Niedersächsischer Landtag 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5572 - Wie viel Munition liegt noch in der Nordsee? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Horst Kortlang, Hillgriet Eilers, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 12.04.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 19.04.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 18.05.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Nach offiziellen Schätzungen werden mehr als 1,6 Millionen t Weltkriegsmunition in Nord- und Ostsee vermutet. Allein 2014 sind 117 Fundmeldungen mit 5 390 Objekten bei der „Zentralen Meldestelle für Munition im Meer“ in Cuxhaven eingegangen. Vorbemerkung der Landesregierung In beiden Weltkriegen war die Deutsche Bucht gegen ein Eindringen gegnerischer Schiffe durch eine Reihe von Minensperren gesichert. Im Zweiten Weltkrieg verminten die alliierten Luftwaffen die freigehaltenen Fahrwege dann ihrerseits massiv mit aus der Luft abgeworfenen Minen. Da die Nordseehafenstädte gleichzeitig Bauwerften und Marinestützpunkte waren, wurden sie im Verlauf der Kampfhandlungen massiv von der Luftwaffe angegriffen. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs erbeuteten die Engländer in ihrem Besatzungsgebiet konventionelle Munition und Kampfstoffmunition . Dies stellte die Sieger des Krieges vor enorme Herausforderungen. Die Versenkung im Meer bot sich damals als einfachste und sicherste Lösung an: Kampfstoffmunition wurde in allen damals halbwegs verwendbaren Häfen an der Nordseeküste umgeschlagen und überwiegend in die entfernteren , tiefen Gewässer im Skagerrak oder Nordatlantik verbracht. Konventionelle Munition wurde hingegen in der Deutschen Bucht bis nahezu an die Küstenlinie reichend versenkt. Mit der Neuorganisation des deutschen Meeresschutzes im Rahmen des Bund/Länder-Ausschusses Nord- und Ostsee (BLANO) erfolgte in der konstituierenden Sitzung am 27.02.2012 die formale Einsetzung des Expertenkreises „Munition im Meer“ unter der Federführung Schleswig-Holsteins. Damit trat der Expertenkreis an die Stelle der im Jahr 2008 unter dem Dach des Bund-Länder- Messprogramms (BLMP) etablierten Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Munitionsaltlasten im Meer“. Auf den Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer - Bestandsaufnahme und Empfehlungen“ aus 2011 sowie auf die jährlichen Fortschrittsberichte „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer - Entwicklungen und Fortschritt“ des Expertenkreises „Munition im Meer“ wird deshalb ergänzend verwiesen. Alle Berichte werden auf dem vom Land Schleswig- Holstein betriebenen Internetportal Munition im Meer (www.munition-im-meer.de) öffentlich zur Verfügung gestellt. Munition und ihre Bestandteile finden sich u. a. in Fischernetzen, werden am Meeresgrund entdeckt oder tauchen als Strandgut auf. Vorfälle mit Munition im Meer werden zentral und einheitlich durch eine gemeinsame Meldestelle der Küstenbundesländer in der gemeinsamen Leitstelle der Wasserschutzpolizeien der Länder im Maritimen Sicherheitszentrum in Cuxhaven erfasst. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 2 Für den Bereich der niedersächsischen Nordsee wurden 2014 31 und 2015 22 Fundmeldungen an die „Zentrale Meldestelle für Munition im Meer“ in Cuxhaven vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen (KBD) abgegeben. Daraus ergaben sich für 2014 2 297 und 2015 171 Objekte. Hierbei handelte es sich ausschließlich um Fundmunition, die durch Wattwanderer, Unterhaltungsarbeiten und Bautätigkeiten im Zusammenhang mit der Anbindung von Offshorewindkraftanlagen gemeldet und im Anschluss durch den KBD der fachgerechten Entsorgung zugeführt wurden. 1. Wie viel Munition liegt nach Kenntnis der Landesregierung aktuell noch im niedersächsischen Teil der Nordsee? Für den Bereich der deutschen Nordsee wird nach heutigem Kenntnisstand von einer Gesamtbelastung von ca. 1,3 Millionen t konventioneller Munition und ca. 90 t chemischer Munition ausgegangen . Genaueres Zahlenmaterial liegt aufgrund unvollständiger Aufzeichnungen nicht vor. Über eine Mengenverteilung der Munitionsbelastung auf die einzelnen Küstengebiete der Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen sind keine detaillierten Untersuchungsergebnisse vorhanden. Durch die erhöhte Anzahl an Munitionsversenkungsgebieten und munitionsbelasteten Gebieten im niedersächsischen Teil der Nordsee ist hier mit einem wesentlichen Anteil an der Gesamtbelastung zu rechnen. 2. Welche Arten von Munitionen liegen in jeweils welcher Menge aktuell nach Kenntnis der Landesregierung im niedersächsischen Teil der Nordsee? Auch im niedersächsischen Teil der Nordsee ist grundsätzlich mit allen Munitionsarten, die in den beiden Weltkriegen zum Einsatz gekommen sind, zu rechnen. Gestützt wird diese Auffassung auch durch vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz in den Jahren 1991/1992 beauftragte Untersuchungen in verschiedenen Versenkungsgebieten. Über die tatsächlichen Munitionsarten und Mengen in den belasteten Gebieten sind jedoch keine abschließenden Untersuchungsergebnisse bekannt. Konkrete Hinweise oder bestätigte Verdachtsmomente auf eine Versenkung oder Verklappung von Kampfstoffmunition im niedersächsischen Teil der Nordsee liegen bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vor. 3. Welche Munitionsversenkungsgebiete sind im niedersächsischen Teil der Nordsee bekannt ? Zusätzlich zu den bislang bekannten Munitionsversenkungsgebieten in der niedersächsischen Nordsee sind der Vollständigkeit halber auch die munitionsbelasten Flächen genannt. Dabei erhebt die Auflistung jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da nur unvollständige Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit vorliegen. Munitionsversenkungsgebiete: 1. Osterems, 2. Harle, 3. Minsener Oog, 4. Hooksielplate. Munitionsbelastete Flächen: 1. Norderney Watt/Lütetsburger Plate, 2. Nördlich Spiekeroog „Precautionary Area“, 3. Wangerooger Plate, 4. Wangerooge Strand, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 3 5. Außenjade, Schillig Watt, 6. Jade, Innere Jade, Jappensand, 7. Sahlenburger Watt, 8. Cuxhaven Duhner Watt. 4. Was kostet die Bergung und Entsorgung dieser Munition, und wer trägt die Kosten? Entstehende Kosten sind abhängig von der Menge, Art und Örtlichkeit der Munition sowie der zum heutigem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Technik. Da derzeit nicht alle Faktoren hinreichend bekannt sind und insbesondere im Hinblick auf die vermuteten Dimensionen der Belastungen (vgl. Antwort zu Frage 1), können belastbare Aussagen hinsichtlich voraussichtlich entstehender Kosten nicht abgegeben werden. Nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz (AKG) finanziert der Bund (Bundesministerium der Finanzen ) Maßnahmen zur Beseitigung von unmittelbaren Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen auf nicht bundeseigenen Liegenschaften, soweit die Gefahren von ehemals reichseigenen Kampfmitteln (Munition, Kampfstoff und -gerät) verursacht oder mitverursacht worden sind und ein Handlungs- oder Zustandsstörer nicht haftbar gemacht werden kann. Auf bundeseigenen Liegenschaften sind die jeweiligen Ressorts zuständig. Das AKG findet hier keine Anwendung . Die im Ressortvermögen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur stehenden Küstenbereiche von Nord- und Ostsee (Seewasserstraßen) sind bundeseigene Liegenschaften. Die notwendigen Ausgaben der von den Ländern im Bereich der Seewasserstraßen vorgenommenen Kampfmittelräummaßnahmen werden, wenn sie der Gefahrenabwehr dienen, aufgrund der Staatspraxis aus dem Haushalt des Bundes (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes) als Eigentümer der Wasserstraßen getragen. Im Übrigen bestimmt sich die Pflicht zur Kostentragung nach den Regelungen und Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts. 5. Wer ist für die Bergung und Entsorgung dieser Munition zuständig, von wem wird dies durchgeführt, und wie viele Personen gibt es, die dazu fähig sind? 6. Wo wird das geborgene Material entsorgt? Die Fragen 5 und 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zuständig für die Bergung und Zuführung zur Entsorgung der Munition aus der niedersächsischen Nordsee ist das Land Niedersachsen, wahrgenommen werden diese Aufgaben durch den KBD. Ehemals reichseigene Munition wird der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten mbH (GEKA) in Munster zugeführt, die die Entsorgung im Auftrag des Bundes durchführt. Andere (alliierte) Munition wird der GEKA bzw. anderen zertifizierten Entsorgungsbetrieben zur Entsorgung zugeführt. Derzeit stehen dem KBD 22 operative Einsatzkräfte zur Verfügung; nach Auskunft der GEKA verfügt diese momentan über 22 Personen, die direkt mit der Vernichtung konventioneller Munition beschäftigt sind. 7. Welche Auflagen gelten bei der Bergung von Munition aus dem Meer? Bei der Bergung von Munition aus dem Meer sind die gesetzlichen Vorgaben aus dem Sprengstoffgesetz , dem Arbeitsschutzgesetz und den diese Gesetze konkretisierenden Regelungen sowie die Vorgaben der zuständigen Gefahrenabwehrbehörden (wie z. B. der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes) zu beachten. Den örtlich zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern obliegt die Aufsicht über die Einhaltung des Sprengstoffrechtes und der Vorgaben des Arbeitsschutzes . Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 4 8. Welche Auflagen gelten bei der Entsorgung von Munition aus dem Meer? Der KBD selbst entsorgt keine Munition, sondern führt sie hierfür zertifizierten Entsorgungsbetrieben zur Entsorgung zu. Die Durchführung der Kampfmittelbeseitigung und Neben- und Vorarbeiten zur Kampfmittelbeseitigung durch private, gewerbliche Unternehmen unterliegt - im Gegensatz zu den auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung tätigen Dienststellen der Länder - den Anforderungen des Sprengstoffgesetzes (vgl. § 1 Abs. 4 Nr. 1 SprengG). Das bedeutet, dass solche Unternehmen eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis benötigen (§ 7 SprengG). Diese Erlaubnis ist an die Voraussetzung bestimmter Zuverlässigkeitskriterien geknüpft. Zur Durchführung von dem Sprengstoffgesetz unterliegenden Tätigkeiten hat der Erlaubnisinhaber sicherzustellen, dass nur fachkundige Personen diese Tätigkeiten ausüben. Der sprengstoffrechtliche Nachweis der Fachkunde erfolgt über sogenannte Befähigungsscheine (§ 20 SprengG), die personenbezogen ausgestellt werden und an bestimmte Voraussetzungen der persönlichen Eignung (§§ 8, 8 a, 8 b SprengG) und fachlichen Qualifikation (§ 9 SprengG) geknüpft sind. Den Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern obliegt die Aufsicht über diese gewerblichen Fachfirmen auch in Bezug auf das Sprengstoffrecht. Das Sprengstoffgesetz und seine Verordnungen bilden einen geeigneten und bewährten Rahmen für die staatliche Überwachung von Betrieben, die mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen. 9. Welche Umweltschäden sind durch die Munition schon entstanden, und welche sind noch zu erwarten? 10. Welche Belastung der Küstengewässer, insbesondere des Naturparks Wattenmeer, könnte mit der im Meer lagernden Munition verbunden sein? Die Fragen 9 und 10 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Umweltschäden durch Munition im Meer umfassen im Wesentlichen zwei Bereiche: den Eintrag von Schadstoffen aus der Munitionshülle, den Sprengstoffen etc. sowie von Lärmimmissionen bzw. Schalldruck. Was den Eintrag von Schadstoffen angeht, ist zunächst festzuhalten, dass abweichend von anderen Meeresgebieten in der niedersächsischen Nordsee keine Versenkungen von chemischen Kampfstoffen bekannt sind. Sehr seltene Einzelfunde sind Verlade- bzw. Transportvorgängen zuzurechnen, nicht aber einer gezielten Versenkung oder den Folgen von Kriegshandlungen . Der Bereich der ökotoxikologischen Auswirkungen von sprengstofftypischen Verbindungen auf die Meeresumwelt ist bisher nur vergleichsweise wenig erforscht. Was den Eintrag von schädlichen Substanzen, z. B. Schwermetalle, Treibmittel, Sprengstoffe aus versenkter Munition, in die Meeresumwelt angeht, gehen damit nach den Ergebnissen eines 2010 im Auftrag der Landesregierung erstellten Gutachtens keine schädlichen Einwirkungen auf die großräumige Meeresumwelt einher. Dies liegt darin begründet, dass durch die in der Regel sehr langsamen Prozesse wie Korrosion der Munitionshüllen u. ä. nur ein geringer Stoffeintrag je Zeiteinheit erfolgt, der wiederum durch Verdünnungs- und Strömungsprozesse auf ein Maß reduziert wird, das als sehr gering zu bewerten ist oder sich gegebenenfalls auch unter der Nachweisgrenze befindet. Kleinräumig, also im direkten Umfeld von versenkter Munition, sind schädliche Einflüsse derartiger Stoffeinträge auf Meeresorganismen jedoch nicht auszuschließen. Im Hinblick auf den Eintrag von Unterwasserschall und die damit potenziell verbundenen schädlichen Auswirkungen auf die Meeresumwelt ist zunächst festzustellen, dass in Niedersachsen Fälle einer unkontrollierten Selbstdetonation nicht nachgewiesen sind. Derartige Lärmereignisse beruhen also regelmäßig auf der gezielten Sprengung von Munition im Zuge von Maßnahmen der Gefahrenabwehr . Die hierbei auftretenden schädlichen Effekte betreffen insbesondere Meeressäuger wie Schweinswale und Robben und werden durch technische Maßnahmen auf das unvermeidbare Minimum reduziert. Hierzu werden sogenannte „Seal-Scarer“ eingesetzt, die die gefährdeten Tiere vor Durchführung der Sprengungsmaßnahmen aus dem Gefahrenbereich vergrämen. Ferner werden sogenannte Blasenschleier eingesetzt, die zur Minimierung der Schallimmissionen in das umliegende Meeresgebiet dienen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 5 Sofern die Munition verlagert werden kann, wird diese nach Möglichkeit auf trockenfallenden Sandbänken zur Explosion gebracht, ein direkter Eintrag von Unterwasserschall tritt dabei nicht auf. Ein Teil der unter Wasser gefundenen Munition kann an Land verbracht und entschärft werden, ein schädlicher Schalleintrag tritt dabei ebenfalls nicht auf. 11. Gab es bereits kritische Situationen bei baulichen Maßnahmen, z. B. beim Verlegen von Leitungen oder beim Bau von Windparks, und, wenn ja, wo, welche und wie wurden diese Situationen gelöst? Die Anbindung des Offshorewindparks Riffgat durch die Firma TenneT hatte sich verzögert, weil insbesondere im Trassenbereich der Osterems wesentlich größere Mengen an Munition gefunden wurden, als zuvor durch Sondierungen (im Auftrag der Firma TenneT) abgeschätzt worden waren. Allerdings war im Zusammenhang mit der Trassengenehmigung seinerzeit allen Beteiligen bekannt , dass dort in Teilbereichen ein laut Seekarte „unreines Gebiet (Munition)“ vorlag. Der KBD hatte im Vorfeld bei seinen Beratungen und im Rahmen von Beteiligungsverfahren explizit auf mögliche Kampfmittelbelastungen hingewiesen. Durch den verstärkten Einsatz gewerblicher Kampfmittelräumfirmen , zusätzliche Technik und den durchgängigen Abtransport bzw. die Durchführung erforderlicher Sprengungen der Kampfmittelfunde seitens des KBD konnte die Baumaßnahme dennoch ohne signifikante Verzögerung erfolgreich abgeschlossen werden. Während der Bauphase wurden durch den KBD in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 30 t Munition der Entsorgung zugeführt . Durch entsprechend frühzeitige und hinreichende Planung und Vorbereitung lassen sich Verzögerungen vermeiden oder zumindest reduzieren. 12. Gab es in den vergangenen Jahren Unfälle durch subaquatische Kampfmittel, und, wenn ja, wo und in welcher Art? Dem KBD wurden in den vergangen Jahren keine Unfälle mit subaquatischen Kampfmitteln (Kampfstoffmunition) gemeldet. Lediglich im Zuge der Bauarbeiten zum JadeWeserPort in Wilhelmshaven hatte sich im Jahr 2009 eine Explosion ereignet. Ein Schwimmbagger hatte dort einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg angesogen, dabei explodierte die Bombe. Verletzt wurde niemand, der Schneidkopf des 48 m langen Baggers wurde jedoch zerstört. Im Spülfeld der damaligen Großbaustelle waren fast täglich rund um die Uhr mehrere Schwimmbagger im Einsatz. Die Wasserfahrzeuge saugten Sand auf und spülten ihn weg. Wilhelmshaven war während des Zweiten Weltkriegs immer wieder Ziel von Bombenangriffen durch die Alliierten. 13. Existiert die Bund/Länder- Arbeitsgruppe „Munition im Meer“ noch, und, wenn ja, welche Aufgaben hat sie, und wie wird sie finanziert? Wie in der Vorbemerkung bereits ausgeführt, erfolgte die formale Einsetzung des Expertenkreises „Munition im Meer“ unter der Federführung Schleswig-Holsteins als Nachfolgeorganisation der im Jahr 2008 unter dem Dach des Bund-Länder-Messprogramms (BLMP) etablierten Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Munitionsaltlasten im Meer“ in der konstituierenden Sitzung des Bund/Länder-Ausschusses Nord und Ostsee (BLANO) am 27.02.2012. Als Auftrag des Expertenkreises wurde gemäß BLANO-Beschluss zu TOP 9 vom 27.02.2012 festgehalten : „Aus den wesentlichen Empfehlungen der AG (=> BLMP-ad-hoc-AG) leiten sich folgende, durch den Expertenkreis zu initiierende bzw. fachlich zu begleitende Handlungsstränge ab: – Maßnahmen zum Umgang mit Gefahrensituationen: – Einrichtung einer nationalen registrierenden Stelle für Vorkommnisse mit Kampfmitteln im Einflussbereich Meer (auf See, in Küsten- und Uferbereichen) beim maritimen Sicherheits- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 6 zentrum in Cuxhaven in Erfüllung des Beschlusses der Nord IMK vom 08.09.2011 (FF IM SH), – Entwicklung und Fortschreibung eines Munitionskatasters, – Entwicklung von einheitlichen Merkblättern, – Entwicklung von neuen Beseitigungsmethoden mit verbesserter Umweltverträglichkeit im Rahmen von Forschungsprojekten unter Beteiligung der Wirtschaft, – Maßnahmen zur Vervollständigung des weiterhin lückenhaften Lagebilds: – Intensivierung von Archivrecherchen; Initiative zur Durchführung entsprechender Projekte in Zusammenarbeit mit Hochschulen, – Weitergehende Untersuchungen von bekannten Munitionsversenkungsgebieten und Munitionsverdachtsflächen , – Entwicklung von geeigneten Methoden und gegebenenfalls Initiierung von Untersuchungen zur Umweltbelastung mit Kampfmitteltypischen Verbindungen und Überwachung der Umweltauswirkungen , – Maßnahmen zur zukunftsorientierten Bewertung: – Im Einklang mit den o. a. Maßnahmen zur Verbesserung des Lagebilds Entwicklung eines systematischen Verfahrens zur Risikobewertung (risk assessment) und Priorisierung munitionsbelasteter Flächen. Kernaufgaben des Expertenkreises sind die mindestens jährlich erfolgende Aktualisierung und Fortschreibung des Berichts sowie die Ausübung eines Controllings bei der Umsetzung der Empfehlungen . Der Expertenkreis kann themenbezogen auch externe Experten als Berater hinzuziehen . Darüber hinaus kann der Expertenkreis auf Anforderung der beteiligten Ministerien oder des BLANO die Koordination bei der Beantwortung von Fachfragen und in fachgerechter Weise eine situationsbezogene Medienarbeit sowie die Kommunikation mit Interessengruppen sicherstellen. Angesichts relevanter internationaler Bestrebungen (UNO, OSPAR, HELCOM) und der auch international anerkannten, herausragenden Bedeutung des deutschen Leuchtturmprojekts www.muni tion-im-meer.de kann der Expertenkreis als fachlich versierter Kern des bestehenden Kompetenznetzwerks auf Bitten der verantwortlichen Stellen zwecks Begleitung und Mitwirkung zu diesen übergreifenden Prozessen hinzugezogen werden. Entsprechende personelle Synergien bestehen bereits im Rahmen der AG HELCOM MUNI und sind, insbesondere in Bezug auf die sich abzeichnende polnische Initiative zur Etablierung des Themenschwerpunkts ‚konventionelle Munition‘ für den Ostseebereich, fortzuführen bzw. zu intensivieren.“ Gesonderte Finanzierungsmittel stehen dem Expertenkreis „Munition im Meer“ nicht zur Verfügung. Die Arbeit erfolgt nach den Grundsätzen der Vorgänger-AG, d. h. Zuständigkeiten und Finanzierung sind nicht Gegenstand der Arbeit im Expertenkreis. Die Mitglieder des Expertenkreises arbeiten im Rahmen ihrer gesetzlichen und haushaltsmäßigen Grenzen, ihnen für die Arbeit im Expertenkreis entstehende Kosten (z. B. Reisekosten) werden aus Mitteln des laufenden Dienstgeschäftes des jeweiligen Dienstherrn gedeckt. 14. Welche Forschungsprojekte gibt es zu dem Thema „Munition im Meer“? Trotz der möglichen Risiken infolge der wachsenden wirtschaftlichen Nutzung der Küstengewässer sind die technischen Mittel und Verfahren zur Bergung von Munition im Meer nicht wesentlich fortentwickelt worden. Auch werden Verfahren zur Risikobewertung von munitionsbelasteten Gebieten nicht einheitlich angewandt. Um hier Lösungsansätze zu entwickeln, werden gegenwärtig Forschungsvorhaben vorbereitet oder bereits durchgeführt. Insbesondere im letzten Jahr hat die kontinuierlich vorangetriebene nationale und internationale Vernetzung des Expertenkreises „Munition im Meer“ hierbei zur Fortentwicklung beigetragen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5753 7 Einen Überblick über die vielfältigen Forschungsprojekte auf diesem Gebiet bieten die bereits eingangs erwähnten jährlichen Fortschrittsberichte „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer - Entwicklungen und Fortschritt“ des Expertenkreises „Munition im Meer“, auf die hierzu verwiesen wird. (Ausgegeben am 26.05.2016) Drucksache 17/5753 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5572 - Wie viel Munition liegt noch in der Nordsee? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Horst Kortlang, Hillgriet Eilers, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Stefan Birkner (FDP)