Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/5591 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5394 - Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen eine ausländische Person oder Familie mehrfach illegal einreiste, abgeschoben wurde und wieder einreiste? Anfrage der Abgeordneten Ansgar Focke und Bernd-Carsten Hiebing (CDU) an die Landesregierung , eingegangen am 11.03.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 17.03.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 12.04.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Die BILD-Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 16. Februar 2016, dass der Marokkaner Belaid Z. inzwischen zehnmal abgeschoben und zehnmal wieder eingereist sei. Auf Anfrage der BILD-Zeitung an die Innenministerien der Länder, ob es noch mehr solcher Fälle gebe, antworteten die Länder einheitlich: „Es gibt keine statistische Erhebung zur dieser Frage“. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen die Fragesteller darauf hin, dass sie ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung ihrer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehen die Fragesteller davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar sei, da es sich nach ihrer Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handele und der Rechercheaufwand gering sei. 1. Gab es in Niedersachsen in den letzten drei Jahren Fälle, in denen Personen nach einer Abschiebung oder freiwilligen Ausreise wieder illegal eingereist sind? Wenn ja, wie viele und gegebenenfalls wie oft sind einzelne Personen oder Familien abgeschoben worden und wieder eingereist? Zahlen zur illegalen Wiedereinreise nach erfolgter - freiwilliger oder zwangsweiser - Rückkehr werden weder vom Land Niedersachsen noch von den Ausländerbehörden vorgehalten. Daher sind die kommunalen Ausländerbehörden um entsprechende Auskunft gebeten worden. 39 kommunale Ausländerbehörden von insgesamt 53 sind dieser Aufforderung nachgekommen. Diese Rückmeldungen haben ergeben, dass 1 254 Personen in den letzten drei Jahren (vom 01.01.2013 bis 31.12.2015) nach einer vorherigen Abschiebung oder freiwilligen Ausreise erneut illegal in das Bundesgebiet eingereist sind. Davon sind 295 Personen nach erfolgter Abschiebung erneut in das Bundesgebiet eingereist. 66 Personen sind zweimal abgeschoben worden und erneut in das Bundesgebiet eingereist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5591 2 32 Personen sind mehr als zweimal abgeschoben worden und erneut in das Bundesgebiet eingereist . 2. Aus welchen Ländern stammen die mehrfach illegal eingereisten und abgeschobenen Personen? Nach den Mitteilungen der Ausländerbehörden haben die Personen, die in dem betreffenden Zeitraum aus Niedersachsen abgeschoben worden und in der Folge erneut in das Bundesgebiet eingereist sind, Staatsangehörigkeiten der im Folgenden aufgelisteten Staaten. Eine Abschiebung erfolgte dabei nicht zwingend in die jeweiligen Herkunftsstaaten. So erfolgen die Rücküberstellungen in den sogenannten Dublin-Verfahren in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat und bei international Schutzberechtigten in den jeweils schutzgewährenden EU-Staat. Afghanistan Albanien Algerien Aserbaidschan Bosnien und Herzegowina Elfenbeinküste Eritrea Georgien Irak Kenia Kosovo Lettland Libanon Liberia Litauen Mazedonien Montenegro Nigeria Pakistan Polen Rumänien Russische Föderation Serbien Somalia Sudan Syrien Türkei Tunesien Vietnam Weißrussland 3. Was unternimmt die Landesregierung, um die erneute illegale Einreise bereits einmal oder mehrfach abgeschobener Personen zu verhindern, und welche Sanktionen hat dieser Personenkreis bei einer illegalen Wiedereinreise zu erwarten? Die Maßnahmen zur Verhinderung erneuter illegaler Einreise bzw. entsprechende Sanktionsmechanismen sind bundesrechtlich normiert; die Landesregierung hat insoweit nur eingeschränkte Möglichkeiten, in eigener Zuständigkeit steuernd tätig zu werden. Der bundesgesetzliche Rahmen wird zunächst durch das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bestimmt. § 11 Abs. 6 AufenthG sieht für jene Fälle, in denen eine ausreisepflichtige Person ihrer Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihr gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, die Möglichkeit vor, ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot anzuordnen. Die Entscheidung obliegt insoweit den Ausländerbehörden. Zudem kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit der Asylentscheidung ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen (§ 11 Abs. 7 AufenthG). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5591 3 Dies gilt u. a. bei Personen aus sicheren Herkunftsstaaten, deren Asylantrag nach § 29 a Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, denen kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde und bei denen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht festgestellt wurden. Gleiches gilt in Fällen erfolgloser Folgeanträge nach § 71 AsylG oder erfolgloser Zweitanträge nach § 71a AsylG. Der Bundesgesetzgeber hat darüber hinaus in den vergangenen Monaten eine Reihe von Gesetzesänderungen beschlossen, die auch Auswirkungen auf den Personenkreis hat, der nach einmaliger oder mehrfacher Abschiebung illegal wieder eingereist ist: Seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes besteht mit § 71 Abs. 2 AsylG i. V. m. § 47 AsylG für Asylfolgeantragstellerinnen und Asylfolgeantragsteller, die zwischenzeitlich ausgereist waren, grundsätzlich die Verpflichtung, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Ebenso sind Personen aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 47 Abs. 1 a AsylG verpflichtet, bis zur Entscheidung des BAMF über den Asylantrag und im Fall der Ablehnung des Asylantrags nach § 29 a AsylG als offensichtlich unbegründet oder nach § 27 a AsylG als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Eine Rechtspflicht der Länder, diese Personengruppen in einer solchen Einrichtung unterzubringen, besteht allerdings nicht. Es ist auch zu berücksichtigen, dass das BAMF derzeit nicht gewährleisten kann, die Asylverfahren dieser Personenkreise schnell zu beginnen und abzuschließen. Vor diesem Hintergrund werden derzeit nicht alle Folgeantragstellerinnen und Folgeantragsteller und Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten in der Erstaufnahmeeinrichtung belassen. Zusätzlich ergeben sich für Personen, die nach einmaliger oder mehrfacher Abschiebung illegal wieder eingereist sind, leistungsrechtliche Konsequenzen: Gemäß § 11 Abs. 2 a Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erhalten Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG (Berechtigte mit einer Aufenthaltsgestattung) bis zur Ausstellung eines Ankunftsnachweises nach § 63 a AsylG anstelle der regulären Leistungen nach den §§ 3 und 6 AsylbLG gekürzte Leistungen entsprechend § 1 a Abs. 2 Satz 2 bis 4 AsylbLG (Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege ). Diese Regelung gilt gemäß § 11 Abs. 2 a Satz 5 AsylbLG auch für Leistungsberechtigte , die aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereist sind und als Asylsuchende erkennungsdienstlich zu behandeln sind, und für Leistungsberechtigte, die einen Folgeantrag nach § 71 AsylG oder einen Zweitantrag nach § 71 a AsylG stellen und einer Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung unterliegen. Darüber hinaus gilt grundsätzlich, dass vollziehbar ausreisepflichtige Leistungsberechtigte und deren Familienangehörige gekürzte Leistungen nach § 1 a AsylbLG erhalten, wenn sie sich in den Geltungsbereich des Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder wenn aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Vollziehbar Ausreisepflichtige, für die ein Ausreisetermin und eine Ausreisemöglichkeit feststehen, haben ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden. Ihnen werden bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt (§ 1 a Abs. 2 AsylbLG). Die Landesregierung hat im Rahmen ihrer landesrechtlichen Kompetenzen nach der Aufenthaltsdauer differenzierende Regelungen geschaffen, denen Personen unterfallen, die nach erfolgter Ausreise unerlaubt wieder eingereist sind: Bereits mit Runderlass des MI vom 29.09.2015 wurden die Vorgaben des Runderlasses vom 18.11.2013 zur Durchführung des Härtefallverfahrens dahin gehend modifiziert, dass bei Personen mit nur kurzer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet (nicht mehr als 18 Monate) auf die Belehrung über die Möglichkeit der Durchführung des Härtefallverfahrens verzichtet werden kann. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5591 4 Auch wurde der Katalog der Nichtannahmegründe nach der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung erweitert mit der Folge, dass vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die sich noch nicht 18 Monate im Bundesgebiet aufhalten, vom Härtefallverfahren ausgeschlossen sind. Ausnahmen hiervon kommen nur in besonders gelagerten Einzelfällen im Rahmen eines Sonderprüfungsrechts des vorsitzenden Mitglieds in Betracht. 4. Wie schnell werden illegal wiedereingereiste, bereits einmal oder mehrfach abgeschobene Ausländer in ihre Heimatländer zurückgeführt, und wie läuft das Verfahren ab dem Moment des Aufgreifens ab? Personen, die unerlaubt einreisen, sind vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und somit, sofern nicht trotz wiederholter unerlaubter Einreise die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht gesichert ist, regelmäßig abzuschieben. Das aufenthaltsrechtliche Verfahren und somit auch der Vollzug der Abschiebung nach Aufgriff einer unerlaubt eingereisten Person richten sich allerdings nach den individuellen Umständen des Einzelfalls. In den Fällen, in denen beispielsweise ein Asylbegehren geäußert wird, ist keine zeitnahe Aufenthaltsbeendigung möglich, da das Verfahren beim BAMF abzuwarten ist. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung des BAMF sind im Rahmen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, die gegebenenfalls zu einer Aussetzung der Abschiebung und Erteilung einer Duldung führen können. Eine generelle Aussage, in welchem Zeitrahmen eine Rückführung dieser Personen durchgeführt wird, ist daher nicht möglich . 5. Werden die Kosten für die Abschiebungen den mehrfach illegal eingereisten Personen in Rechnung gestellt, und wenn ja, wie wird sichergestellt, dass die Kosten tatsächlich getragen werden? Wenn nein, warum nicht? Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, hat gemäß § 66 AufenthG die abgeschobene Person zu tragen. Von der kostenpflichtigen Person kann gemäß § 66 Abs. 5 AufenthG auch eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz der betreffenden Person sind. Mit dem Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 23.09.2014 (sogenannter Rückführungserlass) hat das Ministerium für Inneres und Sport die notwendigen Regelungen getroffen, um die gesetzlichen Kostenregelungen landesseitig operabel zu machen und die Kostentragung durch die kostenpflichtige Person sicherzustellen: Der Rückführungserlass regelt, dass „alle im Zusammenhang mit der (…) Abschiebung und Zurückschiebung bei den beteiligten Behörden entstehenden Kosten“ der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI), der die Zuständigkeit für die Geltendmachung der Abschiebungskosten obliegt, mitzuteilen sind (Ziffern 5.2 und 8). Die LAB NI ist auch zuständig für die Anordnung von Sicherheitsleistungen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen werden die Abschiebungskosten durch Leistungsbescheid erhoben (§ 67 Abs. 3 AufenthG). Zur Durchsetzung der Forderung findet neben den Vorgaben der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung das Niedersächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) Anwendung. Das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung ist zuständige Vollstreckungsbehörde für die nach den Vorschriften des NVwVG einzuziehenden Geldforderungen des Landes Niedersachsen . Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren wird durch die Zentrale Vollstreckungsstelle in Aurich betrieben. Somit ist - entsprechende Leistungsfähigkeit der abzuschiebenden Person vorausgesetzt - die Durchsetzung der Kostentragungspflicht auch landesseitig sichergestellt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5591 5 6. Bei wie vielen ausländischen Personen bzw. Familien konnte in den letzten drei Jahren eine „Alias-Identität“ festgestellt werden? Für das Asylverfahren obliegt die Klärung der Identität dem BAMF, das auf Anfrage mitgeteilt hat, die Anzahl der in den letzten drei Jahren erfolgten Feststellungen von „Alias-Identitäten“ statistisch nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit und nicht ohne besonderen technischen und finanziellen Aufwand generieren zu können. Die asylverfahrensunabhängige Identitätsklärung obliegt den Ausländerbehörden, die gleichfalls entsprechende Daten zu Alias-Identitätsfeststellungen statistisch nicht vorhalten. Gleichwohl kann mitgeteilt werden, dass die 43 Ausländerbehörden, die auf Aufforderung zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU vom 08.12.2015 (Drs. 17/4807) die vorhandenen Datenbestände ausgewertet haben, insgesamt 1 031 Verfahren zur Identitätsfeststellung mitgeteilt haben. Davon konnte in insgesamt 328 Fällen die Identität festgestellt werden. In wie vielen Fällen es sich dabei um Alias-Identitäten oder beispielsweise nur um eine falsche oder fehlende Angabe der Staatsangehörigkeit handelt, konnte in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht belastbar und unter Ausschluss von Doppelungen, die sich durch die Parallelzuständigkeit der LAB NI bei der Klärung von Identitäten ergeben können, ermittelt werden. (Ausgegeben am 20.04.2016) Drucksache 17/5591 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5394 Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen eine ausländische Person oder Familie mehrfach illegal einreiste, abgeschoben wurde und wieder einreiste? Anfrage der Abgeordneten Ansgar Focke und Bernd-Carsten Hiebing (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport