig“ noch nicht gesondert erfasst. Demnach wurde hier als vergleichbare Größe die Anzahl der geduldeten Personen angegeben. ** Der Südsudan erlangte seine Unabhängigkeit am 09.07.2011, daher für 2010 keine Angabe; infolge der Unabhängigkeit wurden die Speichersachverhalte „Sudan (ohne Südsudan)“ und „Südsudan“ geschaffen. Der Speichersachverhalt „Sudan“ wurde aus der Erfassung nicht bereinigt und wird deshalb auch für die Folgejahre aufgeführt. 2. Wie viele ausreisepflichtige Personen aus dem Sudan und dem Südsudan wurden jeweils in den einzelnen Jahren seit 2010 durch das Land Niedersachsen zwangsweise in die Republiken Sudan und Südsudan zurückgeführt oder zurückzuführen versucht oder in ein anderes EU-Land rücküberstellt oder Objekt eines Überstellungsgesuchs? Eine Abschiebung in das Herkunftsland (Sudan oder Südsudan) ist nicht erfolgt. Im Jahr 2015 war die Abschiebung eines sudanesischen Staatsangehörigen eingeleitet. Die Maßnahme ist nicht vollzogen worden, da der Betreffende einen Asylfolgeantrag gestellt und das BAMF für die Prüfung, ob ein weiteres Verfahren durchgeführt werden soll, um Aussetzung der Abschiebung gebeten hat. Die Anzahl der sudanesischen und südsudanesischen Staatsangehörigen, die in einen anderen EU-Staat entweder nach der Dublin-III-Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrens überstellt worden sind oder die in einen anderen EU-Staat abgeschoben wurden, da ihnen dort bereits asylrechtlicher Schutz gewährt worden ist, ist der nachfolgenden Tabellen zu entnehmen: Rückführungsersuchen für sudanesische Staatsangehörige in einen anderen EU-Staat vollzogen nicht vollzogen 2010 3 12 2011 9 10 2012 9 24 2013 10 39 2014 58 151 2015 44 186 2016 (Januar und Februar) 8 34 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5513 3 Rückführungsersuchen für südsudanesische Staatsangehörige in einen anderen EU-Staat vollzogen nicht vollzogen 2011 0 0 2012 0 0 2013 0 0 2014 6 13 2015 3 10 2016 (Januar und Februar) 0 2 3. Gibt es eine Empfehlung der Bundesregierung an die Bundesländer, Abschiebungen ausreisepflichtiger Personen aus dem Sudan/Südsudan durch einen Abschiebestopp nach § 60a AufenthaltsG auszusetzen? Nein, es gibt keine Empfehlung des Bundes für den Erlass eines Abschiebungsstopps nach § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes für den Sudan oder Südsudan. 4. Wie hoch war die Gesamtschutzquote bei Asylanträgen von Asylsuchenden aus dem Sudan und dem Südsudan jeweils in den einzelnen Jahren seit 2010 in Niedersachsen? Die Gesamtschutzquote bei Asylanträgen von Asylsuchenden aus dem Sudan und dem Südsudan in den einzelnen Jahren seit 2010 ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Die Tabelle beinhaltet die Gesamtschutzquote für Niedersachsen. Die Gesamtschutzquote stellt den Quotienten aus der Anzahl der positiven Entscheidungen (Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Zuerkennung subsidiären Schutzes und der Feststellung von Abschiebungsverboten) und der Gesamtzahl der Entscheidungen des BAMF dar. Für die Berechnung der Gesamtschutzquote wurde die Antrags-, Entscheidungs- und Bestandsstatistik des BAMF zugrunde gelegt. Jahr Herkunftsland Asylentscheidungen in Niedersachsen Entscheidungen Insgesamt Positive Entscheidungen Gesamtschutzquote in Niedersachsen in % 2010 Sudan 20 3 15,00 2011 Sudan 66 21 31,82 Sudan - ohne Südsudan 11 6 54,55 Südsudan 0 0 Keine Entscheidungen 2012 Sudan 22 6 27,27 Sudan - ohne Südsudan 67 15 22,39 Südsudan 1 0 0,00 2013 Sudan 13 3 23,08 Sudan - ohne Südsudan 131 9 6,87 Südsudan 5 0 0,00 2014 Sudan Nicht mehr aufgeführt Sudan - ohne Südsudan 438 58 13,24 Südsudan 31 0 0,00 2015 Sudan Nicht mehr aufgeführt Sudan - ohne 463 138 29,81 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5513 4 Jahr Herkunftsland Asylentscheidungen in Niedersachsen Entscheidungen Insgesamt Positive Entscheidungen Gesamtschutzquote in Niedersachsen in % Südsudan Südsudan 23 7 30,43 Bis Feb. 2016 Sudan Nicht mehr aufgeführt Sudan - ohne Südsudan 60 21 35,00 Südsudan 8 0 0,00 (Ausgegeben am 11.04.2016) Drucksache 17/5513 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5384 Finden Abschiebungen in den Sudan/Südsudan trotz massiver Menschenrechtsverletzungen statt? Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport