Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/5579 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5354 - „Gemeinsam stark Deutschland“: Spur nach Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 02.03.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 11.03.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 08.04.2016, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung des Abgeordneten Die Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ („HoGeSa“) hat sich nach größeren Demonstrationen, u. a. in Köln und Hannover, gespalten. Daraus sind nach Streitigkeiten über Ausrichtung, Finanzen und Merchandising u. a. der „Bund Deutscher Hooligans“ und „Gemeinsam stark Deutschland“ („GSD“) hervorgegangen. Die drei Gruppen sind zum Teil zerstritten. Die Landesregierung hat auf meine Anfrage (Drucksache 17/4897) im Februar 2016 mitgeteilt, von den genannten Abspaltungen bzw. Nachfolgeorganisation von „HoGeSa“ seien ihr keine Aktivitäten (Akteure, Veranstaltungen, Straftaten) in Niedersachsen bekannt. Öffentlich zugängliche Quellen legen einen anderen Eindruck nahe. So ist auf der Homepage von „GSD“ im Impressum eine Kontaktadresse im Raum Wolfenbüttel angegeben. Die Daten passen zur Berichterstattung der Zeitung taz, die einen Mann aus dem niedersächsischen Denkte als Vorsitzenden von „GSD“ nennt, der auch zum Führungskreis von „HoGeSa Nord“ gehörte. Vorbemerkung der Landesregierung Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet im Rahmen der ihm nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz zugewiesenen Aufgaben Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Eingriffsschwelle für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist gesetzlich klar festgelegt und damit verbindlich für die Arbeit des Verfassungsschutzes. Demnach müssen tatsächliche Anhaltspunkte (§ 5 Abs. 1 NVerfSchG) für eine extremistische Bestrebung vorliegen. Dabei ist für eine entsprechende Zuordnung einer Organisation das Gesamtbild der Organisation maßgebend, d. h. das Zusammenspiel personeller, institutioneller und programmatischer Faktoren, die für ihre Ausrichtung und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit prägend sind. Es reicht infolgedessen nicht aus, die Beobachtung einer Organisation nur auf bedenkliche Verlautbarungen eines einzelnen (führenden) Funktionsträgers zu stützen. Verhaltensweisen von Einzelpersonen , die nicht in oder für einen Personenzusammenschluss handeln, sind nach § 4 Abs. 1 Satz 3 NVerfSchG nur dann Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NVerfSchG, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des NVerfSchG erheblich zu beschädigen. Dem niedersächsischen Verfassungsschutz liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, die eine Einstufung einzelner Hooligangruppierungen oder der Hooliganszene insgesamt als Beobachtungsobjekt rechtfertigen würden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5579 2 Gleichwohl ist bekannt, dass sich Rechtsextremisten in der Hooliganszene betätigen bzw. über persönliche Kontakte in diese Szene verfügen. Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages beobachtet der niedersächsische Verfassungsschutz diese Aktivitäten dahin gehend, ob Rechtsextremisten versuchen, steuernd in der Hooliganszene zu agieren oder diese anderweitig maßgeblich zu beeinflussen . 1. Sind der Landesregierung die Aktivitäten von „GSD“ im Internet (Homepage, YouTube, Facebook, Twitter etc.) bekannt? Trifft es zu, dass diese Aktivitäten aus Niedersachsen heraus koordiniert werden? Die Internetaktivitäten des „GSD“ sind der Landesregierung aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen bekannt. Über die Strukturen dieser Gruppierung liegen jedoch keine Erkenntnisse vor. Die „GSD“ verfügt im Internet über eine eigene Homepage, ein Forum sowie über mehrere Profile auf verschiedenen Social Media Plattformen, über die u. a. aktuelle Veranstaltungen, wie die „GSD“-Demonstration am 09.04.2016 in Magdeburg, beworben werden. Für die Kontaktadresse im Impressum der Homepage ist ein Ehepaar aus Wolfenbüttel verantwortlich. Laut veröffentlichter Satzung soll sich der Vereinssitz in Wolfenbüttel befinden. Eine Eintragung im Vereinsregister beim AG Wolfenbüttel ist bislang nicht erfolgt. Als Verantwortlicher für den Chatroom ist ein Einwohner aus Nürnberg genannt. Inwieweit eine gezielte Koordinierung der Aktivitäten von „GSD“ durch Personen aus Niedersachsen vorgenommen wird, ist nicht bekannt. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Aktivitäten von „GSD“? Auf seiner Homepage vertritt der „GSD“ sowohl asyl- als auch islamkritische Positionen. Dies ist ein Beispiel für die vom Verfassungsschutz beobachtete, über den Bereich des organisierten Rechtsextremismus bei Weitem hinausgehende, deutliche Zunahme fremdenfeindlicher und rassistischer Agitation. Die dort dargestellte Form der Fremdenfeindlichkeit ist derzeit das zentrale politische Aktionsfeld im Rechtsextremismus, das thematisch auf eine befürchtete „kulturelle Überfremdung“ abzielt und dafür die Medien sowie die politischen und gesellschaftlichen Eliten verantwortlich macht. Die damit einhergehende Islamfeindlichkeit ist als eine organisationsübergreifende Thematik und Strategie zu verstehen, um mit islamfeindlichen Parolen wie in kaum einem anderen Themenfeld an weit verbreitete Ressentiments in der Bevölkerung anknüpfen zu können. Dieses gemeinsame Feindbild stellt das Bindeglied zwischen der rechtsextremistischen Szene und verschiedenen Hooligangruppierungen dar und dürfte deshalb auch die Ursache für gelegentliche gemeinsame Aktivitäten sein. 3. Werden „HoGeSa“, der „Bund Deutscher Hooligans“ und „GSD“ in Niedersachsen vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet? Siehe Vorbemerkungen. 4. Welche Aktivitäten von Personen aus Niedersachsen sind der Landesregierung rund um die „GSD“-Veranstaltungen in Erfurt und Magdeburg bekannt? Trifft es zu, dass die in der Einleitung genannte Person aus Niedersachsen die Demonstration in Erfurt angemeldet hat? Nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden haben an der Veranstaltung in Erfurt auch Personen aus Niedersachsen teilgenommen, die über Kontakte zu Rechtsextremisten verfügen. Des Weiteren ist ein niedersächsischer Rechtsextremist dort als Redner aufgetreten. Die Anmeldung der Versammlung am 02.05.2015 in Erfurt erfolgte von dem in der Vorbemerkung des Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5579 3 Abgeordneten genannten Vorsitzenden aus Niedersachsen. Dieser hatte auch die Anmeldung für den ursprünglich geplanten Termin am 15.03.2015 vorgenommen. Hinsichtlich der für den 09.04.2016 in Magdeburg angemeldeten Versammlung liegen den niedersächsischen Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse vor. Gemäß den Angaben der zuständigen Polizeibehörde erfolgte die Anmeldung der Versammlung durch Personen aus Sachsen-Anhalt. 5. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Schnittstellen von „GSD“ zur Partei „Die Rechte“ sowie zur Gruppierung „Braunschweig gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (BRAGIDA)? Im Gegensatz zu der Gruppierung „Braunschweig gegen die Islamisierung des Abendlandes“ fällt die Partei „Die Rechte“ unter den Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes. Im Rahmen der Beobachtung der Partei ist bisher keine auf Dauer angelegte, strukturierte Zusammenarbeit mit der Gruppierung „GSD“ oder anderen Hooligangruppierungen bekannt geworden. Eine derartige Zusammenarbeit hat es in der Vergangenheit jedoch mit dem neonazistischen „Aktionsbündnis 38“ aus Braunschweig gegeben, dessen Mitglieder auch über Kontakte zur Hooliganszene verfügten. Seit der Auflösung des „Aktionsbündnisses 38“ ist diese Zusammenarbeit nach vorliegenden Erkenntnissen zwar zum Erliegen gekommen, die persönlichen Kontakte dürften aber auch weiterhin bestehen. Über Schnittstellen zwischen „GSD“ und der Gruppierung „BRAGIDA“ liegen dem Landeskriminalamt Niedersachsen keine Erkenntnisse vor. Bei den wöchentlich in Braunschweig stattfindenden Veranstaltungen von „BRAGIDA“ konnten bisher keine Personen festgestellt werden, von denen bekannt ist, dass sie der Gruppierung „GSD“ angehören. Die Partei „Die Rechte“ ist in Braunschweig seit ca. Sommer 2015 nicht mehr aktiv. Aus dem Raum Goslar sind zwei Personen bekannt , die sowohl mit „GSD“ sympathisieren als auch bei Versammlungen von „Die Rechte“ im Landkreis Goslar teilgenommen haben. 6. Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung personelle Überschneidungen von „GSD“ zu den Fanszenen in Niedersachsen, insbesondere am Standort Braunschweig? Zu Überschneidungen von „GSD“ zu den Fanszenen in Niedersachsen, insbesondere am Standort Braunschweig, liegen keine Erkenntnisse vor. 7. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Finanzierung von „GSD“ mit Blick auf Einnahmen durch Konzerte (etwa der rechtsextremen Band „Kategorie C“) oder den Verkauf von Merchandise-Artikeln? Der Landesregierung liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor. Laut Satzung finanziert sich der Verein u. a. aus Mitgliedsbeiträgen. 8. Sind bei „GSD“ Personen aktiv, die in der „Datei Gewalttäter Sport“ oder den „SKB- Dateien“ in Niedersachsen gespeichert waren oder sind? Wenn ja, um wie viele Personen handelt es sich? Die Beantwortung kann sich nur auf aktive Speicherungen beziehen. Derzeit (Stand: 24.03.2016) ist eine der „GSD“ zuzurechnenden Personen auch als „Gewalttäter Sport“ in INPOL erfasst. Vor dem Hintergrund, dass ein Abgleich der Daten der bekannten aktiven Personen der „GSD“ mit dem Datenbestand in den SKB-Arbeitsdateien in Niedersachsen rechtlich nicht zulässig ist, kann hierzu nicht Stellung genommen werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5579 4 9. Sind der Gründungsvorsitzende von „GSD“ und weitere Mitglieder der Gruppierung aus Niedersachsen bisher strafrechtlich in Erscheinung getreten? Gegen den Vorsitzenden der Gruppierung „GSD“ sind im Jahr 2015 vier Strafverfahren eingeleitet worden. Gegen die Ehefrau des Vorsitzenden wurde im Jahr 2015 ebenfalls im Zusammenhang mit dem Facebook-Auftritt der Gruppierung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Darüber hinaus liegen gegen zwei in Niedersachsen wohnhafte Personen, welche der Gruppierung „GSD“ zugeordnet werden, umfangreiche allgemein- und staatsschutzpolizeiliche Erkenntnisse vor, die allerdings keinen Bezug zu den Aktivitäten der Gruppierung „GSD“ aufweisen. Gegen eine weitere in Niedersachsen wohnhafte Person, welche als Ordner für eine Versammlungslage am 08.02.2015 in Ludwigshafen benannt wurde, besteht der Verdacht, gegen das BtMG verstoßen zu haben. 10. Ist der Landesregierung bekannt, dass der „GSD“-Vorsitzende an der Organisation der „HoGeSa“-Demo im November 2014 beteiligt war? Dem Verfassungsschutz liegen aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes Niedersachsen sollte der Vorsitzende von „GSD“ als Ordner eingesetzt werden. Über eine darüber hinausgehende Organisationstätigkeit liegen keine Erkenntnisse vor. 11. „GSD“ ruft aktuell zu einer Demo in Magdeburg im April 2016 auf. Welche Aktivitäten plant die Gruppierung derzeit in Niedersachsen? Welche Aktivitäten (Treffen, öffentliche Veranstaltungen) wurden seit der Gründung von „GSD“ in Niedersachsen durchgeführt ? Dem Verfassungsschutz liegen aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. An einer Kundgebung der flüchtlingskritischen Gruppierung „Goslar wehrt sich“ am 29.11.2015 auf dem Markplatz im Goslarer Ortsteil Vienenburg befanden sich unter den ca. 40 Teilnehmern acht Personen, die gemeinsam mit mehreren Fahrzeugen angereist waren und als geschlossene Gruppe während der Kundgebung auftraten. Vier dieser Personen trugen Sweat-Shirts mit dem aufgedruckten Logo von „Gemeinsam stark Deutschland“. Darüber hinaus wurde das Fahrzeug des 1. Vorsitzenden bei der Abfahrt festgestellt. Am 17.02.2015 wurden in Hannover drei Personen durch die Polizei kontrolliert, als sie Aufkleber der Gruppierung „GSD“ anbrachten. Eine dieser Personen nahm wiederholt an Versammlungen der HAGIDA teil. Über Planungen von Aktivitäten der Gruppierung „GSD“ in Niedersachsen liegen den niedersächsischen Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse vor. 12. Welche Maßnahmen unternimmt oder plant die Landesregierung, um Straftaten aus dem Umfeld von „GSD“ zu verhindern? Seitens der niedersächsischen Sicherheitsbehörden werden auf Grundlage aktueller Lagebewertungen und unter Anwendungen der sich aus dem Gefahrenabwehrrecht ergebenden Befugnisse alle notwendigen Maßnahmen getroffen, um Straftaten aus dem Umfeld von „GSD“ zu verhindern. (Ausgegeben am 20.04.2016) Drucksache 17/5579 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5354 „Gemeinsam stark Deutschland“: Spur nach Niedersachsen Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport