Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6077 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5794 - VW: Sitzt die Landesregierung am Katzentisch, oder waren ihr die Neuigkeiten der Bild am Sonntag bereits vor dem 8. Mai 2016 bekannt? Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 25.05.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 31.05.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 28.06.2016, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Am 8. Mai 2016 berichtet die Bild am Sonntag von einem „Sondertermin“ der Qualitätssicherung mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Winterkorn im November 2013. Demnach wurde Dr. Winterkorn „auf die ‚grenzwertige Verbrauchssituation‘ gegenüber den Kunden aufmerksam“ gemacht (BamS, 8. Mai 2016). Die BamS lichtete einen VW-internen „Wettbewerbsvergleich Soll- Ist-Verbrauch“ ab. Weiter heißt es dort, dass VW von einem erheblichen Mangel seiner Fahrzeuge ausgehen müsse, weil die Verbrauchs- und CO2-Werte mehr als 10 % über den Katalogwerten lägen . Ein Techniker warnte bereits im Jahr 2011 vor illegalen Praktiken im Zusammenhang mit Abgaswerten . Michael Horn, ehemaliger VW-Chef in den USA, hat nach eigenen Angaben erstmals im Frühjahr 2014 von Unregelmäßigkeiten bei den Dieselmotoren erfahren und diesen Umstand dann mehrfach nach Deutschland gemeldet. Die BamS berichtet ferner von einer internen Analyse aus dem Juli 2014 und von „zunehmenden Behördenaktivitäten“, die Strafzahlungen und Nachzahlungen in Europa, USA und Korea erwarten ließen. Laut einem Sitzungsprotokoll vom 17. Juli 2014 soll sich der Vorstandsvorsitzende Dr. Winterkorn zu diesem Sachverhalt geäußert haben. Am 22. September 2015 informierte die Volkswagen AG, dass sie „keinerlei Gesetzesverstöße“ dulde, und am 23. September 2015 übernahm der Vorstandsvorsitzende Dr. Winterkorn die Verantwortung für die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren mit dem Hinweis „Ich tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin.“ In der Zwischenzeit hat VW den größten Verlust der Firmengeschichte eingefahren, eine Rückstellung in Höhe von über 16 Milliarden Euro für die unabsehbaren Folgen der betrügerischen Abgasmanipulationen getätigt und einen Negativrekord bei der Dividende erzielt. Dr. Winterkorn erhält nach fast 16 Millionen Euro Vergütung für das Jahr 2014 für seine Leistungen im Jahr 2015 nur noch 7,3 Millionen Euro. Der Aufsichtsrat bedenkt den Gesamtvorstand für die Leistungen im Jahr 2015 mit etwas über 60 Millionen Euro. Vorbemerkung der Landesregierung Die Volkswagen AG hatte im Rahmen der internen Untersuchungen zur Manipulation an Dieselmotoren einen Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Bestimmung des CO2-Wertes für die Typzulassung festgestellt. Das Unternehmen ist am 3. November 2015 mit der Problematik von abweichenden CO2-Werten von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen und hat interne und externe Ermittler sowie die Staatsanwaltschaft Braunschweig eingeschaltet und BMVI und das KBA über den Sachverhalt unterrichtet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6077 2 Am 9. Dezember 2015 teilte die VW AG mit, dass nach umfassenden internen Prüfungen und Messkontrollen fast alle Modellvarianten doch den ursprünglich festgestellten CO2-Werten entsprechen . Bei den internen Nachmessungen wurden nur noch bei neun Modellvarianten der Marke Volkswagen leichte Abweichungen festgestellt. Der Verdacht auf rechtswidrige Veränderung der Verbrauchsangaben von aktuellen Serienfahrzeugen habe sich nicht bestätigt. 1. Vor dem Hintergrund der Berichterstattung am 8. Mai 2016: Ist den Aufsichtsräten Weil und Lies der abgedruckte VW-interne „Wettbewerbsvergleich Soll-Ist-Verbrauch“ aus dem November 2013 bekannt? Ja, nachdem die Aufsichtsräte Weil und Lies durch die Berichterstattung in der BamS darauf aufmerksam gemacht worden waren, haben sie sich von der Volkswagen AG die Tabelle vorlegen lassen . 2. Wurde die Thematik „Wettbewerbsvergleich Soll-Ist-Verbrauch“ mit den Aufsichtsräten Weil und Lies und/oder der Landesregierung erörtert? Ja, die Thematik wurde am 10. Mai im Aufsichtsrat erörtert. 3. Vor dem Hintergrund der Berichterstattung am 8. Mai 2016: Geht die Landesregierung inzwischen davon aus, dass der Vorstand der Volkswagen AG schon vor dem August 2015 von den betrügerischen Abgasmanipulationen bei VW Kenntnis gehabt hatte? Der hier zitierte BamS-Artikel vom 8. Mai bezieht sich auf Fragen des CO2-Ausstoßes. Dies hat nichts mit den Abgasmanipulationen an Dieselmotoren (NOX-Thematik) zu tun. Gegenstand der zurzeit laufenden Ermittlungen, insbesondere der Kanzlei Jones Day, der Staatsanwaltschaft und diverser Behörden in den USA und in anderen Ländern, ist die NOX-Thematik. 4. Wenn ja: Seit wann hat der Vorstand der VW AG Kenntnis von den betrügerischen Abgasmanipulationen bei VW? Entfällt, siehe Frage 3. 5. Vor dem Hintergrund der Berichterstattung am 8. Mai 2016, hier: „BamS vorliegende Unterlagen dokumentieren, wie VW jahrelang Behörden austrickste und geschönte Angaben in Verkaufskatalogen vertuscht hat - mit Wissen von Ex-Chef Martin Winterkorn (68)“: Wie wertet die Landesregierung die Äußerung von Dr. Winterkorn in seiner Erklärung vom 23. September 2015: „Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren“? Die zitierte Berichterstattung bezieht sich auf den CO2-, die zitierte Äußerung auf den NOX-Ausstoß . 6. Sind den Aufsichtsräten Weil und Lies die im BamS Artikel „Der CO2-Schwindel!“ beschriebenen Sachverhalte bekannt? Ja, denn das Unternehmen ist am 3. November 2015 aufgrund des Verdachts von Unregelmäßigkeiten bei CO2-Werten von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen, siehe Vorbemerkung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6077 3 7. Wenn ja: Seit wann, und was wurde daraufhin von den Aufsichtsräten Weil und Lies veranlasst? Den Aufsichtsräten Weil und Lies ist der Sachverhalt seit dieser Unterrichtung vom 3. November 2015 bekannt. Eine Information der entsprechenden Stellen war bereits erfolgt, siehe Vorbemerkung Die Thematik wurde im Aufsichtsrat erörtert. 8. Was ist nach Auffassung der Landesregierung mit einer „grenzwertigen Verbrauchssituation gegenüber den Kunden“ (BamS, 8. Mai 2016) durch die Qualitätssicherung bei VW gegenüber Dr. Winterkorn im November 2013 beschrieben worden? Spekulationen über die im o. g. Artikel getätigten Aussagen stellt die Landesregierung nicht an. 9. Hätte nach Auffassung der Landesregierung und heutiger Erkenntnislage der Vorstandsvorsitzende seinerzeit anders reagieren müssen oder können? Siehe Vorbemerkung. 10. Wenn ja: Wie hätte der Vorstand der VW AG mit seinem Wissen gegenüber dem Aufsichtsrat umgehen müssen? Entfällt. 11. Hatte oder hat die Landesregierung Kenntnis vom erwähnten Sitzungsprotokoll vom 17. Juli 2014, aus dem die Anordnung von Dr. Winterkorn hervorgeht, dass zukünftig die „Ziellücken zwischen Verbrauchsangaben und gemessenem Verbrauch“ mit technischen Innovationen zu schließen sind? Nein. 12. Wenn ja: Wie haben die Aufsichtsräte Weil und Lies auf diese „Ziellücken“ reagiert? Entfällt. 13. Wenn nein: Wie erklären sich die Aufsichtsräte Weil und Lies den Umstand, dass der Vorstand der VW AG den Aufsichtsrat über solche gravierenden Entwicklungen nicht informiert? Siehe Vorbemerkung. 14. Wurden die Erkenntnisse, z. B. das Vorliegen von erheblichen Mängeln mit der Folge von Rückgaberechten, gegenüber dem Aufsichtsrat durch den Vorstand in angemessener Art und Weise kommuniziert? Die Aussagekraft und statistische Vergleichbarkeit der im Artikel abgedruckten Tabelle „Wettbewerbsvergleich Soll-Ist-Verbrauch“ ist unklar. Es kann so nicht nachvollzogen werden, ob tatsächlich erhebliche Mängel vorlagen und welche Rechtsfolgen ausgelöst worden wären. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 15. Wenn ja: Welche Folgerungen oder Konsequenzen wurden durch die Aufsichtsräte Weil und Lies gezogen/eingeleitet oder veranlasst? Entfällt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6077 4 16. Sind den Aufsichtsräten Weil und Lies die zitierten „Handlungsempfehlungen“ der VW- Qualitätssicherung bekannt? Nein. 17. Wenn ja: Seit wann? Entfällt. 18. Stellt das Vorenthalten solcher Informationen, wie sie im BamS-Artikel „Der CO2- Schwindel!“ beschrieben werden, gegenüber dem Aufsichtsrat oder den Aufsichtsräten Weil und Lies einen Verstoß des Vorstandes gegen die Sorgfaltspflichten (z. B. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) und Berichtspflichten (§ 90 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 90 Abs. 2 Satz 3 AktG) gegenüber dem Aufsichtsrat dar? 19. Wenn nicht: Warum nicht? 20. Weshalb hat sich der Vorstand der VW AG nach Auffassung der Landesregierung trotz des Wissens der Jahre 2013, 2014 und 2015 an die gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflicht , hier die Sorge für ein gesetzmäßiges Verhalten der VW AG im nationalen und internationalen Rechtsverkehr oder die Beachtung der Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung z. B. im Sinne der Risikominimierung, gehalten? 21. Ist der Vorstand der VW AG nach Meinung der Aufsichtsräte Weil und Lies den Berichtspflichten nach § 90 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 90 Abs. 2 Satz 3 regelmäßig und ausreichend in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nachgekommen? Die Fragen 18 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Einhaltung der Sorgfalts- und Berichtspflichten des Vorstands ist u. a. Gegenstand von laufenden Prüfungen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 22. Vor dem Hintergrund, dass man bei VW seit mindestens 2013 weiß, dass bei einigen Modellen ein „erheblicher Mangel“ vorliegt, da der CO2-Ausstoß 10 % über der offiziellen Angabe liegt und damit das Rückgaberecht bei den Kunden eintritt: War dieser Sachverhalt den Aufsichtsräten Weil und Lies bekannt? 23. Wenn ja: Seit wann? 24. Wenn nicht: Liegt aus Sicht der Landesregierung hier ein Verstoß des Vorstandes der VW AG in Bezug auf die Anwendung des § 90 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 90 Abs. 2 Satz 3 AktG vor? Die Fragen 22 bis 24 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die in Frage 22 behaupteten Erkenntnisse über „erhebliche Mängel“ liegen nicht vor, vgl. Frage 14. 25. Werden sich die Vertreter der Landesregierung im Aufsichtsrat von VW dafür einsetzen, dass den Kunden dieser besonders betroffenen Fahrzeuge ein Rückkaufangebot gemacht wird, oder müssen diese Kunden hierfür den Rechtsweg beschreiten? Siehe Vorbemerkung. (Ausgegeben am 13.07.2016) Drucksache 17/6077 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5794 VW: Sitzt die Landesregierung am Katzentisch, oder waren ihr die Neuigkeiten der Bild am Sonntag bereits vor dem 8. Mai 2016 bekannt? Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr