Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/5784 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5646 - Wie steht die Landesregierung zu einer Senkung der Verzugszinsen bei Steuernachzahlungen ? Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 26.04.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 04.05.2016 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 20.05.2016, gezeichnet Peter-Jürgen Schneider Vorbemerkung des Abgeordneten Medienberichten zufolge schlägt der hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer (CDU) eine Initiative zur Senkung von Verzugszinsen bei Steuernachzahlungen vor. Diese in ihrer heutigen Form seit 1990 bekannten Zinsen wurden ursprünglich zum Ausgleich einer zeitlich ungleichmäßigen Heranziehung zur Steuer eingeführt. Eine Bereicherung durch verspätetes Zahlen von Steuern sollte somit verhindert werden. Da der Zinssatz bei Steuernachzahlungen mit 6 % jedoch deutlich über dem dauerhaft niedrigen Marktzins liegt, werden von verspäteten Steuerzahlern weit mehr als etwaige Zinsvorteile abgeschöpft. Nach Einschätzung einzelner Juristen habe sich durch die dadurch entstandenen hohen Einnahmen eine verdeckte Zusatzsteuer entwickelt. Vorbemerkung der Landesregierung Der Vorschlag des hessischen Finanzministers Dr. Thomas Schäfer bezieht sich auf den Zinssatz bei der sogenannten Vollverzinsung. Diese soll die Liquiditätsvor- und -nachteile ausgleichen, die sich daraus ergeben, dass die entstandenen Steuern z. B. aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsformen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und im Einzelfall erst sehr spät fällig werden. Die Verzinsung ist verschuldensunabhängig, wirkt gleichermaßen sowohl für als auch gegen den Steuerpflichtigen und dient letztendlich der Steuergerechtigkeit. Es handelt sich ausdrücklich nicht um einen Verzugszins bzw. einen Zins für verspätetes Zahlen von Steuern. Der Zinssatz beträgt gemäß §§ 233 a und 238 AO 0,5 % für jeden vollen Zinsmonat. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass im Regelfall keinerlei Verzinsung erfolgt, weil der Verzinsungszeitraum erst 15 Monate nach Entstehung der Steuer überhaupt beginnt. Auch berechnet sich die Verzinsung selbst bei langen Zinszeiträumen anders als bei Banken ohne Zinseszinseffekt ausschließlich auf Basis der Hauptsteuerbeträge. Beides zusammengenommen relativiert den angeführten Jahreszinssatz von 6 %, der tatsächlich nicht erreicht wird. 1. Hat sich die Landesregierung bisher gegenüber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dafür eingesetzt, den Zinssatz bei Steuernachzahlungen dem Marktzins anzunähern? Die Landesregierung hat sich bisher nicht gegenüber dem Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hinsichtlich des Zinssatzes bei Steuernachzahlungen positioniert. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5784 2 2. Unterstützt die Landesregierung den Vorschlag des hessischen Finanzministers Schäfer (CDU), die Zinssätze für Nachzahlungen und Erstattungen an die Entwicklungen der Zinssätze am Kapitalmarkt zu koppeln? Der hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer schlägt in einem Brief an Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble und die Finanzminister der Länder u. a. vor, zukünftig unterschiedliche Zinssätze für Nachzahlungen und Erstattungen zu erheben und diese künftig an den Marktzins zu koppeln. In seiner Begründung führt er hierzu aus, dass man den Fiskus mit einer Bank vergleichen könne: Bekommt der Bürger Geld vom Staat erstattet, legt er sein Geld also fiktiv beim Staat an, sollte sich der Zinssatz am Niveau von Einlagezinsen orientieren. Derzeit tendieren diese gegen Null. Schuldet der Bürger dem Finanzamt aber Geld, das er zurückzahlen muss, dann sollten sich seine Nachzahlungszinsen an Zinsen für Kredite orientieren. Hiergegen bestehen grundsätzliche Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt bei der verfassungsrechtlichen Bewertung des pauschalierten Zinssatzes u. a., dass die Vollverzinsung nach § 233 a AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt. Kommt es aufgrund einer Überzahlung des Steuerpflichtigen zu einer Erstattung, hat der Staat dem Steuerpflichtigen den entstandenen Zins- und Liquiditätsnachteil in der pauschalierten Höhe zu ersetzen. Dies sei nach Auffassung des Gerichts gerade dann von Bedeutung, wenn sich der Steuerpflichtige zur Erhaltung seiner Liquidität die erforderlichen Mittel gegebenenfalls anderweitig, z. B. auf dem Kapitalmarkt, leihen musste. Unterstellt man allgemein, der Steuerpflichtige befände sich bei der (Über-)Zahlung von Steuerbeträgen stets in einer Geldanlegesituation, berücksichtigt man die Interessen der letztgenannten Steuerpflichtigen nicht ausreichend. Daneben sollte bei der ohnehin schwierigen Darstellbarkeit der Zinsberechnung die Vermittelbarkeit gegenüber dem Steuerbürger nicht aus den Augen verloren werden. 3. Inwiefern sieht die Landesregierung verfassungsrechtliche Notwendigkeiten, den Zinssatz auf Steuernachzahlungen zu senken? Die Vollverzinsung ist - zumindest für die bisher entschiedenen Zinszeiträume - verfassungsgemäß . Der Gesetzgeber muss aus verfassungsrechtlichen Gründen den Zinssatz nicht an die Entwicklung der Zinsen im Kapitalmarkt anpassen. Bei einem Vergleich des gesetzlichen Zinssatzes mit den Marktzinsen sind nach Auffassung der Gerichte nicht allein die Zinssätze für Festgeldanlagen , sondern auch für Dispositionskredite und Darlehen heranzuziehen. Die gesetzlichen Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 bzw. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) sowie die banküblichen Zinsen für Dispositionskredite liegen über bzw. nicht wesentlich unter dem Zinssatz der §§ 233 a und 238 AO, insbesondere wenn man die lange zinsfreie Zeit einbezieht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Steuerverwaltung nicht durch einen marktüblichen Zins in Konkurrenz zur Kreditwirtschaft treten will, sondern die zeitnahe Vereinnahmung von Steuern zum Ziel hat. 4. Wie hoch sind die jährlichen Einnahmen des Fiskus aus gezahlten Verzugszinsen? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, handelt es sich bei den Vollverzinsungszinsen, die Gegenstand des Vorschlags des hessischen Finanzministers sind, nicht um Verzugszinsen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/5784 3 Das Zinsaufkommen nach § 233 a AO ist starken Schwankungen unterworfen und stellt sich in Niedersachsen für 2015 wie folgt dar: Nachforderungszinsen 2015 Erstattungszinsen 2015 Saldo 2015 Einkommensteuer 88 693 631 Euro -58 888 948 Euro 29 804 683 Euro Umsatzsteuer 40 406 814 Euro -26 162 550 Euro 14 244 264 Euro Körperschaftsteuer 30 308 468 Euro -66 077 604 Euro -35 769 136 Euro Summe 159 408 913 Euro -151 129 102 Euro 8 279 811 Euro Das Aufkommen sämtlicher Zinsen steht der jeweils für die verzinste Steuerart steuerberechtigten Körperschaft (Bund/Länder/Gemeinden) zu. Bei dem im Landeshaushalt damit verbleibenden Anteil kann nicht von hohen Einnahmen in Form einer verdeckten Zusatzsteuer geredet werden. (Ausgegeben am 02.06.2016) Drucksache 17/5784 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5646 Wie steht die Landesregierung zu einer Senkung der Verzugszinsen bei Steuernachzahlungen? Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums