Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5372 - Wie hoch sind die Kosten misslungener Integration? Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 07.03.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 14.03.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 13.04.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Das Verwaltungsgericht Göttingen hatte am 8. Dezember 2015 die gegen ihre Abschiebung in den Kosovo gerichteten Anträge zweier seit rund 17 Jahren in Deutschland lebender Roma-Familien abgelehnt. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen mit der mangelnden Integrationsbereitschaft der beiden Großfamilien begründet und vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt. Die Familien waren damit unmittelbar ausreisepflichtig. Die am 10. Februar 2016 geplante Abschiebung der Familien scheiterte jedoch, weil die abzuschiebenden Personen nicht angetroffen wurden. Auf die von mir gestellte Anfrage „Was ist zu tun, wenn der Integrationswille von Anfang an fehlt?“ antwortete die Landesregierung vor zwei Jahren in der Drucksache 17/1160, „dass sie sich von dem überkommenen Begriff der Integration verabschieden wolle. (…) Vor dem Hintergrund der sozialen Situation in ihren Herkunftsländern bringe allerdings eine sehr geringe Anzahl der zuwandernden Menschen nicht die kulturelle, schulische und berufliche Grundlage mit, die ihnen eine umgehende chancengerechte Teilhabe in Deutschland ermögliche. Diese Menschen würden eine umfänglichere Unterstützung und Beratung benötigen, wozu die Landesregierung niedrigschwellige Angebote zur Sprachförderung, Gesundheitsvorsorge und beruflichen Chancenentwicklung zähle. Die Landesregierung sehe hier ein wichtiges Aktionsfeld für kulturell erfahrene Integrationslotsinnen und -lotsen aus den gleichen Herkunftsländern, die zu den Betroffenen leichter Zugang und deren Vertrauen gewinnen können. Ziel sei es, diesen Menschen bedarfsgerecht die Förderungen zu ermöglichen , die sie für ein chancengerechtes Leben in unserer Gesellschaft benötigen. Hierzu stünden ihnen, wie anderen Zuwanderinnen bzw. Zuwanderern auch, die vielfältigen Beratungs- und Bildungsangebote des Bundes, des Landes und der Kommunen offen.“ Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. 1. Welche der vielfältigen Angebote haben die nun abzuschiebenden Familien in den rund 17 Jahren ihres Aufenthaltes in Deutschland genutzt? Zentrales Grundangebot zur Integration ist nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes(AufenthG) der Integrationskurs . Er verfolgt das Ziel, Ausländerinnen und Ausländern die Sprache, die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte Deutschlands erfolgreich zu vermitteln. Zugewanderte Menschen sollen dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet so weit vertraut werden, dass sie ohne Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 2 die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig handeln können (§ 43 Abs. 2 AufenthG). Voraussetzung für die Teilnahme ist jedoch neben einem dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis oder ein Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 2 oder Abs. 4 AufenthG. Angehörige der beiden Großfamilien, deren Aufenthalt ausschließlich geduldet wurde, erfüllen diese Voraussetzung daher nicht und haben infolgedessen an einem solchen Integrationskurs nicht teilgenommen. Darüber hinausgehende Angebote zur Integration und Teilhabe sind sowohl in ihrer Trägerschaft als auch der Durchführung vielfältig und können daher nicht abschließend abgebildet werden: Ein Familienmitglied hat beispielsweise nach Auskunft des Bildungswerks Verdi an einem Alpha- Kurs in Göttingen/Grone vom 04.01.1999 bis 23.12.1999 teilgenommen. Der Kurs fand in der Regel dreimal pro Woche statt mit insgesamt 373 Unterrichtsstunden an insgesamt 140 Tagen. Daneben unterliegen mit Ausnahme von zwei Kindern alle Kinder der beiden Familien der Schulpflicht . Wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungs - oder Arbeitsstätte hat, ist nach Maßgabe der §§ 63 ff. NSchG zum Schulbesuch verpflichtet. Die „Ergänzenden Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis zur Schule; §§ 58, 59 und 63 bis 68 des Niedersächsischen Schulgesetzes“ (RdErl. d. MK v. 29.08.1995, Nds. MBl. S. 1142, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 01.03.2006, SVBl. S. 109) regeln in Nr. 3 ausdrücklich, dass Schulpflicht unabhängig von einer Staatsangehörigkeit besteht. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt nach Nr. 3.1.2 der vorgenannten Ergänzenden Bestimmungen dann vor, wenn jemand - auch ohne sich in Niedersachsen ständig niederlassen zu wollen - mindestens fünf Tage hier wohnt. Die Schulpflicht beginnt in diesem Fall am ersten Tag des Aufenthaltes. Grundsätzlich endet die Schulpflicht zwölf Jahre nach ihrem Beginn. Auszubildende sind gegebenenfalls darüber hinaus für die Dauer ihres Berufsausbildungsverhältnisses berufsschulpflichtig. Die schulpflichtigen Kinder der Familien haben nach Angaben der Niedersächsischen Landesschulbehörde unterschiedliche Angebote genutzt. Die nachfolgende Auflistung der Angebote, die einzelne der Kinder wahrgenommen haben, gibt einen beispielhaften Überblick, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können: – Teilnahme an einer Fördergruppe „Deutsch als Zweitsprache“, – erfolgreiche Einbindung in das Theaterprojekt „Rosenwinkel“, – kontinuierliche unterrichtsbegleitende Förderung, – Teilnahme an den Fördermaßnahmen der sonderpädagogischen Grundversorgung, – Beschulung gemäß Unterstützungsbedarf Lernen, – Teilnahme an Sprachfördermaßnahmen, – zielgleiche Beschulung/Unterstützung im Förderschwerpunkt emotionale-soziale Entwicklung gemäß schulischem Konzept, – stundenweise Einzelförderung, – zieldifferente Beschulung/Unterstützung im Förderschwerpunkt Lernen in einer Integrations- /Inklusionsklasse, – Teilnahme an schulischen Angeboten: Ganztagsangebote, Arbeitsgemeinschaften, Freizeitbereiche mit Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie – Nutzung aller gesetzlichen und administrativen Möglichkeiten zur Integration. Die eine betroffene Familie hat fünf schulpflichtige (und zwei noch nicht schulpflichtige) Kinder, von denen drei als Inklusionskinder eine IGS/KGS besuchen und als unauffällig gelten. Zwei weitere Kinder besuchen noch die Grundschule und werden durch Maßnahmen der sonderpädagogischen Grundversorgung gefördert. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 3 Die andere Familie hat sechs schulpflichtige Kinder, von denen ebenfalls zwei Kinder noch die Grundschule besuchen und durch Maßnahmen der sonderpädagogischen Grundversorgung gefördert werden bzw. Sprachförderung erhalten. Bei den weiteren vier Kindern, die weiterführende Schulen besuchen (davon besuchen zwei Kinder eine Hauptschule, ein Kind eine Förderschule und ein Kind als Inklusionskind eine IGS), ist der Schulbesuch durch eine hohe Anzahl an Fehltagen gekennzeichnet. Dies hat zum Teil zu wiederholten Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten geführt, aufgrund derer mehrfach Bußgelder verhängt worden sind. Die Zusammenarbeit mit den Eltern gilt teilweise als schwierig. Mit Blick auf die beiden aufgrund ihres Alters noch nicht schulpflichtigen Kinder einer der beiden Familien ist auszuführen, dass der Landesregierung keine Informationen dazu vorliegen, ob und in welchem Umfang die betreffende Familie ihren Rechtsanspruch auf ein Angebot in einer Kindertagesbetreuung durch den örtlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe wahrnimmt. Die Familienmitglieder haben darüber hinaus weitere Beratungs- und Bildungsangebote wahrgenommen . Hierzu zählen: – Projekt LiSA (Lernen in Schule & Alltag) - Hausaufgabenhilfe, Schwimmkurs sowie ein Beteiligungsprojekt (Stadtteilentwicklung), – Projekt FairBleib Südniedersachsen (Alphabetisierungskurs, ESF-BAMF-Sprachkurs), – Beschäftigungsförderung Göttingen (Integrationsprojekt „Mama näht deutsch“), – Projekt des Instituts für angewandte Sozialfragen („Kompetenzen vor Ort - entdecken, entwickeln , fördern“). 2. Falls keine Angebote bzw. die Angebote nur in geringem Umfang genutzt wurden, welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Gründe dafür? Für den Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums lässt sich festhalten, dass die Schulleitungen und Lehrkräfte vielfältige Maßnahmen eingeleitet haben, um die Einhaltung der Schulpflicht und die Wahrnehmung der schulischen Integrationsmaßnahmen sicherzustellen. In einigen Fällen gestaltet sich nach Angaben der Niedersächsischen Landesschulbehörde die Zusammenarbeit der Schulen mit den Erziehungsberechtigten schwierig; Absprachen wurden zum Teil wiederholt nicht eingehalten. Darüber hinaus ist eine hohe Zahl von zum Teil unentschuldigten Fehltagen der Kinder festzustellen. Die Schulleitungen haben in Reaktion darauf mehrfach Ordnungswidrigkeiten gemäß § 176 NSchG angezeigt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen. 3. Waren die Familien zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Deutschland in der Lage, ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigener Kraft sicherzustellen? Gemäß Artikel 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV) sind Anfragen von Mitgliedern des Landtags durch die Landesregierung nach bestem Wissen und Gewissen vollständig zu beantworten . Die Landesregierung braucht diesem Verlangen dann nicht zu entsprechen, wenn zu befürchten ist, dass durch die vollständige Beantwortung schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden (Artikel 24 Abs. 3 Satz 1 NV). Nach Einschätzung der Landesregierung steht zu befürchten, dass durch die vollständige Beantwortung der Fragen 3 bis 7 schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. Schutzwürdige Interessen liegen dann vor, wenn durch die Erfüllung des parlamentarischen Informationsverlangens die Gefahr besteht, dass Grundrechte verletzt werden. Die Landesregierung muss auch bei der Erfüllung von parlamentarischen Informationsrechten Grundrechte beachten (vgl. Epping/Butzer, Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, Artikel 24, Rn. 30). Werden solche schutzwürdigen Rechte verletzt, wozu auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht gemäß Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes gehört, so kann die Landesregierung an Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 4 der schriftlichen Beantwortung im Wege einer zu veröffentlichenden Landtagsdrucksache gehindert sein. Die beiden Roma-Familien und ihre Mitglieder sind zwar namentlich nicht genannt, anhand der in der Vorbemerkung mitgeteilten Umstände und der Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Göttingen bzw. des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg allerdings - nicht nur für die antwortende Landesregierung, sondern auch für sonstige involvierte oder interessierte Personen - individualisierbar . Bei der Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlich garantierten Auskunftsrecht des Landtages und dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts war ausschlaggebend, dass bei den Antworten zu den Fragen 3 bis 7 Sozialdaten mitzuteilen wären, die datenschutzrechtlich als besonders sensibel zu betrachten sind. Aufgrund der drohenden Verletzung des besonders geschützten Sozialgeheimnisses (§ 35 SGB I; siehe auch Epping/Butzer, a. a. O., Fn. 60) sieht sich die Landesregierung nach sorgfältiger Abwägung mit der verfassungsrechtlich verbrieften Pflicht zur vollständigen Beantwortung der Fragestellung an der schriftlichen Mitteilung dieser Informationen gehindert. Um dem parlamentarischen Informationsrecht dennoch weitestgehend zur Geltung zu verhelfen, wird auf die Möglichkeit verwiesen, die Fragen 3 bis 7 in vertraulicher Form, z. B. durch Unterrichtung im Rahmen einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses, zu beantworten . 4. Falls nein, welche sozialen Leistungen in insgesamt welcher Höhe haben die Familien zur Sicherstellung ihres notwendigen Lebensunterhaltes seit Beginn ihres Aufenthaltes in Deutschland erhalten? Hierzu wird auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen. 5. Falls die Familien während ihres Aufenthaltes in Deutschland Kindergeld erhalten haben , in insgesamt welcher Höhe? Hierzu wird auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen. 6. Verfügten die Familien über eine Krankenversicherung ihres Herkunftslandes, die für eventuelle Krankenbehandlungen in Deutschland aufkam? Hierzu wird auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen. 7. Falls nein, welche Kosten sind für Krankenbehandlungen (auch Entbindungen) der Mitglieder der beiden Familien bisher insgesamt entstanden und von welchen Kostenträgern übernommen worden? Hierzu wird auf die Ausführungen zu Frage 3 verwiesen. 8. Würden die Angehörigen der beiden Familien aktuell zu dem Personenkreis gehören, an den sich der von der Landesregierung an den Standorten Hannover und Göttingen initiierte und mit 1,5 Millionen Euro geförderte Modellversuch zur anonymen Krankenbehandlung richtet? Den Angehörigen der beiden Familien steht es frei, in einer der im Rahmen des Modellversuchs zur anonymen Krankenbehandlung in Hannover und Göttingen eingerichteten Anlauf- und Vergabestellen Rat zu suchen. In der Anlauf- und Vergabestelle wäre dann zu prüfen, ob die erkrankte Person unmittelbar zu dem Personenkreis der förderfähigen Zielgruppe gehört. Dies wäre der Fall, wenn die Person zu dem leistungsberechtigten Personenkreis gehört, der in § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG definiert ist (Ausländerinnen und Ausländer, die sich im Bundesgebiet aufhalten und vollziehbar ausreisepflichtig sind), und wenn die Bedürftigkeit der Person durch die Vergabestelle festgestellt wird. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 5 Unter diesen Voraussetzungen kann die Vergabestelle die Finanzierung der medizinischen Behandlung , die wiederum das Leistungsspektrum analog § 4 AsylbLG umfasst, zusagen. Da die Familien den Behörden bekannt und aufenthaltsrechtlich geduldet waren, haben sie jedoch bislang Krankenhilfe unmittelbar auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten. Eine Vermittlung von anderen Personen in medizinische Versorgung, die nicht der Zielgruppe angehören , steht der Vergabestelle ohne Zusage einer Kostenübernahme über das Landesprojekt frei. 9. Falls nein, weshalb nicht? Siehe Ausführungen zu Frage 8. 10. Falls ja, wie beurteilt die Landesregierung in rechtsstaatlicher Hinsicht die von ihr selbst geschaffene Situation, dass vollziehbar ausreisepflichtige Personen eine von der Landesregierung geschaffene Möglichkeit zur anonymen Krankenbehandlung nutzen können, ohne sich dadurch der Gefahr der Abschiebung auszusetzen? Die Landesregierung gewährleistet aus humanitären Gründen eine Gesundheitsversorgung. 11. Wie würde sich die Sach- und Rechtslage darstellen, wenn vollziehbar ausreisepflichtige Personen von der Polizei vor den Räumlichkeiten, in denen die anonyme Krankenbehandlung stattfindet, angetroffen würden? Einen durchgängigen Schutz des „anonymen Status“ der versorgten Zielgruppe kann das Modellprojekt nicht gewährleisten. Der von der Vergabestelle zu gewährleistende Schutz des Personenkreises umfasst lediglich die Anonymisierung der personenbezogenen Daten und die anonymisierte Vermittlung in medizinische Versorgung. Die Landesregierung gewährleistet mit dem Modellprojekt über die hierfür ausgewählten Projektträger die kostenfreie und anonymisierte Vermittlung in medizinische Behandlung. Eine Basis anonymisierten Handelns kann ausschließlich zwischen den Kunden und dem Personal der Vergabestelle garantiert werden. Dies ist Grundlage der Zuwendung. Im Fall eines Aufgriffs durch die Polizei würde die örtlich zuständige Ausländerbehörde des Aufgriffsorts informiert, die im individuellen Fall prüft, welche aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, insbesondere, ob der Aufenthalt aufgrund der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung zeitnah beendet werden kann. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob ein Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften begangen worden ist. 12. Welche Integrations- und gegebenenfalls Präventionsanstrengungen unternimmt die Landesregierung, um künftig in weniger als 17 Jahren Klarheit darüber zu erlangen, ob in einzelnen Fällen die Integration gelungen ist oder nicht? Die Aufenthaltsdauer der beiden Großfamilien ist nicht das Ergebnis des Abwartens und Beobachtens , ob Integration in diesem Einzelfall gelungen ist oder nicht. Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt und die dafür erforderlichen Integrationsleistungen erbracht sind (vgl. § 25 a und b AufenthG, § 25 Abs. 5 AufenthG), ist nicht Aufgabe der Landesregierung, sondern der zuständigen Ausländerbehörde. Kommt es nicht zu einer Asylanerkennung und liegen auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines asylverfahrensunabhängigen Aufenthaltsrechts nicht vor, müssen die betroffenen Menschen das Land verlassen. Vorrang hat für die niedersächsische Landesregierung nach wie vor die freiwillige Ausreise, die grundsätzlich angestrebt werden sollte, nicht zuletzt, um die erheblichen Belastungen, mit denen eine Abschiebung zwangsläufig einhergeht, zu vermeiden. Wer die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nicht nutzt, muss hingegen zwangsweise zurückgeführt werden. Die Ausländerbehörden sind dann verpflichtet, die Abschiebung einzuleiten. Stehen einer Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegen , wird der Vollzug der Abschiebung ausgesetzt und eine Duldung erteilt. Oftmals scheitert ei- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 6 ne Abschiebung daran, dass die notwendigen Passersatzpapiere nicht vorliegen, z. B. da die betreffenden Personen ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung dieser Dokumente nicht nachkommen. Durch die seit November 2015 bestehende Möglichkeit, für Rückführungen auf den Westbalkan das sogenannte EU-Laissez-Passer zu nutzen, sind Rückführungen in diese Herkunftsstaaten erheblich erleichtert worden. Ungeachtet dessen gilt nach wie vor, dass die zentrale Voraussetzung für eine gelungene Integration aller Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine gute Bildung von Anfang an ist. Gute deutsche Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zum Bildungserfolg. In den letzten Jahren sind entscheidende Entwicklungen auf den Weg gebracht worden, die konsequent verfolgt und innovativ weiterentwickelt werden, die alle Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Im Rahmen der Eigenverantwortlichen Schule arbeiten Schulen in der Regel intensiv mit Jugendhilfeeinrichtungen vor Ort und weiteren kommunalen Partnerinnen und Partnern zusammen, um in Einzelfällen Familien und Kinder begleiten und unterstützen zu können. Schulen und Lehrkräfte werden bei der Wahrnehmung der Aufgaben im Handlungsfeld Interkulturelle Bildung/Migration und Teilhabe landesweit speziell durch für diese Aufgabe qualifizierte Fachberaterinnen und Fachberater für Interkulturelle Bildung und durch die Sprachbildungszentren unterstützt. Das Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung und die Kompetenzzentren bieten für den Bereich der Interkulturellen Bildung und Schulentwicklung vielfältige Fortbildungsangebote für Schulen an. Wer in Niedersachsen seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Ausbildungsoder Arbeitsstätte hat, ist nach Maßgabe der §§ 63 ff. NSchG zum Schulbesuch verpflichtet. Die Schulpflicht besteht unabhängig von einer Staatsangehörigkeit. Insofern wird auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen. In § 71 NSchG sind die Pflichten der Erziehungsberechtigten dahin gehend ausgeführt, dass sie dafür zu sorgen haben, dass Schülerinnen oder Schüler am Unterricht und an sonstigen Veranstaltungen teilnehmen, hierzu gehören explizit Maßnahmen zur Sprachförderung. Kommen Eltern dieser Pflicht nicht nach, wird nach § 176 NSchG ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Diese Regelungen haben zum Ziel, die schulpädagogischen Integrations- und Präventionsanstrengungen zu ermöglichen. Schulen werden landesweit darin unterstützt, Maßnahmen und Methoden in der Schule im Hinblick auf die Förderung einer Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu etablieren , wie beispielsweise buddY oder Lions Quest, die sich, wissenschaftlich abgesichert, zur Stärkung der Klassengemeinschaft eignen und somit auch zur Integration aller Schülerinnen und Schüler beitragen. Ergeben sich für Lehrkräfte und/oder Erziehungsberechtigte Hinweise darauf, dass einzelne Schülerinnen und Schüler nicht in die Klassengemeinschaft integriert sind, steht den Schulen ein psychosoziales Beratungs- und Unterstützungssystem zur Verfügung, das über die Niedersächsische Landesschulbehörde abgerufen werden kann. Wesentliche Bedeutung für eine gelingende gesellschaftliche Integration und Teilhabe von Migrantinnen und Migranten misst die Landesregierung darüber hinaus einer frühzeitigen Arbeitsmarktintegration zu. Nachdem die bundesrechtlichen Möglichkeiten des Arbeitsmarktzuganges erweitert wurden, hat die Landesregierung daher auch in Abstimmung mit ihren Partnern aus der Fachkräfteinitiative Niedersachsen vielfältige Arbeitsmarktmaßnahmen entlang der gesamten Kette relevanter Integrationsschritte ergriffen. Damit leistet die Landesregierung wichtige Beiträge dafür, dass die Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer die neuen Möglichkeiten zum Eintritt in Erwerbstätigkeit besser nutzen und für sich so bereits frühzeitig eine neue Lebens- und Erwerbsperspektive unabhängig von Transferleistungen entwickeln können. Die Landesregierung weist insbesondere auf folgende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen hin: Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen “ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit der Regionaldirektion Niedersachen- Bremen der Bundesagentur für Arbeit erfolgt eine frühzeitigen Dokumentation berufsrelevanter Kompetenzen von Asylsuchenden und Flüchtlingen mit Qualifikationen und Bleibeperspektive („Prioritätenfilter “) an den Standorten Bramsche, Braunschweig, Friedland, Osnabrück und Oldenburg (ab 01.04.2016) der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI). Die erhobenen Daten wer- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5607 7 den den regionalen Arbeitsagenturen, Jobcentern und Kommunen zur Nutzung bei der weiteren Arbeitsmarktintegration vor Ort zur Verfügung gestellt. Für das Projekt stellt das Wirtschaftsministerium im Zeitraum 01.06.2015 bis 31.05.2017 rund 1 Million Euro aus Landesmitteln zur Verfügung. Angesichts des flächendeckend starken Bedarfs nach Sprachlernangeboten unterstützt das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW) im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2017 ferner das Modellprojekt „Virtuelle Sprachqualifizierung für Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen (MOVIS)“ der RKW Nord GmbH. Im Rahmen von MOVIS startet ab April 2016 die Verteilung von Online-Logins für bis zu 2 000 Flüchtlinge zur Erprobung audiovisuellen Sprachlernens unter Anleitung durch landesweit ausgewählte Kooperationspartner, insbesondere auch im ländlichen Raum. Die Förderung des MW beläuft sich auf rund 400 000 Euro aus Landesmitteln. Im Rahmen des „Integrationsprojektes Handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber (IHAFA)“ sollen landesweit bis zu 500 jüngere Asylsuchende und Flüchtlinge auf eine Handwerksausbildung im Ausbildungsjahr 2016/2017 vorbereitet werden. Das Vorhaben umfasst Maßnahme- Bestandteile zu Berufsorientierung, Eignungsfeststellung, Vermittlung in Praktika/Ausbildung sowie zur Beratung für interessierte Unternehmen und wird vom MW im Zeitraum 01.11.2015 bis 31.01.2017 mit rund 1,1 Millionen Euro aus Landesmitteln unterstützt. Vor dem Hintergrund des besonderen beruflichen Qualifizierungsbedarfs von Asylsuchenden und Flüchtlingen und im Hinblick auf einen möglichst frühzeitigen Eintritt in die Erwerbstätigkeit hat das MW im Rahmen des Förderprogramms „Qualifizierung und Arbeit (QuA)“ im August 2015 sowie im Dezember 2015 Förderaufrufe für Bildungsträger veröffentlicht, in deren Rahmen insbesondere Qualifizierungsprojekte für arbeitslose Asylsuchende und Flüchtlinge unterstützt werden sollen. Die Maßnahmen enthalten grundsätzlich Bausteine zur Berufsorientierung, Kompetenzfeststellung, beruflichen Qualifizierung und zur Vermittlung in Praktika, Ausbildung oder Beschäftigung. Für den ersten und zweiten Förderaufruf stehen jeweils rund 4 Millionen Euro aus Landes- und ESF-Mitteln zur Verfügung. Auch die zukünftigen Projekte in diesem Programm werden für Asylsuchende und Flüchtlinge geöffnet sein. Zur Gewinnung und Vorbereitung von Unternehmen für die Ausbildung und Beschäftigung von Flüchtlingen wurde mit Unterstützung des MW ferner die „Zentrale Beratungsstelle Arbeitsmarkt und Flüchtlinge (ZBS AuF)“ beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V eingerichtet. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erhalten hier mit leichter Erreichbarkeit via Website (www.zbsauf .info), Telefon-Hotline und E-Mail aktuelle Auskünfte zu rechtlichen und praktischen Fragen rund um die Ausbildung und Beschäftigung von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Die Förderung des MW beläuft sich im Zeitraum 16.11.2015 bis 15.11.2017 auf rund 100 000 Euro aus Landesmitteln. Außerdem unterstützt das MW das Welcome-Center-Projekt des Regionalen Fachkräftebündnisses SüdOstNiedersachsen. Das Welcome Center hat zum Ziel, in der Region Südostniedersachen die Willkommenskultur zu verbessern und internationale Fachkräfte, darunter auch Flüchtlinge, für die Region zu gewinnen. Unternehmen und internationale Fachkräfte werden von der Erstanlaufstelle (Welcome Center) zu den Themen Leben und Arbeiten in Deutschland beraten. Zunächst sind zwei Standorte in Wolfsburg und Braunschweig geplant. Die Förderung des MW beläuft sich im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2017 auf rund 200 000 Euro. (Ausgegeben am 22.04.2016) Drucksache 17/5607 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5372 Wie hoch sind die Kosten misslungener Integration? Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport