Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6122 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5989 - Unwetter im Kreis Paderborn zerlegt Windrad - Passierte Ähnliches auch in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 14.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 28.06.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 20.07.2016, gezeichnet In Vertretung Almut Kottwitz Vorbemerkung der Abgeordneten Ein Unwetter hat in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen am Abend des 22. Mai 2016 erhebliche Schäden verursacht. Unter anderem wurde durch das Unwetter eine Windkraftanlage in der Nähe der B 68 zwischen Paderborn und Borchen zerstört. Von der mit 70 m Höhe vergleichsweise kleinen und Medienberichten zufolge älteren Anlage seien zwei Flügel abgerissen worden, ein weiterer Flügel hänge zerfetzt und abgeknickt noch an der Maschinengondel. Die Pressesprecherin des Kreises Paderborn wird mit den Worten zitiert, das Windrad sei „regelrecht zerlegt worden“, Trümmerteile seien bis zu 250 m weit geschleudert worden und steckten in einem Feld. Laut WDR wird vermutet, dass starke Windböen oder Blitzeinschlag die Anlage zerstört hätten. Die Neue Westfälische berichtet weiter, dass an der Gondel Brandspuren sichtbar seien. Daher gehe der Leiter der Borchener Feuerwehr davon aus, dass die Anlage von einem Blitz getroffen worden sei. Vorbemerkung der Landesregierung Bei den Windkraftanlagen des Typs Tacke TW 600 handelt es sich um Anlagen mit einer Nabenhöhe von mindestens 50 m, einem Rotordurchmesser von 43 m und einer Nennleistung von 600 kW. Die Anlagen wurden bereits vor mehr als 20 Jahren errichtet und werden heute nicht mehr vertrieben. Die Anlagen wurden bis zum 30.06.2005 sowohl baurechtlich als auch in Windparks mit drei oder mehr Anlagen immissionsschutzrechtlich genehmigt. Seit dem 01.07.2005 bedürfen auch einzelne Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von 50 m oder mehr einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). Anlagen, die vor dem 01.07.2005 errichtet waren oder mit deren Errichtung begonnen wurde, waren gemäß § 67 BImSchG anzuzeigen. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung, welche konkrete Ursache wie Blitzschlag , Materialermüdung o. Ä. zur Zerstörung des Windrads führte? Es liegen keine Erkenntnisse zur Ursache vor, die zur Zerstörung der Rotorblätter der nordrheinwestfälischen Windenergieanlage während des Unwetters am 22.05.2016 führte. Auch der Abtei- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6122 2 lung Bauen des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein -Westfalen liegen noch keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor. 2. Wie viele Anlagen dieses Typs stehen in Niedersachsen? Über die Anzahl der Anlagen liegen keine gesicherten Angaben vor. Nach Auswertung der in der zur Verfügung stehenden Zeit erhaltenen auswertbaren Rückmeldungen der zuständigen Behörden werden in Niedersachsen mindestens 95 Anlagen des Typs Tacke TW 600 betrieben. Für einen Windpark mit 39 Anlagen im Landkreis Wittmund wird zurzeit ein Repoweringverfahren durchgeführt , sodass davon auszugehen ist, dass diese 39 Anlagen in den nächsten zwei Jahren außer Betrieb genommen und abgebaut werden. 3. Können Wartungsmängel an der Anlage ausgeschlossen werden? Wartungsmängel an der nordrhein-westfälischen Anlage sind hier nicht bekannt. Das Land Nordrhein -Westfalen kann Wartungsmängel zwar nicht ausschlließen, aber auch dort liegen keine Hinweise auf Wartungsmängel vor. 4. Wie oft müssen Windkraftanlagen gewartet werden, und wer überprüft dies? Grundsätzlich ist nach dem Bauordnungsrecht seit 2005 durch Bekanntmachung der Richtlinie für Windenergieanlagen als Technische Baubestimmung festgelegt, dass wiederkehrende Prüfungen in regelmäßigen Intervallen durch Sachverständige an Maschine und Rotorblättern sowie an der Tragstruktur (Turm und zugängliche Bereiche der Fundamente) durchzuführen sind. Die Prüfintervalle hierfür ergeben sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen zur Maschine, die im Genehmigungsverfahren vorzulegen sind. Sie betragen höchstens zwei Jahre, dürfen jedoch auf vier Jahre verlängert werden, wenn durch von der Herstellerfirma autorisierte Sachkundige eine laufende (mindestens jährliche) Überwachung und Wartung der Windenergieanlage durchgeführt wird. Die regelmäßige Überprüfung der technischen Einrichtungen regelt sich nach dem Wartungspflichtenbuch des Herstellers. Für Anlagen, die vor Bekanntmachung der Richtlinie für Windenergieanlagen genehmigt wurden, sind entsprechende Regelungen durch einen Erlass des MS vom 21.05.2003, auch für damals bereits bestehende Anlagen, verfügt worden. Die Überwachung, ob die wiederkehrenden Prüfungen durchgeführt werden, erfolgt durch die unteren Bauaufsichtsbehörden. 5. Inwiefern kann die Landesregierung ausschließen, dass es sich um bauarttypische Mängel der Anlage handelt? Da die konkrete Ursache, die zur Zerstörung der nordrhein-westfälischen Anlage geführt hat, noch nicht bekannt ist, liegen keine Hinweise vor, die bauarttypische Mängel vermuten lassen. 6. Gab es ähnliche Unfälle auch in Niedersachsen und, wenn ja, wo? Im Zusammenhang mit Blitzeinschlägen bzw. Unwettern sind der Landesregierung Ereignisse vom 30.10.2000 und 31.03.2004 bekannt, die bei Windkraftanlagen des Typs Tacke TW 600 im Landkreis Wittmund aufgetreten sind. Zur Havarie am 31.03.2004 ist festzustellen, dass der Betreiber während eines Sturms mit starken Böen die Anlage in einer „Sturmpause“ manuell in Betrieb nahm, nachdem die Anlage sich bereits automatisch abgeschaltet hatte. 7. Was unternimmt die Landesregierung, um weitere Unfälle dieser Art zu verhindern? Durch Nr. 3.2.5 des gem. RdErl. d. MU, d. ML, d MS, d. MW und d. MI vom 24.02.2016 zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen an Land (Windenergieerlass) ist geregelt, dass nach Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6122 3 der Abnahmeprüfung einer neu errichteten oder genehmigungspflichtig geänderten Anlage sie von der zuständigen unteren Immissionsschutzbehörde zu überwachen ist. Wenn die Genehmigungsauflagen eine periodisch wiederkehrende Überprüfung einschließlich einer Vor-Ort-Inspektion durch eine sachverständige Person in höchstens vierjährigem Abstand vorsehen, kann die behördliche Überwachung auf die Kontrolle der diesbezüglichen Dokumentation eingeschränkt werden. Ist dies nicht der Fall, empfiehlt das MU als oberste Immissionsschutzbehörde des Landes, sich anlassunabhängig mindestens in einem fünfjährigen Turnus mit einer Vor-Ort-Besichtigung vom ordnungsgemäßen Zustand der Anlage und ihres Betriebes zu überzeugen. Unberührt hiervon bleiben extern veranlasste Überwachungstätigkeiten etwa aufgrund von Nachbarschaftsbeschwerden, Hinweisen anderer Behörden oder aus Anlass von Betriebsstörungen. Durch Erlass des MS an die unteren Bauaufsichtsbehörden und unteren Immissionsschutzbehörden vom 12.02.2014 wurde geregelt, dass Schadensereignisse, deren Ursache nachweislich durch die Beschaffenheit der Windenergieanlage begründet ist, den zuständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern als Marktüberwachungsbehörden zu melden sind. Damit soll erreicht werden, dass notwendige Korrekturmaßnahmen, zu denen erforderlichenfalls auch technische Maßnahmen gehören , durch die zuständige Marktüberwachungsbehörden veranlasst werden können. (Ausgegeben am 27.07.2016) Drucksache 17/6122 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5989 Unwetter im Kreis Paderborn zerlegt Windrad - Passierte Ähnliches auch in Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz